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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 09.11.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 991/07
Rechtsgebiete: BGB, GG
Vorschriften:
BGB § 242 | |
BGB § 1004 | |
GG Art. 2 |
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 03.05.2007 - 3 Ca 268/07 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom 20.11.2006 erteilte Abmahnung aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte des Klägers.
Der am 26.09.1947 geborene Kläger ist seit dem 01.01.1988 bei der Beklagten als Elektriker zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 2.300,00 € beschäftigt. Der Kläger ist Vorsitzender des bei der Beklagten gewählten Betriebsrats.
Mit Schreiben vom 20.11.2006 (Bl. 3 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger folgende Abmahnung:
"Sehr geehrter Herr O1,
am 14.11.2006 um ca. 10.30 Uhr erhielten Sie den Auftrag, am Extruder 7 die Sonde zu wechseln.
Zwar haben sie die Sonde gewechselt, aber die Funktionsfähigkeit nicht überprüft, insbesondere haben Sie die Sonde nicht so eingestellt, dass eine Wiederbefüllung mit Material erfolgt, wenn der Materialtrichter leer gelaufen ist.
Durch ihre fehlerhafte Ausführung des Sondenwechsels ist ein Produktionsausfall von acht Stunden entstanden.
Ihr Verhalten stellt einen Verstoß Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten dar.
Hierfür sprechen wir Ihnen eine Abmahnung aus."
Hiergegen erhob der Kläger am 31.01.2007 Klage zum Arbeitsgericht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die in der Abmahnung vom 20.11.2006 erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend. Hierzu hat er behauptet, er habe die Funktionsfähigkeit der ausgewechselten Sonde geprüft und getestet.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, das Abmahnschreiben der Beklagten vom 20.11.2006 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, der Kläger habe die Funktionsfähigkeit der Sonde nach dem Auswechseln nicht überprüft. Der Zeuge G1 habe dem Kläger lediglich dabei geholfen, den Trichter vollständig zu leeren, danach sei der Zeuge G1 gegangen. Später habe der Kläger dem Zeugen G1 erklärt: "Das funktioniert wieder, ich habe eine neue Sonde eingebaut."
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen G1. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 03.05.2007 (Bl. 11 ff. d. A.) Bezug genommen.
Durch Urteil vom 03.05.2007 hat das Arbeitsgericht sodann die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Abmahnung vom 20.11.2006 sei zu Recht ausgesprochen worden. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe entgegen der Behauptung des Klägers ergeben, dass dieser die Funktionsfähigkeit der gewechselten Sonde nicht mit dem Zeugen G1 geprüft und getestet habe.
Gegen das dem Kläger am 09.05.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.06.2007 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 06.07.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger ist nach wie vor der Auffassung, die Abmahnung vom 20.11.2006 sei zu Unrecht erteilt worden. Aus der Aussage des Zeugen G1 ergebe sich eben nicht, dass er, der Kläger, die gewechselte Sonde nicht geprüft und getestet habe. In der Zeit, in der der Zeuge G1 dem Kläger dabei geholten habe, den Trichter abzulassen, hätte er sehen müssen, dass der Kläger die Sonde überprüft habe. Wenn der Zeuge dies nicht gesehen habe, bedeute dies nicht zwangsläufig, dass der Kläger die Sonde nicht überprüft habe. Das Ablassen des Trichters, bei dem der Zeuge G1 geholfen habe, habe gerade den Sinn gehabt, es zu ermöglichen, die Funktionsfähigkeit der Sonde einzustellen. Das Ablassen des Trichters sei der wesentliche Teil der Arbeiten, die zur Überprüfung der Sonde erforderlich seien.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Detmold vom 03.05.2007 - 3 Ca 268/07 - die Beklagte zu verurteilen, die mit Schreiben vom 20.11.2006 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Unter näherer Schilderung des Produktionsvorganges behauptet sie erneut, das Ablassen des Materials aus dem Trichter sei eine bloße Vorbereitungshandlung, um die defekte Sonde auszuwechseln. Nur beim Ablassen des Materials habe der Zeuge G1 geholfen. Den Sondenwechsel habe der Kläger anschließend allein vorgenommen. Ein Funktionstest könne erst nach dem Einbau der neuen Sonde erfolgen. Dazu wäre es entweder erforderlich gewesen, die Anlage neu anzufahren, um bei absinkendem Füllstand des Materials zu prüfen, ob die Sonde automatisch den Nachschub regele. Alternativ hätte der Kläger auch die nochmalige Entleerung des Trichters bis auf denn Füllstand veranlassen können, bei welchem die Sonde das automatische Nachfüllen hätte veranlassen müssen. Beides habe der Kläger nicht getan. Dies stehe nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest. Der Zeuge G1 sei nämlich unstreitig bei dem zweiten Füllversuch nicht zugegen gewesen, sodass davon auszugehen sei, dass der Kläger das nicht veranlasst habe. Tatsache sei, dass die Sonde, was immer der Kläger auch mit ihr veranstaltet habe, nicht funktioniert habe und so ein Produktionsausfall von acht Stunden eingetreten sei. Der Kläger habe die Funktionstüchtigkeit der Sonde nicht überprüft, sein Verhalten sei kausal für einen Produktionsausfall gewesen.
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Die Beklagte ist verpflichtet, die dem Kläger erteilte Abmahnung vom 20.11.2006 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
I.
In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist ganz überwiegend anerkannt, dass ein Arbeitnehmer sich gegen die aus seiner Sicht unberechtigte Abmahnung auch durch Erhebung einer Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zur Wehr setzen kann. Einer derartigen Klage fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die Zulässigkeit einer solchen Klage ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer berechtigt ist, eine Gegendarstellung zur Personalakte abzugeben und/ oder die Berechtigung einer Abmahnung in einem späteren Kündigungsschutzprozess nachprüfen zu lassen. Das Rechtsschutzinteresse an der Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte ist darin zu sehen, dass eine unberechtigte Abmahnung die Grundlage für eine falsche Beurteilung des Arbeitnehmers sein kann und eine solche Gefahr seit ihrer Einfügung in die Personalakte besteht (BAG, Urteil vom 05.08.1992 - AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 8; BAG, Urteil vom 15.07.1992 - AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 9; BAG, Urteil vom 14.09.1994 - AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 13; BAG, Urteil vom 15.04.1999 - AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 22; BAG, Urteil vom 11.12.2001 - AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 8; KR/Fischermeyer, 8. Aufl., § 626 BGB Rz. 282 f.; APS/Dörner, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz. 415; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 10; ErfK/Dieterich, 8. Aufl., Art. 2 GG Rz. 103 m. w. N.).
II.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 20.11.2006 aus der Personalakte.
1.
Ein Entfernungsanspruch ist immer dann gegeben, wenn die Abmahnung nach Form und Inhalt geeignet ist, den Arbeitnehmer in seiner Rechtstellung zu beeinträchtigen. Eine Abmahnung muss dann aus den Personalakten entfernt werden, wenn sie Behauptungen enthält, die den Arbeitnehmer in seiner Rechtstellung und in seinem beruflichen Fortkommen unzulässig beeinträchtigen. Damit liegt ein objektiv rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor, der dem Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB den Beseitigungsanspruch einräumt.
Die Rechtswidrigkeit einer Abmahnung kann darauf beruhen, dass der Arbeitgeber von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgeht, indem die vom Arbeitgeber angenommene Pflichtverletzung der Sache nach zwar abmahnungswürdig ist, der Arbeitnehmer aber diese Pflichtverletzung nicht begangen hat. Die Rechtswidrigkeit kann weiterhin auf einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung des Verhaltens des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber beruhen, der Arbeitnehmer also das beanstandete Verhalten nachweisbar begangen hat, dieses aber entgegen der Auffassung des Arbeitgebers vertragsgemäß ist. Die Abmahnung kann deshalb rechtswidrig sein, weil sich der Arbeitgeber mit ihr zu seinem übrigen Verhalten, aus dem Arbeitnehmer entnehmen konnte, der Arbeitgeber werde über seine Handlungsweise hinwegsehen, in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise in Widerspruch setzt.
2.
Die Berufung des Klägers ist begründet, weil die Abmahnung vom 20.11.2006 den Vorwurf enthält, der Kläger habe die Funktionsfähigkeit der Sonde nicht überprüft. Diesen Vorwurf hat die Beklagte jedoch nicht beweisen können. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der erstinstanzlich vernommene Zeuge G1 dem Kläger lediglich bei den Vorbereitungsarbeiten zum Auswechseln der Sonde, beim Ablassen des Trichters geholfen hat. Dies ergibt sich auch aus der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme. Der Zeuge G1 hat ausdrücklich bekundet, dass er dem Kläger bei der Entleerung des Trichters geholfen habe und dann gegangen sei. Was der Kläger weiter gemacht habe, könne er nicht sagen.
Aus diesen Bekundungen des Zeugen ergibt sich nicht zwangsläufig, dass der Kläger, wie die Beklagte behauptet, die Funktionsfähigkeit der Sonde nicht überprüft hat. Die Beklagte schließt lediglich daraus, dass die Sonde später ihre Funktion nicht erfüllt habe und es damit zum Produktionsausfall gekommen sei, dass der Kläger die Funktionsfähigkeit der Sonder nicht überprüft habe. Dies ergibt sich auch aus der eigenen Berufungserwiderung der Beklagten, indem sie vorträgt, dass der Zeuge G1 beim zweiten Füllversuch nicht zugegegen gewesen sei, sodass davon auszugehen sei, dass der Kläger dies auch nicht veranlasst habe. Allein der Umstand, dass der Zeuge G1 dem Kläger lediglich beim Ablassen des Trichters geholfen hat, stellt keinen ausreichenden Beweis dafür dar, dass der Kläger die Funktionsfähigkeit der Sonde nicht überprüft hat. Gerade dies ist aber der wesentliche Vorwurf gegenüber dem Kläger in der ihm erteilten Abmahnung vom 20.11.2007. Die Beklagte hätte beweisen müssen, dass es ausgeschlossen ist, dass der Kläger die Funktionsfähigkeit der Sonde überprüft hat. Ein derartiger Nachweis liegt nicht vor. Die Beklagte hat auch insoweit keinen ausreichenden Beweisantritt geliefert.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie unterlegen ist.
Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 63 GKG.
Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
Ende der Entscheidung
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