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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.07.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 1283/05
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:
BetrVG § 37 Abs. 2 | |
BetrVG § 37 Abs. 6 | |
BetrVG § 40 |
Insoweit genügen allerdings hinreichende Anhaltspunkte, erste Anzeichen dafür, dass Mitarbeiter einer Mobbingsituation ausgesetzt sind (im Anschluss an BAG, Beschluss vom 15.01.1997 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 118).
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteils des Arbeitsgerichts Rheine vom 12.04.2005 - 1 Ca 20/05 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Arbeitsentgeltansprüche der Klägerin für die Zeit der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung.
Im Betrieb der Beklagten, einem Automobilhersteller, sind über 1000 Mitarbeiter beschäftigt.
Die Klägerin, geboren am 26.03.1954, verheiratet, ein Kind, ist seit dem 02.11.1983 im Betrieb der Beklagten als gewerbliche Mitarbeiterin zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 3.613,87 € beschäftigt. Sie ist Mitglied des aus fünfzehn Mitgliedern bestehenden Betriebsrats und in dieser Eigenschaft von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung freigestellt.
Mit Schreiben vom 08.07.2004 (Bl. 6 d.A.) teilte der Betriebsrat der Beklagten mit, dass er in seiner Sitzung vom 07.07.2004 beschlossen habe, die Klägerin sowie die Betriebsrätin D5xxx R3xxxxx zu einem vom DGB Bildungswerk e.V. veranstalteten Seminar "Mobbing Workshop" in der Zeit vom 27.09.2004 bis zum 29.09.2004 in Sprockhövel zu entsenden. Nach dem beigefügten Themenplan (Bl. 8 d.A.) sah das Seminar folgende Themen vor:
" - Auffrischen des Basiswissens (Diagnosestellung Mobbing; Abgrenzung Konflikt/Mobbing
- Erfahrungsaustausch
- Handlungsmöglichkeiten von Betriebsrat und Geschäftsführung zur Prävention
- Durchsetzung bzw. Überzeugungsarbeit zur Etablierung einer Betriebsvereinbarung
"Mobbing"
- Betriebsvereinbarung in der Praxis (Bewährtes, Schwachstellen, Entwicklungen)
- Handlungsmöglichkeiten bei akutem Mobbing
- Beratung von Betroffenen
- Konfliktgespräche mit allen Beteiligten
- Szenarien zur Beendigung von Mobbing
- Bearbeitung von Fällen aus der betrieblichen Praxis der Teilnehmenden
- Neueste rechtliche Aspekte"
Mit Schreiben vom 13.07.2004 (Bl. 20 d.A.) lehnte die Beklagte die Seminarteilnahme ab, weil eine betriebliche Notwendigkeit nicht gegeben und eine betriebliche Konfliktlage nicht dargelegt sei. Der Betriebsrat erwiderte darauf mit Schreiben vom 14.07.2004 (Bl. 9 d.A.), dass er die Seminarteilnahme für erforderlich halte, er habe mündlich mehrfach in der Vergangenheit verschiedene Situationen von betrieblichem Mobbing, vor allem durch betriebliche Vorgesetzte, dargelegt, auch im Betrieb der Arbeitgeberin in R1xxxx gebe es Mobbing, hiervor sollte man nicht die Augen verschließen und auch im Betrieb der Arbeitgeberin dem Problem mehr Aufmerksamkeit schenken. Die Beklagte bat den Betriebsrat daraufhin mit Schreiben vom 19.07.2004 (Bl. 21 d.A.) um Bekanntgabe der Mitarbeiter, die betrieblichem Mobbing ausgesetzt seien sowie um Namen der Vorgesetzten. Dieses Schreiben wurde vom Betriebsrat in der Folgezeit nicht beantwortet.
Während die Betriebsrätin R3xxxxx aufgrund einer Erkrankung an dem streitigen Seminar nicht teilnehmen konnte, besuchte die Klägerin das Seminar in der Zeit vom 27. bis 29.09.2004.
Durch die Teilnahme sind Seminargebühren in Höhe von 657,72 € entstanden. Die Klägerin verauslagte Fahrtkosten in Höhe von 91,80 €, die von der Beklagten nicht erstattet wurden.
Ferner kürzte die Beklagte das Monatseinkommen der Klägerin für drei Tage um 629,02 € brutto.
Mit Schreiben vom 15.10.2004 (Bl. 4 d.A.) machte die IG Metall für die Klägerin diese Beträge bei der Arbeitgeberin vergeblich geltend.
Mit der am 05.01.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangte die Klägerin daraufhin die Zahlung des gekürzten Arbeitsentgelts in Höhe von 629,02 € brutto.
Gleichzeitig machte sie ihre Freistellung von den Seminarkosten in Höhe von 657,72 € sowie die Zahlung von Fahrtkosten von 91,80 € geltend - 1 BV 1/05 Arbeitsgericht Rheine -.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Teilnahme am Seminar vom 27. bis 29.09.2004 sei insgesamt erforderlich gewesen. Der Betriebsrat habe die Teilnahme an dieser Schulung beschlossen, da sich immer wieder Mitarbeiter wegen Mobbingproblemen an den Betriebsrat wie auch an den Betriebsausschuss gewandt hätten. Der Betriebsrat habe der Beklagten auch mündlich mehrfach in der Vergangenheit verschiedene Situationen von betrieblichem Mobbing, vor allem auch durch betriebliche Vorgesetzte, dargelegt. Auch im Betrieb der Beklagten gebe es Mobbingprobleme. Auch an die Klägerin als Mitglied des Betriebsausschusses seien mehrfach Mitarbeiter mit Mobbingproblemen herangetreten. Insoweit weise auch die Klägerin betriebliche Erfahrungen mit dem Thema auf.
Zur Begründung hat die Klägerin sich auf eine von fünf Mitgliedern des Betriebsausschusses unterschriebene Hausmitteilung vom 22.02.2005 (Bl. 48 d.A. 10 TaBV 114/05) bezogen, wonach der Betriebsausschuss mitteilt, dass "sich Mitarbeiter bezüglich Mobbing an den Betriebsrat gewandt haben".
Die Klägerin hat ferner die Auffassung vertreten, dass ein Mobbingseminar schon vor dem ersten aufgetretenen Fall erforderlich sei, damit ein Betriebsrat sofort beim ersten ihm angetragenen Fall sachgerecht reagieren könne. Im Übrigen könne eine namentliche Nennung der Mitarbeiter und Vorgesetzten nicht verlangt werden, da ansonsten das Vertrauensverhältnis zwischen Mitarbeiter und Betriebsrat gestört sei; die Mitarbeiter würden dann nicht mehr mit Mobbingproblemen zum Betriebsrat kommen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 629,02 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 13.01.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Teilnahme an dem streitigen Seminar sei nicht erforderlich gewesen. Der Betriebsrat habe keine konkrete betriebliche Konfliktlage dargelegt, aus der sich ein Handlungsbedarf für den Betriebsrat ergebe und zu deren Lösung das auf der Schulung vermittelte Wissen notwendig sei. Dem Vortrag der Klägerin lasse sich nicht entnehmen, ob es sich bei den angesprochenen Mobbingfällen um abgeschlossene Vorgänge handele oder um Vorgänge, die einen fortbestehenden aktuellen Handlungsbedarf beinhalteten. Der Vortrag sei viel zu allgemein gehalten. Auch das Schreiben des Betriebsausschusses vom 22.02.2005 gebe hierzu keinen näheren Aufschluss. Auch der Hinweis auf eine Studie der Sozialforschungsstelle Dortmund sei zu pauschal. Die Klägerin erfülle selbst nicht die Teilnahmevoraussetzungen für das Seminar; ausweislich der Seminarunterlagen sei Voraussetzung für die Seminarteilnahme eine betriebliche Erfahrung mit Mobbing und/oder ein bereits besuchtes Mobbingseminar.
Durch Urteil vom 12.04.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Seminarteilnahme der Klägerin sei erforderlich gewesen. Sich mit Mobbing zu befassen, sei eine ständige, stets aktuelle Aufgabe des Betriebsrats, konkreter Beschwerden von Arbeitnehmern oder besonderer Anlässe bedürfe es hierzu nicht, das Auftreten konkreter Mobbingfälle sei kaum hinreichend sicher voraussehbar. Aus dem Umstand, dass der Betriebsrat in der Vergangenheit von Arbeitnehmern auf angebliche oder tatsächlich existierende Mobbingsituationen angesprochen worden sei, könne er durchaus den Schluss ziehen, dass es auch künftig zu entsprechenden Beschwerden komme. Einer konkreten Konfliktsituation bedürfe es deshalb nicht. Ebenso wie bei dem Themenkomplex Arbeitssicherheit, Arbeitsschutz und Unfallverhütung könne die Betriebsratstätigkeit bei Mobbingproblemen nicht erst dann einsetzen, wenn der Eintritt einer Schädigung absehbar oder eine Schädigung bereits eingetreten sei.
Gegen das der Beklagten am 10.06.2005 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 28.06.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 02.08.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagten ist nach wie vor der Auffassung, dass die Teilnahme der Klägerin an dem streitigen Mobbingseminar nicht erforderlich gewesen sei. Ein Mobbingseminar vermittele kein Grundwissen, sondern befasse sich vielmehr mit einem Spezialthema, für das ein aktueller betriebsbezogener Anlass auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderlich sei. Das Thema Mobbing sei mit dem Themenkomplex Arbeitssicherheit und Unfallverhütung nicht vergleichbar, weil in diesem Bereich das Betriebsverfassungsgesetz sowie eine Vielzahl anderer gesetzlicher Bestimmungen und öffentlich-rechtlicher Vorschriften die Beteiligung des Betriebsrats in derartigen Angelegenheiten ausdrücklich anordneten. Demgegenüber handele es sich beim Thema Mobbing nicht um eine permanente, stets aktuelle Aufgabe des Betriebsrates. Bei der Teilnahme an einem Mobbingseminar sei eine nähere Darlegung der Erforderlichkeit der Wissensvermittlung unverzichtbar. An der Darlegung einer aktuellen betrieblichen Konfliktlage fehle es vorliegend aber.
Soweit sich die Klägerin auf eine schlagwortartige Behauptung beschränke, auch im Betrieb der Beklagten gebe es Mobbing, sei das unzureichend. Auch die Behauptung der Klägerin, es gebe Vorgesetzte, die ihre Mitarbeiter anschreien würden, lasse nicht erkennen, ob es sich hierbei um Mobbing handele. Eine konkrete Konfliktlage sei nicht erkennbar. Soweit die Klägerin schließlich im Berufungsverfahren einzelne Vorfälle näher beschreibe, müssten diese Vorfälle bestritten werden. Auch aufgrund dieser Vorfälle könne nicht abschließend beurteilt werden, ob es sich um Mobbingfälle handele; es könne nämlich nicht konkret ausgeschlossen werden, dass der betreffende Vorgesetzte im konkreten Fall einen berechtigten Grund hatte, sich entsprechend zu verhalten. Auch dieser Sachvortrag sei letztlich viel zu pauschal.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 12.04.2005 - 1 Ca 20/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und hält ihre Teilnahme an dem streitigen Seminar nach wie vor für erforderlich. Auch beim Thema Mobbing dürfe die Betriebsratsarbeit nicht erst dann einsetzen, wenn der Betriebsrat mit Beschwerden von Arbeitnehmern und von konkreten Mobbingfällen konfrontiert werde. Auch das Bundesarbeitsgericht habe bereits darauf hingewiesen, dass vor allem das Erkennen von Mobbing, die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Betroffenen sowie die Abgrenzung gegenüber sozial anerkannten Verhaltensweisen am Arbeitsplatz Schwierigkeiten bereite. Bereits die Entgegennahme von Mobbingbeschwerden verlange besondere Kenntnisse über Ursachen und Verläufe von Mobbinggeschehen. Unter Hinweis auf die Studie der Sozialforschungsstelle Dortmund (Bl. 81 ff.d.A.) müsse davon ausgegangen werden, dass eine Führungskraft nicht versage, weil in ihrem Verantwortungsbereich ein Mobbingfall aufgetreten sei, sondern dann, wenn sie ihn nicht zur Kenntnis nehmen wolle und nicht interveniere. Dies verkenne die Beklagte. Insoweit gehörten Kenntnisse über Mobbing - ebenso wie Kenntnisse zum Themenkomplex Arbeitsschutz und Unfallverhütung - zum Grundwissen für Betriebsräte.
Im Übrigen gebe es auch im Betrieb der Beklagten konkrete Mobbingvorfälle. Insoweit behauptet die Klägerin, es gebe in jeder Abteilung Vorgesetzte, die die ihnen unterstellten Mitarbeiter ständig anschrieen, manchmal geschehe dies auch ohne Grund.
Mit Schriftsatz vom 05.05.2006 (Bl. 119 ff. d.A.) trägt die Klägerin ferner weitere Anhaltspunkte dafür vor, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Entsendung der Klägerin zu dem streitigen Mobbingseminar Mitarbeiter im Betrieb einem Mobbing ausgesetzt gewesen seien. Auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 05.05.2006 (Bl. 119 ff.d.A.) wird im Einzelnen Bezug genommen.
Der Berufungskammer lagen die Akten des Beschlussverfahrens - 1 BV 1/05 Arbeitsgericht Rheine = 10 TaBV 114/05 Landesarbeitsgericht Hamm - vor. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Zahlungsantrag stattgegeben.
I.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung ihres Arbeitsentgelts für die Zeit der Teilnahme an der Schulungsveranstaltung vom 27.09.2004 bis zum 29.09.2004 in der unstreitigen Höhe von 629,02 € brutto. Dieser Anspruch ergibt sich aus den §§ 37 Abs. 2 und 6 BetrVG i.V.m. § 611 BGB.
1. Nach § 37 Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied Anspruch auf Fortzahlung seines Arbeitsentgelts für die Zeit der Teilnahme an einer erforderlichen Schulungs- und Bildungsveranstaltung. Ein derartiger Anspruch entsteht jedoch nur, wenn auf der Schulungsveranstaltung Kenntnisse vermittelt worden sind, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Schulungsveranstaltungen dann für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigt, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können. Hierzu bedarf es regelmäßig der Darlegung eines aktuellen, betriebsbezogenen Anlasses, um annehmen zu können, dass die auf der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (BAG, Beschluss vom 09.10.1973 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 4; BAG, Beschluss vom 06.11.1973 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 6; BAG, Beschluss vom 27.09.1974 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 18; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; BAG, Urteil vom 15.02.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 37 Rz. 140, 141 f.; DKK/Wedde, BetrVG, 10. Aufl., § 40 Rz. 56 m.w.N., § 37 Rz. 92 ff.; Weber, GK-BetrVG, 8. Aufl., § 37 Rz. 156 f.; Richardi/Thüsing, BetrVG, 10. Aufl., § 37 Rz. 86; ErfK/Eisemann, § 37 BetrVG Rz. 16 m.w.N). Für die Frage, ob eine sachgerechte Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben die Schulung gerade des zu der Schulungsveranstaltung entsandten Betriebsratsmitglieds erforderlich machte, ist darauf abzustellen, ob nach den aktuellen Verhältnissen des einzelnen Betriebes Fragen anstehen oder in absehbarer Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des Betriebsrates unterliegen und für die im Hinblick auf den Wissensstand des Betriebsrates und unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung im Betriebsrat eine Schulung gerade dieses Betriebsratsmitglieds geboten erscheint.
Einer konkreten Darlegung der Erforderlichkeit des aktuellen Schulungsbedarfs bedarf es allerdings dann nicht, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht oder im allgemeinen Arbeitsrecht für ein erstmals gewähltes Betriebsratsmitglied handelt. Kenntnisse des Betriebsverfassungsgesetzes als der gesetzlichen Grundlage für die Tätigkeit des Betriebsrates sind unabdingbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit (BAG, Beschluss vom 21.11.1978 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 35; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; BAG, Beschluss vom 20.12.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 113; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 143 f.; Weber, a.a.O., § 37 Rz. 164 ff.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 95 f.; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 37 Rz. 90 m.w.N.). Die Vermittlung von Grundkenntnissen des allgemeinen Arbeitsrechts ist stets, ohne einen aktualitätsbezogenen Anlass, als eine erforderliche Kenntnisvermittlung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG anzusehen (BAG, Beschluss vom 15.05.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 144; Weber, a.a.O., § 37 Rz. 166; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 96; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 37 Rz. 91).
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Entsendung eines Betriebsratsmitglieds zu einer Schulung erforderlich ist, handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes, der dem Betriebsrat einen gewissen Beurteilungsspielraum offen lässt. Dies gilt insbesondere für den Inhalt der Veranstaltung als auch für deren Dauer (BAG, Beschluss vom 15.05.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67 unter I. 1. a) der Gründe; BAG, Beschluss vom 15.01.1997 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 118 unter B. 2. der Gründe; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 174; Weber, a.a.O., § 37 Rz. 195; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 127; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 16).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist auch die Berufungskammer der Auffassung, dass die Teilnahme der Klägerin an dem Seminar vom 27. bis 29.09.2004 erforderlich gewesen ist.
In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass eine Schulungsveranstaltung zum Thema "Mobbing" nach § 37 Abs. 6 BetrVG für die Arbeit des Betriebsrats erforderliche Kenntnisse vermitteln kann. Für diesen Fall muss der Betriebsrat allerdings eine betriebliche Konfliktlage darlegen, aus der sich für ihn ein Handlungsbedarf zur Wahrnehmung einer gesetzlichen Aufgabenstellung ergibt und zu deren Erledigung er das auf der Schulung vermittelte Wissen benötigt. Dies ergibt sich daraus, dass bei der Schulungsteilnahme an einem Mobbingseminar kein Grundwissen vermittelt wird, bei dem eine nähere Darlegung zur Erforderlichkeit der Wissensvermittlung verzichtbar ist. Vielmehr handelt es sich bei einem Mobbingseminar um eine Schulung mit einem speziellen Thema, bei dem nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Betriebsrat dieses Wissen unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Lage zur sachgerechten Bewältigung seiner gesetzlichen Aufgabenstellung stets benötigt (BAG, Beschluss vom 15.01.1997 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 118; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.10.2004 - NZA-RR 2005, 376; ArbG Kiel, Beschluss vom 27.02.1997 - NZA-RR 1998, 212; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 149; Weber, a.a.O., § 37 Rz. 169; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 37 Rz. 92 a; Wiechert DB 1997, 2325; Moderegger, ArbRB 2005, 175 f. m.w.N.).
Soweit weitergehend die Auffassung vertreten wird, dass die auf einem Mobbingseminar vermittelten Kenntnisse stets aktuelle Aufgaben und Fragen des Betriebsrates betreffen, so dass es der Darlegung eines aktuellen betriebsbezogenen Anlasses für die Annahme der Erforderlichkeit nicht bedürfe (ArbG Frankfurt, Beschluss vom 31.01.1996 - AiB 1996, 557; ArbG Bremen, Beschluss vom 17.12.2003 - NZA-RR 2004, 538; vgl. auch ArbG Detmold, Beschluss vom 30.04.1998 - AiB 1998, 405), vermag die Berufungskammer dieser Auffassung nicht zu folgen. Auch ein Mobbingseminar befasst sich mit einem speziellen Thema, bei dem nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Betriebsrat dieses Wissen unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Lage zur sachgerechten Bewältigung seiner gesetzlichen Aufgabenstellung stets benötigt. Die gegenteilige Auffassung würde die Erforderlichkeit einer Schulung allein in das Ermessen des Betriebsrates stellen. In einem kleineren Betrieb mit hervorragendem Betriebsklima, in dem niemand an Mobbing denkt, ist es nicht interessengerecht, dem Arbeitgeber die Kosten für die Freistellung und für die Schulungsveranstaltung aufzubürden (Benecke, Mobbing, 2005, Rz. 426).
Entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung ist die Berufungskammer auch der Ansicht, dass ein Mobbingseminar nicht mit einer Schulungsveranstaltung über Arbeitsschutz und Unfallverhütung (Arbeitssicherheit) vergleichbar ist, bei dem die Seminarteilnahme grundsätzlich als erforderlich anzusehen ist (BAG, Beschluss vom 15.05.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 149; Weber, a.a.O., § 37 Rz. 167; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 97). Auf diesem Gebiet existieren zahlreiche gesetzliche Bestimmungen, öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch vom Betriebsrat zu beachten sind und deren Einhaltung auch der Betriebsrat zu überwachen hat. Demgegenüber handelt es sich beim Mobbing nicht um einen rechtlichen Begriff, sondern um einen Sammelbegriff für Verhaltensweisen, die je nach Sachlage für die Betroffenen rechtliche, gesundheitliche bzw. wirtschaftliche Auswirkungen haben können (Aigner, BB 2001, 1354; LAG Berlin, Urteil vom 15.07.2004 - NZA-RR 2005, 13).
Mobbing - auch Psychoterror am Arbeitsplatz genannt - hat viele Varianten. Hierunter wird das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte verstanden (BAG, Beschluss vom 15.01.1997 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 118). Mit dem Begriff des Mobbings im arbeitsrechtlichen Verständnis werden fortgesetzte, aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen erfasst, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen (BSG, Urteil vom 14.02.2001 - AP BGB § 611 Mobbing Nr. 1; LAG Thüringen, Urteil vom 15.02.2001 - NZA-RR 2001, 577; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.03.2002 - NZA-RR 2002, 457; LAG Hamm, Urteil vom 25.06.2002 - AP BGB § 611 Mobbing Nr. 3 = NZA-RR 2003, 8; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 01.04.2004 - NZA-RR 2005, 15; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.10.2004 - NZA-RR 2005, 376 m.w.N.). Ob ein nach diesem arbeitsrechtlichen Verständnis für die Annahme von Mobbing erforderliches systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren vorliegt, hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist eine Abgrenzung zu dem in einem Betrieb im Allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten erforderlich. Nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit zwischen Kollegen und/oder Vorgesetzten und Untergebenen erfüllt den Begriff des Mobbings. Kurzfristigen Konfliktsituationen mit Vorgesetzten oder Arbeitskollegen fehlt in der Regel schon die notwendige systematische Vorgehensweise.
Die Teilnahme an einem Seminar über Mobbing in diesem Sinne ist mit der Seminarteilnahme über Arbeitssicherheit und Unfallverhütung nicht vergleichbar. Wegen der besonderen Bedeutung des Arbeitsschutzes hängt die Notwendigkeit einer Schulung im Hinblick auf die konkreten betrieblichen Gegebenheiten - anders als bei der Erforderlichkeit der Teilnahme an einem Mobbingseminar - nicht davon ab, dass im Betrieb eine übermäßige Unfallhäufigkeit besteht. Im Übrigen kommt es auch bei der Überprüfung der Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung zur Arbeitssicherheit auf die konkrete Situation im Betrieb an, es müssen Kenntnisse vermittelt werden, die nach der konkreten Situation im Betrieb einen unmittelbaren Bezug zur Betriebsratstätigkeit aufweisen (BAG, Beschluss vom 29.04.1992 - NZA 1993, 375).
b) Eine andere Frage ist es nach Auffassung der Berufungskammer, welche Anforderungen an die Darlegungslast des Betriebsrates bei der Überprüfung der Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung über Mobbing zu stellen sind. Besteht eine aktuelle Konfliktlage, muss der Betriebsrat mit einer Schulung über Mobbing nicht abwarten, bis der Konflikt sich derart verschärft hat, dass eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, der Ehre oder der Gesundheit des Betroffenen eingetreten ist. Insoweit genügen bereits hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein bestimmter Mitarbeiter tatsächlich einer Mobbingsituation ausgesetzt war. Die Teilnahme an einem Mobbingseminar muss bereits dann als erforderlich angesehen werden, wenn erste Anzeichen für eine systematische Schikane gegenüber einzelnen Mitarbeitern durch andere Mitarbeiter oder Vorgesetzte erkennbar sind (ArbG Kiel, Beschluss vom 27.02.1997 - AiB 1997, 410; ArbG Detmold, Beschluss vom 30.04.1998 - AiB 1998, 405; Benecke, a.a.O., Rz. 425 f.). Hat der Betriebsrat derartige Anzeichen, überschreitet er den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht, wenn er die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einem derartigen Mobbingseminar beschließt.
c) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze hat die Klägerin jedenfalls in der Berufungsinstanz ausreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass Mitarbeiter im Betrieb der Beklagten einer Mobbingsituation ausgesetzt gewesen sind. Auch wenn das Schreiben des Betriebsausschusses vom 22.02.2005, wonach sich Mitarbeiter bezüglich Mobbing an dem Betriebsrat gewandt haben, als zu pauschal und unsubstantiiert angesehen wird, hat die Klägerin im Schriftsatz vom 05.05.2006 zahlreiche Situationen geschildert, aus denen mindestens Anzeichen für eine Mobbingsituation erkennbar sind. Die Androhung eines Vorgesetzten gegenüber einem bestimmten Arbeitnehmer in Anwesenheit einer gesamten Arbeitsgruppe, dass er bei ihm eine Lohnkürzung durchführe, wenn er sein Arbeitsverhalten nicht ändere, stellt - in Verbindung mit den übrigen geschilderten Vorkommnissen -eine schikanöse oder diskriminierende Verhaltensweise dar, die, selbst wenn ein Fehlverhalten des betreffenden Arbeitnehmers vorgelegen haben mag, nicht hinnehmbar ist und - jedenfalls aus der Sicht des Betriebsrates - im Zusammenhang mit den übrigen geschilderten Vorkommnissen auf eine Mobbingsituation schließen lassen kann. Insoweit waren aus der Sicht des Betriebsrates Anhaltspunkte für eine systematische Vorgehensweise gegenüber Arbeitskollegen vorhanden. Jedenfalls ist der dem Betriebsrat obliegende Beurteilungsspielraum nicht überschritten, wenn er in dieser Situation eine betriebliche Konfliktlage angenommen und den Entsendungsbeschluss vom 07.07.2004 gefasst hat.
Die Berufungskammer war auch davon überzeugt, dass die im Schriftsatz vom 05.05.2006 geschilderten Konfliktsituationen tatsächlich vorgelegen haben. Nach eingehender Erörterung im Berufungstermin vom 07.07.2006 hat der Betriebsratsvorsitzende ausdrücklich erklärt, dass die Angaben im Schriftsatz vom 05.05.2006 auf seinen Angaben beruhten. Die fehlende Kenntnis der Beklagten von den im Schriftsatz geschilderten Konfliktsituationen ist insoweit unschädlich. Einer formellen Beweisaufnahme bedurfte es insoweit nicht.
3. Der Betriebsrat hat bei der Entsendung der Klägerin zu der streitigen Schulungsveranstaltung auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass es sich bei der Beurteilung der Frage, ob die Entsendung eines Betriebsratsmitglieds zu einer Schulung erforderlich ist, um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs handelt, der dem Betriebsrat einen gewissen Beurteilungsspielraum offen lässt. Der Betriebsrat hat den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum weder hinsichtlich des Zeitpunktes der Schulungsmaßnahme noch hinsichtlich des Seminarortes überschritten.
An der Schulungsmaßnahme hat lediglich die Klägerin als ein von 15 Betriebsratsmitgliedern teilgenommen. Auch die Dauer der Veranstaltung ist nicht zu beanstanden. Das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung Schulungsveranstaltungen mit einer Dauer von einer Woche als erforderlich angesehen (BAG, Beschluss vom 06.11.1973 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 5; BAG, Beschluss vom 27.11.1973 - AP ArbGG 1953 § 89 Nr. 9; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 173; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 117 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat die Schulungsmaßnahme lediglich drei Tage gedauert.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen. Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 25 GKG.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat die Berufungskammer die Revision zum Bundesarbeitsgericht nach 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.
Ende der Entscheidung
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