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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.11.2007
Aktenzeichen: 17 Sa 1119/07
Rechtsgebiete: BMT-AW II


Vorschriften:

BMT-AW II § 7 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.07.2007 - 6 Ca 486/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin die Zustimmung zur Annahme eines Vermächtnisses zu erteilen.

Die Klägerin war seit dem 11.06.1981 als Altenpflegerin (Gruppenleiterin) in dem Seniorenzentrum R1 des Beklagten tätig.

Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 02.12.1991 (Bl. 8 d.A.) zugrunde. Die Parteien trafen u.a. folgende Vereinbarung:

Der/Die Arbeitnehmer/in darf Belohnungen oder Geschenke für seine/ihre dienstlichen Handlungen weder annehmen, noch fordern oder sich versprechen lassen.

Die Klägerin war Mitglied der Gewerkschaft ÖTV bzw. ver.di, die mit dem Beklagten den Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt vom 01.11.1977 (BMT-AW II) vereinbarte.

§ 7 BMT-AW II enthält folgende Regelung:

Der Arbeitnehmer darf ohne Zustimmung des Arbeitgebers Belohnungen oder Geschenke für eine dienstliche Handlung weder annehmen noch fordern oder sich versprechen lassen.

Gemäß § 14 Abs. 5 HeimG in der Fassung vom 05.11.2001 ist es der Leitung, den Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern des Heims untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern neben der vom Träger erbrachten Vergütung Geldleistungen für die Erfüllung der Pflichten aus dem Heimvertrag versprechen oder gewähren zu lassen. Das gilt nicht, soweit es sich um geringwertige Aufmerksamkeiten handelt.

Gemäß § 21 Abs. 2 Ziffer 3 HeimG in der Fassung vom 05.11.2001 handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 14 Abs. 5 Satz 1 HeimG sich Geld oder geldwerte Leistungen versprechen oder gewähren lässt.

Im Juli 2001 bezog die damals 85-jährige Frau S6 das Seniorenzentrum R1. Die Klägerin war Gruppenleiterin in ihrem Wohnbereich. Zwischen Frau S6 und ihr entwickelte sich ein guter Kontakt, der sich auch darin zeigte, dass die Klägerin die Bewohnerin duzte.

Im Jahre 2002 wurde sie in einen anderen Wohnbereich versetzt. Ab diesem Zeitpunkt war sie nicht mehr in die unmittelbare Pflege der Seniorin S6 eingebunden. Sie wurde jedoch gelegentlich von Kollegen und Kolleginnen um Rat hinsichtlich der Pflege und Betreuung dieser Bewohnerin gebeten.

Der Sohn der Klägerin kaufte etwa einmal wöchentlich für Frau S6 ein.

Am 21.08.2005 errichtete Frau S6 im Städtischen Krankenhaus B1-R1 ein notarielles Testament (Bl. 9 bis 11 d.A.). Gemäß § 2 Ziffer 1 des Testamentes setzte sie ein Vermächtnis von 5.000,-- € zugunsten der Klägerin aus.

Am 23.08.2005 verstarb sie.

Am 27.09.2005 unterrichtete das Amtsgericht Bielefeld die Klägerin von dem Inhalt des notariellen Testamentes.

Mit ihrer am 17.02.2006 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage hat die Klägerin nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung die Erteilung der Zustimmung des Beklagten zur Annahme des Vermächtnisses begehrt.

Sie hat behauptet:

Durch die Pflege habe sich ein "leichter" privater Kontakt zu Frau S6 entwickelt, der aus gelegentlichen Treffen bestanden habe. Diese habe sich mit ihrem - der Klägerin - Sohn K3 H3 angefreundet. Sie sei gelegentlich Gast in dessen neu eröffnetem Cafe gewesen.

Nach Auskunft der Freundin v1 d3 B6 der Erblasserin in einem Telefonat im Dezember 2005 kurz vor Weihnachten habe die Erblasserin eigentlich nicht die Klägerin, sondern deren Sohn mit dem Vermächtnis bedenken wollen, um ihm ein Startkapital für die Existenzgründung seines Cafes zuzuwenden.

Sie habe auch für andere Bewohner Einkäufe getätigt und in ihrer Hilfsbereitschaft keinerlei Unterschiede gezeigt. Ihre Umsetzung in einen anderen Wohnbereich sei aus personellen Gründen erfolgt, nicht etwa im Hinblick auf ihre besondere Beziehung zu Frau S6.

Der Genehmigungsfähigkeit stehe auch nicht die Höhe des Vermächtnisses entgegen. Die Erblasserin habe in dem Testament den Wert ihres Gesamtvermögens mit 60.000,-- € angegeben.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, seine Zustimmung zu erklären, dass sie berechtigt ist, das Vermächtnis aus dem notariellen Testament vom 21.08.2005 der verstorbenen Frau A3 S6, erstellt vom Notar H2.-J1. B5 (Nr. 142 der Urkundenrolle für 2005) anzunehmen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet:

Er habe die Klägerin in einen anderen Zuständigkeitsbereich im Haus versetzt, weil sie eine enge Bindung zu Frau S6 gehabt habe. Sie habe nach der Umsetzung weiterhin ab und zu die Pflege dieser Bewohnerin übernommen, die im Hause als schwierig und extravagant bekannt gewesen sei.

Er hat die Auffassung vertreten, die Zustimmung zu Recht verweigert zu haben, und hat auf sein Leitbild verwiesen, nach dem jeder Mensch unabhängig von seinen Leistungen und unabhängig vom Ansehen seiner Person Anspruch auf Teilhabe, Chancengleichheit und Gleichbehandlung habe und Pflegeleistungen Ausdruck einer solidarisch geprägten Grundhaltung seien.

Mit Urteil vom 19.07.2006 hat das Arbeitsgericht Bielefeld die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Es hat ausgeführt:

Die zulässige Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zustimmung zur Annahme des Vermächtnisses nach § 7 BMT-AW II.

Die Kammer sei zu ihren Gunsten davon ausgegangen, dass die maßgebliche Vorschrift dem Tarifvertrag zu entnehmen sei und der arbeitsvertraglichen Regelung vorgehe.

Die Kammer habe die Frage offengelassen, ob die tarifvertragliche Regelung unwirksam sei. Sie gehe nämlich über die Regelungen des Heimgesetzes hinaus.

Das Vermächtnis sei ein Geschenk im Sinne von § 7 BMT-AW II.

Seine Zuwendung sei auch für eine dienstliche Handlung der Klägerin erfolgt.

Sie sei zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zwar nicht mehr im Wohnbereich der Bewohnerin S6 eingesetzt gewesen. Nach herrschender Meinung (BGHZ 110, 235, 239) sei jedoch ein Zusammenhang zwischen der Vorteilszuwendung und den dienstlichen Pflichten bis zum Beweis des Gegenteils zu vermuten, um Fälle unklarer Beweislage, wo die Motive und Gründe sowie die Zusammenhänge der Zuwendung im Dunkeln blieben, dem Verbot zu unterwerfen. Die Zweckrichtung (nämlich Gleichbehandlung zur Wahrung des Heimfriedens, Schutz der Testierfreiheit, Schutz vor Ausbeutung) erfordere es, die Darlegungs- und Substantiierungslast demjenigen aufzuerlegen, der den Vorteil aus der testamentarischen Zuwendung ziehe.

Allein die Tatsache, dass die Klägerin nach ihrer Versetzung in einen anderen Wohnbereich keinen dienstlichen Kontakt zur Erblasserin gehabt habe, lasse den Ursachenzusammenhang nicht zwingend entfallen. Insoweit bleibe unklar, ob die Erblasserin nicht auch die noch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses von der Klägerin erbrachten Leistungen habe honorieren wollen.

Die Entscheidung des Beklagten entspreche billigem Ermessen. Er habe das Interesse der Klägerin berücksichtigt, den Vermögenswert aus dem Vermächtnis zu erhalten. Er habe aber weiter die besonderen Bedingungen eines Pflegeheims berücksichtigt. Die Abhängigkeit der Pflegebedürftigen sei oftmals so groß, dass der Gesetzgeber sogar eine besondere Ordnungswidrigkeitsvorschrift in § 21 Abs. 2 Nr. 3 HeimG geschaffen habe. Die Voraussetzungen der Vorschrift seien zwar nicht gegeben, da die Klägerin unstreitig nicht im Einvernehmen mit der Bewohnerin S6 gehandelt habe. Nichtsdestotrotz ergebe sich aus der Vorschrift die Notwendigkeit der Anwendung strenger Maßstäbe.

Der Beklagte habe zu Recht darauf hingewiesen, dass auch die Auswirkungen einer Zustimmung berücksichtigt werden müssten. Betreute Personen in Wohnheimen seien davor zu schützen, dass ihnen letztwillige Begünstigungen nahe gelegt würden. Ebenso wichtig sei auch der Schutz der Bewohner, die sich benachteiligt fühlen könnten, weil sie wegen ihrer Vermögenslosigkeit als Erblasser nicht in Betracht kämen. Zudem dürfe auch außerhalb des eigentlichen Heimbereiches nicht der Verdacht aufkommen, man könne in einem bestimmten Heim durch Zuwendungen besondere Leistungen erreichen oder erleichtern.

Der Einwendung der Klägerin, die Erblasserin habe eigentlich ihren Sohn bedenken wollen, sei unerheblich. Dieser sei nicht Vermächtnisnehmer. Die Klägerin mache ein eigenes Recht geltend.

Wegen der weiteren Einzelheiten von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf das Urteil vom 19.07.2006 (Bl. 36 bis 42 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das ihr am 02.08.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.08.2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.10.2006 am 16.10.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend begründet.

Sie rügt die rechtliche Würdigung des erstinstanzlichen Gerichts als unzutreffend und führt aus:

Das erstinstanzliche Urteil lasse nicht erkennen, wie weit die Grenze eines sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zu ziehen sei, ob der Kontakt überhaupt in Ausübung der dienstlichen Tätigkeit entstanden sein müsse. Hätte sie die Erblasserin zunächst privat kennengelernt, wäre sie danach erst mit deren Betreuung befasst worden, so sei fraglich, ob eine spätere Begünstigung in sachlichem oder zeitlichem Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit stehe. Verneine man in dieser Konstellation den Zusammenhang, so müsse dies auch für den umgekehrten Fall gelten, dass der Kontakt zunächst dienstlich entstanden, aber später ausschließlich privat fortgesetzt worden sei. Bei einer anderen Wertung hätte die Erblasserin sie selbst nach erheblichen Zeiträumen von mehreren Jahrzehnten ohne dienstliche Kontakte nicht letztwillig als Vermächtnisnehmerin einsetzen können. Es könne nicht sein, dass ein Erstkontakt "für immer und in alle Ewigkeit" eine Begünstigung ausschließe. Das schränke die grundgesetzlich garantierte Testierfreiheit ein.

Die von dem erstinstanzlichen Gericht angenommene Vermutung habe sie durch Hinweis auf die privaten Kontakte der Erblasserin zu ihrem Sohn und die unstreitige Tatsache, längere Zeit nicht mit der Pflege befasst gewesen zu sein, widerlegt.

Die Klägerin hat den Rechtsstreit im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ende Mai 2007 für erledigt erklärt.

Sie beantragt,

festzustellen, dass der Rechtsstreit durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien erledigt ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und behauptet:

Die besondere Behandlung, die die Klägerin Frau S6 habe angedeihen lassen, sei bei den anderen Bewohnern des Hauses ständiges Gesprächsthema gewesen. Gerade diese besondere Fürsorge sei deutlich registriert und kommentiert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.07.2006 ist gemäß §§ 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist an sich statthaft. Die Beschwer der Klägerin ist durch die Erledigung nicht berührt.

Es ist zwar in der Literatur und Rechtsprechung streitig, ob das Interesse der klagenden Partei nach einseitiger Erledigungserklärung noch entsprechend dem Wert der Hauptsache zu bewerten ist. Teilweise wird nur das Kosteninteresse in Ansatz gebracht mit der Begründung, die Streitgegenstände im ursprünglichen Klageverfahren und im Erledigungsstreitverfahren seien nicht identisch und könnten damit auch nicht wertgleich sein (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 91 a ZPO Rdnr. 48 m.w.N.).

Hier kann offen bleiben, ob die Kosten des Verfahrens 600,-- € übersteigen. Für die Zulässigkeit der Berufung ist nur der Umfang der Beschwer im Zeitpunkt der Berufungseinlegung maßgeblich. Die nachträgliche Minderung ist für die Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels unschädlich, sofern der Rechtsmittelkläger nicht durch willkürliche Ermäßigung seiner Anträge bewirkt, dass die Rechtsmittelsumme nicht mehr erreicht wird (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 511 ZPO Rdnr. 14 m.w.N.). Eine willkürliche Ermäßigung liegt insbesondere dann nicht vor, wenn der Berufungskläger seine Anträge der vom Gegner geschaffenen prozessualen Lage anpasst, um eine Abweisung als unbegründet zu vermeiden, und deshalb mit den Anträgen hinter der Berufungssumme zurückbleibt. So ist es sogar unschädlich, dass bei ausreichender Beschwer durch die erstinstanzliche Entscheidung die Berufung nur deshalb eingelegt wird, um die Hauptsache nach zwischenzeitlich eingetretener Erledigung für erledigt zu erklären (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.1992 - XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032; OLG Nürnberg, Urteil vom 19.07.1999 - 10 UF 1377/99, OLGR 2000, 130).

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld hat die Klägerin in Höhe von 5.000,-- € beschwert. Mit der Erledigungserklärung hat sie ihre Anträge lediglich dem Umstand angepasst, dass während der Berufungsinstanz das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sein Ende gefunden hat.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

1. Der auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits gerichtete Antrag der Klägerin ist zulässig.

Erklärt die klagende Partei allein die Hauptsache für erledigt, während die beklagte Partei weiterhin die Klageabweisung verfolgt, so endet die Rechtshängigkeit der Hauptsache nicht. Der klägerische Antrag muss vielmehr eingeschränkt werden auf Feststellung der Erledigung (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91 a ZPO Rdnr. 37) und stellt eine auch in der Berufungsinstanz stets zulässige Antragsbeschränkung im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO dar (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91 a ZPO Rdnr. 34 m.w.N.). Eines gesondert zu prüfenden Interesses der beklagten Partei an einer Klageabweisung bedarf es dagegen nicht (vgl. BAG, Urteil vom 17.04.1984 - 3 AZR 97/82, BAGE 45, 325; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91 a ZPO Rdnr. 43).

2. Der Antrag ist unbegründet. Die klageabweisende erstinstanzliche Entscheidung hat Bestand.

Die einseitige Erledigungserklärung zwingt - anders als die übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien - das Gericht zu prüfen, ob der Rechtsstreit tatsächlich erledigt ist. Die zunächst zulässige und begründete Klage muss nachträglich gegenstandslos geworden sein (vgl. BAG, Urteil vom 05.09.1995 - 9 AZR 718/93, BAGE 80, 382). Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses. In diesem Moment muss die Klage noch zulässig und begründet gewesen sein (vgl. BGH, Urteil vom 27.02.1992 - I ZR 35/90, NJW 1992, 2235; BAG, Urteil vom 17.04.1984, a.a.O.; Urteil vom 14.06.1967 - 4 AZR 282/66, BAGE 19, 342).

a) Erledigendes Ereignis ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ende Mai 2007. Das von dem Beklagten geltend gemachte Verbot aus § 7 BMT-AW II der Annahme von Belohnungen und Geschenken für dienstliche Handlungen ohne Zustimmung des Arbeitgebers erstreckt sich nicht auf die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG zu der inhaltlich gleichgestalteten Tarifnorm des § 10 BAT, Urteil vom 17.04.1984, a.a.O.). Nach Ausscheiden aus dem Vertragsverhältnis durfte die Klägerin den vermachten Geldbetrag ohne die Zustimmung des Beklagten annehmen (vgl. auch Clemens/Scheuring/Wiese/Steingen, BAT, § 10 BAT Erl. 6).

b) Die ursprünglich auf Erteilung der Zustimmung gerichtete Klage war zulässig. Es handelt sich dabei um eine auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtete Leistungsklage. Sowohl die Zustimmung zur Vermächtnisannahme als auch die Ablehnung sind rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, die den Inhalt des Arbeitsverhältnisses einseitig gestalten (vgl. BAG, Urteil vom 17.04.1984, a.a.O.).

c) Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung.

aa) Ob die arbeitsvertragliche Regelung einer Überprüfung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen standhält, kann dahinstehen. Die vertragliche Vereinbarung steht nämlich nicht unter einem Zustimmungsvorbehalt und könnte deswegen unangemessen im Sinne des § 307 BGB sein. § 7 BMT-AW II findet kraft Nachwirkung gemäß § 3 Abs. 3 TVG auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Das bestreitet auch die Klägerin nicht.

bb) Nach der Tarifvorschrift steht die Annahme von Belohnungen und Geschenken für eine dienstliche Handlung unter einem Zustimmungsvorbehalt.

(1) Die Vorschrift ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Erbrechts (vgl. zu der inhaltsgleichen Regelung in § 3 Abs. 3 AVR-K BAG, Urteil vom 17.06.2003 - 2 AZR 62/02, ZTR 2004, 25).

Unmittelbar bewirkt die Regelung keine Beschränkung des Erbrechtes. Rechtsgeschäfte zur Durchführung der letztwilligen Verfügung, die gegen § 7 Abs. 2 BMT-AW II verstoßen, sind nicht deshalb unwirksam (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.2003, a.a.O. unter Berufung auf BGH, Urteil vom 14.12.1999 - X ZR 34/98, BGHZ 143, 283).

Mittelbar betroffen sind allerdings die Testierfreiheit des Erblassers und das Recht des durch letztwillige Verfügung Bedachten, eine Erbschaft anzunehmen. Berührt ist auch dessen Recht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG.

Die Grundrechte dürfen jedoch von dem Gesetzgeber in Verfolgung eines verfassungsrechtlich legitimen Zwecks und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingeschränkt werden. So hat das Bundesverfassungsgericht zu § 14 HeimG a.F. entschieden, dass das für Heimträger und Mitarbeiter verankerte Verbot, Vorteile anzunehmen, eine übliche und zumutbare Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit darstellt und die Testierfreiheit zulässig einschränkt, da die Einschränkung legitimen Gemeinwohlzielen dient, nämlich der Verhinderung der Ausnutzung von Heimbewohnern, der Störung des Heimfriedens durch finanzielle Konkurrenz und der Beeinträchtigung der Testierfreiheit durch offenen oder versteckten Druck (vgl. Kammerbeschluss vom 03.07.1998 - 1 BvR 434/98, NJW 1998, 2964).

Zu § 3 Abs. 3 AVR-K, der keine Tarifnorm, sondern eine Arbeitsvertragsnorm darstellt (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 12. Aufl., § 185 Rdr. 23), hat das BAG entschieden, dass die mit dem Verbot unter Erlaubnisvorbehalt verbundene Einschränkung des Erbrechtes eng begrenzt ist, den grundrechtlich geschützten Kernbereich nicht berührt und die maginalen Beschränkungen dem legitimen Interesse des Arbeitgebers, des Pflegepersonals und der gesetzlichen Erben der Pflegebedürftigen dienen (vgl. BAG, Urteil vom 17.03.2003, a.a.O.).

Auch die Tarifvertragsparteien sind an höherrangiges Verfassungsrecht gebunden (vgl. Schaub, a.a.O., § 200 Rdnr. 14). Die vom Bundesverfassungsgericht angestellten Erwägungen zu § 14 HeimG a.F. haben auch hier Geltung. Der Eingriff in die Testierfreiheit, die Freiheit der Arbeitnehmer zur Berufsausübung und zur Annahme einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses ist verhältnismäßig und durch höherrangige Interessen der Heimbetreiber, Heimbewohner und ihrer gesetzlichen Erben geboten.

(2) Die Annahme eines Vermächtnisses oder einer Erbschaft wird von dem Wortlaut der Vorschrift erfasst.

Geschenk ist jede freiwillige unentgeltliche Zuwendung, die einen Vermögenswert besitzt, also den Empfänger bereichert, ohne dass von ihm eine Gegenleistung gefordert wird. Das Tatbestandsmerkmal ist weit gefasst. Ausgenommen sind nur kleine Aufmerksamkeiten (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.2003, a.a.O.; Urteil vom 17.04.1984, a.a.O.; zu § 19 Soldatengesetz BVerwG, Urteil vom 14.12.1995 - 2 C 27/94, NJW 1996, 251).

Der Begriff "Annahme" ist ebenfalls weit zu verstehen und nicht beschränkt auf eine rechtsgeschäftliche Annahmeerklärung (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.2003, a.a.O.).

Sinn und Zweck des Verbotes lassen keine einschränkende Auslegung zu, wonach letztwillige Verfügungen von dem Genehmigungsvorbehalt ausgeschlossen sind. Die Norm soll eine Betreuung der Heimbewohner unabhängig von ihren Vermögensverhältnissen garantieren. Weder sollen Pflegebedürftige veranlasst werden, für eine bessere Betreuung zusätzliche Leistungen zu erbringen, noch sollen unvermögende Heimbewohner Benachteiligungen befürchten müssen (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.2003, a.a.O.).

(3) Das Vermächtnis an die Klägerin erfolgte für "eine dienstliche Handlung". Auch dieses Tatbestandsmerkmal ist angesichts des mit dem Erlaubnisvorbehalt verfolgten Zwecks weit zu fassen. Erforderlich ist nicht, dass Geschenk oder Belohnung für eine bestimmte, konkrete dienstliche Handlung gegeben werden. Ausreichend ist der Bezug zu dienstlichen Handlungen. Nur so ist zu gewährleisten, dass Heimbewohner nicht bevorzugt oder benachteiligt werden. Nur so kann der böse Anschein vermieden werden.

Eine Zuwendung steht dann in einem Zusammenhang mit einer dienstlichen Tätigkeit, wenn nach den objektiven Umständen des Einzelfalls ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen der Ausübung der dienstlichen Tätigkeit und dem Vermächtnis besteht. Unerheblich ist, ob dieses aus der Sicht des Zuwendenden und des Begünstigten in Bezug auf eine dienstliche Tätigkeit erfolgte (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.2003, a.a.O.). Es ist jeder Anschein einer durch Gefälligkeiten beeinflussbaren dienstlichen Tätigkeit zu vermeiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.1995, a.a.O.), zumal die Motivlage des Erblassers und der Pflegeperson regelmäßig gemischt und kaum zuverlässig feststellbar ist (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.2003, a.a.O.).

Unstreitig hat die Klägerin die verstorbene Bewohnerin S6 in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit kennengelernt und sie in den Diensten des Beklagten betreut. Der Ursachenzusammenhang ist auch nicht dadurch unterbrochen worden, dass die Klägerin im Jahre 2002 in einen anderen Wohnbereich versetzt wurde. Ob die Umsetzung gerade im Hinblick auf die besonderen wechselseitigen Sympathien zwischen der Klägerin und der Erblasserin geschah, kann dahinstehen. Nach der Umsetzung war die Klägerin nicht mehr für die Betreuung zuständig. Sie hatte aber mittelbar Einfluss auf die Pflegesituation. Unstreitig war sie nämlich Ansprechpartnerin für Kollegen und Kolleginnen und wurde von diesen um Rat gefragt, wenn es um eine besondere Betreuungssituation ging.

Ob der Fall anders zu beurteilen wäre, wenn die Klägerin in eine andere Pflegeeinrichtung des Beklagten versetzt worden wäre und mehrere Jahre vor dem Erbfall keinen unmittelbaren oder mittelbaren dienstlichen Kontakt zu der Erblasserin gehabt hätte, brauchte die Kammer nicht zu entscheiden. Ebenso wenig ist sie aufgerufen gewesen, die von der Klägerin aufgeworfene Frage zu beantworten, wie zu entscheiden wäre, wenn sie die Bewohnerin erst privat kennengelernt und dann in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit betreut hätte. Die Klägerin hat sie eben dienstlich kennengelernt.

Ob sie das Vermächtnis zustimmungsfrei Jahrzehnte nach Beendigung des dienstlichen Kontaktes hätte annehmen können, war ebenfalls nicht zu entscheiden. Hier geht es nicht um die Auswirkungen eines Erstkontaktes "auf immer und in alle Ewigkeit".

Offen konnte auch bleiben, ob Frau S6 mit dem Vermächtnis auch die private Betreuung insbesondere durch den Sohn der Klägerin honorieren wollte. Sie hat gezielt die Klägerin und nicht deren Sohn als Vermächtnisnehmerin eingesetzt. Im Übrigen ist eine gemischte Motivlage gerade nicht entscheidungserheblich.

Unerheblich ist auch, ob die Klägerin vor dem Erbfall Kenntnis von dem Vermächtnis hatte (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.2003, a.a.O.).

(4) Die ablehnende Entscheidung des Beklagten entspricht billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB.

Der Arbeitgeber muss bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen berücksichtigt haben (vgl. BAG, Urteil vom 17.04.1984, a.a.O.). Ob das geschehen ist, unterliegt gemäß § 315 Abs. 3 Satz 3 BGB der gerichtlichen Kontrolle.

Hier hat der Beklagte nach seinem Vortrag berücksichtigt, dass das Vermächtnis der Klägerin einen erheblichen Vermögenszuwachs bringt. Er durfte gleichwohl seinen Interessen den Vorrang einräumen.

Er durfte und musste sogar die besonderen Bedingungen berücksichtigen, die in einem Seniorenpflegeheim herrschen. Die Situation der Bewohner wird nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass sie pflege- und hilfsbedürftig sind. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass gerade durch die Pflegebedürftigkeit und die damit einhergehenden Verluste an Selbständigkeit und Außenkontakten eine besondere emotionale Angewiesenheit besteht, das Bedürfnis nach Zuwendung aber häufig nicht durch familiäre Kontakte befriedigt wird. Die Abhängigkeit der Pflegebedürftigen ist so groß, dass der Gesetzgeber sogar eine besondere Ordnungswidrigkeitenvorschrift in § 21 Abs. 2 Ziff. 3 HeimG i.V.m. § 14 Abs. 2 HeimG für erforderlich gehalten hat. Diese Bestimmungen zeigen die Notwendigkeit strenger Maßstäbe, auch wenn der Gesetzgeber aus einer Straftat durch Gesetzesänderung eine Ordnungswidrigkeit gemacht hat.

Der Arbeitgeber darf und muss die Zustimmung zurückhaltend erteilen (vgl. BAG, Urteil vom 17.04.1984 zur Strafvorschrift in § 17 Abs. 1 Nr. 6 HeimG a.F.).

Der Beklagte durfte auch die Wirkung einer Zustimmung auf andere Bewohner seiner Pflegeeinrichtung berücksichtigen. Die Klägerin hatte schon deshalb eine hervorgehobene Position, weil sie nicht nur wie andere Pflegekräfte auch von Frau S6 geduzt wurde, sondern diese ebenfalls duzte, was eine besondere Nähe und Vertraulichkeit zeigt. Schon dieser Umstand mag Grund für Befürchtungen gewesen sein, der Erblasserin komme eine besonders gute Behandlung zu. Hätte der Beklagte die Annahme des Vermächtnisses genehmigt und wäre seine Entscheidung bekannt geworden, hätte nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret die Gefahr bestanden, dass sich vermögende Heimbewohner ebenfalls aufgerufen gefühlt hätten, zusätzliche Leistungen für die Pflege zu erbringen. Unvermögende Senioren hätten sich gesorgt, schlechter behandelt zu werden. Nicht zu vernachlässigen ist die Außenwirkung einer derartigen Entscheidung auf die Angehörigen der Pflegebedürftigen, die sich ebenfalls hätten genötigt sehen können, das Pflegepersonal mit Zuwendungen geneigt zu stimmen.

Letztlich diente die Entscheidung auch dem Betriebsfrieden. Ein "Wettbewerb" der Pflegepersonen um die Gunst finanziell gut gestellter Bewohner wurde vermieden. Unzufriedenheit durch die Zufälligkeit und Willkürlichkeit von Zuwendungen, die über das zulässige Maß von geringwertigen Gelegenheitspräsenten hinausgehen, wurde ausgeschlossen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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