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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.01.2006
Aktenzeichen: 13 TaBV 200/05
Rechtsgebiete: RVG, BetrVG
Vorschriften:
RVG § 23 Abs. 3 S. 2 | |
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3 |
Tenor:
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 04.11.2005 - 1 BV 51/05 - wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat von der Arbeitgeberin die Unterlassung verlangt, Mehrarbeit ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts durchzuführen; zugleich hat er die Feststellung begehrt, dass die Arbeitgeberin verpflichtet sei, auch bei AT-Angestellten die Zustimmung zur Anordnung von Überstunden einzuholen. Zur Begründung hat sich der Betriebsrat darauf berufen, dass nach mehreren vorangegangenen mündlichen und schriftlichen Mahnungen mindestens ab Mai 2005 bis Juli 2005 von in jedem Fall sechs namentlich benannten Arbeitnehmern in zahlreichen Fällen jeweils deutlich über zehn Stunden pro Tag gearbeitet worden sei, im Falle M3xxxxxxx sogar noch, nachdem die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 13.07.2005 auf die Missstände hingewiesen worden sei.
Die Anträge wurden nach einer außergerichtlichen Einigung zurückgenommen.
Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 04.11.2005 den Gegenstandswert auf 8.000,00 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 05.12.2005 erhobene Beschwerde der Arbeitgeberin mit dem Ziel, den Wert auf 4.000,00 € festzusetzen.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die gemäß § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet.
Bei der Bemessung des Gegenstandswertes ist von § 23 Abs. 3 S. 2, 2 Hs. RVG auszugehen.
Danach ist der Gegenstandswert auf 4 000 €, je nach Lage des Falles aber auch niedriger oder höher bis zu 500 000 € anzunehmen, sofern es sich um nichtvermögensrechtliche Gegenstände handelt. Hiervon ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren immer dann auszugehen, wenn um das Bestehen und die Beachtung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte gestritten wird, weil die Begehren weder auf Geld noch auf eine geldwerte Leistung gerichtet sind und auch ihre Grundlage nicht in einem Verhältnis haben, dem ein Vermögenswert zukommt (vgl. BAG NZA 2005, 70; LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn. 313).
1. Vorliegend haben sich die Beteiligten um die Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gestritten.
2. Die danach einschlägige Auffangvorschrift des § 23 Abs. 3 S. 2, 2 Hs. RVG mit ihrem außerordentlich weiten Bewertungsrahmen und dem Hilfswert in Höhe von derzeit 4 000 € stellt die Rechtsprechung vor die Aufgabe, die in Beschlussverfahren infrage kommenden Streitgegenstände in ein Bewertungssystem einzubinden, das falladäquate Abstufungen zulässt und zugleich tragenden Grundsätzen des Arbeitsgerichtsprozesses ausreichend Rechnung trägt; erforderlich ist die Herausarbeitung typisierender Bewertungsgrundsätze, um zu einer gleichförmigen und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen (LAG Hamm EzA Nr. 70 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; Schneider, Anm. zu BAG EzA Nr. 36 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn 443).
Maßgebend ist allerdings immer die "Lage des Falles"; es bedarf also einer auf die konkreten Umstände des einzelnen Verfahrens abgestellten Wertfestsetzung.
Was die maßgeblichen Einzelfallumstände angeht, kann auf die vergleichbare Regelung zur Bewertung nichtvermögensrechtlicher Streitigkeiten in § 37 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zurückgegriffen werden, wonach es in erster Linie auf die Bedeutung der Angelegenheit ankommt; daneben kann im Einzelfall der Umfang sowie die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit eine Rolle spielen (vgl. BVerfG NJW 1989, 2047; siehe auch § 48 Abs. 2 S. 1 GKG).
Mit der Bedeutung der Angelegenheit als Ausgangspunkt der Bewertung ist die Tragweite der gerichtlichen Entscheidung für die materielle und ideelle Stellung der Betroffenen angesprochen, was ihnen selbst die Sache "wert" ist. Die daneben zu berücksichtigenden Gesichtspunkte des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit müssen in Relation zur Bedeutung der Sache gewichtet werden. Entspricht also der anwaltliche Arbeitsaufwand von seinem Umfang und seiner Schwierigkeit her typischerweise der Bedeutung der Sache, bleibt es bei deren Bewertung; die Bedeutung ist also letztlich das ausschlaggebende Moment für die vorzunehmende Wertfestsetzung (BVerfG, a.a.O.; LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO).
Andererseits ist der in Beschlussverfahren zum Ausdruck kommenden Grundtendenz Rechnung zu tragen, wonach die dem Arbeitgeber gem. § 40 Abs. 1 BetrVG obliegende Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten zu tragen, nicht zu einer unangemessenen Belastung führen darf (LAG Hamm EzA Nr. 70 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn. 444; vgl. auch § 37 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG und § 48 Abs. 2 S. 1 GKG). Damit steht wiederum die Sonderbestimmung des § 2 Abs. 2 GKG in Einklang, wonach in Beschlussverfahren keine Gerichtskosten erhoben werden.
Nach alledem ist also ein Wert zu finden, der für den Rechtsanwalt angemessene und für den Arbeitgeber tragbare Gebühren ergibt (LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO).
Unter Anwendung dieser Grundsätze hält es die Beschwerdekammer für falladäquat, den Gegenstandswert hier - im Ergebnis ebenso wie das Arbeitsgericht - auf 8 000 €, also den doppelten Ausgangswert des § 23 Abs. 3 S. 2 2. Hs. RVG festzusetzen. Maßgeblich dafür war allerdings nicht, dass der Betriebsrat zwei Anträge gestellt hat; denn es ist der Arbeitgeberin zuzugestehen, dass der umfassende Unterlassungsantrag zu 1) inzidenter auch die Feststellung beinhaltet hätte, wie sie mit dem Antrag zu 2) begehrt wurde.
Entscheidend für die Wertfestsetzung war vielmehr die Bedeutung der Angelegenheit für den das Beschlussverfahren betriebenen Betriebsrat. Nachdem dieser nämlich in der Vergangenheit mehrmals mündlich und auch schriftlich die Missachtung seines Mitbestimmungsrechts gerügt hatte, kam es in den Monaten Mai bis Juli 2005 bei mindestens sechs Arbeitnehmern zu jeweils zahlreichen weiteren Verstößen gegen § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG - und zugleich auch gegen § 3 ArbZG. Die darin zum Ausdruck kommende Hartnäckigkeit des arbeitgeberseitigen Fehlverhaltens hat das Interesse des Betriebsrats an einer von ihm in erster Linie erstrebten Unterlassungsentscheidung über das normale Maß hinaus beträchtlich gesteigert. Deshalb ist es angezeigt, hier den doppelten Ausgangswert des § 23 Abs. 3 S. 2 2. Hs. RVG in Ansatz zu bringen (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 26.05.2004 - 13 TaBV 38/04 ; Beschluss vom 08.07.2005 - 10 TaBV 71/05; Beschluss vom 15.07.2005 - 10 TaBV 84/05).
Ende der Entscheidung
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