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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 02.05.2006
Aktenzeichen: 13 Sa 1585/05
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 12
BGB § 140
§ 12 KSchG ist bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht analog anzuwenden.

Eine unwirksame Erklärung nach § 12 KSchG ist umzudeuten in eine ordentliche Kündigung.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 Sa 1585/05

In dem Rechtsstreit

hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 2. Mai 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter, den ehrenamtlichen Richter Herrn Clementsen, den ehrenamtlichen Richter Herrn Plate

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen des Klägers und des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 01.06.2005, 6 Ca 110/05, werden zurückgewiesen.

Nach Nr. 4 des Tenors des arbeitsgerichtlichen Urteils wird eingefügt:

Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte zu 1/4, der Kläger zu 3/4.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Für den Beklagten wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind Karenzentschädigungsansprüche des Klägers aus nachvertraglichem Wettbewerbsverbot für den Zeitraum 25.11.2004 bis 30.04.2005. Außerdem ist im Berufungsverfahren noch zu entscheiden über einen Auskunftsanspruch des Beklagten zu den vom Kläger erzielten Honoraren im Zeitraum 25.11.2004 bis 31.03.2005.

Nachdem der Beklagte auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verzichtet hatte und der Kläger in einem Kündigungsschutzprozess obsiegt hatte, nahm er eine selbständige Tätigkeit auf und verweigerte in entsprechender Anwendung des § 12 KSchG mit Erklärung vom 25.11.2004 die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Die Parteien streiten darüber, ob § 12 KSchG bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit analog anzuwenden ist.

Der Kläger war seit dem 01.07.2000 als angestellter Steuerberater bei dem Beklagten beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Anstellungsvertrag vom 27.06.2000. § 6 des Vertrages enthält eine Regelung des Wettbewerbsverbotes während des Anstellungsverhältnisses mit einer Vertragsstrafenvereinbarung - bei Ziwiderhandlung Vertragsstrafe in Höhe des zweifachen Betrages des vereinnahmten Honorars. § 7 des Vertrages regelt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Auf den Inhalt des Anstellungsvertrages (Bl. 5 ff. d.A.) wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 26.03.2004 sprach der Beklagte eine Änderungskündigung aus, die der Kläger auch unter Vorbehalt nicht annahm. Er erhob Kündigungsschutzklage (Arbeitsgericht Oldenburg, 2 Ca 243/04. Mit Schreiben vom 29.06.2004 (Bl. 19 d.A.) verzichtete der Beklagte nach § 75 a HGB auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Mit einem weiteren Schreiben vom 29.06.2004 erklärte der Beklagte, dass er aus der Kündigung vom 26.03.2004 Rechte nicht herleite. Der Kläger stellte daraufhin im Kündigungsschutzverfahren Anfang Juli 2004 den Antrag, das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2004 gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen. Nachdem der Beklagte den Kläger zur Arbeitsaufnahme aufgefordert hatte, antwortete der Kläger mit Schreiben vom 13.07.2004 unter Hinweis auf seinen Auflösungsantrag, dass er die Tätigkeit beim Beklagten nicht mehr aufnehmen werde. Auf den Inhalt des Schreibens vom 13.07.2004 wird Bezug genommen. Durch Urteil vom 29.09.2004, den Parteien zugestellt am 26.10.2004, stellte das Arbeitsgericht im Kündigungsschutzverfahren 2 Ca 243/04 Unwirksamkeit der Kündigung vom 26.03.2004 fest und wies den Auflösungsantrag des Klägers zurück. Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden.

Am 25.11.2004 erklärte der Kläger im Verfahren 2 Ca 243/04 Rechtsmittelverzicht, am selben Tag gab er mit Schreiben vom 25.11.2004 (Bl. 15 d.A.) gegenüber dem Beklagten die Erklärung nach § 12 KSchG ab.

Der Kläger hat im November 2004 eine Tätigkeit als selbständiger Steuerberater aufgenommen und ist beginnend mit dem 06.11.2004 werbend tätig geworden.

Erstinstanzlich hat der Kläger geltend gemacht

- Antrag zu 1: Urlaubsabgeltung für 17 Tage.

- Antrag zu 2: Gehaltsansprüche aus Annahmeverzug für den Zeitraum 01.07. bis 20.10.2004.

- Antrag zu 3: Karenzentschädigung für den Zeitraum 25.11.2004 bis 30.04.2005 auf der Basis von 2.031,-- € zuzüglich Mehrwertsteuer.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, § 12 KSchG sei für die vorliegende Fallgestaltung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit analog anzuwenden. Weil das Arbeitsverhältnis am 25.11.2004 damit beendet sei, habe er Anspruch auf die nachvertragliche Karenzentschädigung. Für den Anspruch auf Karenzentschädigung stehe ihm Umsatzsteuer zu. Hilfsweise macht der Kläger geltend, sein Schreiben vom 13.07.2004, Verweigerung der Arbeitsaufnahme, sei als ordentliche Kündigung mit vertraglicher Frist von 3 Monaten zum Quartalsende zu bewerten.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.287,29 € Urlaubsabgeltung nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.02.2005 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 13.630,93 € Gehalt nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2005 zu zahlen;

3. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 12.250,99 € Karenzentschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf 2.827,15 € seit dem 21.02.2005, auf 2.355,96 € seit dem 21.02.2005, auf 2.355,96 € seit dem 25.03.2005 und auf 2.355,96 € seit dem 05.05.2005 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Wege der Widerklage hat der Beklagte beantragt,

den Kläger zu verurteilen, Auskunft zu erteilen, welche Honorare er aus selbständiger Tätigkeit in der Zeit vom 01.07.2004 - 31.03.2005 erzielt hat.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte hat geltend gemacht, durch die Erklärung vom 25.11.2004 sei das Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet worden. Weil das Arbeitsverhältnis fortbestehe, bestehe kein Anspruch auf Karenzentschädigung. Der Kläger habe damit gegen das Wettbewerbsverbot während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses verstoßen, zur Geltendmachung der Vertragsstrafe sei deshalb der Auskunftsanspruch begründet.

Das Arbeitsgericht hat zugesprochen Urlaubsabgeltung für 6 Tage aus 2005 (Tenor Nr. 1), Annahmeverzugsansprüche für den Zeitraum 01.07. bis 11.07.2004 (Tenor Nr. 2) und Karenzentschädigung für den Monat April 2005 ohne Mehrwertsteuer (Tenor Nr. 3). Dem Widerklageanspruch auf Auskunftserteilung hat es stattgegeben für den Zeitraum ab 25.11.2004 (Tenor Nr. 4). Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass § 12 KSchG bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht analog anzuwenden sei. Das Arbeitsverhältnis sei deshalb nicht zum 25.11.2004 beendet worden, die entsprechende Erklärung sei aber als Kündigungserklärung zum 31.03.2005 auszulegen. Deshalb bestehe Anspruch auf Karenzentschädigung für den Monat April 2005. Ergänzend wird Bezug genommen auf Tenor und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Mit Berufung begehrt der Kläger Karenzentschädigung für den Zeitraum 25.11.2004 bis März 2005 einschließlich Mehrwertsteuer sowie Abweisung der Widerklage. Soweit das Arbeitsgericht Umsatzsteuer für die Karenzentschädigung April 2005 nicht zugesprochen hat, hat der Kläger keine Berufung eingelegt.

Der Beklagte hat ursprünglich unbeschränkt Berufung eingelegt, die Berufung dann aber beschränkt auf die Verurteilung zu Nr. 3 des Tenors - Karenzentschädigung April 2005.

Die Parteien wiederholen ihre jeweilige Rechtsauffassung zur Anwendung des § 12 KSchG. Der Beklagte trägt darüber hinaus vor, eine wirksame Erklärung nach § 12 KSchG liege im Übrigen bereits deshalb nicht vor, weil die Erklärung vor Rechtskraft des Urteils abgegeben worden sei. Schließlich könne die Erklärung vom 25.11.2004 nicht umgedeutet werden in eine Kündigungserklärung zum 31.03.2005.

Der Kläger meint, Auflösungsantrag im Kündigungsschutzprozess sowie seine Erklärung vom 13.07.2004 seien als Kündigungserklärung zu werten. Im Übrigen finde § 12 KSchG Anwendung, die Vorschrift diene zur Lösung der Pflichtenkollision, die bei Eingehung eines Arbeitsverhältnisses entstehe. Eine vergleichbare Pflichtenkollision ergebe sich auch bei Aufnahme selbständiger Tätigkeit, weil z.B. Geschäftsräume anzumieten und einzurichten seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 01.06.2005 - 6 Ca 110/05 - teilweise abzuändern und 1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere 9.895,04 € Karenzentschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz auf 2.827,15 € seit 11.02.2005, auf 2.355,96 € seit dem 21.02.2005, auf 2.355,96 € seit dem 25.03.2005 und auf 2.355,96 € seit dem 05.05.2005 zu zahlen.

2. die Widerklage insgesamt abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und beantragt im Wege der Berufung,

das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 01.06.2005, 6 Ca 110/05, teilweise abzuändern und zu Ziffer 3 des Tenors die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Ergänzend wird wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen auf die jeweiligen Berufungsbegründungen und Berufungserwiderungen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Parteien sind statthaft, sie sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Berufungen beider Parteien sind unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu den im Berufungsverfahren angefallenen Streitgegenständen zutreffend entschieden.

1. Berufung des Klägers.

1.1. Anspruch auf Karenzentschädigung für die Zeit vom 25.11.2004 bis 31.03.2005.

Die Parteien haben ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot im Sinne der §§ 74 ff. HGB vereinbart. Der Beklagte hat Ende Juni 2004 gemäß § 75 a HGB auf das Wettbewerbsverbot verzichtet mit der Folge, dass der Kläger das Wettbewerbsverbot nicht mehr einhalten musste und Anspruch auf Karenzentschädigung hat für den Zeitraum von 1 Jahr ab Verzichtserklärung. Der Anspruch auf Karenzentschädigung besteht ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsverhältnis ist hier erst zum 31.03.2005 beendet worden, deshalb bestehen die geltend gemachten Karenz-entschädigungsansprüche nicht.

Durch die Erklärung vom 25.11.2004 ist das Arbeitsverhältnis nicht analog § 12 KSchG zu diesem Tag beendet worden. Dabei ist unerheblich, dass die Erklärung abgegeben ist vor Eintritt der Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils im Kündigungsschutzverfahren. Eine Erklärung nach § 12 KSchG kann auch vor Rechtskraft, sogar während der Dauer des Kündigungsschutzprozesses abgegeben werden (BAG vom 19.10.1972, 2 AZR 150/72, AP Nr. 1 zu § 12 KSchG 1969; KR, 7. Aufl., § 12 KSchG RdNr. 26). Maßgebend ist, dass § 12 KSchG nur ein Sonderlösungsrecht bei Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses gewährt und eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Fallgestaltung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht in Betracht kommt.

Eine analoge Anwendung des § 12 KSchG bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit wird bejaht von Kittner u.a., KSchR, 6. Aufl., § 12, RdNr. 6; Dorndorf u.a., KSchG, 4. Aufl., § 12, RdNr. 8. Nach KR, 7. Aufl., § 12 KSchG, RdNr. 8 a ist eine entsprechende Anwendung von § 12 KSchG geboten, wenn der Arbeitnehmer - ohne Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot - eine selbständige Gewerbe- oder Berufstätigkeit aufgenommen hat. Gegen eine analoge Anwendung für die vorliegende Fallgestaltung sprechen sich aus APS, Kündigungsrecht, 2. Aufl., § 12 KSchG, RdNr. 5; von Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13. Aufl., § 12, RdNr. 2; Bader u.a., KSchG-Kommentar, § 12, RdNr. 10. Die Kammer folgt der Auffassung, die bei Aufnahme einer freiberuflichen bzw. selbständigen Tätigkeit ein Sonderkündigungsrecht analog § 12 KSchG verneint.

Die analoge Anwendung einer Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn die gesetzliche Regelung planwidrig lückenhaft erscheint und zur Ausfüllung der Lücke die Übertragung der Rechtsfolge eines gesetzlichen Tatbestandes auf einen vergleichbaren, aber im Gesetz nicht geregelten Tatbestand erforderlich ist. Es muss damit eine dem Plan des Gesetzgebers widersprechende Lücke bestehen oder sich auf Grund Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben. Es ist zu fragen, ob das Gesetz gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht unvollständig ist (BAG vom 13.02.2003, 8 AZR 654/01, AP Nr. 24 zu § 611 BGB Organvertreter; Palandt, BGB, 65. Aufl., Einleitung, RdNr. 48). Es kann nicht festgestellt werden, dass das Gesetz mit Beschränkung des Sonderkündigungsrechts auf die Fallgestaltung des Eingehens eines neuen Arbeitsverhältnisses eine planwidrige Regelungslücke enthält. Insbesondere bestehen erhebliche Unterschiede zwischen dem gesetzlich geregelten Tatbestand der Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses und dem nicht geregelten Tatbestand der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit.

Sinn und Zweck der Regelung des § 12 KSchG ist es, eine Lösung für die Pflichtenkollision anzubieten, die durch die doppelte arbeitsvertragliche Bindung im alten fortbestehenden Arbeitsverhältnis und im neu eingegangenen Arbeitsverhältnis entstanden ist. Diese Pflichtenkollision beruht auf gesetzlichen Regelungen, nämlich auf § 11 Nr. 2 KSchG und § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III. Nach § 11 Nr. 2 KSchG muss sich der Arbeitnehmer auf den Annahmeverzugsanspruch böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienst anrechnen lassen. Er hat damit gesetzlich festgelegt die Obliegenheit, eine mögliche zumutbare Arbeit anzunehmen und ein neues Arbeitsverhältnis abzuschließen. Wird der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung wie im Regelfall arbeitslos, muss er nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III eine von der Agentur für Arbeit angebotene Arbeitstätigkeit annehmen, anderenfalls wird eine Sperrfrist verhängt. Durch diese gesetzlichen Regelungen ist der Arbeitnehmer zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz gezwungen, während des Kündigungsschutzprozesses ein neues Arbeitsverhältnis abzuschließen, wenn er nicht erhebliche wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen will. Insbesondere die Obliegenheit zur Aufnahme anderweitigen Erwerbs nach § 11 Nr. 2 KSchG dient auch der Entlastung des Arbeitgebers. Hierdurch kann sein Annahmeverzugsrisiko erheblich gemindert sein. Damit korrespondierend gewährt das Gesetz dem Arbeitnehmer bei Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses das Sonderkündigungsrecht des § 12 KSchG.

Eine vergleichbare Zwangslage zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit besteht nicht. Eine Obliegenheit zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ist Sinne des § 11 Nr. 2 KSchG besteht nicht. Bereits der Wortlaut, dass eine zumutbare Arbeit anzunehmen ist, deutet daraufhin, dass selbständige Tätigkeit nicht erfasst wird. Zumindest stellt es kein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs dar, wenn ein Arbeitnehmer, der in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt war und im Wege der Kündigungsschutzklage Fortsetzung dieses Arbeitsverhältnisses anstrebt, von der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit absieht. Auch die Sperrzeitregelung des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III greift nur bei Ablehnung einer Tätigkeit im Arbeitsverhältnis, nicht bei Ablehnung einer Tätigkeit als Selbständiger. Zwar kann auch bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit eine Pflichtenkollision eintreten, weil der Selbständige vertragliche Verpflichtungen eingegangen ist. Während für die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses aber, durch die dargestellten gesetzlichen Regelungen begründet, ein mittelbarer Zwang besteht, fehlt es daran für die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit. Diese beruht auf einer freien Entscheidung des Selbständigen.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass ein Arbeitnehmer bei Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses jedenfalls im Regelfall nicht in Wettbewerb zu seinem bisherigen Arbeitgeber tritt, gegen den er das Kündigungsschutzverfahren führt. Er verstößt im Regelfall nicht gegen das Wettbewerbsverbot des § 60 HGB. Bei einer Aufnahme einer freiberuflichen bzw. selbständigen Tätigkeit ist die Wahrscheinlichkeit einer Tätigkeit unter Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot wesentlich höher. Es wird regelmäßig, zumindest sehr häufig der Fall sein, dass sich der ursprüngliche Arbeitnehmer in seinem bisherigen Arbeitsfeld selbständig macht und in Wettbewerb zu seinem bisherigen Arbeitgeber tritt. Damit sind auch unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Wettbewerbstätigkeit die Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses und die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als unterschiedliche Fallgestaltungen anzusehen.

Im Ergebnis ist damit eine planwidrige Regelungslücke zu verneinen, insbesondere kann wegen der aus § 11 Nr. 2 KSchG folgenden Obliegenheit zum anderweitigen Erwerb das Sonderkündigungsrecht des § 12 KSchG nicht auf die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ausgedehnt werden.

Eine anderweitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 31.03.2004, die die hier fraglichen Karenzentschädigungsansprüche ganz oder teilweise begründet hätte, kann nicht festgestellt werden. Die Stellung des Auflösungsantrags im vorausgegangenen Kündigungsschutzverfahren kann nicht als Kündigungserklärung gedeutet werden. Eine Kündigungserklärung liegt nur dann vor, wenn hinreichend zum Ausdruck gebracht wird, dass das Arbeitsverhältnis durch die Erklärung beendet werden soll. Ein solcher Erklärungswert kommt dem Auflösungsantrag aber nicht zu. Der Auflösungsantrag wird neben dem Kündigungsschutzantrag gestellt, in der Konsequenz heißt das, dass bei Stattgabe des Kündigungsschutzantrags und Abweisung des Auflösungsantrags das Arbeitsverhältnis nicht beendet ist, sondern fortbesteht und der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, das Arbeitsverhältnis auch fortzusetzen. Wenn der Arbeitnehmer meint, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist, kann er - sofern die Voraussetzungen vorliegen - nach § 626 BGB außerordentlich kündigen und Schadensersatzansprüche nach § 628 BGB geltend machen. Eine solche außerordentliche Kündigung muss dann aber ausdrücklich erklärt werden und kann insbesondere nicht in der Stellung eines Auflösungsantrags gesehen werden.

Mit Schreiben vom 13.07.2004 hat der Kläger, nachdem ihn der Beklagte zur Arbeitsaufnahme aufgefordert hatte, mitgeteilt, dass er die Tätigkeit nicht aufnehmen werde. Diese Erklärung kann nicht als Kündigungserklärung gewertet werden. Abgelehnt wird lediglich die Aufforderung zur Arbeitsaufnahme, eine eindeutige Erklärung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses fehlt.

Die Erklärung des Klägers vom 25.11.2004, die als Sonderkündigung nach § 12 KSchG erklärt ist, ist zwar als Kündigungserklärung zu werten. In dieser Erklärung kommt eindeutig zum Ausdruck, dass der Kläger das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen will und beenden will. Eine unwirksame Erklärung nach § 12 KSchG ist deshalb nach § 140 BGB in eine Kündigungserklärung umzudeuten (KR, 7. Aufl., § 12 KSchG, RdNr. 25 a; LAG Düsseldorf vom 13.06.1979, EzA § 12 KSchG Nr. 2). Da Gründe für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB nicht vorliegen, kann diese Kündigungserklärung das Arbeitsverhältnis aber nur ordentlich unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist zum 31.03.2005 beendet haben. Ansprüche auf Karenzentschädigung für den Zeitraum 25.11.2004 bis 31.03.2005 bestehen damit nicht.

1.2. Widerklage auf Auskunftserteilung.

Das Vertragsverhältnis hat bis zum 31.03.2005 bestanden. Der Kläger hat durch Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen. Damit kann nach § 6 Abs. 2 des Vertrages eine Vertragsstrafe verwirkt sein, gegebenenfalls besteht ein Anspruch des Beklagten auf Schadensersatz. Weil möglicherweise diese Ansprüche bestehen, der Beklagte für die Geltendmachung dieser Ansprüche auf Auskunftserteilung angewiesen ist, ist der Auskunftsanspruch begründet und die Berufung des Klägers auch in diesem Punkt unbegründet.

2. Berufung des Beklagten.

Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Wie dargestellt, ist die Erklärung vom 25.11.2004 als Kündigungserklärung zu werten, die das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist ordentlich zum 31.03.2005 beendet hat. Damit besteht für den Monat April 2005 Anspruch auf Karenzentschädigung in der ausgeurteilten Höhe. Der Höhe nach ist der Anspruch von dem Beklagten nicht bestritten worden.

3. Berichtigung des erstinstanzlichen Urteils.

Unrichtigkeit eines Urteils im Sinne des § 319 ZPO kann jederzeit von Amts wegen berichtigt werden. Eine solche Berichtigung kann auch vom Rechtsmittelgericht vorgenommen werden (Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 319, RdNr. 22).

Wie sich aus den im arbeitsgerichtlichen Urteil aufgeführten Anträgen im Vergleich zum Tenor und im Übrigen aus den Entscheidungsgründen ergibt, hat das Arbeitsgericht der Klage und der Widerklage nur teilweise stattgegeben. Bei der Abfassung des Tenors ist sodann offenkundig vergessen worden, in den Tenor einzufügen:

Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.

Im Wege der Berichtigung nach § 319 ZPO war entsprechend der Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils zu ergänzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Gründe, für den Beklagten die Revision zuzulassen, bestanden nicht. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird verwiesen.

Die Revisionszulassung zu Gunsten des Klägers beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Der Kläger wird verwiesen auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung.

Ende der Entscheidung

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