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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 11.04.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 1235/04
Rechtsgebiete: BMT-AW
Vorschriften:
BMT-AW |
2. Dieser rückwirkenden Veränderung der Ansprüche aus §§ 46, 47 BMT-AW II steht der Grundsatz des Vertrauensschutzes auch nicht anteilig entgegen, weil die Zuwendung keine pro rata temporis entstehende Sonderzahlung ist, die in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient wird.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2005 durch
den Richter am Arbeitsgericht Dr. Annerl, den ehrenamtlichen Richter Herrn Denkmann, den ehrenamtlichen Richter Herrn Mühlena für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 21.07.2004 - 6 Ca 25/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Höhe einer Zuwendung für das Jahr 2003.
Die gewerkschaftlich nicht organisierte Klägerin ist bei dem Beklagten, einem Bezirksverband der ..., seit März 1990 als Verwaltungsangestellte beschäftigt. In Ziff. 9 ihres Arbeitsvertrages vereinbarten die Parteien:
"Im Übrigen finden die Bestimmungen des für die Arbeiterwohlfahrt geltenden Bundesmanteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (BMT-AW) in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung."
Der Beklagte war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an diesen Tarifvertrag gebunden. Hinsichtlich der Zuwendung enthält der BMT-AW II , soweit vorliegend von Interesse, folgende Regelungen:
§ 46 Zuwendung
(1) Der Arbeitnehmer erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er
1. am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und nicht für den gesamten Monat Dezember ohne Lohnfortzahlung zur Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit beurlaubt ist; und
2. seit dem 1. Oktober ununterbrochen als Angestellter, Arbeiter, Auszubildender, Praktikant im Dienst der Arbeiterwohlfahrt gestanden hat
oder
im laufenden Kalenderjahr insgesamt sechs Monate bei der Arbeiterwohlfahrt im Arbeitsverhältnis gestanden hat oder steht;
und
3. nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.
(2) Der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis spätestens mit Ablauf des 30. November wegen des Bezuges der Altersrente nach §§ 35, 39 SGB VI oder infolge verminderter Erwerbsfähigkeit gem. § 39a oder wegen des Bezugs der Altersrente nach §§ 36 oder 37 SGB VI endet, erhält eine Zuwendung, wenn er mindestens vom Beginn des Kalenderjahres an ununterbrochen als Angestellter, Arbeiter, Auszubildender oder Praktikant im Dienst der Arbeiterwohlfahrt gestanden hat. Absatz 1 gilt nicht.
...
(4) Hat der Arbeitnehmer in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 die Zuwendung erhalten, so hat er sie in voller Höhe zurückzuzahlen, wenn nicht eine der Voraussetzungen des Absatzes 3 vorliegt. § 47 Höhe der Zuwendung
...
(3) Hat der Arbeitnehmer nicht während des gesamten Kalenderjahres Bezüge von der Arbeiterwohlfahrt aus einem der in § 46 genannten Rechtsverhältnisse oder während eines dieser Rechtsverhältnisse Mutterschaftsgeld nach § 13 Mutterschutzgesetz bzw. Erziehungsurlaub nach § 16 Bundeserziehungsgeldgesetz erhalten, vermindert sich die Zuwendung um ein Zwölftel für jeden Monat, für den der Arbeitnehmer weder Bezüge (Vergütung, Lohn, Krankenbezüge, Urlaubsbezüge etc.) aus einem der in § 46 genannten Rechtsverhältnisse zur Arbeiterwohlfahrt noch während eines dieser Rechtsverhältnisse Mutterschaftsgeld nach § 13 Mutterschutzgesetz bzw. Erziehungsurlaub nach § 16 Bundeserziehungsgeldgesetz erhalten hat. Die Verminderung unterbleibt für die Kalendermonate, für die der Arbeitnehmer wegen der Ableistung von Grundwehrdienst, einer Wehrübung oder des zivilen Ersatzdienstes nach den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland von der Arbeiterwohlfahrt keine Bezüge erhalten hat, wenn er vor dem 1. Dezember entlassen worden ist und nach der Entlassung unverzüglich die Arbeit wieder aufgenommen hat sowie wegen der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz bis zur Vollendung des 12. Lebensmonats des Kindes.
...
(5) Die Zuwendung nach den Absätzen 1 und 2 erhöht sich um 30,- DM für jedes Kind, für das dem Arbeitnehmer für den Monat September Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder eine der im § 8 Abs. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) genannten Leistungen zugestanden hat.
...
(7) Die Zuwendung soll spätestens zwischen dem 15. November und 15. Dezember gezahlt werden.
Der Beklagte befindet sich seit einiger Zeit in einer angespannten finanziellen Situation. In einem an alle Mitarbeiter gerichteten Schreiben vom 26. 6. 2003 wies er auf ein für das Jahr 2003 eingeplantes Defizit von etwa einer Mio. Euro sowie für die folgenden Jahre auf eine zu erwartende Ertragslücke von mehreren Mio. Euro hin. Weiter heißt es in dem Schreiben: "Unsere mittelfristige Liquiditätsplanung weist für 2003 aus, dass alle Verpflichtungen erfüllt werden können, allerdings nur unter voller Ausschöpfung der mit den Banken vereinbarten Kreditlinie." Ein den Mitarbeitern zur Kenntnis gegebenes Eckpunktepapier des Beklagten und der Gewerkschaft vom 31. 10. 2003 bringt zum Ausdruck, dass zur Sicherung der Arbeitsplätze und des Bestandes der Beklagten im Rahmen einer Notlagenvereinbarung von den Beschäftigten ein Beitrag von 2,4 Mio. Euro durch anteiligen Verzicht auf die Zuwendung erbracht werden soll. Der darauf hin zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft abgeschlossene Restrukturierungstarifvertrag vom 1. 12. 2003 sieht in § 5 für die Zahlung der Zuwendung (Weihnachtsgeld) im Jahr 2003 einen von den §§ 46 und 47 BMT-AW II abweichenden Verteilschlüssel vor. Danach reduziert sich die Bemessungsgrundlage für Beschäftigte der Vergütungsgruppe der Klägerin von 83,79 % auf 32,50 %. Für die Klägerin ergab sich ein Differenzbetrag von 997,94 Euro, den sie mit der vorliegenden Klage geltend macht.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten: Der Restrukturierungstarifvertrag finde auf ihr Arbeitsverhältnis keine Anwendung, weil ihr Arbeitsvertrag allein den BMT-AW in Bezug nehme. Zwar sei dies geschehen, um nicht zwischen organisierten und nicht organisierten Arbeitnehmern zu differenzieren. Rechtlich sei die Bezugnahme aber nichts anderes , als wenn jeder andere Tarifvertrag in Bezug genommen wäre. Darüber hinaus genieße sie hinsichtlich der Zuwendung zumindest anteilig bis Oktober 2003 Vertrauensschutz, weil der Anspruch für jeden Monat entstehe, in dem der Beschäftigte seine Arbeitsleistung erbringe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 997,94 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16. 12. 2003 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten: Der Restrukturierungstarifvertrag werde von der Gleichstellungsabrede in Ziffer 9 des Arbeitsvertrages erfasst und habe den Anspruch der Klägerin in zulässiger Weise gekürzt. Ansonsten würde die Klägerin im Vergleich zu tarifgebundenen Arbeitnehmern besser behandelt, was durch die Klausel erkennbar nicht gewollt gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine weitere Zuwendung gemäß §§ 46, 47 BMT-AW II. Ziffer 9 des Arbeitsvertrages sei über den Wortlaut hinaus als allgemeine Bezugnahmeklausel korrigierend auf die für den Beklagten bindenden Tarifverträge auszulegen, so dass der Restrukturierungstarifvertrag auch auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung finde und die Regelungen des BMT-AW II im Wege der Tarifkonkurrenz verdränge. Die rückwirkende Änderung sei möglich gewesen. Ein Vertrauensschutz im Hinblick auf den bisherigen tarifvertraglichen Zuwendungsanspruch bestehe angesichts des Eckpunktepapiers vom Oktober 2003 auch nicht anteilig, weil der Anspruch nicht vor November verdient worden sei.
Das Urteil ist der Klägerin am 27. 7. 2004 zugestellt worden. Mit ihrer am 4. 8. 2004 bei Gericht eingegangenen und am 27. 9. 2004 begründeten Berufung verfolgt sie ihr Klageziel weiter und meint: Das Arbeitsgericht habe den Arbeitsvertrag nicht richtig ausgelegt, weil zwischen den Parteien nicht vereinbart worden sei, dass der für den Beklagten, sondern der für die Arbeiterwohlfahrt geltende Bundesmanteltarifvertrag Anwendung finden solle. Demgemäß liege hier keine große dynamische Verweisung vor. Auch sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, denn es handele sich bei der Zuwendung um einen Monat für Monat für die erbrachte Arbeitsleistung erworbenen Teilanspruch. Dies ergebe sich aus der Kürzungsmöglichkeit in § 47 BMT-AW II. Daher habe sie wenigstens noch einen Anspruch auf die anteilige Zahlung für die Zeit von Januar bis Oktober 2003.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 21. 7. 2004 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 997,94 Euro brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. 12. 2003 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint: Zutreffend sei die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag als Gleichstellungsabrede ausgelegt worden. Hätten die Arbeitsvertragsparteien bei Vertragsabschluss den zukünftigen Abschluss eines Firmentarifvertrages vorhergesehen, so hätten sie die Verweisungsklausel entsprechend abgefasst. Ein unzulässiger Eingriff in bereits erworbene Ansprüche der Klägerin sei mit dem Restrukturierungstarifvertrag nicht vorgenommen worden. Auch ein nur zeitanteiliger Anspruch sei nicht entstanden, weil der Zuwendung in erster Linie der Charakter einer Gratifikationsleistung zukomme, die vergangene und zukünftige Betriebstreue honoriere.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 519, 520 ZPO, §§ 64, 66, ArbGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Zuwendungsdifferenz aus §§ 46, 47 BMT-AW II. Denn für das Jahr 2003 folgt der Anspruch der Klägerin auf die Zuwendung allein aus dem spezielleren Restrukturierungstarifvertrag vom 1. 12. 2003.
1. Dieser Tarifvertrag ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft einzelvertraglicher Bezugnahme anwendbar.
Die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel auf die Bestimmungen "des für die Arbeiterwohlfahrt geltenden Bundesmanteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (BMT-AW) in seiner jeweils gültigen Fassung" ist so auszulegen, dass sie nicht nur den BMT-AW II selbst in seiner jeweiligen Fassung, sondern sämtliche für den Beklagten einzuhaltenden Tarifverträge mit entsprechendem Regelungsinhalt einbezieht. Bei dieser Klausel in dem vom Beklagten verwendeten Formularbeitsvertrag handelt es sich um eine typische Gleichstellungsabrede, die, wie von der Klägerin selbst eingeräumt, dem Zweck dient, die Gleichstellung der nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer mit denjenigen Arbeitnehmern herbeizuführen, für die die in Bezug genommenen Tarifbestimmungen kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend gelten (vgl. BAG 4. 9. 1996 - 4 AZR 135/95 - AP Nr. 5 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 1997, 271; BAG 30. 8. 2000 - 4 AZR 581/99 - AP Nr. 19 zu § 157 BGB = NZA 2001, 510; BAG 19. 3. 2003 - 4 AZR 331/02 - AP Nr. 33 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2003, 1207; Wiedemann/Oetker, TVG, 6. Aufl., § 3 Rz 210 f.). Wird vertraglich auf einen Tarifvertrag verwiesen, so ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Verweisung auf den jeweiligen Tarifvertrag gewollt ist (BAG 20. 3. 1991 - 4 AZR 455/90 - AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz = NZA 1991, 736; BAG 25. 10. 2000 - 4 AZR 506/99 - AP Nr. 13 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2002, 100). Eine abweichende Auslegung der Klausel als "feste" Bezugnahme in dem Sinne, dass die Anwendbarkeit des in Bezug genommenen Tarifvertrages in der jeweiligen Fassung unabhängig von für deren normative Geltung relevanten Veränderungen erfolgen soll, ist nur gerechtfertigt, wenn dies in der Vereinbarung selbst seinen Ausdruck gefunden hat oder sonstige Umstände dafür sprechen.
Für das Vorliegen dieser Ausnahmen bestehen vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist zwischen den Parteien nicht streitig, dass der Beklagte jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tarifgebunden war. Soweit die Klägerin meint, dieser Auslegung stehe entgegen, dass nicht der für den Beklagten, sondern der für die Arbeiterwohlfahrt geltende Tarifvertrag in Bezug genommen worden sei, überzeugt dies nicht. Es ist fernliegend anzunehmen, dass ein Arbeitgeber, der die Bezugnahmeklausel mit dem Ziel der Gleichstellung vereinbart, sich für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer zur Anwendung günstigerer Tarifnormen als für tarifgebundene Arbeitnehmer verpflichten will (vgl. BAG 26. September 2001 - 4 AZR 544/00 - AP Nr 21 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2002, 634).
Mangels bestehender Zweifel bei der Auslegung der Vertragsklausel steht die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 i. V. m. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB der Annahme einer Gleichstellungsabrede nicht entgegen, auch wenn die Klausel eindeutiger hätte formuliert werden können (vgl. BAG 19. 3. 2003 a. a. O.).
2. Die in Bezug auf die Höhe der Zuwendung einschränkenden Regelungen des Restrukturierungstarifvertrages vom 1. 12. 2003 verdrängen die Vorschriften der §§ 46, 47 BMT-AW II.
Der Beklagte konnte trotz seiner Verbandszugehörigkeit und trotz des für ihn gültigen Verbandstarifvertrages einen konkurrierenden bzw. ergänzenden Firmentarifvertrag abschließen (vgl. BAG 4. 4. 2001 - 4 AZR 237/00 - AP Nr. 26 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz = NZA 2001, 1085). Dessen Regelungen gehen dem Verbandstarifvertrag nach dem Prinzip der Tarifeinheit vor. Danach kommt nur der speziellere Tarifvertrag zur Anwendung, weil er der Tarifvertrag ist, der dem Betrieb räumlich, fachlich und persönlich am nächsten steht und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebes und der dort tätigen Arbeitnehmer am besten gerecht wird (BAG 4. 12. 2002 - 10 AZR 113/02 - AP Nr. 28 zu § 4 Tarifkonkurrenz = EzA § 4 TVG Tarifkonkurrenz Nr. 17; Wiedemann/Wank, TVG, 6. Aufl., § 4 Rz 289 ff.; krit. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, 755 f.).
3. Der Anspruch auf die Zuwendung in der in § 47 Abs. 1 BMT-AW II i. V. m. dem Zusatztarifvertrag geregelten Höhe ist durch den Restrukturierungstarifvertrag rückwirkend wirksam auf 32,5 % gesenkt worden.
Auch bereits entstandene und fällig gewordene, noch nicht abgewickelte Ansprüche, die aus einer Tarifnorm folgen (sog. "wohlerworbene Rechte") können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts während der Laufzeit des Tarifvertrages rückwirkend verändert werden. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien ist dabei durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes des Normunterworfenen begrenzt. Dieser ist dann nicht schutzwürdig, wenn und sobald er mit Änderungen der bestehenden Normen des Tarifvertrages rechnen musste. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit oder kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung findet (BAG 17. 5. 2000 - 4 AZR 216/99 - AP Nr. 19 zu § 1 TVG = NZA 2000, 1297; BAG 22. 10. 2003 - 10 AZR 152/03 - AP Nr. 21 zu § 2 TVG Rückwirkung = NZA 2004, 444).
Die Klägerin musste jedenfalls vor dem in § 47 Abs. 7 BMT-AW II bestimmten Zahlungszeitraum des 15. 11. bis 15. 12. 2003 mit einer deutlichen Verringerung der Zuwendung rechnen, weil sie spätestens durch das Eckpunktepapier vom 31. 10. 2003 über Inhalt und Umfang der Notlagenvereinbarung unterrichtet worden ist. Damit kann es dahinstehen, ob angesichts der seit längerem bekannten anhaltend schlechten finanziellen Situation des Beklagten und der offenbar immer wieder im Gespräch befindlichen Zuwendung im Jahr 2003 bei den betroffenen Kreisen trotz des Schreibens vom 26. 6. 2003 überhaupt ein schützenswertes Vertrauen entstehen konnte.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ihr Vertrauen nicht wenigstens anteilig schützenswert. Die Zuwendung gemäß §§ 46, 47 BMT-AW II ist keine pro rata temporis entstehende Sonderzahlung, die in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient und nur aufgespart im November/Dezember eines jeden Jahres ausgezahlt wird.
Der Zweck einer tariflichen Jahressonderzahlung ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird, der Bezeichnung kommt allenfalls zusätzliche Bedeutung zu (BAG 11. 10. 1995 - 10 AZR 984/94 - AP Nr. 132 zu § 613 a BGB = NZA 1996, 432; BAG 22. 10. 2003 a. a. O.).
Das Bundesarbeitsgericht hat bereits im Jahr 1983 die Zukunftsbezogenheit des § 46 BMT-AW II betont (Urteil vom 23. 11. 1983 - 5 AZR 474/81 - nicht veröffentlicht, juris). Der Annahme eines reinen Entlohnungscharakters der Zuwendung steht schon die in § 46 Abs. 1 Nr. 2 BMT-AW II geregelte Wartezeit entgegen. Arbeitnehmer, die diese Wartezeit nicht erfüllen, erhalten trotz zeitweise erbrachter Arbeitsleistung keine Zuwendung. Weiter ist die Rückzahlungsklausel des § 46 Abs. 2 und 4 BMT-AW II mit einer solchen Annahme unvereinbar. Arbeitnehmer, die im Bezugszeitraum ausscheiden, haben trotz ganzjährig erbrachter Arbeitsleistung keinen Zuwendungsanspruch. Umgekehrt führt nach den Regelungen des § 47 Abs. 3 BMT-AW II die fehlende Arbeitsleistung nicht zwingend zur Anspruchskürzung. Gemäß § 47 Abs. 5 BMT-AW II erhöht sich die Zuwendung darüber hinaus unabhängig von einer Arbeitsleistung für jedes Kind. Die von der Klägerin angeführten Kürzungstatbestände in § 47 Abs. 3 BMT-AW II stellen zwar einen Bezug zur tatsächlich erbrachten Arbeit her. Ein derartiger Anreiz, im Kalenderjahr möglichst lange zu arbeiten, um die Zuwendung zu erhöhen, verleiht dieser jedoch allein deshalb nicht die Eigenschaft einer reinen Gegenleistung für erbrachte Arbeit.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Ende der Entscheidung
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