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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.12.2005
Aktenzeichen: 13 Sa 157/05
Rechtsgebiete: BGB, LPVG NW


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
LPVG NW § 40 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers - unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten - wird das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 03.05.2005 - 3 Ca 1558/04 O - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 11.11.2004 noch durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.12.2004 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier außerordentlicher, arbeitgeberseitiger Kündigungen. Die Beklagte verlangt im Wege der Widerklage die Zahlung von 527,53 €.

Der am 18.03.1949 geborene, verheiratete Kläger trat am 01.01.1983 in die Dienste der Beklagten. Zuletzt war er als Sachbearbeiter des Bereichs 4 "Bauwesen" mit der Erledigung von Aufgaben der unteren Denkmalbehörde und der Friedhofsverwaltung betraut und erhielt dafür eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 4.155,24 €.

Ab dem Jahre 1983 war der Kläger Mitglied des bei der Beklagten bestehenden Personalrates, bevor er im Jahre 1990 zum Vorsitzenden dieses Gremiums gewählt wurde.

Als Personalratsvorsitzender verwaltete er die dem Gremium nach § 40 Abs. 2 LPVG NW zur Verfügung zu stellenden Haushaltsmittel sowie Gelder von Beschäftigten, die diese unter anderem für die Finanzierung von Betriebsfesten aufgebracht hatten. So befand sich auf dem Girokonto des Personalrates mit der Nummer 15xxx bei der Sparkasse Hochsauerland am 22.12.2000 ein Guthaben in Höhe von 5.363,70 DM. An diesem Tag veranlasste der verfügungsbefugte Kläger zum einen eine Umbuchung in Höhe von 2.360,00 DM auf das Personalrats-Sparbuch mit der Nummer 32xxxxxxx. Zum anderen hob er vom Girokonto einen Betrag in Höhe von 2.500,00 DM bar ab.

Weitere Barabhebungen vom Girokonto erfolgten am 25.06.2003 in Höhe von 500 €, am 10.07.2003 in Höhe von 200,00 € und am 11.12.2003 in Höhe von 195,00 €. Unter dem 23.06.2004 nahm der Kläger eine Einmalzahlung in Höhe von 962,10 € auf das Girokonto des Personalrates vor.

Zwischenzeitlich war er bei der Wahl im Jahre 2004 wieder in den Personalrat gewählt worden. In der Sitzung des Personalrates am 18.05.2004 hatte dieser aber anstelle des Klägers den Mitarbeiter P2xx mit Wirkung ab 01.07.2004 zum Personalratsvorsitzenden gewählt. Bei Übergabe der Amtsgeschäfte am 30.06.2004 legte der Kläger zunächst keine Belege über die Bewegungen auf den Personalratskonten vor; später übergab er die Auszüge für den Zeitraum ab 01.01.2003 bis 30.06.2004.

In der Personalratssitzung am 07.10.2004 beanstandete der neue Personalratsvorsitzende die fehlenden Auszüge für die Jahre 2000 bis 2002. Nachdem dann der Personalrat am 20.10.2004 den Beschluss gefasst hatte, den Kläger zum Rücktritt aufzufordern, trat dieser am 21.10.2004 von seinem Amt zurück.

Mit Schreiben vom 28.10.2004 forderte der Personalrat den Kläger zur Stellnahme hinsichtlich der aus seiner Sicht fraglichen Barauszahlungen aus den Jahren 1999 bis 2002 auf, nachdem er zuvor vom Kläger rekonstruierte Kontoauszüge für die genannten Jahre erhalten hatte. Auch der Bürgermeister der Beklagten forderte den Kläger zur Aufklärung des Sachverhaltes bis zum 10.11.2004 auf. Ein dafür beantragter Urlaub wurde ihm bewilligt.

Am 02.11.2004 überbrachte der Kläger einen Barbetrag in Höhe von 2.500,00 DM, bestehend aus 7 Scheinen a. 100,00 DM, 32 Scheinen a. 50,00 DM, 5 Scheinen a. 20.00 DM und 10 Scheinen a. 10,00 DM, die sich in einer blauen Tasche befanden.

Als er am 08.11.2004 zum Dienst zurückkehrte, war in seinem Büro zwischenzeitlich das Schloss ausgetauscht worden. Es fand sodann ein Gespräch mit ihm statt, an dem der Bürgermeister, der Erste Beigeordnete, der Kämmerer sowie teilweise der Personalverantwortliche Hxxxxxxxx teilnahmen.

Mit Schreiben vom 09.11.2004 hörte die Beklagte den Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an. Dem stimmte der Personalrat am 10.11.2004 zu. Darauf kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 11.11.2004 fristlos unter Berufung darauf, dass im Zusammenhang mit der Ende 2000 erfolgten Barabhebung von 2.500,00 DM "der Verdacht einer Straftat in Form einer versuchten Unterschlagung gegeben" sei.

Unter dem 13.12.2004 sprach die Beklagte nach vorheriger Zustimmung des Personalrats dem Kläger eine weitere außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus mit Verweis darauf, dass die Überprüfung aller vom Kläger zur Verfügung gestellten Unterlagen und Belege mindestens noch eine Differenz in Höhe von 527,53 € ergeben hätte; daher bestehe "der Verdacht, dass Sie Ihnen anvertraute Gelder in vorgenannter Höhe nicht für die Personalratstätigkeit verwendet, sondern anderweitig verbraucht haben".

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung vom 11.11.2004 sei unwirksam. Die ihm vorgeworfene Unterschlagung sei nicht gegeben, weil er sich das Geld zu keinem Zeitpunkt zugeeignet habe. In dem Zusammenhang hat er behauptet, die späte Rückgabe der 2.500,00 DM stehe namentlich im Zusammenhang mit seinen schwierigen persönlichen Verhältnissen seit Januar 2000. Insoweit ist unstreitig, dass der Kläger ab dem genannten Zeitpunkt seine an Alzheimer erkrankte Mutter zu pflegen hatte. Ab dem 25.04.2000 bis zum 22.10.2001 befand diese sich in der Tagespflege, wobei der Kläger sie morgens um 7.30 Uhr zum Bus zu transportieren und sie gegen 17.30 Uhr wieder abzuholen hatte, um sie im Übrigen vollständig zu versorgen. Es kam zu insgesamt 12 stationären Aufnahmen der Mutter und drei Rehabilitationsmaßnahmen. Des Weiteren mussten sich im Jahre 2001 die Ehefrau des Klägers und seine Tochter großen Operationen unterziehen - mit entsprechender pflegerischer Begleitung durch den Kläger. Zudem kam es in den Jahren 1999 bis 2002 zu zwei vom Kläger vorgenommenen Wohnungsauflösungen.

In einer solchermaßen "chaotischen" Situation sei es zur Abhebung der 2.500,00 DM am 22.12.2000 gekommen. In der Folgezeit habe er das Geld angesichts der sehr angespannten persönlichen und beruflichen Lage vergessen.

Seine Ehefrau und die Putzfrau S6xxxxxxx hätten dann anlässlich einer Reinigung in seiner Mietwohnung am G2xxxx W2x 14 in K1xxxxx am 01.11.2004 eine blaue Tasche mit Personalratsunterlagen gefunden; darin hätten sich auch die Geldscheine in einer Gesamtsumme von 2.500,00 DM befunden. In dieser Wohnung habe er von 1975 bis zum Jahre 2002 gewohnt. Nach dem Umzug in sein Einfamilienhaus an der M1xxxx B1xxxx 11 in K1xxxxx habe ihm die Mietwohnung bis zum Abschluss der notwendigen Renovierung des Einfamilienhauses in Eigenregie als Lagerort für diverse Möbel und Kisten gedient.

Selbst wenn im Hinblick auf die Gesamtumstände beim Personalrat ein Vertrauensverlust entstanden sein sollte, wirke sich dieser nicht ohne weiteres auch auf das Arbeitsverhältnis zur Beklagten aus.

Im Übrigen habe diese im Vorfeld der außerordentlichen Kündigung keine hinreichenden Anstrengungen unternommen, um den Sachverhalt aufzuklären.

Letztlich sei die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats zu bestreiten.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitverhältnis durch die Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 11.11.2004 nicht aufgelöst worden ist.

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 13.12.2004 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung vom 11.11.2004 sei als sogenannte Verdachtskündigung gerechtfertigt; in jedem Fall habe die weitere außerordentliche Kündigung vom 13.12.2004 zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen S4xxxxx, S7xxxx und H4xxxxxxxx. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Sitzungsprotokoll vom 03.05.2005 (Bl. 168 f. der Akten).

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 03.05.2005 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die außerordentliche Kündigung vom 11.11.2004 sei wirksam, weil in Bezug auf die 2.500,00 DM ein auf objektive Tatsachen gestützter schwerwiegender Verdacht vorliege, der Kläger habe Personalratsvermögen mit seinem privaten Vermögen vermischt und hierdurch den Straftatbestand der Unterschlagung verwirklicht. Dafür sprächen schon die Umstände der Abhebung des Geldes in bar am letzten Banktag vor Weihnachten des Jahres 2000. Er sei auch trotz der schwierigen persönlichen Situation des Klägers wenig nachvollziehbar, dass er einen solchen großen Geldbetrag über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren einfach vergessen habe und ihm dies auch bei der Übergabe der Amtsgeschäfte als Personalratsvorsitzender am 30.06.2004 nicht gegenwärtig gewesen sei. Die Rückgabe des Geldes in DM - Scheinen schwäche zwar den schwerwiegenden Verdacht, könne ihn aber nicht ausräumen.

Die gegebene Pflichtverletzung wirke sich auch auf das Verhältnis zur Beklagten aus, weil diese ein Interesse daran habe, dass die von ihr zur Verfügung gestellten Personalratsmittel ordnungsgemäß verwaltet würden.

Der Kläger sei anlässlich der Besprechung am 08.11.2004 ausreichend angehört worden. Weiteren Nachforschungen habe die Stadt nicht vornehmen müssen.

Auch die Anhörung des Personalrats sei ordnungsgemäß erfolgt.

Gegen dieses ihm am 25.05.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.06.2005 Berufung eingelegt und diese am 18.07.2005 begründet.

Er vertritt die Ansicht, die Voraussetzungen für die am 11.11.2004 erklärte außerordentliche Verdachtskündigung seien nicht gegeben. Es fehlten schon objektive Anhaltspunkte für die erforderliche Zueignungshandlung. So habe er als Personalratsvorsitzender über die Gelder ohne Vorgaben für deren Aufbewahrung verfügen können; dem entsprechend wäre er auch berechtigt gewesen, Gelder in einer Tasche in seiner Wohnung aufzubewahren.

Am 22.12.2000 habe er das Geld deshalb in bar entgegengenommen, um der Sparkasse nicht anzeigen zu müssen, dass er den Betrag bei einer anderen Bank gewinnbringender habe anlegen wollen. Die Auszahlung in kleineren Scheinen könne sich daraus erklären, dass es kurz vor Weihnachten gewesen sei und wegen vieler Barabhebungen keine größeren Scheine mehr verfügbar gewesen seien; im Übrigen erfolge die Auszahlung je nach Bestand im Kassenfach.

Er habe die Gelder auch nicht für eigene Belange verbraucht oder mit anderen Geldern vermischt, denn am 02.11.2004 habe er exakt die Geldscheine zurückgegeben, die er am Ende des Jahres 2000 von der Sparkasse erhalten habe. Als Privatmann habe er sich nämlich drei Jahre nach Einführung des Euro die DM- Scheine nicht anderweitig besorgen können.

Die verspätete Rückgabe beruhe auf Nachlässigkeit, bedingt durch die geschilderte angespannte Lage in persönlicher und beruflicher Hinsicht.

Abgesehen davon sei durch das Geschehen das Vertrauen der Beklagten in seine, des Klägers, Funktion als Sachbearbeiter ohne Zugriff auf Gelder des Arbeitgebers nicht zerstört.

Im Übrigen hätte die Beklagte beispielsweise aufklären müssen, von wann die DM-Geldscheine gestammt hätten und wie die Auszahlungsmodalitäten bei der Sparkasse Hochsauerland Ende des Jahres 2000 gewesen seien.

Bei der Anhörung sei er überrumpelt worden. Man habe ihm auch nicht alle Tatsachen für den erhobenen Verdacht vorgehalten.

Die Beteiligung des Personalrates sei auch nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil man ihm wichtige Indizien, auf die der Verdacht gestützt worden sei, nicht mitgeteilt habe.

Die außerordentliche Kündigung vom 13.12.2004 sei ebenfalls unwirksam. Die insoweit erhobenen Vorwürfe seien pauschal, und im Übrigen habe man ihm auch nicht durch Vorlage der entsprechenden Unterlagen die Möglichkeit gegeben, dazu im Einzelnen Stellung zu nehmen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 03.05.2005 - 3 Ca 1558/04 O - abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 11.11.2004 noch durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.12.2004 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen.

2. im Wege der Anschlussberufung den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 527,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2005 zu zahlen.

Sie ist der Meinung, schon die erste außerordentliche Kündigung sei wirksam. So sei es völlig lebensfremd, dass man erst am 01.11.2004 in der Mietwohnung Geldscheine im Umfang von 2.500,00 DM gefunden habe; das Erinnerungsvermögen hätte beim Kläger dann schon zuvor in der vom Personalrat eingeräumten Zeit von Mitte Mai bis Ende Oktober 2004 einsetzen müssen. Entgültig unglaubwürdig werde der Kläger durch sein Verhalten unmittelbar nach dem angeblichen Fund der blauen Tasche. So habe er noch anlässlich der am Abend des 01.11.2004 mit dem Bürgermeister und dem Personalverantwortlichen Hxxxxxxxx geführten Telefonate von gefundenem Bargeld nichts erzählt - auch nicht während eines Telefongesprächs mit dem stellvertretenden Personalratsvorsitzenden B5xxxxxx am Morgen des 02.11.2004. Erst am Nachmittag dieses Tages gegen 15.30 Uhr habe er dann gegenüber dem Personalverantwortlichen Hxxxxxxxx den Fund von 2.500,00 DM erwähnt.

Im Übrigen sprächen auch die Umstände, unter denen die Auszahlung am Freitag vor Weihnachten des Jahres 2000 erfolgt seien, gegen den Kläger; so würden beispielsweise 2.500,00 DM nicht in der vorgelegten Stückelung ausgezahlt.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe im Vorfeld alles zur Aufklärung des Sachverhaltes Erforderliche getan - einschließlich der ordnungsgemäßen Anhörung des Klägers. Dem Personalrat sei der gesamte Vorgang bekannt gewesen, zumal dieser den Sachverhalt vollständig zu Tage gefördert habe.

Was die weitere außerordentliche Kündigung vom 13.12.2004 angehe, sei auffällig, dass die für die Dokumentation der über mehrere Jahre reichenden Vermögensverfügungen verwandten Zettel ein identisches Erscheinungsbild aufwiesen. Abgesehen davon habe die Überprüfung einen Negativsaldo von 527,53 € ergeben, der widerklagend geltend gemacht werde.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

In dem Zusammenhang führt er aus, es sei nicht substanziiert dargelegt worden, wie man zu diesem Betrag gelangt sei; auch fehle der Beklagten die Aktivlegitimation.

Wegen des weiteren Vorbringens beider Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet, während die Anschlussberufung der beklagten Stadt als unbegründet zurückzuweisen war.

I.

Die dem Kläger gegenüber ausgesprochenen beiden außerordentlichen Kündigungen vom 11.11. und 13.12.2004 sind rechtsunwirksam, weil keine Gründe für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegen (§ 626 Abs. 1 BGB).

1. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sind die Voraussetzungen einer sogenannten Verdachtskündigung, auf die sich die Beklagte zur Begründung der ersten außerordentlichen Kündigung vom 11.11.2004 stützt, nicht erfüllt.

Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79; AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37, 36, 25, 24, 23) kann eine Verdachtskündigung gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen und geeignet sind, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen, insbesondere dem betroffenen Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

Gerade wegen der Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, der seines durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheitsrechts auf Beibehaltung des gewählten Arbeitsplatzes verlustig gehen würde, muss vom Arbeitgeber im Vorfeld einer solchen Kündigung verlangt werden, alles zu tun, um den Verdacht zu objektivieren und den zugrundeliegenden Sachverhalt umfassend aufzuklären; dabei kann er auch das Ergebnis eines Strafverfahrens abwarten, ohne Gefahr zu laufen, die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB zu versäumen (BAG AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23).

Diese Voraussetzungen waren hier im maßgeblichen Zeitraum des Zugangs der außerordentlichen Kündigung am 11.11.2004 nicht erfüllt.

a) Allerdings ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass diverse Tatsachen den begründeten Verdacht geschaffen haben, der Kläger habe sich die ihm am 22.12.2000 von der Sparkasse Hochsauerland bar ausgezahlten 2.500,00 DM in strafrechtlich relevanter Weise zueignen wollen.

b) Die Beklagte hat es aber versäumt, den verbliebenen nicht unerheblichen Zweifeln im Vorfeld der Beendigung eines zum damaligen Zeitpunkt fast 22 Jahre andauernden Arbeitsverhältnisses in gehörigem Umfang nachzugehen.

So wäre es beispielsweise ein Leichtes gewesen, sich bei der Sparkasse Hochsauerland zu erkundigen, ob es möglich war, dass es am Freitag, den 22.12.2000, dem letzten Banktag vor Weihnachten, zur Auszahlung von 2.500,00 DM in der vom Kläger behaupteten Stückelung gekommen ist. Hierfür hätte um so mehr Veranlassung bestanden, als der Kläger eine nachvollziehbare Erklärung für die Barabhebung gegeben hat, nämlich die lukrativere Anlegung des Geldes bei einer anderen Bank, ohne dass die Sparkasse davon erfahren sollte.

Als der Kläger den Betrag dann in DM-Scheinen fast vier Jahre später am 02.11.2004 übergab, hätte die Beklagte sich näher erkundigen müssen, wie es zum plötzlichen Auffinden des Geldes gekommen sein soll - möglicherweise dann mit Nachfragen bei der Ehefrau und/oder der Putzfrau S6xxxxxxx, die die blaue Tasche mit dem Geld am 01.11.2004 in der Mietwohnung gefunden haben sollen.

Gegebenenfalls hätte auch eine Nachfrage zum Beispiel bei der Landeszentralbank ergeben können, ob es fast drei Jahre nach Einführung des Euro zum 01.01.2002 für einen Privatmann überhaupt noch möglich war, sich DM-Scheine der vorliegenden Art und Menge zu besorgen.

Wären alle genannten Auskünfte zu Gunsten des Klägers ausgefallen, hätte sich die Anschlussfrage gestellt, wie dann noch seine Behauptung zu entkräften gewesen wäre, er habe aufgrund seiner damaligen sehr belastenden persönlichen und beruflichen Situation den abgehobenen Betrag in der blauen Tasche schlicht vergessen. In dem Zusammenhang wäre auch zu würdigen gewesen, dass der Kläger selbst es war, der durch die Übergabe weiterer abrechnungsrelevanter Unterlagen dazu beigetragen hatte, dass man auf den Vorgang mit der Auszahlung von 2.500,00 DM aufmerksam wurde. Des Weiteren hat er den Betrag von sich aus am 02.11.2004 übergeben, wobei es zugestandenermaßen aber wiederum merkwürdig ist, warum er davon in insgesamt drei zuvor geführten Telefonaten am 01. und 02.11.2004 nichts erwähnt hat.

Aufgrund der aufgezeigten erheblichen Lücken bei der beklagtenseits vorgenommenen Ermittlung der kündigungsrelevanten Tatsachen war die auf den bloßen Verdacht eines strafrechtlichen Verhaltens gestützte außerordentliche Kündigung vom 11.11.2004 für rechtsunwirksam zu erklären.

c) Deshalb konnte auch die Frage offen bleiben, ob die dem Kläger vorgeworfene Pflichtverletzung überhaupt den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Den unstreitig waren ihm die 2.500,00 DM in seiner damaligen amtlichen Funktion als Personalratsvorsitzender anvertraut worden. Regelmäßig rechtfertigen in dem Zusammenhang begangene grobe Pflichtverletzungen "nur" den Ausschluss aus dem Personalrat ( § 25 Abs. 1 LPVG NW), dem der Kläger durch seinen Rücktritt am 21.10.2004 zuvor gekommen ist.

Eine außerordentliche Kündigung auch das Arbeitverhältnisses kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn zugleich eine schwere Arbeitsvertragsverletzung vorliegt, wobei ein "strengerer Maßstab" anzulegen ist als bei einem Arbeitnehmer ohne Amtsfunktion (BAG AP BGB § 626 Nr. 95). In dem Zusammenhang ist nicht zuletzt wegen der Gefahr einer doppelten Sanktionierung eines Fehlverhaltens immer mit zu würdigen, ob der Pflichtverstoß aus einer Amtssituation heraus entstanden ist, der ein Beschäftigter ohne entsprechendes Amt nicht ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Dabei ist auch nicht unerheblich, dass die Beklagte selbst in ihren Vermögensinteressen durch die dem Kläger vorgeworfene Handlungsweise nicht direkt berührt worden ist, weil es sich bei den 2.500,00 DM entweder um gemäß § 40 Abs. 2 LPVG NW verselbstständigte Haushaltsmittel de s Personalrats oder um von einzelnen Arbeitnehmern überlassene Gelder gehandelt hat. In dieser Konstellation wird auch verständlich, dass der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, der Personalrat sei "offenbar der Hauptbetreiber der Kündigung".

d) Letztlich wäre auch noch zu prüfen gewesen, warum bei einer unterstellten (versuchten) Unterschlagung von Geldern des Personalrats und/oder der Arbeitnehmer automatisch auch das fast 22 Jahre andauernde Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters zu beenden gewesen wäre, der aktuell als Sachbearbeiter im Bereich des Denkmalschutzes und der Friedhofsverwaltung ohne direkte Zugriffmöglichkeiten auf das Vermögen des Arbeitgebers zum Einsatz kam.

2. Die zweite ebenfalls als Verdachtskündigung ausgesprochene außerordentliche Kündigung vom 13.12.2004 scheitert schon daran, dass bei Zugrundelegung des Vortrags der Beklagten nicht der erforderliche dringende Tatverdacht feststellbar ist. So hat sie es versäumt, im einzelnen schriftsätzlich darzulegen, wie das von ihr beauftragte Rechnungsprüfungsamt nach Überprüfung der Buchungsjournale für die Jahre 1994 bis 2004 zu der für den Kläger negativen Differenz in Höhe von 527,53 € gelangt ist. Im Übrigen fehlen greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger diese Gelder anderweitig für private Zwecke verbraucht und sich damit strafbar gemacht hat.

II.

Die im Wege der Anschlussberufung erhobene Widerklage, gerichtet auf die Rückzahlung von 527,53 €, war schon deshalb abzuweisen, weil die Beklagte gar nicht Forderungsinhaber ist.

Soweit es sich dabei nämlich um Gelder handeln sollte, die dem Personalrat aus Haushaltsmitteln zur Deckung der ihm als Aufwand entstehenden Kosten zur Verfügung gestellt worden sind ( § 40 Abs. 2 LPVG NW), liegt die Verfügungsberechtigung ausschließlich beim Personalrat. Im Übrigen stehen bei zweckwidriger Verwendung von Mitteln, die von der Arbeitnehmerschaft aufgebracht wurden, die entsprechenden Rückforderungsansprüche den betroffenen Mitarbeitern zu, nicht aber der Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind wegen der für die Entscheidung tragenden Einzelfallerwägungen nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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