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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.02.2005
Aktenzeichen: 13 TaBV 126/04
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:
BetrVG § 25 | |
BetrVG § 99 | |
BetrVG § 100 |
Tenor:
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 19.05.2004 - 2 BV 2/04 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der zweite Satz des Tenors wie folgt lautet:
Es wird festgestellt, dass der Betriebsrat nicht bestritten hat, dass die vorläufige Versetzung des Mitarbeiters M7xxxxx M8xxxxx in die Funktion einer Spielaufsicht aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Gründe: A. Die Beteiligten streiten um die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung und Umgruppierung eines Arbeitnehmers sowie um das Recht zur vorläufigen Durchführung von Maßnahmen. Ausweislich einer internen Stellenausschreibung vom 22.12.2003 suchte die Arbeitgeberin, die das öffentlich konzessionierte Spielcasino in B4x O1xxxxxxxx betreibt, eine/n Mitarbeiterin im Bereich des klassischen Spiels für die Funktion einer Spielaufsicht. Aus dem Bewerberkreis entschied sich die Arbeitgeberin für den Mitarbeiter M8xxxx und bat erstmals mit Antrag vom 22.01.2004 (Bl. 7 d.A.) um Zustimmung zur Versetzung des bis dahin als Croupier tätigen Arbeitnehmers, verbunden mit der Höhergruppierung in die tarifliche Entgeltgruppe 7, 9. Berufsjahr mit einem Punktanteil von 22. Nach erfolgter Verweigerung der Zustimmung zu diesen personellen Maßnahmen mit Betriebsrats-Schreiben vom 28.01.2004 (Bl. 10 ff. d.A.) beantragte die Arbeitgeberin mit einem dreiseitigen Begründungsschreiben vom 23.02.2004 "noch einmal" die Zustimmung und teilte dem Betriebsrat zugleich mit, dass sie die Maßnahmen ab dem 01.03.2004 vorläufig durchführen werde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die mit Antragsschriftsatz vom 01.03.2004 eingereichte Kopie (Bl. 14 ff. d.A.). Bei der daraufhin anberaumten Betriebsratssitzung am 24.02.2004 waren von sieben gewählten fünf Betriebsratsmitglieder anwesend sowie als Ersatzmitglieder die Mitarbeiter E1x-xx und R2xxxx. Da die beiden Letztgenannten sich ebenfalls um die ausgeschriebene Stelle beworben hatten, nahmen sie an der Beschlussfassung nicht teil; statt dessen wurde aus einem Kreis von insgesamt 12 Ersatzmitgliedern der Arbeitnehmer S7xxxxxxx hinzugezogen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift wurde mit sechs Ja-Stimmen die Zustimmung zur Versetzung und Umgruppierung verweigert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Ladung zu dieser Sitzung und zum Inhalt der Sitzungsniederschrift wird verwiesen auf die mit Betriebsratsschriftsatz vom 18.11.2004 eingereichten Kopien (Bl. 95, 97 d.A.). Das Verweigerungsschreiben vom 24.02.2004, in dem auch der "Dringlichkeit gem. § 100 BetrVG widersprochen" wurde, ging bei der Arbeitgeberin am 26.02.2004 ein. Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird verwiesen auf die mit Antragsschriftsatz vom 01.03.2004 eingereichte Kopie (Bl. 17 ff. d.A.). Daraufhin leitete die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 01.03.2004 das vorliegende Beschlussverfahren ein. Sie hat die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates betreffend die beabsichtigte Versetzung und die Stellungnahme zu der Dringlichkeit der vorläufigen personellen Maßnahmen bestritten. Dementsprechend ist sie der Ansicht, dass die Zustimmung zu den beabsichtigten Maßnahmen als erteilt gelte. In jedem Falle sei die Zustimmung aber zu ersetzen, da beachtliche Verweigerungsgründe nicht vorhanden seien. Die Maßnahme sei auch dringend erforderlich, da ihr nicht zugemutet werden könne, auf Dauer eine zu besetzende Stelle unbesetzt zu lassen. Die Arbeitgeberin hat beantragt, 1. festzustellen, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Mitarbeiters M7xxxxx M8xxxxx in die Funktion einer Spielaufsicht und zur Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7, 22 Punkte, als erteilt gilt, 2. hilfsweise, die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters M7xxxxx M8xxxxx in die Funktion einer Spielaufsicht und zur Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7, 22 Punkte, hilfsweise 18 Punkte, zu ersetzen, 3. festzustellen, dass die Versetzung des Herrn M7xxxxx M8xxxxx in die Funktion einer Spielaufsicht aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Der Betriebsrat hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung geäußert, ein Bedarf für die personellen Maßnahmen sei nicht gegeben. Dies ergebe sich bereits daraus, dass sich hinsichtlich der Stellenpläne im Verhältnis der Jahre 2002 und 2003 zueinander nichts geändert habe. Alle 15 ausgewiesenen Stellen seien besetzt.
Vor dem Hintergrund einer drohenden Überbesetzung könne auch nicht von der Dringlichkeit der Maßnahmen ausgegangen werden.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 19.05.2004 festgestellt, dass die Zustimmung des Betriebsrates zu den beiden personellen Einzelmaßnahmen als erteilt gilt und die vorläufige Versetzung des Arbeitnehmers M8xxxxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Betriebsrat habe trotz einer entsprechenden gerichtlichen Auflage bis zuletzt nicht dargetan, dass seinem Ablehnungsschreiben ein wirksamer Beschluss zugrunde liege. Zur Vermeidung der Belastung anderer Arbeitnehmer sei die Arbeitgeberin auch gehalten, die frei gewordene Stelle sofort zu besetzen.
Gegen diesen ihm am 09.11.2004 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat bereits am 19.10.2004 Beschwerde eingelegt, die sodann am 18.11.2004 begründet wurde.
Der Betriebsrat ist der Ansicht, die Beschlussfassung am 24.02.2004 sei ordnungsgemäß erfolgt. Für die beiden wegen persönlicher Betroffenheit verhinderten Arbeitnehmer E1xxx und R2xxxx habe nur der Mitarbeiter S7xxxxxxx herangezogen werden können, weil alle anderen Ersatzmitglieder verhindert gewesen seien.
In der Sache bestehe kein Bedarf für eine weitere Spielaufsicht. Alle 15 in der Personalplanung ausgewiesenen Stellen seien besetzt. Dementsprechend sei auch die vorläufige Durchführung der Versetzung nicht erforderlich.
Der Betriebsrat beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 19.05.2004 - 2 BV 2/04 - abzuändern und die Anträge abzuweisen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass im Zusammenhang mit dem Ursprungsantrag zu Ziffer 3 in erster Linie beantragt wird, festzustellen, dass der Betriebsrat nicht bestritten hat, dass die Versetzung des Mitarbeiters M7xxxxx M8xxxxx in die Funktion einer Spielaufsicht aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Sie ist der Meinung, die Beschlussfassung am 24.02.2004 sei fehlerhaft, weil statt nur einem zwei Ersatzmitglieder hätten hinzugezogen werden müssen.
Davon abgesehen liege kein rechtlich beachtlicher Zustimmungsverweigerungsgrund vor. So sei es eine nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates unterfallene unternehmerische Entscheidung, in welcher Größenordnung im Bereich der Spielaufsicht Personal zum Einsatz komme. In dem Zusammenhang seien es bloße Spekulationen, wenn der Betriebsrat äußere, es werde Personal für ein anderes Spielcasino vorgehalten.
B.
Die beiden Hauptanträge der Arbeitgeberin sind zulässig und begründet, bezogen auf das mit arbeitgeberseitigem Schreiben vom 23.02.2004 "noch einmal" gestellte Zustimmungsersuchen, nachdem zuvor "die Zustimmung verweigert" worden war.
I.
Die Arbeitgeberin hat an den in erster Linie begehrten Feststellungen, dass die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung/Höhergruppierung als erteilt gilt und der Betriebsrat nicht bestritten hat, dass die vorläufige Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Dies folgt u.a. daraus, dass er andernfalls Gefahr läuft, auf Antrag des Betriebsrates einem Verfahren nach § 101 BetrVG ausgesetzt zu werden. Vor diesem Hintergrund ist es zulässig, wenn man selbst ein Verfahren anstrengt, in dem rechtsverbindlich geklärt wird, ob man gegenüber dem Betriebsrat berechtigt war und ist, die beantragten personellen Maßnahmen durchzuführen (grundlegend: BAG AP Nr. 57 zu § 99 BetrVG 1972).
II.
Die Anträge sind auch begründet, weil dem Ablehnungsschreiben des Betriebsrates vom 24.02.2004 keine wirksame Beschlussfassung zugrunde liegt.
1) In dem Zusammenhang kann offen bleiben, ob der Betriebsrat in seiner Sitzung am Abend des 24.02.2004 auch einen Beschluss im Zusammenhang mit der arbeitgeberseits angekündigten vorläufigen Durchführung der Versetzung gefasst hat. Denn ausweislich der Sitzungsniederschrift, in der nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Wortlaut aller Beschlüsse wiederzugeben ist, fasste man mit jeweils sechs Ja-Stimmen "nur" Beschlüsse betreffend die Zustimmung zur Versetzung und zur Umgruppierung, während in der Tagesordnung noch zusätzlich "§ 100 BetrVG" erwähnt wurde.
2) In jedem Fall ist die erfolgte Beschlussfassung insgesamt deshalb fehlerhaft, weil nach dem Vorbringen des Betriebsrates bis zum Schluss der letzten mündlichen Anhörung nicht festgestellt werden kann, dass er in der Sitzung am 24.02.2004 bei der Beratung und Abstimmung über "TOP O4" ordnungsgemäß besetzt war.
Geht man in dem Zusammenhang einmal davon aus, dass die Betriebsratsmitglieder W5xxxxx und S6xxxxx tatsächlich verhindert waren und deshalb gemäß § 25 Abs. 1 BetrVG die Ersatzmitglieder E1xxx und R2xxxx unter Beachtung des § 25 Abs. 2 BetrVG herangezogen wurden, so ist es zutreffend, dass die beiden Letztgenannten wegen einer bestehenden Interessenkollision im Rechtssinne (auch) verhindert waren, an den Entscheidungen des Betriebsrates mitzuwirken. Denn als Mitbewerber um die zu besetzende Stelle waren sie individuell und unmittelbar betroffen, so dass die Gefahr einer Überlagerung der als Organmitglieder zu wahrenden kollektiven Interessen bestand (vgl. z.B. BAG AP Nr. 7 zu § 25 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, 22. Aufl., § 25 Rdn. 18).
Dem entsprechend hätten zwei weitere Ersatzmitglieder geladen werden müssen. Denn eine unverzichtbare Voraussetzung für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses ist es, dass unter Ausschöpfung des in § 25 Abs. 2 BetrVG vorgegebenen Weges für zeitweilig verhinderte Betriebsratsmitglieder vorhandene Ersatzmitglieder heranzuziehen sind. Nur so wird nämlich der gesetzlichen Vorgabe, dass ein Betriebsrat gerade bei der Beschlussfassung als der für seine gesamte Arbeit entscheidenden Handlungsform möglichst immer mit der in § 9 BetrVG festgelegten Mitgliederzahl zusammentritt, ausreichend Rechnung getragen. Hiervon ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn eine Verhinderung plötzlich eingetreten ist und es nicht mehr möglich war, ein Ersatzmitglied zu laden (vgl. BAG, a.a.O.).
Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Denn als die Betriebsratsvorsitzende mit Schreiben vom 23.02.2004 zu der Betriebsratssitzung am Abend des Folgetages ab 20.00 Uhr einlud, waren ihr die Verhinderungsfälle bereits bekannt, wie nicht zuletzt die Ladung des Ersatzmitgliedes S7xxxxxxx zeigt. Warum es nicht möglich war, aus der verbleibenden Zahl von neun Ersatzmitgliedern ein weiteres zu laden, ist weder schriftlich dargelegt worden noch konnten dies die Betriebsratsvertreter W5xxxxx und M9xxx in der mündlichen Anhörung am 04.02.2005 juristisch nachvollziehbar erklären. Namentlich der Hinweis darauf, dass einzelne Ersatzmitglieder am Abend des 24.02.2004 keinen Dienst gehabt hätten, rechtfertigt es nicht, von deren Verhinderung auszugehen. Denn wie § 37 Abs. 3 BetrVG zeigt, kann es Fälle geben, dass Betriebsratstätigkeit auch außerhalb der individuellen Arbeitszeit zu verrichten ist. So hat auch das Bundesarbeitsgericht konsequenterweise im Zusammenhang mit der Frage der Erstattung der dadurch entstandenen Aufwendungen entschieden, dass der Aspekt, keinen Dienst zu haben, nicht zu einem Verhinderungsfall im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG führt (BAG AP Nr. 28 zu § 40 BetrVG 1972; siehe auch LAG Hamm, DB 1989, 1422).
Nach alledem muss hier mangels Vorliegens anderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass mindestens ein weiteres der verbleibenden neun Ersatzmitglieder nicht im Rechtssinne verhindert war, an der Sitzung teilzunehmen.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass dieser Fehler offensichtlich ohne Einfluss auf das erzielte Abstimmungsergebnis von sechs Ja-Stimmen geblieben ist. Denn das nicht geladene Ersatzmitglied hatte überhaupt keine Gelegenheit, seine Meinung in die Beratung des Betriebsrates einzubringen und damit - möglicherweise - auf ein anderes Abstimmungsverhalten hinzuwirken (vgl. BAG AP Nr. 7 zu § 25 BetrVG 1972).
Dies führt dazu, dass die am 24.02.2004 zu "TOP 04" gefassten Beschlüsse des Betriebsrates unwirksam sind. Daraus ergibt sich wiederum, dass nach Ablauf der Frist von einer Woche die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung und Umgruppierung des Arbeitnehmers M8xxxxx als erteilt gilt (§ 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG).
Auch der Beschluss im Zusammenhang mit § 100 BetrVG, sollte er überhaupt gefasst worden sein, ist unwirksam mit der Folge, dass kein beachtliches Bestreiten des Betriebsrates im Sinne des § 100 Abs. 2 Satz 2 BetrVG vorliegt.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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