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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 27.11.2002
Aktenzeichen: 9 Sa 476/02
Rechtsgebiete: MuSchG, SchwbG, SGB IX, VwGO


Vorschriften:

MuSchG § 9 Abs. 3
SchwbG § 18 Abs. 4
SGB IX § 88 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 1
VwGO § 80 a Abs. 1 Nr. 1
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Bescheid, mit dem die gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG zuständige Behörde die Kündigung gegenüber einer Frau während der Zeit des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots für zulässig erklärt, haben keine aufschiebende Wirkung. Der Arbeitgeber ist deshalb nicht gehalten, vor Ausspruch der Kündigung die sofortige Vollziehbarkeit des angegriffenen Verwaltungsakts zu erwirken.
Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil

Geschäfts-Nr.: 9 Sa 476/02

Verkündet am: 27.11.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 16.10.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schröder sowie den ehrenamtlichen Richter Lisiecki und die ehrenamtliche Richterin Buddruweit

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 26.08.1998 - 1 Ca 201/98 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung in Anspruch.

Die am 12.01.13xx geborene Klägerin war seit dem 13.02.1989 bei der M1xxxxxxx K1xxx- und G3xxxxxxxxxxxxxxx für B2xxxxxxxxxxxxxxxxxx GmbH beschäftigt, über deren Vermögen im Verlauf des Rechtsstreits das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Diese befasste sich mit dem Verkauf von Knöpfen an Kleiderfabriken; daneben betrieb sie eine gewerbliche Abteilung, in der sie Knöpfe durch Färben und Spritzen veredelte. Mit Schreiben vom 08.08.1997 teilte die Insolvenzschuldnerin der Bezirksregierung M3xxxxx u.a. mit:

"Betr.: Genehmigung zur Kündigung von folgenden Arbeitnehmerinnen

Gewerbliche

...

S1xxxxxx C2xxxxxxx, R3xxxxxxxxx 81, 44xxx G2xxxxxxxxxxx (Vollzeit Färberei)

Diese werden als Arbeiterinnen in der Musterabteilung bzw. Färberei beschäftigt und befinden sich in der Schwangerschaft.

(Bescheinigung beigefügt)

Mit Beschluß vom 01.07.97 stellen wir den Geschäftsbetrieb per 31.08.97 aus wirtschaftlichen Gründen ein. (Zahlungsschwierigkeiten)

Allen Arbeitnehmern wurde unter Einhaltung der Kündigungsfristen am 28.07.97 gekündigt.

Ausgenommen sind 5 Personen aus dem Verkauf.

...

Die zu erwartenden Aufträge werden dann nicht mehr in G2xxxxxxxxxxx, sondern bei Fremdfirmen bearbeitet, bzw. bei der Firma H2 f1 S5 GmbH in H3xxxxx.

Wir bitten um Zustimmung zur Kündigung der vorstehenden Mitarbeiterinnen."

Mitarbeiter, deren Kündigungsfrist am 31.08.1997 noch nicht abgelaufen war, wurden mit Restarbeiten beschäftigt. Am 31.12.1997 wurde die Produktion endgültig eingestellt. Noch verbliebene Arbeitnehmer aus der Produktion wurden unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt.

Mit Bescheid vom 28.08.1997 erklärte die Bezirksregierung gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG die Kündigung der Klägerin für zulässig. Diese legte Widerspruch ein, der mit Bescheid vom 08.12.1997 zurückgewiesen wurde. Hiergegen erhob die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Mit Schreiben vom 05.01.1998 kündigte die Insolvenzschuldnerin das Arbeitsverhältnis "zum nächst zulässigen Termin (Ende des Erziehungsurlaubs)"; das voraussichtliche Ende des Erziehungsurlaubs gab die Insolvenzschuldnerin mit dem 14.12.2000 an. Mit Klageschrift, welche am 22.01.1998 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gerichtlich zur Wehr gesetzt.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die Kündigung sei nicht gerechtfertigt. Es sei bei Ausspruch der Kündigung nicht abzusehen gewesen, ob am Ende des Erziehungsurlaubs nicht doch eine Beschäftigungsmöglichkeit für sie bestanden hätte. Eine Belastung wäre für die Insolvenzschuldnerin mit dem Zuwarten nicht verbunden gewesen. Damit müsse die Abwägung der gegenseitigen Interessen zu ihren - der Klägerin - Gunsten ausfallen.

Die Klägerin hat, soweit es hier von Bedeutung ist, beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung der Beklagten vom 05.01.1998 nicht aufgelöst wurde, sondern ungekündigt fortbesteht.

Die beklagte Gemeinschuldnerin hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Insolvenzschuldnerin hat vorgetragen:

Es sei auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung abzustellen und nicht auf das Ende des Erziehungsurlaubs. Demgemäß sei die Kündigung infolge der Stilllegung der Produktion aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gerechtfertigt. Der Arbeitsplatz der Klägerin sei auf Dauer entfallen. Im Vergleich zu Arbeitnehmern, die nicht Erziehungsurlaub in Anspruch nähmen, dürfe die Klägerin nicht bessergestellt werden.

Mit Urteil vom 26.08.1998 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Wegen des Inhalts der Entscheidungsgründe und hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf die Prozessakten Bezug genommen.

Gegen das am 01.12.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, dem 04.01.1999, Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.03.1999, am 03.03.1999 begründet. Mit Beschluss vom 03.11.1999 hat das Berufungsgericht den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung bzw. bestandskräftigen Erledigung des Rechtsstreits über die Zustimmung zur Kündigung (VerwG Gelsenkirchen - 11 K 8990/97 -) ausgesetzt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 03.12.1999 - 161 IN 62/99 - ist über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter ernannt worden. Mit Urteil vom 18.02.2002 hat das Verwaltungsgericht die Klage rechtskräftig abgewiesen. Mit Schriftsatz vom 19.07.2002 hat die Klägerin den Rechtsstreit gegenüber dem Insolvenzverwalter aufgenommen. Sie trägt vor:

Das Interesse der Insolvenzschuldnerin an der Kündigung sei nicht anzuerkennen, weil es keinen Unterschied mache, ob sie im Jahre 1998 oder erst im Jahre 2000 von der Personalliste "gestrichen" worden wäre. Das müsse umso mehr gelten, als die Insolvenzschuldnerin noch über die Produktionsräume und -maschinen verfügt hätte. Es hätte also nicht ausgeschlossen werden können, dass die Produktion bis zum Ende des Erziehungsurlaubs wieder aufgenommen worden wäre. Auch nach der Produktionseinstellung hätte es noch Beschäftigungsbedarf bei der Insolvenzschuldnerin gegeben. Die ehemalige Mitarbeiterin K5. sei als Heimarbeiterin weiterbeschäftigt worden, und zwar zweimal drei Monate im Jahr. Hinzu sei die Vergabe von Aufträgen an die H4x GmbH und an Drittfirmen gekommen. Unabhängig davon hätte es aber eine Beschäftigungsmöglichkeit in H3xxxxx gegeben. Der Alleingesellschafter und damalige Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin sei zugleich Alleingeschäftsführer der in H3xxxxx ansässigen H4x GmbH. Hinzu kämen die R2xx & N1xxxxx V1xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx m4x, die R2xx & N1xxxxx H5xxxxxxxxxxxxxxxxx mbH und die R2xx & N1xxxxx GmbH & Co. KG, allesamt ebenfalls in H3xxxxx ansässig. Alle Unternehmen seien derart rechtlich und personell verflochten bzw. wirtschaftlich voneinander abhängig, dass von einer "R2xx-Gesellschaftsgruppe" gesprochen werden könne. Diese unterhalte einen einheitlichen Betrieb, der zentral geleitet werde, und zwar entweder vom damaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin oder Herrn J1xxxxxx R2xx. Teil des einheitlichen Betriebes dieser "R2xx-Gesellschaftsgruppe" sei auch der Betrieb der Insolvenzschuldnerin. Ihr damalige Geschäftsführer hätte sich sämtliche Personalentscheidungen, auch in Alltagsgeschäften wie Urlaub und Arbeitszeit, vorbehalten gehabt. Die Insolvenzschuldnerin hätte im Übrigen, wenn überhaupt, keinen notariell beurkundeten Beschluss über die Produktionseinstellung gefasst. Das sei deswegen nötig gewesen, weil es sich um eine Satzungsänderung im Sinn des § 53 Abs. 1, 2 GmbHG gehandelt hätte. Letztlich sei die angefochtene Kündigung schon deswegen unwirksam, weil der Widerspruch gegen den Zustimmungsbescheid und die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hätten. Die Insolvenzschuldnerin hätte demgegenüber nur die Möglichkeit gehabt, die sofortige Vollziehbarkeit der Zustimmungserklärung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bei der Bezirksregierung zu beantragen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils nach den Anträgen der Klägerin aus der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte tritt dem Vortrag der Klägerin entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hatte keinen Erfolg.

I

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis ist durch die mit Schreiben vom 05.01.1998 ausgesprochene Kündigung beendet worden. Die Kündigungserklärung ist bestimmt genug; die Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt und verstößt nicht gegen gesetzliche Verbote (§ 9 Abs. 2 Satz 1 MuSchG, § 18 Abs. 1 Satz 1 BerzGG).

1. Die Kündigungserklärung ist hinreichend bestimmt (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl., § 123 Rn. 38). Sie lässt insbesondere eindeutig erkennen, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden sollte. Zunächst wird klargestellt, dass die Insolvenzschuldnerin die Kündigungsfrist einhalten, also eine ordentliche Kündigung aussprechen wollte. Sodann wird eine Auslauffrist bis zum Ende des Erziehungsurlaubs eingeräumt. Damit hing die Restdauer des Arbeitsverhältnisses vom Bestehen des Erziehungsurlaubs ab. Dessen voraussichtliches Ende war der Klägerin bekannt. Ein vorzeitiges Ende konnte von der Gemeinschuldnerin ohne behördliche Zulässigkeitserklärung (s.u. 3.) nicht veranlasst werden. Die sonstigen Gründe für eine Verkürzung des Erziehungsurlaubs fielen allesamt in die Sphäre der Klägerin (Entfall der Voraussetzungen für den Erziehungslaub gem. § 15 Abs. 1, 2, § 16 Abs. 4 BErzGG a.F.; Entschluss der Klägerin gem. § 16 Abs. 3 BErzGG a.F.). Demgemäß ist ein über die Vorschriften des Bundererziehungsgeldgesetzes hinausgehendes Schutzbedürfnis der Klägerin an der Angabe eines Beendigungstermins nicht ersichtlich.

2. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt. Sie ist durch betriebliche Erfordernisse bedingt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).

a) Die Voraussetzungen zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, insbesondere die erforderliche Betriebsgröße (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG a.F.), sind streitlos gegeben. Mit der Stilllegung der Produktion, abgeschlossen am 31.12.1997, war das Beschäftigungsbedürfnis für die Arbeitsleistung der Klägerin entfallen. Schon mit der Kündigung aller Arbeitnehmer der Produktion mit Ausnahme der beiden schwangeren Arbeitnehmerinnen durch Schreiben vom 28.07.1997 hat die Insolvenzschuldnerin ihre ernstliche und endgültige Stilllegungsabsicht mehr als hinreichend dokumentiert sowie in die Tat umgesetzt. Zum Zeitpunkt der Kündigung der Klägerin im Januar 1998 hatte die Stilllegung der Produktion nicht nur greifbare Formen angenommen, sondern war bereits abgeschlossen. Alle Arbeitnehmer waren entlassen, die Arbeiten faktisch eingestellt. Damit war die Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für einen unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufgehoben (vgl. BAG, Urteil v. 18.01.2000 - 2 AZR 239/00 - n.v., zu 2 der Gründe; Urteil v. 27.09.1984 - 2 AZR 309/83 - NZA 1985, 493; zu II 2 der Gründe). Dafür, dass die Insolvenzschuldnerin plante, die Produktion in absehbarer Zeit wieder aufzunehmen, hat die Klägerin keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen. Diese ergeben sich auch nicht daraus, dass die Insolvenzschuldnerin nicht sofort alle Maschinen aus den Produktionsräumen entfernt hat. Sie war berechtigt, diese bestmöglich zu verwerten. Die Entscheidung der Insolvenzschuldnerin, die Produktion einzustellen und die noch eingehenden Aufträge durch eine Heimarbeiterin, dritte Unternehmen und durch die H4x GmbH erledigen zu lassen, ist als Unternehmerentscheidung nicht darauf hin zu überprüfen, ob sie zweckmäßig ist, sondern allenfalls darauf hin, ob sie sich als unsachlich, unvernünftig oder willkürlich darstellt (vgl. BAG, Urteil v. 07.12.2000 - 2 AZR 391/99 - NZA 2001, 495; zu III 2 der Gründe). Zu letzterem hat die Klägerin nichts vorgetragen.

Andere Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin gab es nicht. Auf eine Beschäftigung im Verkauf hatte sie als gewerbliche Arbeitnehmerin mangels Vergleichbarkeit der Arbeitsplätze keinen Anspruch. Gleiches gilt für eine Beschäftigung in einer der Unternehmungen, welche sie zur "R2xx-Gesellschaftsgruppe" zählt. Im Hinblick auf einen gemeinsamen Betrieb der Insolvenzschuldnerin mit der Gesellschaftsgruppe fehlt es an einem entscheidenden Merkmal. Notwendig ist, dass die gemeinsamen materiellen und immateriellen Betriebsmittel in einer organisatorischen Einheit zusammengefasst sind und geordnet und gezielt zur Verfolgung eines arbeitstechnischen Zweckes eingesetzt werden (vgl. BAG, Beschluss v. 09.02.2000 - 7 ABR 21/98 - n.v.; zu B I der Gründe). Diese Voraussetzung gilt nicht nur im Betriebsverfassungsrecht, sondern auch im Bereich des Kündigungsschutzrechts (vgl. BAG, Urteil v. 03.12.1997 - 7 AZR 764/96 - NZA 98, 876; zu I 3 b der Gründe). Bloße Beziehungen, wie sie auch zu Drittfirmen bestehen, reichen nicht (vgl. BAG v. 09.02.2000, a.a.O.). So liegt der Fall hier. Die Zusammenarbeit mit den H6xxxxxxx Unternehmen beschränkte sich darauf, dass die Insolvenzschuldnerin Aufträge zur Erledigung an die H4x GmbH erteilte. Das geht über den Rahmen üblicher Geschäftsbeziehungen nicht hinaus.

Die Stilllegungsmaßnahme der Insolvenzschuldnerin ist ohne einen entsprechenden Entschluss des Alleingesellschafters und Geschäftsführers gar nicht vorstellbar; das Bestreiten der Klägerin geht insoweit ins Leere. Wenn sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf beruft, der Entschluss, die Produktion stillzulegen, hätte eine Änderung des Geschäftsgegenstandes der Insolvenzschuldnerin zur Folge gehabt und sei deshalb gemäß § 53 Abs. 2 GmbHG formbedürftig gewesen, mag dies zutreffen. Dies ändert aber nichts daran, dass derartige Unterlassungen der Gesellschafter die Handlungsfähigkeit einer GmbH nicht beeinträchtigen (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 3 Rn. 9).

b) Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob es angesichts der vollständigen Stilllegung der Produktion und des Fehlens anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten einer Interessenabwägung bedarf (vgl. BAG, Urteil v. 19.12.1991 - 2 AZR 402/91 - RzK I 5 c Nr. 41; zu B I 8 der Gründe). Sie fällt jedenfalls auch unter Berücksichtigung des Erziehungsurlaubs der Klägerin zu ihren Ungunsten aus. Für die Klägerin sprechen ihre Betriebszugehörigkeit, ihre familiäre Belastung und der Umstand, dass während des Erziehungsurlaubs die gegenseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhten (vgl. Thomas/Gröninger, MuSchG, Stand: 2002, BErzGG § 15, Rn. 39). Für die Interessen der Insolvenzschuldnerin spricht jedoch, dass der Arbeitsplatz der Klägerin auf unabsehbare Zeit entfallen war. Sie hat einen wesentlichen Zweck des mutterschutzrechtlichen Kündigungsverbots erfüllt. Dieser besteht darin, der Arbeitnehmerin für die Zeit der Schwangerschaft und den Zeitraum bis zum Ablauf von vier Monaten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG) den Arbeitsplatz als Existenzgrundlage zu erhalten (vgl. BAG, Urteil v. 31.01.1993 - 2 AZR 595/92 - AP 20 zu § 9 MuSchG 1968; zu II 3 c aa der Gründe). Dem ist die Insolvenzschuldnerin nachgekommen, indem sie zum Ablauf des Erziehungsurlaubs gekündigt hat. Damit überwiegt ihr Interesse daran, die Produktionsstilllegung auch personell abzuschließen und nicht erst nach Beendigung des Erziehungsurlaubs unter nicht absehbaren Umständen kündigen zu können. Es ist nicht Sinn des mutterschutzrechtlichen Kündigungsverbots, der Arbeitnehmerin einen neuen Arbeitsplatz zu verschaffen.

3. Die angefochtene Kündigung verstößt nicht gegen die Kündigungsschutzverbote gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, § 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG.

a) Die Kündigung ist nicht gemäß § 134 BGB, § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG nichtig. Die Insolvenzschuldnerin war nicht gehalten, vor Ausspruch der Kündigung bei der Bezirksregierung die sofortige Vollziehbarkeit des Zulässigkeitsbescheids zu erwirken. Widerspruch und Anfechtungsklage haben entgegen dem Wortlaut des § 80 Abs. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung; vielmehr ist § 88 Abs. 4 SGB IX (im Wesentlichen wortgleich mit § 18 Abs. 4 SchwbG) entsprechend anzuwenden (vgl. Buchner/Becker, MuSchG und BErzGG, 6. Aufl., Rn. 168, 169; Gröninger/Thomas, MuSchG, Stand: 2002, § 9 Rn. 105; Meisel/Sowka, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, 4. Aufl., § 9 Rn. 111; Zmarzlik/Zipperer/ Viethen/Vieß, Mutterschutzgesetz, Mutterschaftsleistungen, Bundeserziehungsgeldgesetz, 8. Aufl., § 9 MuSchG Rn. 78).

Die Gegenansicht (KR-Pfeiffer, 6. Aufl., § 9 MuSchG Rn. 127) wird den besonderen arbeitsrechtlichen Gegebenheiten nicht gerecht. Sie stützt sich auf die Einfügung des § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO durch das 4. VwGO-Änderungsgesetz vom 17.12.1990, nach welcher die Verneinung der aufschiebenden Wirkung mit dem klaren Wortlaut und Zweck des Gesetzes "nicht mehr vereinbar" sei. Zwar trifft es zu, dass diese Vorschrift und § 80 a VwGO, der ebenfalls durch das 4. VwGO-Änderungsgesetz eingefügt worden ist, u.a. speziell den vorläufigen Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte regeln, die infolge ihrer Doppelwirkung Dritte belasten. Doch handelt es sich in der Sache keineswegs um eine Neuregelung. Der Gesetzgeber hat vielmehr nur kodifiziert, was "fast ausnahmslos schon verwaltungsgerichtlicher Alltag war"; Hauptanwendungsfälle sind aus verwaltungsrechtlicher Sicht das baurechtliche Nachbarschaftsverhältnis und Rechtsstreitigkeiten unter Konkurrenten (vgl. Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 80 a Rn. 1). Die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs und der Anfechtungsklage soll unter Wahrung des verfassungsrechtlichen Gebots des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) verhindern, dass durch den Vollzug eines Verwaltungsakts vollendete Tatsachen geschaffen werden und damit der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz zu spät kommt (vgl. Eyermann/Jörg Schmidt, a.a.O., § 80 Rn. 1 m.w.N.). Dieses Schutzes bedarf es beim mutterschutzrechtlichen Kündigungsschutzverbot nicht. Mit dem Ausspruch einer Kündigung werden im Hinblick auf den verwaltungsrechtlichen Zulässigkeitsbescheid keinesfalls vollendete Tatsachen geschaffen. Die ausgesprochene Kündigung ist nämlich nur schwebend wirksam. Erst mit der Bestandskraft des Zustimmungsbescheids kann sie endgültig rechtswirksam werden (h.M.; vgl. KR-Pfeiffer, a.a.O.). Gleichwohl soll nicht verkannt werden, dass der Ausspruch der Kündigung tatsächliche Folgen zeitigt. Mit Ablauf der Kündigungsfrist verliert die Arbeitnehmerin ihren Beschäftigungsanspruch. Nun stellt sich dieser Umstand angesichts der besonderen Gegebenheiten des Mutterschutzes von vornherein als nicht schwerwiegend dar. Der Gesetzgeber stellt im Mutterschutzrecht nicht auf die Sicherung der tatsächlichen Beschäftigung ab, sondern auf den Schutz vor nicht schwangerschafts- bzw. mutterschaftsgerechter Beschäftigung (vgl. § 2, § 3 Abs. 1, § 4, § 6 Abs. 2, § 7 Abs. 1, § 8 MuSchG) und nimmt zur Erfüllung dieses Zwecks auch zeitlich ausgedehnte generelle Beschäftigungsverbote in Kauf (vgl. § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 u. insbes. § 3 Abs. 1 MuSchG). Der insgesamt in Frage kommende Zeitraum ist jedoch überschaubar. Er dauert lediglich bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung; danach entfällt das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG).

Die Problematik der Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage hat der Gesetzgeber im Recht der schwerbehinderten Menschen in § 88 Abs. 4 SGB IX ausdrücklich geregelt. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Beschäftigungsanspruch im Recht der schwerbehinderten Menschen erhebliche Bedeutung zukommt. § 14 Abs. 3 SchwbG wie § 81 Abs. 4 SGB IX gewähren dem schwerbehinderten Menschen einen besonders ausgestalteten Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung mit erweiterten Pflichten des Arbeitgebers (vgl. Schaub, a.a.O., § 178 Rn. 48 m.w.N.). Eine längere Abwesenheit vom Arbeitsplatz trifft den schwerbehinderten Menschen besonders empfindlich. Er läuft Gefahr, durch Änderungen der Technik oder der Arbeitsabläufe an seinem Arbeitsplatz ohne Berücksichtigung seiner Behinderung diesem später nicht mehr gerecht werden zu können. Wenn der Gesetzgeber aber in diesem Fall schon den bloßen Erlass des Zulässigkeitsbescheids für den Ausspruch der Kündigung hat ausreichen lassen, ist nicht davon auszugehen, dass er den kurzen Zeitraum des mutterschutzrechtlichen Kündigungsschutzes mit dem verwaltungsrechtlichen Verfahren auf Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit (§ 80 a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) und auf Aussetzung der Vollziehung (§ 80 a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 4 VwGO) sowie mit dem dazugehörigen gerichtlichen vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO belasten wollte. Mit dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil v. 14.02.1996 - 2 Sa 1081/95 - NZA 96, 984) ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich um ein versehentliches Unterlassen des Gesetzgebers handelt. Damit gibt es die ausfüllungsbedürftige gesetzliche Lücke, die Pfeiffer (KR, a.a.O.) vermisst. Zutreffend weisen Buchner/Becker (a.a.O.) in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Bundesarbeitsgericht zum alten Schwerbehindertenrecht schon einmal eine gleichgelagerte gesetzliche Lücke geschlossen hat, indem es die Regelung für die außerordentliche Kündigung, nach der Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hatten, auch auf die ordentliche Kündigung angewendet hat (vgl. Buchner/Becker, a.a.O.; BAG, Urteil v. 17.02.1982 - 7 AZR 846/79 - AP 1 zu § 15 SchwbG).

Letztlich stimmt die hier vertretene Ansicht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überein. In dem Fall einer Klägerin, die gegen die Zulässigkeitserklärung gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG Widerspruch eingelegt und Anfechtungsklage erhoben und in dem offensichtlich der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nicht erwirkt hatte, hat es den Rechtsstreit für den Fall der Zulässigkeit der Klage zur weiteren Aufklärung der Kündigungsgründe an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass es zur Wirksamkeit einer Kündigung des Arbeitgebers der Bewilligung der sofortigen Vollziehbarkeit der Zulässigkeitserklärung nicht bedarf (Urteil v. 18.08.1977 - V C 8.77 - BVerwGE 54, 276).

b) Es kann offen bleiben, ob die Klägerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung vom 08.01.1998 schon unter den Kündigungsschutz des § 18 Abs. 1 BErzGG fiel und die Insolvenzschuldnerin deshalb auch eine Zulässigkeitserklärung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG benötigte (vgl. BAG, Urteil v. 31.01.1993 - 2 AZR 595/92 - AP 20 zu § 9 MuSchG; II 3 b der Gründe). Die Klägerin hat jedenfalls das Recht verwirkt, sich auf eine fehlende behördliche Zustimmung zu berufen. Die Verwirkung ist ein Unterfall der wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) unzulässigen Rechtsausübung; der Verstoß liegt in der illoyalen Verspätung der Geltendmachung. Die Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht oder eine Rechtsposition längere Zeit nicht geltend macht, der Verpflichtete hierauf vertraut und sein Verhalten einrichtet; sie ist von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. Palandt/Heinrichs, 62. Aufl., § 242 Rn. 87, 91 ff.; KR-Rost, 6. Aufl., § 7 KSchG Rn. 36; jeweils m.w.N.). Zu diesen Rechtspositionen, die verwirken können, zählen auch Gründe für die Unwirksamkeit einer Kündigung (vgl. KR-Rost, a.a.O.; Rn. 37). Die Voraussetzungen der Verwirkung sind erfüllt. Die Parteien haben erstinstanzlich die Rechtsnatur des Zulässigkeitsbescheids vom 28.08.1997, ob gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG oder § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG erteilt, nicht problematisiert. Jedenfalls hat sich die Klägerin seit über fünf Jahren nicht darauf berufen, die streitbefangene Kündigung sei schon wegen des Fehlens einer weiteren behördlichen Zustimmung unheilbar nichtig. Sie hat damit den Vertrauenstatbestand geschaffen, sie werde aus einem derartigen Sachverhalt keine Rechte herleiten. Dass sich insoweit die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte hierauf eingerichtet haben, folgt schon daraus, dass eine Zustimmungserklärung nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz nicht beantragt und eine weitere Kündigung nicht ausgesprochen worden ist.

II

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels fallen der Klägerin zur Last (§ 97 ZPO).

Ende der Entscheidung

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