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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.03.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 2159/05
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 176
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 19.10.2005 - 2 Ca 2521/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um ein Ersatzaussonderungsrecht.

Die Klägerin war bei der Firma S2xx Gesellschaft für E2xxxxxxxxxxxx und M2xxxxxxxxxx mbH & Co. KG (im Folgenden: Arbeitgeberin) beschäftigt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Siegen vom 11.05.2004 wurde die Beklagte in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Siegen vom 01.07.2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnet. Die Beklagte wurde zur Insolvenzverwalterin bestellt.

Die Arbeitgeberin war Versicherungsnehmerin der Kapitallebensversicherung Nr. 80001028506-5-61 bei der Provinzial Rheinland Lebensversicherung AG (im Folgenden: Versicherer). Die Klägerin war die unwiderruflich Bezugsberechtigte und hatte bereits eine unverfallbare Anwartschaft erworben. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte die Arbeitgeberin den Versicherungsvertrag mit Zustimmung der Klägerin. Den Auszahlungsbetrag in Höhe von 1.106,00 € überwies der Versicherer am 01.06.2004 auf das debitorische Geschäftskonto der Arbeitgeberin. Zuvor hatten die Versicherungsvertragsparteien vereinbart, dass der Betrag unmittelbar an die Klägerin ausgezahlt werden solle.

Im Verhältnis der Arbeitgeberin zu ihrer Bank bestand neben dem Girovertrag eine Kontokorrentabrede. Das Konto der Insolvenzschuldnerin wies am 27.05.2004 einen negativen Saldo von 309.296,74 € und am 01.06.2004 von 313.081,86 € aus.

Die Klägerin hat vorgetragen:

An dem Auszahlungsbetrag habe ihr ein Aussonderungsrecht zugestanden, weil ihr ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden war. Durch den Forderungseinzug der Arbeitgeberin sei die Forderung gegen den Versicherer erloschen und ein entsprechender Auszahlungsanspruch gegen das Kreditinstitut entstanden, der als Buchungsbeleg unterscheidbar in der Masse vorhanden sei und der der Ersatzaussonderung unterliege. Diese Gutschrift sei nicht durch Einstellung in das Kontokorrent untergegangen. Aufgrund der Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen, insbesondere des Zustimmungsvorbehaltes, habe die Kontokorrentabrede zwischen Arbeitgeberin und Kreditinstitut ihre Wirksamkeit verloren. Eine Verrechnung sei daher nicht mehr möglich bzw. unwirksam gewesen. Dem Kreditinstitut habe nach der Anordnung der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen allenfalls ein Recht zur Aufrechnung zugestanden. Sofern es zu einer Verfahrenseröffnung komme, werde diese Aufrechnung jedoch rückwirkend unwirksam. Eine Aufrechnung sei von Anfang an unwirksam, wenn eine Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise erworben werde. Eine Aufrechnung scheitere hier bereits daran, dass keine Erklärung gegenüber dem anderen Teil abgegeben worden sei. Bei der Kontokorrentabrede handele es sich um eine Verfügung über eine Forderung, die nach Anordnung des Zustimmungsvorbehaltes nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam werden könne. Eine solche Zustimmung liegt - insoweit unstreitig - nicht vor. Eine Auszahlung an die Klägerin wäre auch aus steuerlichen Gründen möglich gewesen. Dies hätte allenfalls steuerliche Nachteile nach sich gezogen. An der Forderungszuständigkeit der Klägerin ändere dies jedoch nichts.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.106,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Die Überweisung auf das Girokonto der Arbeitgeberin sei allein von dem Versicherer veranlasst worden. Es fehle insoweit an einer eigenen Handlung der Arbeitgeberin. Der überwiesene Betrag sei nicht als Gegenleistung in die Insolvenzmasse gelangt. Eine solche Gegenleistung könne nur dann ersatzweise ausgesondert werden, wenn sie gegenständlich noch vorhanden sei. Die Gutschrift auf einem debitorisch geführten Bankkonto stelle jedoch keine gegenständlich fassbare Gegenleistung dar. Die Kontokorrentabrede verliere erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Wirksamkeit. Ob die Verrechnung durch das Kreditinstitut der Insolvenzanfechtung unterliege, sei belanglos, da hierdurch lediglich ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch gegenüber dem Anfechtungsgegner begründet werde. Aus der Mitteilung des Versicherers vom 03.06.2004 ergebe sich, dass die Auszahlung aus steuerlichen Gründen lediglich auf ein Firmenkonto möglich gewesen sei. Das Angestelltenverhältnis zwischen Arbeitgeberin und Klägerin sei erst zum 31.01.2005 beendet worden, sodass die Arbeitgeberin zur Entgegennahme der streitigen Überweisung berechtigt gewesen sei. Das Kreditinstitut sei jedenfalls befugt gewesen, die Aufrechnung zu erklären. Diese liege in der Einstellung der Gutschrift in das bestehende Kontokorrent sowie der Bildung eines jeweiligen Tagessaldos. Die Arbeitgeberin habe am 01.06.2004 Kenntnis von der Einstellung der Gutschrift in den Saldo erlangt. Hiermit sei die Verrechnungserklärung der Bank zugegangen und somit die Aufrechnung erklärt worden.

Das Arbeitsgericht Siegen hat die Klage mit Urteil vom 19.10.2005 - 2 Ca 2521/04 - abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Bank habe wegen der Kontokorrentabrede den eingegangenen Betrag verrechnen dürfen. Zumindest könne ein Ersatzaussonderungsrecht nur geltend gemacht werden, soweit das betreffende Konto noch ein Guthaben aufweise. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf deren Tatbestand und Entscheidungsgründe verwiesen.

Das Urteil ist der Klägerin am 10.11.2005 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die am 21.11.2005 eingelegte und mit dem am 30.11.2005 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.

Die Klägerin wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage gegen das erstinstanzliche Urteil.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 19.10.2005 - 2 Ca 2521/04 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.106,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden. Sie hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

I. Die Klage ist unbegründet.

1st Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Recht auf Aussonderung bzw. Ersatzaussonderung des Rückkaufswerts zu. Es fehlt überhaupt an einem Anspruch auf den Rückkaufswert gegen die Arbeitgeberin bzw. die Beklagte.

1. Die Klageforderung findet als Erfüllungsanspruch keine Grundlage in der Versorgungszusage.

1.1. Nach der auf die abgeschlossene Direktversicherung bezogenen Versorgungszusage schuldete die Arbeitgeberin im Versorgungsfall die Verschaffung einer Versorgung zu bestimmten Bedingungen. Hierzu konnte sie sich einer Versicherung bedienen. Beim Ausfall der Leistungspflicht der Versicherung - z.B. aufgrund Kündigung des Versicherungsvertrags und Einziehung des Rückkaufswerts - hätte die Arbeitgeberin der Klägerin die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die ihr zustünden, wenn die Klägerin während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bei der Versicherung versichert gewesen wäre (Erfüllungsanspruch). Soweit nämlich die Versicherung noch möglich ist, richtet sich der Verschaffungsanspruch hierauf. Kann die Arbeitgeberin die geschuldete Altersversorgung nicht auf dem vorgesehenen Weg durchführen, so hat sie erforderlichenfalls selbst die Versorgungsleistungen zu erbringen. Denkbar ist auch ein durch das Versorgungs- oder Versicherungsverhältnis begründeter Anspruch auf Übertragung der Versicherungsnehmerstellung der Arbeitgeberin auf die Klägerin.

1.2. Ein Anspruch auf Erstattung des Rückkaufswerts lässt sich aber auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes herleiten.

Verletzte die Arbeitgeberin durch die Kündigung des Versicherungsvertrags die Versorgungszusage, stünde der Klägerin weiterhin der Verschaffungsanspruch als Erfüllungsanspruch aus dem Versorgungsverhältnis (Blomeyer, AR-Blattei, Direktversicherung, Rn. 109), allenfalls ein Anspruch auf Verschaffung einer beitragsfreien Versicherungsanwartschaft zu (BAG 28.07.1987, 3 AZR 694/85).

Im Streitfall fehlt es bereits an der pflichtwidrigen Kündigung des Versicherungsvertrags, denn die Kündigung erfolgte im Einvernehmen der Arbeitsvertragsparteien.

1.3. Dahinstehen kann, ob der Klägerin gegen die Versicherung aus dem Versicherungsvertrag bei unwiderruflichem Bezugsrecht nach § 176 Abs. 1 VVG ein Anspruch auf den Rückkaufswert zusteht (BGH 17.02.1966, II ZR 286/63). Wäre dies der Fall (vgl. zur aktuellen Rechtsprechung BGH 14.03.2006 - IV ZR 30/04 u. BGH 22.09.2005 - IV ZR 85/04), so richtete sich der Anspruch nicht gegen die Beklagte. Die Versicherung wäre durch Leistung des Rückkaufswerts an die nicht berechtigte Beklagte bzw. die Arbeitgeberin von ihrer Leistungspflicht gegenüber der Klägerin nicht frei geworden, weshalb selbst ein den Rückkaufswert betreffender Kondiktionsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ausscheidet. Insoweit kann auch dahinstehen, ob § 2 Abs. 2 BetrAVG der Geltendmachung eines solchen Anspruchs entgegensteht.

2. Mangels Haupt- besteht auch keine Nebenforderung.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 S.1 ZPO iVm. § 97 ZPO.

III. Gründe, die Revision nach § 72 Abs.2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht ist der aufgezeigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefolgt. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Ende der Entscheidung

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