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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 19.02.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 289/07
Rechtsgebiete: GewO


Vorschriften:

GewO § 106
Die örtliche Versetzung eines Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts einseitig anordnen. Bei der Ausübung sind gegebenfalls vorhandene vertragliche, betriebliche oder tarifvertragliche Grenzen der Versetzbarkeit zu beachten und es ist billiges Ermessen auszuüben (§ 106 GewO). Die Versetzung eines Arbeitnehmers, der in Filialen einer Partnerbank sitzt und dort Versicherungsverträge vermittelt, von Stralsund nach Stendal kann im Einzelfall nach billigem Ermessen entsprechen, wenn der Arbeitgeber -wie hier- auf den privaten Lebensmittelpunkt des Arbeitnehmers Rücksicht nimmt, indem er die Anwesenheitspflicht in Stendal auf 2 Tage pro Woche beschränkt und dem Arbeitnehmer im Übrigen anheimstellt, die Arbeit an seinem Wohnsitz zu erledigen.
Tenor:

1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Versetzungsanordnung, die der Beklagte mit dem Ziel ausgesprochen hat, den Kläger von Stralsund (mit zusätzlichen Einsätzen in Bergen auf Rügen) nach Stendal zu versetzen.

Der Beklagte hat in den Bankfilialen der Sparda-Bank eigene Vermittlungsagenten positioniert, die den Kunden der Sparda-Bank Versicherungsverträge des Beklagten und anderer Anbieter vermitteln. Die dafür von dem Beklagten eingesetzten Arbeitnehmer werden "Bankbetreuer" genannt.

Der Kläger ist seit 2001 als ein solcher Bankbetreuer für den Beklagten tätig.

In einer "besonderen Vereinbarung" zum Arbeitsvertrag vom 01.06.2001 haben die Parteien ursprünglich vereinbart:

"Ergänzend zu Ziffer 2 des Arbeitsvertrages wird der Mitarbeiter einer/mehreren Geschäftsstellen der Sparda-Bank Stralsund/Bergen eG zugeordnet."

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es eine so bezeichnete juristische Person nicht gibt und nie gegeben hat. Das Arbeitsgericht hat dazu festgestellt, dass es zum Einstellungszeitpunkt lediglich eine Zweigniederlassung der Sparda-Bank in Greifswald gegeben hätte, zu deren Zuständigkeitsbereich auch Stralsund und Bergen gehört hätten.

Im Weiteren ist zwischen den Parteien auch unstreitig, dass die Sparda-Bank inzwischen ihre Organisationsstruktur gestrafft und zentralisiert hat und daher heute allein die Sparda-Bank Berlin eG für die Steuerung und Beaufsichtigung aller Bankfilialen im Beitrittsgebiet zuständig ist.

Unter dem 14.02.2006 haben die Parteien einen Änderungsvertrag zu ihrem Arbeitsvertrag bzw. zu den vorerwähnten "besonderen Vereinbarungen" abgeschlossen, wegen dessen näheren Inhalt auf die überreichte Kopie (Blatt 32 d. A.) verwiesen wird. Unter dem Betreff "Ihr Arbeitsvertrag als Bankbetreuer - Hier: Neuordnung der Aufgaben und Änderung der Reisekostenpauschale ab dem 1. März 2006" heißt es sodann dort auszugsweise:

"...

in Abänderung der Ziffer 5 der besonderen Vereinbarungen wird der Mitarbeiter einer/mehreren Geschäftsstellen der Sparda-Bank Berlin e.G. zugeordnet.

Zu seinen Aufgaben gehört auch die Vermittlung von Versicherungen unter Nutzung des von der Sparda-Bank Berlin eG zur Verfügung gestellten Akquisitionspotential.

..."

Der Kläger hat am 28.02.2006 diesem Änderungsangebot durch Unterschrift zugestimmt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte ein solches Änderungsangebot nur dem Kläger unterbreitet hat und nicht auch anderen Beschäftigten.

Der Kläger wurde auch in der Folgezeit wie bisher in Stralsund und gegebenenfalls in Bergen auf Rügen eingesetzt.

Im April 2006 hat der Beklagte abermals versucht, den Kläger für eine Vertragsänderung zu gewinnen. Auf das Anschreiben der Beklagten vom 26.04.2006, das der Kläger nicht unterzeichnete, wird Bezug genommen (Kopie Blatt 12 d. A.). Es heißt dort auszugsweise:

"...

aufgrund diverser bereits erfolgter bzw. zukünftig vorgesehener Änderungen in der Besetzung der Geschäftsstellen im Vertriebsweg Sparda - Ost, wollen wir bei allen Bankbetreuern/-innen die Geschäftsstellenzuordnung in Ergänzung zum bestehenden Arbeitsvertrag ab 01. Mai 2006 wie folgt einheitlich festlegen bzw. neu vereinbaren:

In Ergänzung zu Zf. 2 des Arbeitsvertrages für Bankbetreuer sind Sie der Geschäftsstelle Stralsund zugeordnet. Die Versetzung zu einer anderen Geschäftsstelle innerhalb der Vertriebsregion Mecklenburg/Vorpommern ist jederzeit mit Monatsfrist möglich. Die [Beklagte] wird Sie in diesem Fall schriftlich informieren.

..."

Während des Sommerurlaubs des Klägers im Jahre 2006 ist sein Arbeitsplatz bzw. Schreibtisch in der Sparda-Bank Stralsund von seiten der Bank kontrolliert worden. Dabei sollen Unterlagen zu Tage befördert worden sein, aus denen auf ein Versagen des Klägers in seiner Tätigkeit als Bankbetreuer geschlossen werden könne. In der Folgezeit hat sich das Verhältnis des Klägers zur Leitung der Bankfiliale in Stralsund und mittelbar auch zum Beklagten immer mehr verschlechtert.

Am 12.09.2006 ist der Kläger nach einem Personalgespräch in Berlin von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt worden. Wenige Tage später kam es dann zum Ausspruch von Abmahnungen durch den Beklagten (20.09.2006). Im Anschluss hieran haben die Parteien - allerdings ohne Ergebnis - Vertragsgespräche geführt.

Unter dem 06.10.2006 wurde der Kläger sodann nach vorheriger Beteiligung des Betriebsrates angewiesen, seinen Dienst ab dem 9. Oktober 2006 in Stendal anzutreten.

Dabei wurde ihm anheimgestellt, die Anwesenheit in Stendal auf zwei Arbeitstage in der Woche zu reduzieren und die weitere Arbeit von seinem Wohnsitz in Lüdershagen bei Stralsund aus zu erledigen.

Mit der am 08.11.2006 beim Arbeitsgericht Stralsund eingegangenen Klage verlangt der Kläger die gerichtliche Feststellung, dass die Versetzung nach Stendal unwirksam sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.08.2007 abgewiesen und den Streitwert in Höhe eines Bruttomonatsgehalts (5.100,00 ) festgesetzt. Das Urteil ist dem Kläger am 28.09.2007 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung vom 26.10.2007 ist per Fax hier am selben Tag eingegangen und sie ist mit Schriftsatz vom 23.11.2007, Fax-Eingang am selben Tag, begründet worden.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren im vollen Umfang weiter. Die Berufung stützt sich auf zwei Rügen.

Zum einen sei das Arbeitsgericht nicht berechtigt gewesen, ihm vertiefte Rechtskenntnisse zu bescheinigen. Als Vermittler habe er keine Verträge zu formulieren; vielmehr vermittle er nur Verträge, die vom Beklagten vorgegeben werden.

Im Übrigen sei die Annahme des Arbeitsgerichtes, mit der Änderung vom 14.02.2006 sei der vertraglich vereinbarte Arbeitsort Stralsund (mit Einsätzen in Bergen) zu Gunsten einer Einsetzbarkeit im gesamten Filialgebiet der Sparda-Bank Berlin eG abgeändert worden, schon deshalb falsch, weil selbst der Beklagte dieser Vereinbarung nicht in diesem weiten Sinn beigemessen habe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils festzustellen, dass die Versetzung des Klägers von Stralsund/Bergen-Rügen nach Stendal unwirksam sei.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die der Beschwer nach statthafte Berufung, die auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet. Die Versetzungsanordnung scheitere nicht auf Grund fehlerhafter Betriebsratsbeteiligung, da der Betriebsrat erst nach Ablauf der Wochenfrist aus § 99 BetrVG die Zustimmung zur Versetzung verweigert habe.

Die Versetzung scheitere auch nicht an entgegenstehenden vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Zwar müsse der ursprüngliche Arbeitsvertrag aus Juni 2001 auf Grund der verunglückten Formulierung mit der nicht existierenden Sparda-Bank Stralsund/Bergen eG so verstanden werden, dass der Arbeitsort die Bankfilialen in Stralsund und Bergen sein sollten. Diese Vertragslage sei jedoch einvernehmlich durch die Vereinbarung vom 14.02.2006 abgeändert worden. Diese Vertragsänderung könne nur dahin verstanden werden, dass damit ein fester Arbeitsort nicht mehr als vereinbart gelten sollte und stattdessen das Direktionsrecht auf das gesamte Filialgebiet der Bank ausgedehnt werden sollte. Dieser objektive Sinn der Vereinbarung müsse auch der Kläger, dem man auf Grund seiner Berufstätigkeit juristische Grundkenntnisse unterstellen müsse, gegen sich gelten lassen. Aber selbst dann, wenn der Kläger den Sinn der Vertragsänderung anders verstanden haben sollte, müsste er heute den Änderungsvertrag gegen sich gelten lassen, da er ihn nicht wegen Willensmängeln angefochten habe.

2.

Diese Ausführungen halten den Berufungsangriffen stand.

a)

Das Berufungsgericht sieht keinen Anlass, sich mit der Beteiligung des Betriebsrates vor Ausspruch der Versetzungsanordnung auseinanderzusetzen, da dazu keine klägerische Rüge vorliegt.

b)

Es kann dahinstehen, von welchem juristischen - besser: kaufmännischen - Grundkenntnissen man bei einem angestellten Versicherungsvertreter ausgehen darf, denn selbst wenn man dem Kläger in seiner Kritik beitreten möchte, hat die Hilfserwägung des Gerichtes zur fehlenden Anfechtung des Änderungsvertrages durch den Kläger Bestand. Insoweit liegt kein Berufungsangriff vor.

c)

Auch der weitere Berufungsangriff ist ohne Erfolg.

Der Kläger argumentiert, da selbst der Beklagte dem Änderungsvertrag vom 14.02.2006 nicht die Abbedingung des bisher vertraglich fixierten Arbeitsortes Stralsund/Bergen entnehme, sei die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung falsch. Insoweit könne dahinstehen, welchen Erklärungswert die Vertragsänderung vom 14.02.2006 objektiv habe, subjektiv hätten jedenfalls beide Seiten lediglich das Ziel verfolgt, die Formulierung mit der nicht existierenden juristischen Person aus dem Vertrag zu entfernen.

Dieser Angriff ist von seiner Anlage geeignet, das arbeitsgerichtliche Urteil in Frage zu stellen. Denn wenn es tatsächlich gelingen sollte, einen übereinstimmenden Willen der Parteien festzustellen, der von der Auslegung der Vertragsurkunde abweicht, würde selbstverständlich der Parteiwille vorgehen ("falsa demonstratio non nocet").

Der Berufungsangriff bleibt aber dennoch ohne Erfolg, da selbst nach dem eigenen Vortrag des Klägers ein dahingehender eingeschränkter Wille des Beklagten nicht festgestellt werden kann.

Der Kläger will auf den eingeschränkten Änderungswillen aus zwei Umständen schließen. Zum einen sei es widersinnig, wenn der Beklagte unter dem 26.04.2006 eine Vertragsänderung anstrebe, die er - nach Auffassung des Arbeitsgerichtes - bereits mit der Vertragsänderung vom 14.02.2006 erreicht habe. Zum anderen trage - was unstreitig ist - das Exemplar der Urkunde vom 14.02.2006, das im Besitz des Beklagten steht, eine handschriftlich hinzugefügte Bemerkung eines Personalverantwortlichen des Beklagten mit dem Wortlaut:

"Sch..., gepennt, der Absatz 1 ist genauso, wie er nicht sein soll. Jetzt müssen wir damit leben."

Beide Umstände geben zwar Anlass zum Nachdenken. Sie ermöglichen jedoch nicht mit der gebotenen Sicherheit den Rückschluss auf den Willen des Beklagten bei Unterbreitung des Änderungsangebotes vom 14.02.2006 im Sinne des Klägers; vielmehr bleiben die vom Kläger gezogenen Schlüsse spekulativ.

Das Änderungsangebot vom 26.04.2006 ist in dieser Form einer Mehrzahl von Mitarbeitern des Beklagten vorgelegt worden, um die arbeitsvertraglichen Beziehungen insgesamt neu zu ordnen. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass vor der Unterbreitung dieses Angebotes an den Kläger die Vertragsbeziehungen zu ihm vom Beklagten einer vertieften Analyse unterzogen wurde.

Auch der handschriftliche Vermerk des Personalverantwortlichen auf dem vom Kläger zurück überreichten Exemplar des Änderungsvertrages vom 14.02.2006 lässt eindeutige Schlüsse nicht zu. Gerade die sehr deftige Ausdrucksweise lässt vielmehr den Schluss zu, dass sich der Urheber der Anmerkung spontan zu der Angelegenheit geäußert hat ohne zuvor den vereinbarten Text einer gründlichen Analyse unterzogen zu haben.

Letztlich bleibt im klägerischen Vortrag auch unklar, was denn aus der Sicht des Beklagten das Ziel der Vertragsänderung gewesen sein sollte, wenn es denn nicht um das Abbedingen des vertraglich vereinbarten Arbeitsortes gegangen sein soll. Dass es allein das Ziel dieser Vereinbarung gewesen sein soll, den verunglückten Begriff einer nicht existierenden juristischen Person aus dem Vertragstext zu entfernen ohne an den vertraglichen Regelungen etwas zu verändern hält das Gericht für ausgeschlossen. Denn selbst nach der klägerischen Bewertung des Vertragswerkes verknüpfte sich mit der Erwähnung einer nicht existierenden juristischen Person im Vertrag die Festlegung des Arbeitsortes auf Stralsund bzw. Bergen auf Rügen. Gerade dann, wenn man diese Formulierung im Vertragswerk streichen will am Regelungsgehalt des Vertrages jedoch nichts ändern will, hätte man also zusätzliche Formulierungen aufnehmen müssen, die nunmehr ausdrücklich einen bestimmten vertraglichen Arbeitsort festlegen. Da dies nicht erfolgt ist, ist vielmehr mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass es gerade keine vertragliche Regelung des Arbeitsortes mehr geben sollte.

d)

Da der Kläger auch die Erwägungen des Arbeitsgerichtes zur Frage der Ausübung des billigem Ermessens im Sinne von § 106 Gewerbeordnung nicht angegriffen hat, bleibt insoweit nur festzustellen, dass die arbeitsgerichtlichen Erwägungen jedenfalls keinen Ermessensfehler erkennen lassen. Insbesondere ist es richtig, in der sehr arbeitnehmerfreundlichen Ausgestaltung der Arbeitszeit mit nur zwei wöchentlichen Anwesenheitstagen in Stendal ein gewichtiges Entgegenkommen des Beklagten zum Ausgleich für die große Entfernung zwischen dem Wohnort des Klägers und dem Arbeitsort in Stendal zu sehen.

3.

Der Kläger hat als die unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 ZPO).

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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