Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 24.01.2008
Aktenzeichen: 1 Sa 168/07
Rechtsgebiete: BAT, BGB, TVöD
Vorschriften:
BAT § 36 | |
BGB § 193 | |
BGB § 288 | |
BGB § 614 | |
TVöD § 24 |
2. Aus § 24 TVöD ergibt sich keine abweichende für den Arbeitnehmer günstigere Regelung. Denn § 24 Absatz 1 Satz 2 TVöD regelt nur die Fälligkeit (den Zahltag) in Abweichung von § 614 BGB. Aus dem Begriff des Zahltages lässt sich nicht ableiten, dass auch eine von § 193 BGB abweichende Regelung gelten sollte. Dies ergibt sich aus dem Vergleich mit § 36 BAT/BAT-O. Auch dort haben die Tarifvertragsparteien den Begriff des "Zahltages" verwendet, sie haben jedoch zusätzlich in § 36 Absatz 1 Satz 3 BAT/BAT-O eine Regelung aufgenommen, mit der von § 193 BGB abgewichen wird. Die unter Geltung des BAT/BAT-O übliche Abweichung von § 193 BGB beruht demnach nicht auf dem Begriff des "Zahltages". Eine § 36 Absatz 1 Satz 3 BAT/BAT-O entsprechende Regelung enthält § 24 TVöD jedoch nicht.
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Verzugszins. Der Kläger ist der Auffassung, die beklagte Bundesrepublik habe seine Vergütung in einigen Monaten des Jahres 2006 einige Tage verspätet überwiesen.
Das Arbeitsverhältnis unterliegt kraft Verbandsmitgliedschaft des Klägers dem von der Beklagten mit abgeschlossenen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD).
Zum Zeitpunkt und zur Häufigkeit der Entgeltzahlung heißt es in § 24 Abs. 1 TVöD:
"Die Bemessungszeit für das Tabellenentgelt und die sonstigen Entgeltbestandteile ist der Kalendermonat, soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas abweichendes geregelt ist.
Die Zahlung erfolgt am letzten Tag des Monats (Zahltag) für den laufenden Kalendermonat auf ein von der/dem Beschäftigten benanntes Konto innerhalb eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union.
..."
Hierzu gibt es die Protokollerklärung Nr. 2, die wörtlich lautet:
"Soweit Arbeitgeber die Bezüge am 15. eines jeden Monats für den laufenden Monat zahlen, können sie jeweils im Dezember eines Kalenderjahres den Zahltag vom 15. auf den letzten Tag des Monats gemäß Abs. 1 Satz 1 verschieben."
In der Dienststelle bzw. Behörde des Klägers erfolgte die Zahlung der Vergütung im Jahre 2006 noch nach den vorvergangenen tariflichen Regelungen zum 15. des laufenden Monats. Von der in der Protokollnotiz erwähnten Option hat die Beklagte im Bereich des Klägers erst im Dezember 2006 Gebrauch gemacht und den Zahltag auf den letzten Tag des Monats umgestellt.
Das Entgelt des Klägers für den Monat Januar 2006 ist auf dem Konto des Klägers am 16.01.2006 eingegangen, da der 15.01.2006 ein Sonntag war. Das Entgelt des Klägers für April 2006 ist auf dem Konto des Klägers am 18.04.2006 eingegangen, das Gehalt für Juli 2006 ist am 17.07.2006 eingegangen und das Entgelt für Oktober 2006 ist auf dem Konto des Klägers am 16.10.2006 eingegangen.
Der Kläger meint, die Beklagte sei auch nach § 24 TVöD verpflichtet, die Vergütung so zu überweisen, dass er zum Zahltag im Sinne des Tarifvertrages also entweder zum 15. des laufenden Monats oder zum letzten Tag des Monats darüber verfügen könne. Da er im dargestellten Umfang in den streitigen Monaten erst einige Tage später über die Vergütung habe verfügen können, sei ihm ein Verzugsschaden entstanden, dessen Höhe der Kläger auf Basis der Bruttovergütung mit insgesamt in der Summe 2,85 angibt. Diesen Schaden macht der Kläger hier gerichtlich geltend.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 20.02.2007 in Höhe von 1,98 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Außerdem hat das Arbeitsgericht die Berufung ohne Einschränkung zugelassen.
Das Arbeitsgericht ist vom Verzug ausgegangen, hat die Zinsen aber nur auf die Nettovergütung zugesprochen, da nicht nachgewiesen sei, dass die Beklagte bei der Abführung der Steuer und der Beiträge ebenfalls in Verzug gewesen sei. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht und damit insbesondere wegen der Einzelheiten der Berechnung der Höhe des Verzugsschadens Bezug genommen.
Das Urteil ist beiden Parteien am 25.05.2007 zugestellt worden.
Die Berufung der Beklagten vom 19.06.2007 ist hier am 19.06.2007 per Fax eingegangen. Die klägerische Berufung vom 24.06.2007 ist hier am selben Tag per Fax eingegangen. Die Berufungsbegründung durch die Beklagte ist hier am 24.07.2007 eingegangen, die klägerische Berufungsbegründung am 18.07.2007.
Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung sein ursprüngliches Klagebegehren im vollen Umfang weiter. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Großen Senates vom 7. März 2001 (GS 1/00, BAGE 97, 150 = AP Nr. 4 zu § 288 BGB = DB 2001, 2196) meint der Kläger, ihm stünden die Verzugszinsen auf die Bruttovergütung zu.
Wegen der Frage des Verzugseintritts und zur Verteidigung gegen die Berufung der Beklagten tritt der Kläger den vom Arbeitsgericht eingenommenen Rechtsstandpunkt bei.
Der Kläger beantragt,
1. unter teilweiser Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen zuzüglich zu der bereits zuerkannten Summe von 1,98 weitere 0,87 zu zahlen;
2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen;
2. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte verneint den Verzugseintritt. § 24 TVöD habe eine von § 36 Abs. 1 BAT/BAT-O abweichende Regelung über den Zeitpunkt der Vergütungszahlung getroffen. So sei insbesondere die Regelung in § 36 Abs. 1 Satz 2 BAT/BAT-O nicht in den TVöD übernommen worden, so dass bei dem Zusammentreffen des Zahltages mit einem Samstag, einem Sonntag oder einem Wochernfeiertag nunmehr die allgemeine Regelung aus § 193 BGB zur Anwendung komme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die vom Landesarbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Berufungen beider Parteien sind auf Grund der Zulassung durch das Arbeitsgericht statthaft. Sie sind beide rechtzeitig eingelegt und begründet worden und unterliegen auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken.
II.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen, da nicht festgestellt werden kann, dass sich die Beklagte in den streitigen Monaten mit der Vergütungszahlung in Verzug befunden hat.
1.
Unter Zugrundelegung der gesetzlichen Regelungen hat sich die Beklagte zu keinem Zeitpunkt in Zahlungsverzug befunden.
Nach § 614 Satz 2 BGB ist eine nach Zeitabschnitten zu zahlende Vergütung - hier zutreffend - nach Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu leisten. Nach § 24 Abs. 1 TVöD wird die Vergütung kalendermonatlich gezahlt. Nach § 614 Satz 2 BGB wäre die Vergütung also zum ersten Tag des Folgemonats zu zahlen.
Da damit für die Leistung des Arbeitgebers "eine Zeit nach dem Kalender" bestimmt ist, tritt im Falle der Nichtzahlung ohne weitere Voraussetzungen Verzug ein (§ 286 BGB). Demnach stünde im Regelfall Verzugszins nach § 288 BGB ab dem ersten Kalendertag des Folgemonats zu. Allerdings verschiebt sich nach § 193 BGB die Fälligkeit und damit der Eintritt des Verzuges auf den nächsten regulären Werktag, wenn der Fälligkeitstag auf einen Samstag, einen Sonntag oder einen Feiertag fällt (vgl. nur BAG Urteil vom 15.02.2001 - 1 AZR 672/00 - BAGE 98, 1 = AP Nr. 176 zu § 242 BGB Gleichbehandlung = DB 2002, 273).
Unter Zugrundelegung dieser Regelung hat sich die Beklagte in den hier streitigen Monaten nicht in Verzug befunden.
In den hier streitigen Monaten bestand bei der Beklagten in dem Bereich des Klägers noch die althergebrachte Regel aus älteren Fassungen des BAT/BAT-O, nach der die Vergütung zum 15. des laufenden Monats gezahlt wurde. Fälligkeit trat dann nach dem Gesetz am 16. des laufenden Monats ein. In allen hier streitigen Monaten war jedoch der 16., im April 2006 sogar auch der 17. und 18. sowie im Juli 2006 auch der 17. des Monats entweder ein Samstag, ein Sonntag oder ein Feiertag, so dass sich die Fälligkeit der Zahlung nach § 193 BGB entsprechend nach hinten verschoben hatte. Da die Zahlung pünktlich zu den verschobenen Fälligkeitszeitpunkten geleistet wurde, ist nach dem Gesetz in keinem Monat Verzug eingetreten.
2.
Aus § 24 TVöD ergibt sich im Ergebnis vorliegend nichts Abweichendes.
Nach § 24 TVöD ist "Zahltag" der letzte Tag des Kalendermonats. Unter Zahltag ist der Fälligkeitstag im Sinne von § 614 BGB zu verstehen. Dieser Tag ist gegenüber der sachlichen Regelung in § 614 Satz 2 BGB lediglich um einen Tag aus dem Folgemonat in den laufenden Monat vorverlegt worden.
Da der Arbeitgeber nach § 270 Abs. 1 BGB dafür Sorge zu tragen hat, dass der Arbeitnehmer am Fälligkeitstag über das Geld verfügen kann, entspricht der Zahltag im Sinne von § 24 TVöD dem Tag, an dem früher zur Zeiten der Barauszahlung die Barauszahlung erfolgen musste. Dieses Verständnis des Begriffes des Zahltages lag auch der Regelung in § 36 Abs. 1 BAT/BAT-O zu Grunde, die ebenfalls den Begriff des Zahltages verwendet.
In § 36 Abs. 1 Satz 2 BAT/BAT-O gab es allerdings eine tarifliche Regelung zu den Rechtsfolgen des Zusammentreffens des Zahltages mit einem Samstag, Sonntag oder Wochenfeiertag. Hier war abweichend von § 193 BGB geregelt, dass sich der Zahltag in diesen Fällen vorverschiebt auf den letzten regulären Werktag vor dem eigentlichen Zahltag, während es nach § 193 BGB zu einem Hinausschieben der Fälligkeit und damit zu einem Hinausschieben des Zahltages auf den nächsten folgenden regulären Werktag kommt.
Diese tarifliche Regelung ist allerdings nicht in § 24 TVöD übernommen worden, so dass sich der Kläger nicht auf sie berufen kann.
§ 36 Abs. 1 Satz 2 BAT/BAT-O hatte auch nicht lediglich einen klarstellenden Charakter. Der sachliche Regelungsgehalt von § 36 Abs. 1 Satz 2 BAT/BAT-O ergibt sich nicht bereits aus dem Begriff des Zahltages in § 36 BAT/BAT-O bzw. § 24 TVöD. Der Begriff des Zahltages bezeichnet den Kalendertag, an dem die Vergütungszahlung fällig im Sinne von § 614 BGB wird. Damit ist nicht notwendig die weitere Frage bereits entschieden, was gelten soll, wenn zum Zahltag wegen des Zusammentreffens mit einem Samstag, Sonntag oder Wochenfeiertag die Zahlung tatsächlich nicht geleistet werden kann.
3.
Auch aus der Protokollnotiz zu § 24 TVöD ergibt sich nichts anderes.
Die Protokollnotiz betrifft - was vorliegend zutrifft - die Dienststellen, in denen die Vergütungszahlung noch zum 15. des laufenden Monats vorgenommen wird, so wie das früher in § 36 Abs. 1 BAT/BAT-O ausdrücklich vorgesehen war. Für diese Dienststellen ist in der Protokollnotiz geregelt, dass die Umstellung auf den neuen tariflichen Zahltag nicht zu jeden beliebigen Zeitpunkt, sondern allenfalls im Dezember eines jeden Jahres erfolgen darf. Insoweit hat der sachliche Regelungsgehalt der Protokollnotiz keinen Berührungspunkt zu der hier streitigen Frage, ob § 24 TVöD nur eine Abweichung zu § 614 Satz 2 BGB enthält oder auch zu § 193 BGB.
Allerdings könnte man den Standpunkt einnehmen, dass für die Dienststellen bzw. Behörden, die noch nach vorvergangenem Tarifrecht am 15. des laufenden Monats zahlen, das alte Tarifrecht zum Zahlungszeitpunkt insgesamt, also einschließlich von § 36 Abs. 1 Satz 2 BAT/BAT-O weiter gelten sollte.
Eine so weitgehende Regelung kann allerdings der Protokollnotiz nicht entnommen werden.
Bereits der Wortlaut der Protokollnotiz spricht gegen diese Auslegung, denn dort wird nur an den regelmäßigen Zahltag zum 15. des laufenden Monats angeknüpft und nicht auf alle Regelungen zum Zahltag in der alten BAT-Regelung.
Vor allem spricht aber auch der tarifhistorische Zusammenhang gegen eine so weitgehende Auslegung der Protokollnotiz. Dabei ist zunächst zu beachten, dass die Verschiebung des Zahltages vom 15. des laufenden Monats auf den letzten Tag des Kalendermonats bereits vor Geltung des TVöD in der letzten Fassung des BAT/BAT-O vorgesehen war. Dementsprechend gab es auch bereits die Protokollnotiz zur Umstellung des Zahltages als Protokollnotiz Nr. 3 zu § 36 BAT/BAT-O. Diese Protokollnotiz zu § 36 BAT/BAT-O bezog sich unzweifelhaft nur auf die Verlegung des regulären Zahltages und nicht auf die weiteren Regelungen zum Zahltag, da § 36 Abs. 1 Satz 2 BAT/BAT-O ohnehin noch galt. Da aber nicht ersichtlich ist, dass die sinngleiche Protokollnotiz in § 24 TVöD einen weitergehenden Regelungsgehalt haben sollte, muss man annehmen, dass sie sich nur auf die Umstellung des regulären Zahltages bezieht und man daher aus ihr keine Rückschlüsse darauf ziehen kann, dass auch in den Dienststellen, in denen noch der alte Zahltag gilt, § 36 Abs. 1 Satz 2 BAT/BAT-O zur Anwendung kommen sollte.
III.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Dies ergibt sich bereits aus den bisherigen Ausführungen zur Berufung der Beklagten. Da bereits kein Verzug eingetreten war, kann dahinstehen, ob die Verzugszinsen auf den Bruttoentgeltanspruch zu entrichten sind oder im vorliegenden Sonderfall nur auf die Nettozahlung zu entrichten gewesen wären.
IV.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da seine Klage keinen Erfolg hatte (§ 91 ZPO). Soweit das Gericht die klägerische Berufung zurückgewiesen hat, ergibt sich diese Kostenfolge zusätzlich aus § 97 ZPO.
Das Gericht hat die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
Beide Parteien haben zwar übereinstimmend mitgeteilt, dass die Beklagte inzwischen Vergütungszahlungen wie unter Anwendung von § 36 Abs. 1 Satz 2 BAT/BAT-O vornimmt. Damit ist die offene Rechtsfrage jedoch nicht geklärt, da die Beklagte für sich in Anspruch nimmt, diese Zahlungsmodalität übertariflich zu gewähren (vgl. Runderlass des Bundesministerium des Inneren vom 02.10.2006 zum Aktenzeichen DII 2-220 210-2/24).
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.