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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.03.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 482/04
Rechtsgebiete: SGB VII
Vorschriften:
SGB VII § 9 Abs. 1 | |
SGB VII § 104 Abs. 1 |
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 11.11.2003 - 2 Ca 3042/03 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand: Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend. Der am 12.01.13xx geborene Kläger ist verheiratet und hat ein volljähriges Kind. In der Zeit von Mai 1974 bis Januar 2001 war er bei der Beklagten auf Grund eines schriftlichen Einstellungsschreibens vom 02.05.1974 (Bl. 15 d.A.) als gewerblicher Arbeitnehmer tätig. Seit dem 03.01.2001 bezieht der Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Vor seiner Tätigkeit bei der Beklagten hatte der Kläger eine Bäckerlehre absolviert und war von 1972 bis 1974 an einer Tankstelle als Tankwart tätig. In der Zeit von 1974 bis 1982 war der Kläger von der Beklagten überwiegend im Tanklager im Außenbereich eingesetzt; ausnahmsweise verrichtete er auch innerbetriebliche Gabelstaplertransporte. Während dieser Zeit ging der Kläger mit verschiedenen chemischen Stoffen um, unter anderem auch mit organischen Lösungsmitteln wie Methanol, Isopropanol und Benzol. Seit 1982 war der Kläger als LKW- und Staplerfahrer der Abteilung TBB/Werktransporte, Haus- und Hofinspektion bei der Beklagten eingesetzt. In dieser Funktion führte er verschiedenste interne und externe Transporte nach den Regeln des Gefahrgut- und Gefahrstoffrechts aus; unter anderem musste er auch Gebinde mit Abfallstoffen ent- bzw. verladen und zur werkseigenen Abfallverbrennungsanlage transportieren. Dabei hatte der Kläger teilweise auch solche Stoffe zu transportieren, die heute gesetzlich als sogenannter besonders überwachungsbedürftiger Abfall qualifiziert werden. Mitte der 90er Jahre trat bei dem Kläger eine Erkrankung auf, die in den gesundheitlichen Einschränkungen ungefähr denen der Parkinsonschen Krankheit entspricht. Insoweit war er erstmalig im Februar 1996 beim Arzt vorstellig. Bei dem Kläger wurden erhebliche zerebrale Schädigungsmuster festgestellt sowie weitere Symptome, die insbesondere auf eine Mangan- und Bleivergiftung zurückzuführen sind. Insoweit handelt es sich um das MPTP-induzierte Parkinson-Syndrom, welches zu den toxisch ausgelösten Parkinson-Syndromen gehört. Eine endgültige Diagnose konnte erst im Jahre 2000 erstellt werden. Dieses Krankheitsbild wird mit dem Begriff Multi-System-Atrophie (MSA) bezeichnet. Hierbei sind mehrere neurolale Systeme im Gehirn von einer Atrophie (Zelluntergang) betroffen. Neben den typischen Anzeichen der Parkinsonschen Krankheit treffen weitere autonome Zeichen in Form Hypotension, Harninkontinenz, Impotenz, Kleinhirn- und Pyramidenbahnzeichen etc. hinzu. Ob es sich bei der Multi-System-Atrophie um eine Berufskrankheit handelt und ob der Kläger nicht vielmehr an einer toxischen Encephalopathie leidet, ist zwischen den Parteien ebenso streitig wie die Frage, ob die Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten für seine derzeitige Erkrankung ursächlich war. Mit der am 18.02.2003 beim Sozialgericht Dortmund eingegangenen Klage machte der Kläger unter Berufung auf ein nach § 109 SGG eingeholtes Gutachten des P2xx. D4. P3xxxxxx vom 10.11.2003 (Anlage zur Berufungsbegründung vom 18.05.2004, Bl. 64 ff. d.A. S 23 U 12/03 Sozialgericht Dortmund) die Anerkennung einer Berufskrankheit geltend. Nach Vorlage eines Gegengutachtens des P2xx. D4. K2xxxxxxx vom 16.02.2004 (Bl. 132 ff. d.A. S 23 U 12/03 Sozialgericht Dortmund) wurde die Klage des Klägers vom Sozialgericht Dortmund durch Urteil vom 26.07.2004 abgewiesen. Über die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung zum Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 17 U 237/04 - ist noch nicht entschieden. Mit der am 12.05.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen und später geänderten Klage machte der Kläger Schadensersatzansprüche insbesondere Verdienstausfall und Schmerzensgeld geltend. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass für seine Erkrankung seine jahrelangen Tätigkeiten bei der Beklagten ursächlich seien und dass die Beklagte die Erkrankung in jedem Fall vorsätzlich bedingt zu vertreten habe. Hierzu hat er behauptet, dass er regelmäßig Kontakt mit verschiedensten Giftstoffen gehabt habe. Weder er selbst noch die anderen Mitarbeiter seien, wie dies notwendig gewesen wäre, mit den entsprechenden Schutzanzügen, Atemmasken und Handschuhen ausgerüstet worden. Weder seien ihm Schutzmaßnahmen vorgeschrieben worden noch sei er davon in Kenntnis gesetzt worden, mit welchen hochgiftigen Mitteln er zu tun gehabt habe. Insbesondere sei er in der Zeit von 1982 bis 1992 als Fahrer von Sondermüll zum Beispiel ohne jegliche Schutzmaßnahmen mit sogenannter Verbrennungsasche in Berührung gekommen, die hochbelastet mit giftigen Verbrennungsrückständen und Schwermetallen gewesen sei. Zudem habe er sogenannten Strahlsand zur Reinigung von Chemiebehältern ohne Plane und ohne weiteren Schutz einmal monatlich transportiert, wie auch etwa Chromsäure drei Mal pro Monat in offenen Containern. Beim Aufladen von ungereinigten Schrottfässern sei er ständig mit Lösemitteln und Dämpfen in Berührung gekommen. Ein solcher Kontakt habe auch im Rahmen der innerbetrieblichen Transporte von 1992 bis 1996 bestanden, wenn er Abfälle aus den Laboren zu entsorgen gehabt habe. Das habe ebenso gegolten für die Transporte von unreinen Lösemitteln zu internen Verbrennungsanlagen in der Zeit von 1996 bis 2000. In der sogenannten Pumpenstation, wo die Entleerung solcher Fässern erfolgt sei, hätten ständig offene Fässer, Container, Großbehälter und Kanister gestanden, die gerade eingetankt worden seien. Durch defekte Fässer seien dort jeden Tag Lösemittel auf den Boden ausgelaufen. Auch die Tankwagen der Beklagten selbst seien durch übergelaufene Lösemittel verunreinigt gewesen. Darüber hinaus habe er selbst auch verunreinigte Tankwagen und Fässer reinigen müssen. Der Kläger hat beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen; 2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Haushaltsführungsschaden ab Juni 2000 bis einschließlich September 2003 in Höhe von 19.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen; 3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab Oktober 2003 einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 487,50 Euro monatlich zu zahlen; 4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Verdienstausfall für den Zeitraum Januar 2001 bis einschließlich September 2003 in Höhe von 21.575,73 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; 5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Verdienstausfall in Höhe von 653,81 Euro monatlich ab Oktober 2003 zu zahlen; 6. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle, auch zukünftigen, materiellen und immateriellen Schäden aus dem bestandenen Arbeitsverhältnis der Parteien zu ersetzen, den materiellen Schaden unter dem Vorbehalt, dass ein Forderungsübergang nicht eingetreten ist. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten und seiner derzeitigen Erkrankung könne nicht festgestellt werden. Insbesondere fehle es an jeglichem Verschulden der Beklagten. Dazu hat sie behauptet, sämtliche arbeitsrechtlichen und sonstigen Schutzvorschriften zugunsten ihrer Mitarbeiter eingehalten zu haben. Dem Kläger und seinen Kollegen hätten Schutzanzüge, Atemmasken und Handschuhe für solche Arbeiten zur Verfügung gestanden, bei denen diese Schutzmaßnahmen erforderlich gewesen wären. Niemals seien seitens der Beklagten der Kläger oder andere Mitarbeiter angewiesen worden, Arbeiten ohne die erforderlichen Schutzmaßnahmen durchzuführen. Generell sei der Kläger angewiesen, seinen Vorgesetzen danach zu befragen, weile Schutzmaßnahmen im konkreten Fall erforderlich wären. Der Kläger sei über das Vorhandensein dieser Schutzvorrichtungen informiert und regelmäßig dazu angehalten worden, diese auch zu benutzen. Ferner hätten viele Arbeiten des Klägers im Freien stattgefunden, so dass kaum eine Gefährdung durch entweichende Dämpfe bestanden haben könne. Schließlich sei der Kläger in den entsprechenden vorgegebenen Zeiträumen auch arbeitsmedizinisch nach den Grundsätzen der Berufsgenossenschaft untersucht worden. Im Übrigen sei der Kläger etwa bei seinen Fahrten zu der Sondermüllverbrennungsanlage lediglich mit sogenannter Verbrennungsschlacke in Kontakt geraten, ein ohne Expositionsgefahren transportierbares Material, von deren Verbrennungsrückständen keinerlei Gesundheitsgefahren ausgingen. Mit Klärschlamm habe der Kläger keinen unmittelbaren Umgang gehabt. Dieser sei jedoch auch nicht im Sinne der Gefahrstoffordnung giftig. Chromsäure habe der Kläger ebenfalls nicht transportiert. Lösemittel sowie Abfälle aus Laboren seien als geschlossene Gebinde transportiert worden, so dass der Kläger damit nicht in Berührung gekommen sei. Auch der kontaminierte sogenannte Strahlsand sei lediglich abgedeckt transportiert worden. Durch Urteil vom 11.11.2003 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, für die geltend gemachten Ansprüche fehle es bereits an der notwendigen Kausalität zwischen der Arbeitsleistung des Klägers und seiner Erkrankung. Im Übrigen könne auch ein Verschulden der Beklagten an der Erkrankung des Klägers nicht festgestellt werden. Gegen das dem Kläger am 19.02.2004 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Kläger am 11.03.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.05.2004 mit dem am 18.05.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Unter Berufung auf das Gutachten des P2xx. D4. P3xxxxxx vom 10.11.2003 ist der Kläger der Auffassung, dass er an einer toxischen Encephalopathie leide, die durch seine Tätigkeit bei der Beklagten herbeigeführt worden sei. In diesem Gutachten komme der Gutachter zu dem Ergebnis, dass die haftungsbegründende Kausalität im Sinne einer lösungsmittelbedingten Berufskrankheit beim Kläger erfüllt sei. Die Beklagte könne sich auch nicht auf den Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII berufen, da die Beklagte die Gesundheitsschäden des Klägers mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt und in Kauf genommen habe. Insoweit wiederholt der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen und meint, dass die Verstöße der Beklagten gegen die Arbeitssicherheit im Umgang mit den Lösemitteln insbesondere während seiner Tätigkeit im Zeitraum von 1974 bis 1982 derart gravierend gewesen seien, dass von einem vorsätzlichen Verhalten der Beklagten auszugehen sei. Hierzu behauptet der Kläger erneut, die Arbeiten, die er seinerzeit durchgeführt habe, seien ausnahmslos ohne Schutzkleidung oder Atemmasken durchgeführt worden. Bereits bei Arbeitsbeginn im Jahre 1974 habe der Kläger auf Anweisung seiner damaligen Vorgesetzten Zapfanlagen, Schränke und Armaturen mit Methanol abwaschen müssen. Bei dieser Arbeit habe der Kläger keine Schutzkleidung wie Handschuhe, Atemmasken etc. getragen. Derartige Schutzmaßnahmen seien zum damaligen Zeitpunkt nicht vorhanden gewesen. Zudem habe der Kläger schon damals Tankwagen mustern müssen, die Methanol, Aceton, Toluol, Methylenchlorid sowie Tetrahydrofuran enthalten hätten. Der Kläger sei über die Giftigkeit dieser Stoffe nie aufgeklärt worden. Er sei vielmehr häufig aufgefordert worden, mit sauberen Händen Proben aus den Tankwagen zu entnehmen, wenn die Steckheber nicht sauber gewesen seien, da ansonsten die Proben doppelt genommen werden müssen. Welche gesundheitlichen Risiken der Kläger damit eingegangen sei, sei ihm nicht bewusst gewesen. Ferner hätte es damals zu seinen Aufgaben gehört, den sogenannten Wärmeraum zu reinigen. Auch hier seien Lösemittel verwandt worden. Dazu seien ca. 100 Liter Methylenchlorid in den Raum geschüttet worden, um anschließend damit den Boden zu säubern. Ferner hätte der Kläger Tankwagen, die mit Pyridin gefüllt gewesen seien, reinigen müssen. Zu diesem Zweck habe der Kläger die einzelnen Kammern der Tankwagen jeweils mit 20 Litern Pyridin ausspülen und anschließend auf Sauberkeit prüfen müssen. Wenn die Kammern nicht sauber oder feucht gewesen seien, hätte sich das Pyridin gelb verfärbt. Nach dem Spülen habe der Kläger überprüfen müssen, ob die Wände sauber gewesen seien; zu diesem Zweck habe er unmittelbar seinen Kopf in die Tankkammern stecken und deren Sauberkeit optisch prüfen müssen. Hierzu habe er direkte Anweisung von seinen damaligen Vorgesetzten erhalten. Während seiner Tätigkeit in dem alten Labor von 1974 bis 1982 sei dort auch keine ordnungsgemäß arbeitende Be- und Entlüftungsanlage vorhanden gewesen. Der Geruch im Labor nach Lösemitteln sei unerträglich gewesen, eine Frischluftzufuhr sei kaum vorhanden gewesen. Damals habe der Kläger eine Anweisung erhalten, eine sogenannte Schnellanalyse durchzuführen, indem er den Inhalt von Probeflaschen durch Riechen habe ermitteln sollen. Eine ordnungsgemäße Analyse habe der Laborleitung in der Regel zu lange gedauert und sei zu aufwändig gewesen. Insgesamt sei damit festzuhalten, dass Gesundheitsschäden des Klägers bewusst in Kauf genommen worden seien. Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 11.11.2003 - 2 Ca 3042/03 - abzuändern und 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen, 2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Haushaltsführungsschaden ab Juni 2000 bis einschließlich September 2003 in Höhe von 19.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, 3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab Oktober 2003 einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 487,50 € monatlich zu zahlen, 4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Verdienstausfall für den Zeitraum Januar 2001 bis einschließlich September 2003 in Höhe von 21.575,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Verdienstausfall in Höhe von 653,81 € monatlich ab Oktober 2003 zu zahlen, 6. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle, auch zukünftigen, materiellen und immateriellen Schäden aus dem bestandenen Arbeitsverhältnis der Parteien zu ersetzen, den materiellen Schaden unter dem Vorbehalt, dass ein Forderungsübergang nicht eingetreten ist. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt die Beklagte das arbeitsgerichtliche Urteil. Sie ist der Auffassung, dass das Gutachten des P2xx. D4. P3xxxxxx vom 10.11.2003 im vorliegenden Verfahren nicht verwertet werden könne, da es sich um ein bloßes Parteigutachten handelt, dass nicht vom Sozialgericht eingeholt worden sei. Ferner vermöge die Übersendung dieses Gutachtens ein Parteivorbringen nicht zu ersetzen. Die Beklagte ist ferner der Auffassung, der Kläger leide nicht an einer Berufskrankheit. Insbesondere könne er sich auch inhaltlich auf das Gutachten des P2xx. D4. P3xxxxxx vom 10.11.2003 nicht berufen. Dieser Gutachter habe in einem Bericht vom 31.07.2000 (Bl. 68 d.A.) selbst die Verdachtsdiagnose Multi-System-Atrophie gestellt. Ferner hätten sowohl der Vorgutachter D4. K3xxxxxx wie auch der Vorgutachter D4. P4xxxx beim Kläger weder ein Parkinson-Syndrom noch eine Polyneuropathie sondern eine Multi-System-Atrophie diagnostiziert. Hiervon gehe auch der Gutachter P2xx. D4. K2xxxxxxx aus. Der Kläger sei an einer Multi-System-Atrophie erkrankt. Diese Erkrankung sei nicht ursächlich auf eine Lösemittelexposition zurückzuführen. Toxische Encephalopathien träten in der Regel noch während des Expositionszeitraumes auf. Eine Latenz von mehreren Monaten oder gar Jahren nach Expositionsende spreche gegen die lösungsmittelbedingte Encephalopathie. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers sei seine Erkrankung jedoch erst Mitte der neunziger Jahre aufgetreten. Eine Kausalität zwischen der Tätigkeit des Klägers in den Jahren 1974 bis 1982 und seiner in den neunziger Jahren aufgetretenen Erkrankung sei damit ausgeschlossen. Unzutreffend sei auch das Vorbringen des Klägers, wonach die Beklagte seine Erkrankung mit mindestens bedingtem Vorsatz herbei geführt habe. Sämtliche vom Kläger insoweit aufgestellten Behauptungen müssten bestritten werden. Die vom Kläger geschilderten Vorgänge habe es nie gegeben. Die Beklagte habe auch in Vergangenheit immer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt stets beachtet. Die Berufungskammer hat die Akten des Sozialgerichts Dortmund - S 23 U 12/03 = LSG NRW - L 17 U 237/04 - beigezogen. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen. Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. I. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche als unbegründet abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe, denen die Berufungskammer folgt, Bezug genommen. Die Berufung des Klägers führt zu keinem anderen Ergebnis.
Die Haftung der Beklagten ist nämlich, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nach § 104 SGB VII ausgeschlossen.
1. Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmer tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 versicherten Weg herbei geführt haben.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Der Kläger gehört zwar zu den Versicherten im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, die für die Beklagte tätig gewesen sind.
Ob ein Versicherungsfall im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII vorliegt steht jedoch schon nicht fest. Versicherungsfälle sind nach § 7 Satz 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Einen Arbeitsunfall hat der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen nicht erlitten. Ob eine Berufskrankheit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB VII vorliegt, steht jedoch bislang noch nicht fest. Hierüber streiten der Kläger und die Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie in dem sozialgerichtlichen Verfahren, das noch nicht beendet ist. Die Berufungskammer kann auch nicht selbständig feststellen, ob der Kläger an einer Berufskrankheit im Sinne des § 9 SGB VII leidet. Ob eine Berufskrankheit vorliegt, entscheiden letztlich die zuständige Berufsgenossenschaft bzw. die Sozialgerichte. An eine derartige Entscheidung wäre die Berufungskammer nach § 108 Abs. 1 SGB VII gebunden, gegebenenfalls wäre das vorliegende Verfahren bis zur Feststellung im sozialgerichtlichen Verfahren auszusetzen (vergl. ErfK/Rolfs, 5. Auflage, § 108 SGB VII Rz. 5 mit weiteren Nachweisen).
2. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt wird, dass er an einer toxischen Encephalopathie leidet, kann auch die Berufungskammer auf Grund des Vorbringens des Klägers nicht davon ausgehen, dass die Gesundheitsschäden des Klägers und damit eine Berufskrankheit von der Beklagten vorsätzlich herbeigeführt worden sind. Das Arbeitsgericht hat bereits in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass es für die geltend gemachten Ansprüche an der notwendigen Kausalität zwischen der Tätigkeit des Klägers für die Beklagte und der vorsätzlichen Herbeiführung einer Gesundheitsbeschädigung gefehlt.
Vorsatz im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII kann nur dann angenommen werden, wenn der Unternehmer den Versicherungsfall und den Schaden zumindest als möglich voraus sieht und ihn für den Fall des Eintritts billigend in Kauf nimmt (BAG, Urteil vom 08.11.1970 - AP RVO § 636 Nr. 4; BAG, Urteil vom 18.04.2002 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 122).
a) Unternehmer im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist nur derjenige, der das Geschäftswagnis, das Unternehmerrisiko trägt (BGH, Urteil vom 05.07.1977 - LM Nr. 12 zu § 636 RVO; ErfK/Rolfs, a.a.O., § 104 SGB VII Rz. 19 mit weiteren Nachweisen). Der Kläger hat auch mit der Berufung schon nicht substantiiert vorgetragen, wer genau als Unternehmer auf Beklagtenseite zum Zeitpunkt der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlungen positive Kenntnis von den angeblichen Pflichtverletzungen gehabt hat. Ebenso wenig ist vorgetragen worden, wer genau als Unternehmer auf Beklagtenseite in den Jahren 1974 bis 1982 davon Kenntnis gehabt hat, dass möglicherweise Unfallverhütungsvorschriften nicht eingehalten und Verstöße gegen die Arbeitssicherheit vorgekommen sind. Der bloße Hinweis des Klägers, dass er seinerzeit entsprechende Anweisungen von seinen direkten Vorgesetzten erhalten habe, ist insoweit unzureichend. Entscheidend ist, ob die Geschäftsleitung der Beklagten von diesen rechtswidrigen Anweisungen Kenntnis gehabt hat.
b) Der Kläger hat darüber hinaus auch nicht substantiiert vorgetragen, inwieweit die Beklagte in Bezug auf die Schadensfolge zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hat.
Nach der ganz herrschenden Meinung muss sich der Vorsatz des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht nur auf die Verletzungshandlung, sondern auch auf den Schadenseintritt und die damit verbundenen Schadensfolgen beziehen. Dass der Vorsatz die Gesundheitsschädigung einschließen muss, ergibt sich aus der gesetzlichen Definition des Versicherungsfalles und der Gesetzessystematik. Dies galt bereits unter der Vorgängervorschrift des § 636 RVO (BAG, Urteil vom 27.06.1975 - AP RVO § 636 Nr. 9). Der Vorsatz des Schädigers musste nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch den Verletzungserfolg umfassen. Auch die bloße vorsätzliche Missachtung von Unfallverhütungs- und Arbeitssicherheitsvorschriften, auf die ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen war, führte nicht die Entsperrung des Haftungsanspruches herbei.
An dieser Rechtsprechung hat sich durch die an die Stelle der §§ 636, 637 RVO getretenen §§ 104, 105 SGB VII nichts geändert (BAG, Urteil vom 10.10.2002 - AP SGB VII § 104 Nr. 1; BAG, Urteil vom 22.04.2004 - AP SGB VII § 105 Nr. 3; BAG, Urteil vom 19.08.2004 - AP SGB VII § 104 Nr. 4; BGH, Urteil vom 11.02.2003 - BGHZ 154, 11 = NJW 2003, 1605; ErfK/Rolfs, a.a.O., § 104 SGB VII Rz. 20 mit weiteren Nachweisen). Auch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII genügt es nicht, dass sich der Vorsatz nur auf die Verletzungshandlung bezieht, dieser muss sich vielmehr auch auf den konkreten Verletzungserfolg, den Personenschaden erstrecken. Dieser Auffassung folgt auch die Berufungskammer.
Aus dem Vorbringen des Klägers geht aber nicht hervor, inwieweit die Beklagte als Unternehmen den Personenschaden des Klägers vorsätzlich herbeigeführt hat. Der Kläger hat nicht substantiiert vorgetragen, wer auf Beklagtenseite die konkreten Verletzungsfolgen bewusst und gewollt herbeigeführt hat. Auch dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt. Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich ferner nicht, zu welchen Zeiten er bei welchen Tätigkeiten in welchen Einsatzbereichen mit welchen Giftstoffen in Kontakt geraten sein will, welche Anweisungen erteilt worden sind und insbesondere welche Schutzmaßnahmen, zu deren Ergreifung die Beklagte in den Jahren 1974 bis 1982 verpflichtet gewesen ist, nicht getroffen worden sind. Insoweit wäre es erforderlich gewesen, im Einzelnen darzustellen, welche Schutzmaßnahmen vorhanden gewesen sind und angeboten worden und welche Schutzmaßnahmen, zu denen die Beklagte seinerzeit verpflichtet gewesen ist, nicht getroffen worden sind. Diesen Anforderungen wird das klägerische Vorbringen auch in der Berufungsinstanz nicht gerecht. Der Kläger hat nicht vorgetragen, wer auf Beklagtenseite die konkreten Verletzungsfolgen bewusst und gewollt herbei geführt hat.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 63 GKG.
Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
Ende der Entscheidung
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