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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.06.2004
Aktenzeichen: 18 Sa 551/04
Rechtsgebiete: TVG, BGB, ArbGG


Vorschriften:

TVG § 4 Abs. 5
TVG § 4 Abs. 1 Satz 1
TVG § 3 Abs. 1
BGB § 157
BGB § 133
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 11.02.2004 - 3 Ca 2006/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand: Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über weitere Urlaubsgeldansprüche des Klägers. Der am 13.01.14xx geborene Kläger war vom 10.04.2000 bis zum 31.01.2003 bei der Beklagten als Tischler vollschichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis regelte der Arbeitsvertrag vom 18.05.2000 (Bl. 5 bis 8 d.A.). Nach Ziffer 1.2 des schriftlichen Arbeitsvertrags gelten für das Arbeitsverhältnis die jeweils gültigen tariflichen Bestimmungen für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland, soweit in diesem Vertrag nichts Abweichendes geregelt ist. Für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland galt ab 01.08.1998 der Manteltarifvertrag vom 21.08.1998, abgeschlossen zwischen den nordwestdeutschen HKH-Fachverbänden sowie der Christlichen Gewerkschaft Deutschlands, Bundesgruppe Holz und Kunststoff und dem DHV (Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband). Nach Ziffer 109 dieses Manteltarifvertrags steht jedem Arbeitnehmer neben seinem Urlaubsentgelt ein Anspruch auf Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgelds zu, das je Urlaubstag drei tarifliche Stundenentgelte umfasst. Dieses zusätzliche Urlaubsgeld, 39,81 EUR je Urlaubstag (3 x 13,27 EUR), hat die Beklagte unstreitig an den Kläger zur Auszahlung gebracht. Mit Wirkung zum 01.06.1991 hatten die (damalige) Gewerkschaft Holz und Kunststoff einerseits und u.a. der Fachverband Holz und Kunststoff Nordrhein-Westfalen, Landesinnungsverband des Tischlerhandwerks andererseits den Tarifvertrag für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland am 24.05.1991 abgeschlossen (im Folgenden Manteltarifvertrag GHK). Dieser Manteltarifvertrag, der von den Arbeitgeberverbänden zum 31.12.1996 gekündigt wurde, sah in Ziffer 109 als zusätzliches Urlaubsgeld einen Betrag in Höhe von 55 % des Urlaubsentgelts vor. Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger, soweit noch anhängig, zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 818,34 EUR brutto verlangt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch nach dem Manteltarifvertrag vom 24.05.1991, dieser befinde sich noch in Nachwirkung. Ein Anspruch lediglich gemäß dem von der Beklagten herangezogenen Tarifvertrag sei nicht möglich, weil es sich nicht um eine andere Abmachung im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG handele. Insoweit werde bestritten, dass es sich bei der Christlichen Gewerkschaft Deutschlands um eine tariffähige Partei handele. Auch im Arbeitsvertrag sei der Manteltarifvertrag der Christlichen Gewerkschaft nicht eindeutig einbezogen worden. Unklarheiten gingen insoweit zu Lasten der Beklagten. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.196,13 EUR netto sowie 818,34 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.07.2003 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist bezüglich des noch anhängigen Urlaubsgeldanspruchs der Auffassung gewesen, ein Anspruch auf weiteres Urlaubsgeld stehe dem Kläger nicht zu. Sie sei Mitglied des Fachverbands des Tischlerhandwerks Nordrhein-Westfalen. Dieser sei Partei des Tarifvertrags mit der Christlichen Gewerkschaft. Sie habe das Arbeitsverhältnis des Klägers und auch die der übrigen Mitarbeiter stets nach dem mit der Christlichen Gewerkschaft abgeschlossenen Manteltarifvertrag abgerechnet. Auch nur dieser liege in ihrem Betrieb aus. Das Arbeitsgericht hat die Klage bezüglich der noch anhängigen Urlaubsgeldforderung abgewiesen und insoweit die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Den Streitwert hat es auf 1.020,47 EUR festgesetzt. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Manteltarifvertrag vom 24.06.1991 komme weder kraft der gesetzlichen Vorschriften noch aufgrund der Verweisung in Ziffer 1.2 des Arbeitsvertrags auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung. Gegen dieses ihm am 27.02.2004 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 22.03.2004 Berufung eingelegt und diese am 21.04.2004 begründet. Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil an, soweit das Arbeitsgericht der Klage nicht stattgegeben hat. Er stützt sich maßgeblich auch weiterhin auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 11.02.2004 - 3 Ca 2006/03 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 818,34 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 17.07.2003 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 11.02.2004 - 3 Ca 2006/03 - zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen. Entscheidungsgründe: I. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Anspruch auf das begehrte weitere Urlaubsgeld steht dem Kläger nach Ziffer 109 MTV GHK vom 24.05.1991 in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag nicht zu, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Der Manteltarifvertrag vom 24.05.1991 kommt auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zur Anwendung. 1. Die Voraussetzungen für die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Anwendung dieses Tarifvertrags nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 TVG liegen nicht vor. Zum Zeitpunkt der Begründung des Arbeitsverhältnisses durch den Vertrag vom 18.05.2000 befand sich der Manteltarifvertrag vom 24.05.1991 in der Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erstreckt sich die Nachwirkung eines Tarifvertrags nach § 4 Abs. 5 TVG nicht auf erst nach Ablauf des Tarifvertrags begründete Arbeitsverhältnisse (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 10.12.1997 - 4 AZR 247/96 - NZA 1998, 484; BAG, Urteil vom 10.12.1997 - 4 AZR 193/97 - NZA 1998, 488; BAG, Beschluss vom 09.07.1996 - 1 ABR 55/95 - NZA 1997, 447; BAG, Beschluss vom 03.12.1985 - 4 ABR 60/85 - AP Nr. 2 zu § 74 BAT; a. A. z.B.: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, § 18 VII 6, S. 879). Die in § 4 Abs. 5 TVG bestimmte Weitergeltung der tariflichen Vorschriften nach Ablauf des Tarifvertrags setzt die Geltung des Tarifvertrags zwischen den Parteien vor seinem Auslaufen voraus. 2. Die Parteien haben die Geltung des Manteltarifvertrags vom 24.05.1991 auch nicht in Ziffer 1.2 des Arbeitsvertrags vom 18.05.2000 vereinbart, wie der Kläger meint. Die Parteien haben in Ziffer 1.2 des Arbeitsvertrags vereinbart, dass die jeweils gültigen tariflichen Bestimmungen für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland gelten sollen, soweit in dem Arbeitsvertrag nichts Abweichendes geregelt ist. a) Welchen Tarifvertrag die Parteien gewollt haben, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Für die Sinnermittlung dessen, was gewollt ist, kann auf alle Umstände zurückgegriffen werden, die den Erklärungstatbestand begleiten und in einer sinngebenden Beziehung zu ihm stehen. Diese Umstände kommen allerdings nur insoweit in Betracht, als sie dem Erklärungsempfänger objektiv erkennbar waren. Des Weiteren ist die Verkehrssitte zu berücksichtigen. Bei der Auslegung einer Verweisung ist insbesondere auch der Sinn und Zweck der vertraglichen Bezugnahmeklauseln zu berücksichtigen, die unorganisierten Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern gleich zu behandeln (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 04.08.1999 - 5 AZR 642/98 - NZA 2000, 154; BAG, Urteil vom 19.01.1999 - 1 AZR 606/98 - AP Nr. 9 zu § 1 TVG, Bezugnahme auf einen Tarifvertrag; BAG, Urteil vom 04.09.1996 - 4 AZR 135/95 - AP Nr, 5 zu § 1 TVG, Bezugnahme auf einen Tarifvertrag). b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze musste der Kläger das Angebot der Beklagten so auslegen, dass der für den Betrieb geltende und auch dort angewandte Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt. Bei der gebotenen objektiven Auslegung ist es nicht von Bedeutung, ob der Kläger sich überhaupt Gedanken gemacht hat, welcher Tarifvertrag zum Zeitpunkt der Begründung des Arbeitsverhältnisses im Betrieb der Beklagten angewandt wurde. Der Kläger hat nicht ausdrücklich bestritten, dass dies der Manteltarifvertrag vom 01.08.1998 war. Der Kläger hat auch nicht bestritten, dass während der Zeit der Beschäftigung die tariflichen Vorschriften des Manteltarifvertrags vom 01.08.1998 tatsächlich auf das Arbeitsverhältnis angewandt wurden. c) Hiergegen sprechen auch nicht die Ziffern 6.1, 6.3 und 7 des Arbeitsvertrags vom 18.05.2000, wie das Arbeitsgericht im Einzelnen dargelegt hat. Auf die zutreffenden Begründungen des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG verwiesen. 3. Die Vereinbarung der Geltung des Manteltarifvertrags vom 01.08.1998 ist nicht unwirksam. Auch wenn die Tarifvertragspartei Christliche Gewerkschaft Deutschlands, Bundesfachgruppe Holz und Kunststoff, nicht tariffähig wäre, läge lediglich ein fehlerhafter Tarifvertrag vor. Die Arbeitsvertragsparteien können aber auch auf fehlerhafte Tarifverträge verweisen (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 22.01.2002 - 9 AZR 601/00 - NZA 2002, 1041). Die Parteien wollten bei Abschluss die arbeitsvertragliche Geltung der tariflichen Bestimmungen, die im Betrieb der Beklagten angewandt wurden. II. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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