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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 1992/04
Rechtsgebiete: BGB, SGB IX, ArbZG
Vorschriften:
BGB § 315 | |
SGB IX § 124 | |
ArbZG § 3 | |
ArbZG § 14 |
2. Da der schwerbehinderte Arbeitnehmer nach § 124 SGB IX zur Mehrarbeit nicht verpflichtet ist und als Mehrarbeit die Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit von 8 Stunden/Tag zählt (BAG AP § 124 SGB IX Nr. 1), überschreitet eine Einteilung des Schwerbehinderten zur Rufbereitschaft im Anschluss an die dienstplanmäßig zu leistende Arbeitszeit von 7 Std. 42 Min. die Grenzen billigen Ermessens, sofern die bis zum Erreichen der gesetzlichen Arbeitszeit verbleibenden Minuten keine sinnvolle Arbeitsleistung ergeben.
3. Die betriebliche Notwendigkeit zur Anordnung regelmäßiger Rufbereitschaft in einem Dialysezentrum erfüllt für sich genommen nicht die Voraussetzungen des § 14 ArbZG zur Durchbrechung der gesetzlichen Arbeitszeit in ,,außergewöhnlichen Fällen''.
Tenor:
Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 20.08.2004 - 1 Ca 1261/04 - teilweise abgeändert und unter Berücksichtigung der neugefassten Klageanträge wie folgt gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, an den Tagen seines dienstplanmäßigen Einsatzes im Anschluss hieran Rufbereitschaft zu leisten.
2. Es wird weiter festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, mehr als acht Stunden arbeitstäglich zu arbeiten, soweit nicht die Voraussetzungen des § 14 ArbZG gegeben sind.
3. Der weitergehende Feststellungsantrag des Klägers wird abgewiesen.
4. Die durch die Beweisaufnahme veranlassten Kosten trägt der Kläger. Von den weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte 2/3 und der Kläger 1/3.
Tatbestand:
Mit seiner Klage wendet sich der im Jahre 1952 geborene und einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Kläger, welcher seit dem Jahr 1988 im Dialyse-Zentrum des Beklagten als Gruppenpflegekraft tätig ist, im Wege des Feststellungsantrags gegen seine Einteilung zur Rufbereitschaft.
Die entsprechende Verpflichtung, Rufbereitschaft zu leisten, stützt der Beklagte auf eine entsprechende tarifliche Regelung und diesbezügliche Betriebsvereinbarung. Demgegenüber hat der Kläger zunächst unter Hinweis auf gesundheitliche Gründe geltend gemacht, keine Rufbereitschaft leisten zu können. Weiter macht der Kläger geltend, nach § 124 SGB IX sei er aus Gründen des Schwerbehindertenrechts zur Leistung von Mehrarbeit nicht verpflichtet.
Durch Urteil vom 20.08.2004 (Bl. 50 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, gesundheitliche Gründe stünden einer Einteilung des Klägers zur Rufbereitschaft nicht entgegen. Insbesondere sei nicht zu erkennen, inwiefern die Verpflichtung zur Leistung von Rufbereitschaft als nicht behindertengerecht im Sinne des § 81 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX anzusehen sei. Die vom Kläger vorgelegten Atteste seien insoweit ohne Aussagekraft. Soweit sich der Kläger auf die Vorschrift des § 124 SGB IX stütze, sei zu beachten, dass die Rufbereitschaft selbst nicht als Arbeitszeit und damit auch nicht als Mehrarbeit im Sinne der genannten Vorschrift anzusehen sei. Hieran vermöge auch nichts der Umstand zu ändern, dass der Kläger möglicherweise während der Rufbereitschaft tatsächlich Arbeitsleistung von mehr als acht Stunden pro Tag erbringen müsse. Die Vorschrift des § 124 SGB IX diene allein dazu, einer Überbeanspruchung schwerbehinderter Menschen durch zu lange Arbeitszeiten entgegenzuwirken und schwerbehinderten Menschen die gleichberechtigte Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ohne Benachteiligung zu ermöglichen. Wenn der Kläger wie alle übrigen Beschäftigten zur Rufbereitschaft herangezogen werde, stelle dies keine Benachteiligung dar. Soweit etwa anfallende Arbeitsleistung während der Rufbereitschaft zu einer Einschränkung der Ruhezeit führe, gelte dies für sämtliche eingesetzten Mitarbeiter gleichermaßen und sei gegebenenfalls nach § 5 Abs. 3 ArbZG zu anderen Zeiten auszugleichen.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung hält der Kläger an seinem Standpunkt fest, unter den vorliegenden Umständen sei seine Einteilung zur Rufbereitschaft nicht zulässig. Nachdem das vom Landesarbeitsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eine Stabilisierung des Gesundheitszustandes bestätigt habe, wolle der Kläger zwar nicht mehr umfassend geltend machen, keinerlei Rufbereitschaften leisten zu müssen. Entgegen dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils ergebe sich jedoch aus der Vorschrift des § 124 SGB IX, dass der Beklagte den Kläger jedenfalls nicht zur Rufbereitschaft im Anschluss an seine dienstplanmäßig geleistete Arbeit einteilen dürfe, da es andernfalls ohne weiteres zur Leistung von Mehrarbeit kommen könne. Auch wenn nämlich die Rufbereitschaft selbst nicht als Arbeitszeit und Mehrarbeit angesehen werde, ergebe sich doch unter Berücksichtigung der Dauer der vorangehenden Arbeitsschicht, dass eine während der Rufbereitschaft erforderlich werdende Arbeitsleistung schon nach kurzer Dauer zur Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit von acht Stunden führe.
Insoweit ist unstreitig, dass bei dem Beklagten an sechs Tagen in der Woche gearbeitet wird, und zwar mit einer Frühschicht von 6.00 bis 13.57 Uhr und einer Spätschicht von 11.00 bis 18.57 Uhr. Weiter besteht für die Tage Montag, Mittwoch und Freitag ein Nachtdienst von 15.30 bis 0.30 Uhr. An Sonntagen findet kein regulärer Betrieb statt, für Notfälle ist jedoch Rufbereitschaft für die Zeit von Samstag 19.00 Uhr bis Montag 6.30 Uhr eingerichtet. Die Beschäftigten sind auf der Grundlage einer 38,5-Stunden-Woche eingesetzt und arbeiten in einem rollierenden Schichtsystem an fünf Tagen in der Woche mit einer Arbeitszeit von arbeitstäglich 7 Std. 42 Minuten. Die Einteilung zur Rufbereitschaft erfolgt - und zwar möglichst auf freiwilliger Grundlage - üblicherweise im Anschluss an den Spätdienst, wobei nach Darstellung der Beklagten eine tatsächliche Inanspruchnahme der Arbeitsleistung während der Rufbereitschaft im zurückliegenden Zeitraum Januar bis Juni 2004 nur in 27% der Fälle erfolgt ist. Auf die Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 22.07.2004 (Bl. 39 d.A.) wird insoweit Bezug genommen.
Unter Neufassung seines Klageantrages im Zuge des Berufungsverfahrens beantragt der Kläger zuletzt,
festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, an den Tagen seines dienstplanmäßigen Einsatzes im Anschluss hieran Rufbereitschaft zu leisten,
ferner festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, mehr als acht Stunden arbeitstäglich zu arbeiten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens als zutreffend und hält an seiner Auffassung fest, aus der Vorschrift des § 124 SGB IX seien unter den vorliegenden Umständen keine Einschränkungen für die Zulässigkeit der Rufbereitschaft herzuleiten. Abgesehen davon, dass keineswegs feststehe, ob tatsächlich während der Rufbereitschaft Arbeit zu leisten sei und sich der Kläger dementsprechend nicht abstrakt gegen die bloße Einteilung zur Rufbereitschaft wenden könne, stelle sich die Heranziehung zur Arbeitsleistung während der Rufbereitschaft regelmäßig als ein plötzliches und unvorhersehbares Ereignis im Sinne des § 14 ArbZG dar, so dass die vom Kläger vorgetragenen arbeitszeitrechtlichen Bedenken zurückträten. Nachdem sich auf der Grundlage des vom Landesarbeitsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens herausgestellt habe, dass gegen die Heranziehung des Klägers zur Rufbereitschaft keine gesundheitlichen Bedenken bestünden, stelle es ohnehin einen Rechtsmissbrauch dar, wenn sich der Kläger unter Hinweis auf die Vorschrift des § 124 SGB IX einer entsprechenden Diensteinteilung zu entziehen suche. Das gelte umso mehr, als es in der Vergangenheit bis auf wenige Ausnahmen gelungen sei, die Rufbereitschaftsdienste auf freiwilliger Grundlage einzuteilen. Soweit danach nur ganz ausnahmsweise eine Einteilung zur Rufbereitschaft im Wege des arbeitsvertraglichen Direktionsrechts - gleich ob an Tagen dienstplanmäßiger Arbeitsleistung, an dienstplanmäßig freien Tagen oder am Wochenende - erforderlich werde, müsse prinzipiell auch der Kläger hierfür zur Verfügung stehen. Andernfalls werde der Kläger ohne sachlichen Grund gegenüber den übrigen Mitarbeitern bevorzugt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist auf der Grundlage der im zweiten Rechtszuge neu gefassten Klageanträge im wesentlichen begründet.
I
Nachdem der Kläger zuletzt nicht an seinem Standpunkt festgehalten hat, aus gesundheitlichen Gründen überhaupt keine Rufbereitschaft leisten zu müssen, sondern sein Begehren allein auf die Vorschrift des § 124 SGB IX stützt, geht es im vorliegenden Verfahren ausschließlich um die Frage, ob der Kläger an den Tagen, an welchen er bereits seine dienstplanmäßig zugewiesene Arbeit erbracht hat, zur Rufbereitschaft eingeteilt werden darf. Da sich diejenigen Fälle, in welchen der Arbeitgeber ausnahmsweise Rufbereitschaften auch an dienstplanmäßig freien Tagen sowie an Sonntagen anordnet, kaum anhand abstrakter Kriterien umschreiben lässt und im Übrigen auch insoweit unstreitig der vorrangige Grundsatz der Freiwilligkeit beachtet wird, hat der Kläger seinen Antrag zuletzt auf die Frage der Rufbereitschaft im Anschluss an die reguläre Dienstzeit beschränkt. Mit Rücksicht auf die Tatsache, dass der Beklagte allerdings weiterhin den Standpunkt einnimmt, aus Gründen des Rechtsmissbrauchs könne sich der Kläger auf die Vorschrift des § 124 SGB IX nicht berufen und sei dementsprechend arbeitszeitrechtlich ohne schwerbehindertenrechtliche Beschränkungen auch für mehr als acht Stunden arbeitstäglich einsetzbar, will der Kläger mit dem weiteren Feststellungsantrag die fehlende Berechtigung des Beklagten zu einer entsprechenden Zuweisung von Arbeit geklärt wissen.
II
Die so ausgelegten Klageanträge sind zulässig und - mit der aus dem Tenor ersichtlichen Einschränkung - auch begründet.
1. Der Kläger ist nicht verpflichtet, an den Tagen seines dienstplanmäßigen Einsatzes im Anschluss hieran Rufbereitschaft zu leisten.
a) Gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags bestehen keine Bedenken. Gegenstand eines Feststellungsantrags im Sinne des § 256 ZPO kann nicht nur ein streitiges Rechtsverhältnis insgesamt sein, vielmehr können auch einzelne rechtliche Verpflichtungen aus dem Rechtsverhältnis im Wege der Feststellungsklage geklärt werden. Ein alsbaldiges Interesse an der begehrten Feststellung ergibt sich daraus, dass der Beklagte für sich das Recht in Anspruch nimmt, den Kläger zur Rufbereitschaft einzuteilen, was der Kläger für unzulässig hält.
b) Die mangelnde Berechtigung des Beklagten, den Kläger zur Rufbereitschaft im zeitlichen Anschluss an die reguläre Dienstzeit einzuteilen, ergibt sich aus der Tatsache, dass im Falle der tatsächlich erforderlich werdenden Arbeitsleistung während der Rufbereitschaft Mehrarbeit im Sinne des § 124 SGB IX anfällt, welche zu leisten der Kläger nicht verpflichtet ist.
(1) Zwar ist richtig, dass die Rufbereitschaft als solche keine Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne darstellt. Wird jedoch der Arbeitnehmer während der Rufbereitschaft tatsächlich zur Arbeitsleistung herangezogen - was nach Darstellung des Beklagten in etwa 27% der Fälle zutrifft - , so führt dies unter Einbeziehung der zuvor geleisteten dienstplanmäßigen Arbeit schon nach einer so kurzen Zeitspanne zur Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit von acht Stunden, dass eine entsprechende Diensteinteilung von vornherein als sinnlos und damit als Überschreitung des Direktionsrechts angesehen werden muss.
Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien beläuft sich die dienstplanmäßig geleistete Arbeit auf 7 Std. 42 Minuten, so dass bis zur Grenze von acht Stunden nur noch ein kurzer Zeitraum verbleibt, welcher zur Arbeitsleistung während der Rufbereitschaft zur Verfügung stünde. Unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Verhältnisse erscheint aber ausgeschlossen, dass ein derart kurzer Zeitraum für eine sinnvolle Arbeitsleistung ausreichen könnte. Wie sich aus der vom Beklagten vorgelegten Aufstellung über die Arbeitseinsätze während der Rufbereitschaft im Anschluss an den regulären Spätdienst auf Bl. 39 d.A. ergibt, sind ganz überwiegend mehrstündige Arbeitseinsätze angefallen. Dass es keineswegs an jedem Tage angeordneter Rufbereitschaft überhaupt zu Arbeitseinsätzen gekommen ist, vermag hieran nichts zu ändern. Hieraus ergibt sich aber, dass der Kläger, sofern er zur Rufbereitschaft eingeteilt und tatsächlich Arbeitsleistung erforderlich wird, die zu erledigende Arbeitsaufgabe nicht ohne Überschreitung der regelmäßigen gesetzlichen Arbeitszeit von acht Stunden erfüllt werden könnte.
(2) In Übereinstimmung mit der den Parteien bekannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 03.12.2003 - 9 AZR 462/01 - AP § 124 SGB IX Nr. 1) knüpft die Vorschrift des § 124 SGB IX an die gesetzliche Arbeitszeit von acht Stunden an. Allein die Tatsache, dass das Arbeitszeitgesetz unter bestimmten Voraussetzungen eine Verlängerung der Regel-Höchstarbeitszeit erlaubt, ist für die Anwendung des § 124 SGB IX nicht maßgeblich. Dementsprechend kommt es nicht auf die Besonderheiten der Arbeitszeitregelung in Krankenanstalten an. Nach Sinn und Zweck des § 124 SGB IX liegt vielmehr Mehrarbeit bereits ab Überschreitung der gesetzlichen regelmäßigen Arbeitszeit von acht Stunden vor.
c) Entgegen dem Standpunkt des Beklagten handelt es sich bei den im Einzelfall erforderlichen Arbeitseinsätzen während der Rufbereitschaft auch nicht um Anwendungsfälle des § 14 ArbZG. Auch wenn man davon ausgeht, dass es sich bei den während der Rufbereitschaft anfallenden Tätigkeiten um Notfälle im Sinne des § 14 Abs. 1 ArbZG oder um unaufschiebbare Arbeiten zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen im Sinne des § 14 Abs. 2 Ziff. 2 ArbZG handelt, ist zu beachten, dass die für diesen Fall gesetzlich vorgesehene Durchbrechung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften nur in Frage kommt, wenn "deren Folge nicht auf andere Weise zu beseitigen sind" bzw. "wenn dem Arbeitgeber andere Vorkehrungen nicht zugemutet werden können". Eben die Einführung von Rufbereitschaft stellt sich aber als entsprechende geeignete Vorkehrung zur Bekämpfung von Notlagen dar. Dass der Kläger - wie jeder andere Arbeitnehmer - in nicht vorhersehbaren Notfällen zur Arbeitsleistung herangezogen werden könnte, welche mittels der eingerichteten Rufbereitschaft nicht abgedeckt sind, bedeutet nicht, dass auch solche Fallgestaltungen, die nach der eigenen Darstellung des Beklagten mit einer gewissen Regelmäßigkeit anfallen, eine allgemeine Ausnahme von arbeitszeitrechtlichen Regeln nach § 14 ArbZG begründen können. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der zitierten Fundstelle bei Neumann/Pahlen, § 124 SGB IX Rz 4. Soweit es dort heißt, in außergewöhnlichen Fällen, insbesondere in Notfällen ... müsse die notwendige Arbeit durchgeführt werden, § 14 ArbZG sei auch hier sinngemäß auf den Fall des § 124 SGB IX anzuwenden, so steht dies mit den vorstehenden Ausführungen durchaus im Einklang, bedeutet aber nicht, dass im vorliegenden Zusammenhang von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 ArbZG überhaupt abgesehen werden kann.
d) Schließlich greift auch nicht der Einwand des Beklagten durch, der Kläger berufe sich rechtsmissbräuchlich auf die Vorschrift des § 124 SGB IX, nachdem das im Berufungsrechtszuge eingeholte Sachverständigengutachten die vom Kläger zunächst geltend gemachten gesundheitlichen Bedenken nicht bestätigt habe. Die Vorschrift des § 124 SGB IX knüpft nicht an einen Zusammenhang zwischen gesundheitlich bedingten Leistungseinschränkungen und konkreten Arbeitsbedingungen an, sondern räumt ganz allgemein den Schwerbehinderten und den ihnen gleichgestellten Personen das Recht ein, von Mehrarbeit freigestellt zu werden. Wie das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung ausgeführt hat, verfolgt das Gesetz auf diese Weise das Ziel, dem schwerbehinderten Arbeitnehmer eine vergleichbare Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wie einem Nichtbehinderten zu verschaffen, wozu die Gewährung ausreichender arbeitsfreier Zeit nach Maßgabe der gesetzlichen Arbeitszeitbegrenzung auf acht Stunden arbeitstäglich gehört. Auf einen konkreten Zusammenhang mit den der anerkannten Behinderung zugrunde liegenden Erkrankungen kommt es hierbei nicht an, vielmehr gilt nach dem Gesetz ein abstrakter Maßstab für die Anerkennung der Schwerbehinderung bzw. behördliche Gleichstellungsentscheidung. Dementsprechend sind die von dem Beklagten vorgetragenen Gesichtspunkte nicht geeignet, eine Durchbrechung der Vorschrift des § 124 SGB IX aus Gründen eines angeblichen Rechtsmissbrauchs zu rechtfertigen.
2. Auch der weiter vom Kläger verfolgte Feststellungsantrag, mit welchem er geltend macht, nicht zur Arbeitsleistung von mehr als acht Stunden arbeitstäglich verpflichtet zu sein, ist zulässig und im Wesentlichen begründet.
a) Der Zulässigkeit des Antrages steht nicht entgegen, dass sich die gewünschte Rechtsfolge bereits aus dem Gesetz herleiten lässt, welches mit den Vorschriften des § 3 Satz 1 ArbZG und § 124 SGB IX entsprechend klare Vorgaben enthält. Schon die Tatsache, dass der Beklagte dem Kläger das Recht abspricht, sich auf die Vorschrift des § 124 SGB IX zu berufen, lässt erkennen, dass es dem Kläger vorliegend nicht um die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage geht. Die Fragestellung gewinnt insbesondere Bedeutung für den Fall, dass der Kläger zur Rufbereitschaft an Tagen eingeteilt wird, an welchen er nicht dienstplanmäßig zu arbeiten hat.
b) Der vom Kläger verfolgte Feststellungsantrag ist auch in der Sache im Wesentlichen begründet. Auch an denjenigen Tagen, an welchen der Beklagte den Kläger - unter Beachtung von Freiwilligkeitsvorrang und Gleichbehandlung - außerhalb der regulären Schichteinteilung zur Rufbereitschaft heranzieht und der Kläger gegebenenfalls tatsächlich zur Arbeitsleistung herangezogen wird, ist die aus § 3 Abs. 1 ArbZG ersichtliche regelmäßige Arbeitszeit von acht Stunden einzuhalten. Ausnahmen können sich nur ergeben, soweit die Voraussetzungen des § 14 ArbZG einen längeren Arbeitseinsatz als acht Stunden während der Rufbereitschaft erfordern und die weiteren im Gesetz genannten Voraussetzungen vorliegen. Auch wenn derartige Fallgestaltungen als eher unrealistisch erscheinen, kann der Kläger doch im Hinblick auf den abweichenden Rechtsstandpunkt des Beklagten eine entsprechende gerichtliche Feststellung verlangen, wobei allerdings mit Rücksicht auf die weite Fassung des Klageantrags eine entsprechende Einschränkung in den Urteilstenor aufzunehmen und der zu weit gefasste Klageantrag insoweit abzuweisen war.
III
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 96, 97 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Danach waren die durch die Beweisaufnahme veranlassten Kosten gemäß § 96 ZPO dem Kläger allein aufzuerlegen. Auf der Grundlage des im ersten Rechtszuge verfolgten weitgefassten Klageantrags waren die Kosten des ersten Rechtszuges gegeneinander aufzuheben. Mit Rücksicht auf die nachfolgende Beschränkung des Klagebegehrens ergibt sich für den zweiten Rechtszug die aus dem Tenor ersichtliche Quotelung.
IV
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Bei der Auslegung der Vorschrift des § 124 SGB IX folgt das Landesarbeitsgericht der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Weder der Einwand des Beklagten, der Kläger berufe sich rechtsmissbräuchlich auf die genannte Vorschrift, noch die Anwendung des § 315 BGB bei der rechtlichen Überprüfung der Zuweisung von Rufbereitschaft im Anschluss an die dienstplangemäße Arbeitsleistung erfordern die Zulassung der Revision.
Ende der Entscheidung
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