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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.07.2007
Aktenzeichen: 18 Sa 287/07
Rechtsgebiete: BGB, MAVO, Hausvertrag der Beklagten


Vorschriften:

BGB § 611 Abs. 1
BGB §§ 305 ff.
MAVO § 38 Abs. 2
Hausvertrag der Beklagten § 37 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 12.12.2006 - 4 Ca 1056/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Krankengeldzuschusses.

Die am 27.11.1947 geborene Klägerin war im Krankenhaus der Beklagten in der Zeit vom 01.06.1995 bis zum 30.06.2006 als Ergotherapeutin tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag vom 01.06.1995 (Bl. 10 d.A.), in dem u.a. vereinbart wurde:

"§ 2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Hausvertrag und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Verträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Im übrigen gelten die arbeitsrechtlichen Bestimmungen des BGB und der arbeitsrechtlichen Sozialgesetze."

Der in Bezug genommene Hausvertrag wurde zwischen der Beklagten und ihrer Mitarbeitervertretung am 14.04.1989/21.04.1989 abgeschlossen. In § 37 Abs. 3 ist unter anderem Folgendes geregelt:

"3) Soweit Angestellte bei einer Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unfall Krankenbezüge für die Dauer von insgesamt 6 Wochen erhalten, wird ihnen über diesen Zeitraum hinaus ein Zuschuss ab 7. Krankheitswoche zu dem aus der gesetzlichen Krankenversicherung oder Unfallversicherung gezahlten Leistungen nach einer Beschäftigungszeit

von mindestens 2 Jahren bis zum Ende der 9. Woche

" " 3 Jahren " " " 12. Woche

" " 5 Jahren " " " 15. Woche

" " 8 Jahren " " " 18. Woche

" " 10 Jahren " " " 26. Woche

gewährt.

Die Höhe des Zuschusses ergibt sich aus dem Differenzbetrag zwischen den Barleistungen der Versicherung und 100 % der Nettobezüge. Findet stationäre Behandlung statt, so wird der Zuschuss nach dem Krankengeld berechnet, das dem Angestellten ohne Krankenhauspflege zustehen würde.

Sofern Angestellte bei Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Leistungen aus einer gesetzlichen Pflichtversicherung haben, wird ihnen für die vorstehend genannten Zeiträume ein Zuschuss in Höhe gewährt, wie er sich im Einzelfall für den Angestellten errechnen würde, wenn er in der gesetzlichen Pflichtversicherung zum jeweils höchsten Betrag versichert wäre.

Hat der Angestellte sich gegen Krankheit freiwillig versichert und werden die Kosten der Versicherung zur Hälfte von seinem Dienstgeber übernommen, berechnet sich der Zuschuss nach den Leistungen der freiwillig abgeschlossenen Versicherung, sofern die Leistungen diejenigen aus der gesetzlichen Pflichtversicherung übersteigen."

Die Klägerin war vor dem 30.04.2005 und ab 30.04.2005 arbeitsunfähig krank. Auf Grund ihrer Arbeitsunfähigkeit erhielt die Klägerin von ihrer Krankenkasse ab dem 30.04.2005 Krankengeld in einer kalendertäglichen Höhe von 54,22 €, wobei auf die Rentenversicherung 5,29 €, auf die Arbeitslosenversicherung 1,79 € und die Pflegeversicherung 0,46 € entfielen (Bescheid der Techniker Krankenkasse vom 26. Mai 2005, Bl. 13 d. A.).

Die durchschnittlichen Nettobezüge der Klägerin betrugen - wie in der Berufungsinstanz unstreitig geworden - 1.682,15 €, was bei 30 Kalendertagen einem kalendertäglichen Nettobetrag von 56,07 € entspricht.

Die Beklagte zahlte an die Klägerin als Krankengeldzuschuss insgesamt einen Betrag für 131 Kalendertage in Höhe von 242,35 €. Dabei errechnete sich der kalendertägliche Betrag von 1,85 € aus der Differenz zwischen den Tagesnettobezügen in Höhe von 56,07 € und dem Krankengeld in Höhe von 54,22 €.

Die vorliegende Klage hat die Klägerin am 04.04.2006 erhoben.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe den Differenzbetrag zwischen den Barleistungen der Versicherung und 100 % der Nettobezüge falsch berechnet. Bei der Barleistung der Versicherung dürfe nur das Berücksichtigung finden, was tatsächlich an sie ausgezahlt werden, mithin 46,72 €. Diese Auslegung entspreche dem Sprachgebrauch. Die Formulierung des Hausvertrages sei als vorformulierte Vertragsbedingung einbezogen worden, so dass Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders gingen. Auch der Zeitraum für die Errechnung des durchschnittlichen Bruttomonatslohns sei fehlerhaft. So müsse sich der Berechnungszeitraum am Jahreszeitraum orientieren. Demnach gehörten zum Nettobezug auch das Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Hieraus folge ein täglicher Nettoverdienst in Höhe von 58,89 €.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.707,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 03.10.2005 abzüglich gezahlter 242,35 € brutto zu zahlen,

hilfsweise

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.311,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 03.10.2005 abzüglich gezahlter 242,35 € brutto zu zahlen,

hilfsweise

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 653,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 03.10.2005 abzüglich gezahlter 242,35 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, unter Barleistung sei die Gesamtleistung der Krankenkasse an die Klägerin zu verstehen, d.h. inklusive der von ihr abzuführenden Sozialabgaben. Der Referenzzeitraum zur Errechnung des Durchschnittsgehaltes sei in Anlehnung an § 37 Abs. 2 des Hausvertrages der Dreimonatszeitraum.

Durch Urteil vom 12.12.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Den Streitwert hat es auf 2.946,35 € festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Klägerin stehe kein weiterer Krankengeldzuschuss zu. Barleistung im Sinne des § 37 Abs. 3 des Hausvertrages sei das Krankengeld einschließlich der hierauf entfallenen Beiträge zur Sozialversicherung. Die Beklagte habe den Differenzbetrag zwischen dem Bruttokrankengeld und dem Durchschnittsnettoverdienst zutreffend berechnet und an die Klägerin ausgezahlt.

Gegen diese ihr am 12.01.2007 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Entscheidung hat die Klägerin am 12.02.2007 Berufung eingelegt und diese am 12.03.2007 begründet.

Die Klägerin greift das arbeitsgerichtliche Urteil teilweise an. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass im Rahmen der Auslegung unter Barleistung der Nettobetrag des Krankengeldes zu verstehen sei. Dies ergebe eine genaue Auslegung der Regelung nach dem Wortlaut, nach dem Sinn und Zweck der Regelung, nach der Systematik und nach der historischen Entwicklung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 12.12.2006 - 4 Ca 1056/06 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.310,40 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.09.2005 abzüglich gezahlter 242,35 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 12.12.2006 - 4 Ca 1056/06 - zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Klägerin steht der begehrte Restkrankengeldzuschuss nach § 611 Abs. 1 BGB, § 2 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 37 Abs. 3 des Hausvertrages nicht zu, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

I. Nach § 37 Abs. 3 Hausvertrag steht der Klägerin als Krankengeldzuschuss lediglich der Differenzbetrag zwischen dem sogenannten Bruttokrankengeld und 100 % der Nettovergütung zu.

In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht und der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lässt der Begriff "Barleistungen der Versicherung" in einer Kollektivvereinbarung keine andere Auslegung zu. Entgegen der Auffassung der Klägerin stellen die "Barleistungen der Versicherung" das sogenannte Bruttokrankengeld dar.

Gemeint ist nicht etwa das von der Krankenkasse unter Abzug der anfallenden Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich ausgezahlte sogenannte Nettokrankengeld. Der Begriff "Barleistungen der Versicherung" ist eindeutig. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass nach dem Sprachgebrauch die von ihr vorgenommene Auslegung vertretbar ist. Die Parteien des Hausvertrages haben aber in Anlehnung an die Vorschriften des öffentlichen Dienstes mit dem Begriff "Barleistungen der Versicherung" einen Begriff aus dem Krankenversicherungsrecht gebraucht, der eindeutig ist.

1. Der allgemeine Sprachgebrauch wird verdrängt, wenn die Parteien in einer Kollektivvereinbarung einen Rechtsbegriff verwenden. In diesem Fall ist anzunehmen, dass sie den Rechtsbegriff in seiner rechtlichen Bedeutung verwenden (vgl. BAG, Urteil vom 13.05.1998, AP Nr. 242 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG, Urteil vom 19.08.1987 - 4 AZR 128/87 - NZA 1988, 168; BAG, Urteil vom 10.12.1986 - 5 AZR 517/85 - NZA 1987, 823; BAG, Urteil vom 30.05.1984 - 4 AZR 512/81 - BAGE 46, 61, 66).

Wie das Arbeitsgericht unter Darlegung der geschichtlichen Entwicklung des sozialversicherungsrechtlichen Begriffs aufgezeigt hat, stellen die "Barleistungen der Versicherung" das sogenannte Bruttokrankengeld dar. Diese Auslegung, die das Berufungsgericht teilt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung dieses Begriffes in Tarifverträgen (vgl. BAG, Urteil vom 05.11.2003 - 5 AZR 682/02 - ZTR 2004, 358; BAG, Urteil vom 04.12.2002 - 5 AZR 494/01 - AP Nr. 17 zu § 3 EFZG; BAG, Urteil vom 13.02.2002 - 5 AZR 604/00 - NZA 2003, 49; BAG, Urteil vom 24.04.1996 - 5 AZR 1798/94 - NZA 1997, 213; BAG, Urteil vom 21.08.1997 - 5 AZR 517/96 - NZA 1998, 211; BAG, Urteil vom 10.12.1986 - 5 AZR 517/84 - NZA 1987, 823).

2. Eine andere Auslegung ist auch nicht geboten, wenn der Hausvertrag keine wirksame Dienstvereinbarung nach § 38 Abs. 2 MAVO ist (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 16.03.2004 - 9 AZR 93/03 - NZA 2004, 927).

Auch wenn für den Erlass der konkreten Regelung in der Dienstvereinbarung keine rechtliche Ermächtigung nach § 38 MAVO vorlag, führt dies zu keiner anderen Auslegung. Der Hausvertrag bleibt eine Kollektivvereinbarung, die zwischen der Beklagten und ihrer Mitarbeitervertretung geschlossen worden ist und die auf das Arbeitsverhältnis kraft der Verweisung in § 2 des Arbeitsvertrages individualrechtlich zur Anwendung kommt.

3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den §§ 305 ff. BGB.

Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der Auslegung des Begriffs Barleistung der Versicherung auch nicht die Unklarheitenregelung nach § 305 c Abs. 2 BGB entgegen.

Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeregelung ist klar und eindeutig.

Auch der Begriff der "Barleistungen der Versicherung" ist - wie oben dargelegt - schon von seinem Wortlaut her eindeutig.

II. Die Klägerin kann von der Beklagten auch nicht für 9 weitere Kalendertage Krankengeldzuschüsse verlangen.

Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Krankengeldzuschusses für weitere 9 Krankheitstage ist ihrem Vortrag zu entnehmen.

Nach § 37 Abs. 3 Hausvertrag beginnt die Zahlungsverpflichtung ab der 7. Krankheitswoche. Der Beginn der 7. Krankheitswoche lässt sich im vorliegenden Fall schon nicht berechnen, da die Klägerin den Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Zusammenhang mit der Erkrankung nicht vorgetragen hat.

Dass die Techniker Krankenkasse ab 30.04.2005 Krankengeld gezahlt hat, wie aus der Bescheinigung vom 26.05.2005 ersichtlich, besagt nicht, dass der Zeitpunkt der Krankengeldzahlung identisch ist mit dem Beginn der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit.

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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