Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 16.01.2006
Aktenzeichen: 5 Sa 765/05
Rechtsgebiete: EFZG


Vorschriften:

EFZG § 3 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1 a
Bei der leistungsorientierten Zusatzvergütung nach der Betriebsvereinbarung über leistungsorientierter Zusatzvergütung des TÜV Nord (BV ZuV) handelt es sich nicht um eine Mehrarbeitsvergütung, die nach § 4 Abs. 1 a EFUG bei der Entgeltfortzahlung unberücksichtigt bleiben kann.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 765/05

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kiel, den ehrenamtlichen Richter Herrn Kleefeld, den ehrenamtlichen Richter Herrn Wesselmann für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 18.02.05 - 7 Ca 604/04 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 315,90 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2004 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt 60 %, die Beklagte trägt 40 % der Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Entgeltfortzahlung.

Der Kläger ist seit dem 01.09.1990 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Prüfingenieur für das Kraftfahrzeugwesen beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet nach § 8 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages vom 26.08.1990 der Manteltarifvertrag Anwendung, der für die Beschäftigten beim damaligen Technischen Überwachungsverein Hannover e.V. geschlossen und später durch den Manteltarifvertrag der Tarifgemeinschaft Technischer Überwachungsverein e.V. vom 11.10.1996 (MTV TÜV) ersetzt wurde. In dessen § 18 MTV heißt es:

"Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis können von beiden Seiten nur innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, mit Ausnahme von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung."

Nach dem Tarifvertrag über die Überleitung von Mitarbeitern der T... GmbH für die Tarifverträge TÜV (betreffend Tarifverträge "alt") gilt der MTV TÜV vom 11.10.1996 nach Aufnahme der Beklagten in die Tarifgemeinschaft ab 01.01.1998 weiter. Im Laufe des Rechtsstreits wurde die Beklagte von T...GmbH in M... GmbH & Co. KG umfirmiert.

Die Beklagte hat mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung über leistungsorientierte Zusatzvergütung (BV ZuV) getroffen, auf die in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung Bezug genommen wird. Auszugsweise enthält die BV ZuV folgende Regelungen:

"2. Teilnahme an der leistungsorientierten Zusatzvergütung

Die Teilnahme an der Zusatzvergütung ist freiwillig ...

3. Grundumsatz/Sollumsatz für technische Mitarbeiter

Für jeden technischen Mitarbeiter wird für die Zeit von Montag bis Freitag eine Grundlast je Arbeitstag vorgegeben. Die Grundlasten für die einzelnen Tätigkeiten sind in der Anlage 2 zu dieser BV aufgeführt. Durch Multiplikation der Grundlast mit den jeweils gültigen Gebühren-/Entgeltwerten der TP-ÜO-Tabellen wird der Grundumsatz je Tag errechnet. Werden die Grundumsätze je Tag mit der Anzahl der Arbeitstage des Monats mulipliziert, ergibt sich der monatliche Sollumsatz, der die Basis für die Berechnung der Zusatzvergütung bildet. ...

Zeiten für Tarifurlaub, Freizeitausgleich (auch stundenweise), Krankheit, Aus- und Weiterbildung, Erfahrungsaustausch sowie Referententätigkeiten oder ähnliches werden als Ausfallzeiten berücksichtigt. Entsprechendes gilt für Zeiten der Durchführung von Fahrerlaubnisprüfungen. Zu berücksichtigende Ausfallzeiten fließen nicht in die Berechnung des Sollumsatzes ein. Angeordnete Mehrarbeitsstunden mit Vergütungsanspruch erhöhen den Sollumsatz entsprechend. Die berücksichtigungsfähigen Ausfallzeiten sind im Einzelnen in der Anlage 5 aufgeführt.

Bei zwischen Kunden und Regionalleitung fest vereinbarten Präsenzzeiten kann sich auch der Mitarbeiter der Überwachungsorganisation für eine Abrechung der Präsenzzeiten entsprechend MTV entscheiden. ..."

5. Höhe der Umsatzvergütung

Übersteigt der in der Zeit von Montag bis Freitag erzielte monatliche Istumsatz den Sollumsatz, erhält der technische Mitarbeiter eine Zusatzvergütung entsprechend Anlage 2. ...

"... Für die an Samstagen insgesamt erzielten Umsätze wird eine Zusatzvergütung entsprechend Anlage 2 gewährt. ... Die Arbeitszeit an Samstagen wird nicht vergütet. ... Bei Samstagseinsätzen kann sich der Mitarbeiter anstelle der Auszahlung für eine Umrechung der Zusatzvergütung in Freizeitausgleich entsprechend Anlage 2 entscheiden.

Bei Samstagseinsätzen an TÜV-Stationen erfolgt eine kollektive Auszahlung der ZuV an alle an der ZuV teilnehmenden Mitarbeiter entsprechend der geleisteten Stunden. Bei zwischen Kunden und Regionalleitung fest vereinbarten Präsenzzeiten kann sich der Mitarbeiter der Überwachungsorganisation bei Samstagseinsätzen für eine Abrechung der Präsenzzeiten entsprechend MTV entscheiden ... 8. Mehrarbeit

Die wöchentlichen Arbeitszeiten der Mitarbeiter richten sich nach den Bestimmungen der Manteltarifverträge und der bestehenden Betriebsvereinbarungen.

Mehrarbeit wird nur dann vergütet, wenn diese ausdrücklich angeordnet worden ist.

Die Höchstarbeitszeiten nach ArbzG sind einzuhalten."

In der Zeit vom 08.01. bis zum 31.01.2003 war der Kläger an 18 Arbeitstagen arbeitsunfähig krank. Die Beklagte zahlte für diesen Zeittraum nicht die leistungsorientierte Zusatzvergütung in Höhe von 28,81 € pro Arbeitstag. Daraufhin wandte sich der Kläger mit folgendem Schreiben vom 17.03.2003 an die Beklagte:

"Mit meiner Gehaltsabrechung vom 01.2003 erhielt ich eine ZUV-Sonderzahlung. Ich möchte Sie bitten mir mitzuteilen, wie sich die Summe zusammensetzt.

Des Weiteren war ich in der Zeit vom 08.01.2003 bis 31.01.2003 aufgrund einer Knieoperation arbeitsunfähig krank. Zu meinem Erstaunen wurde mir die zustehende ZuV (Durchschnitt der letzten 13 Wochen) für diesen Zeitraum nicht berücksichtigt.

Ich bitte um kurzfristige Bearbeitung ..."

Unter dem 31.03.2003 antwortete die Beklagte auszugsweise wie folgt:

"ZuV-Zahlungen fließen nicht in die Lohnfortzahlung ein. Die Teilnahme an der ZuV ist freiwillig. Der Mitarbeiter habe dabei das Wahlrecht, Mehrarbeit gem. Manteltarifvertrag geltend zu machen oder an der ZuV-Regelung teilzunehmen. Die ZuV ist somit Ersatz für die Abgeltung von Mehrarbeit gem. Manteltarifvertrag."

Nachdem der Kläger auch für den weiteren Krankheitszeitraum vom 25.05. bis zum 11.06.2004 (13 Arbeitstage) keine leistungsorientierte ZuV erhielt, machte er den Durchschnitt der letzten 13 Wochen in Höhe von 24,30 € mit der am 26.07.2004 beim Arbeitsgericht Lingen erhobenen Klage geltend und forderte die ZuV-Zahlung für die Ausfallzeit im Januar 2003.

Das Arbeitsgericht Lingen hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 07.09.2004 an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Hannover verwiesen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne für die Entgeltfortzahlungszeiträume die leistungsorientierte Zusatzvergütung von 518,58 € und von 314,60 € beanspruchen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 833,18 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage zurückzuweisen

und zur Begründung den Standpunkt eingenommen, bei der leistungsorientierten ZUV handele es sich um Mehrarbeitsvergütung nach § 4 Abs. 1 a EntgeltfortzahlungsG, auf die kein Entgeltfortzahlungsanspruch bestehe. Zudem wahre das Schreiben vom 17.03.2003 nicht die tarifliche Ausschlussfrist des § 18 MTV, weil der Kläger darin den Anspruch nicht konkret berechnet habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 18.02.2005, auf das wegen seiner vollständigen Begründung Bezug genommen wird, im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, bei den Leistungen nach der BV ZUV handele es sich während der Normalarbeitszeit von Montag bis Freitag um leistungsbezogenes Entgelt, das nach § 4 Abs. 1 a Satz 2 EFZG zu berücksichtigen sei. Lediglich soweit an Samstagen gearbeitet werde, sei nach Ziffer 5 Abs. 4 bis 6 vereinbart, dass die insoweit geschuldete leistungsbezogene Vergütung den Charakter einer Überstundenvergütung habe. Der Kläger beanspruche aber nur die durchschnittliche leistungsbezogene Zusatzvergütung für die Normalarbeitszeit unter der Woche. Diese Ansprüche habe der Kläger jeweils innerhalb der Ausschlussfrist nach § 18 MTV hinreichend konkret und damit rechtzeitig geltend gemacht. Die durchschnittliche Vergütung lasse sich ohne große Mühe berechnen.

Das Urteil ist der Beklagten am 08.04.2005 zugestellt worden. Mit ihrer am 06.05.2005 eingelegten und nach Fristverlängerung bis zum 11.07.2005 am 07.07.2005 begründeten Berufung verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 07.07.2005 und vom 06.01.2006 weiter, auf die ergänzend Bezug genommen wird.

Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, die Zusatzvergütung sei eine Form von Mehrarbeitsvergütung und stelle damit keinen bei der Entgeltfortzahlung zu berücksichtigenden Vergütungsbestandteil dar. Die Teilnahme an der ZuV sei freiwillig. Die Mitarbeiter könnten wählen, ob sie generell Mehrarbeitsvergütung gemäß MTV geltend machen oder Zusatzvergütung nach der ZuV beanspruchten. Dass krankheitsbedingte Fehlzeiten nicht zu berücksichtigen seien, folge aus Ziffer 3 der BV ZuV.

Selbst wenn ein Anspruch auf Zahlung der ZuV, welcher der Höhe nach im Berufungsverfahren nicht mehr bestritten worden ist, während der Krankheit bestehen würde, habe der Kläger diesen für den Zeitraum vom 08.01. bis zum 31.01.2003 nicht innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist geltend gemacht. Soweit der Kläger mit Schreiben vom 17.03.2003 um Erläuterung der Gehaltsabrechnung von Januar 2003 gebeten und angemerkt habe, dass die Zusatzvergütung zu seinem Erstaunen nicht berücksichtigt worden sei, enthalte das Schreiben keine konkrete Zahlungsaufforderung. Der Bitte um Erläuterung sei sie - die Beklagte - mit Schreiben vom 31.03.2003 nachgekommen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihrem Schlussantrag in erster Instanz zu erkennen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 09.08.2005, auf den ergänzend Bezug genommen wird. Der Kläger meint, die Zusatzvergütung nach der ZuV stelle keine Überstundenvergütung dar, sondern eine leistungsbezogene Vergütung für eine höhere Arbeitsleistung innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit. Damit sei die ZuV-Vergütung Teil des regelmäßigen Einkommens und müsse folglich während der Krankheit fortgezahlt werden.

Zur Geltendmachung dieses Anspruchs genüge das Schreiben vom 31.03.2001, das bereits den konkreten Hinweis auf das Fehlen eines Lohnbestandteils enthalte. Eine Bezifferung der Ansprüche sei nicht erforderlich gewesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die frist- und formgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Klage war nur im in Höhe von 315,90 € stattzugeben, weil der weitergehende Anspruch verfallen ist.

1. Der Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung der ZuV-Zahlungen ist sowohl für den Zeitraum vom 08.01.2003 bis zum 31.01.2003 (18 Arbeitstage) als auch für den Zeitraum vom 25.05. bis zum 11.06.2004 (13 Arbeitstage) entstanden.

a) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitsgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, § 3 Abs. 1 EFZG. Für diesen Zeitraum ist dem Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 EFZG das bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen.

Nach § 4 Abs. 1 a Satz 1 EFZG zählt das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt nicht zu der fortzuzahlenden Vergütung. Gehört allerdings eine hohe tägliche Arbeitsleistung zur regelmäßigen Arbeitszeit iSd § 4 Abs. 1 EFZG, kann ein Teil davon nicht Überstunde iSd § 4 Abs. 1 a EFZG sein. Überstunde ist nur die Arbeitszeit, die wegen bestimmter besonderer Umstände vorübergehend zusätzlich zur individuellen Arbeitszeit geleistet wird (ErfK/Dörner, 6. Aufl., § 4 EFZG Rn. 11; BAG 21.11.2001 - 5 AZR 296/00 - AP EntgeltFG § 4 Nr. 56 = EzA EntgeltFG § 4 Nr. 4). Erhält ein Arbeitnehmer ein festes Monatsentgelt, das auch die Vergütung für eine bestimmte, arbeitsvertraglich vereinbarte Zahl von Mehrarbeitsstunden einschließlich tariflicher Überstunden beinhaltet, ist der Überstundenzuschlag nach § 4 Abs. 1 a EFZG bei der Entgeltzahlung im Krankheitsfall nicht zu berücksichtigen und deshalb aus dem Monatsentgelt herauszurechnen (BAG 26.06.2002 - 5 AZR 153/01 - AP EntgeltFG § 4 Nr. 62= NZA 2003, 156).

Erhält der Arbeitnehmer dagegen eine auf das Ergebnis der Arbeit abgestellte Vergütung, so ist nach § 4 Abs. 1 a Satz 2 EFZG der für den Arbeitnehmer in der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit erzielbare Durchschnittsverdienst der Berechnung zugrunde zu legen. Diese Bestimmung erfasst nicht nur den Leistungslohn im engeren Sinne (Akkord- und Prämienlohn), sondern auch die Vergütungen, die neben dem festen Zeitlohn als Erfolgsvergütung vereinbart sind, wie z.B. Provisionen, Tantiemen, Prämien (vgl. ErfK/Dörner § 4 EFZG Rn. 34; Vogelsang, Entgeltfortzahlung, Rn. 544 f.).

Bei einer Vergütung nach dem Arbeitsergebnis ist die Feststellung des erzielbaren Verdienstes maßgeblich und nicht (nur) die Arbeitszeit. Da menschliche Leistungen in der Regel Schwankungen unterliegen, muss für die Berechnung des Leistungsentgelts für den Ausfallzeitraum entweder auf die tatsächlichen Arbeitsleistungen arbeitender Kollegen oder auf Anhaltspunkte in der Vergangenheit zurückgegriffen werden. In letzterem Fall kann auf den durchschnittlichen Leistungswert mehrer Wochen vor dem Ausfall zurückgegriffen werden. Anzuwenden ist das Berechnungsverfahren, das dem Entgeltausfallprinzip am Besten gerecht wird (ErfK/Dörner § 4 EFZG Rn. 35; Vogelsang aaO Rn 547).

b) Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung der leistungsorientierten Zusatzvergütung für die streitigen Zeiten seiner Arbeitsunfähigkeit nach der BV ZuV nach § 3 Abs. 1 EFZG i.V.m. § 4 Abs. 1 EFZG. Die leistungsorientierte Zusatzvergütung nach der BV ZuV stellt kein Entgelt für Überstunden dar, § 4 Abs. 1 a Satz 1 EFZG. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine leistungsbezogene Sondervergütung im Sinne des § 4 Abs. 1 a Satz 2 EFZG.

Die Sondervergütung wird für die (tarif-)vertraglich geschuldete Arbeitsleistung gezahlt, wenn der Arbeitnehmer eine individuell definierte Vorgabe übertrifft. In Ziffer 3 iVm der Anlage 2 der BV ZuV sind Grundlasten für die einzelnen Tätigkeiten definiert. Durch Multiplikation der Grundlast mit den jeweils gültigen Gebühren-/Entgeltwerten der TP-ÜO-Tabellen wird der Grundumsatz je Tag errechnet. Werden die Grundumsätze je Tag mit der Anzahl der Arbeitstage des Monats multipliziert, ergibt sich der monatliche Sollumsatz, der für den einzelnen Angestellten die Basis für die Berechnung der Zusatzvergütung bildet. Übersteigt der in der Zeit von Montag bis Freitag erzielte monatliche Istumsatz den Sollumsatz, erhält der Arbeitnehmer eine Zusatzvergütung nach Ziffer 5 Satz 1 iVm Anlage 2.

Damit die auf diese Weise zu berechnende Leistungsvergütung nicht verzerrt wird, werden Krankheits- und andere Ausfallzeiten neutral bewertet. Sie fließen in die Berechnung des Sollumsatzes nicht ein, so dass der Istumsatz stets dem entsprechenden Sollwert gegenübergestellt wird. Bei angeordneten Mehrarbeitsstunden erfolgt nach Ziffer 3 BV ZuV nach dem gleichen Prinzip die umgekehrte Berechnung. Mehrarbeitsstunden führen zu einer Erhöhung des Sollumsatzes, damit der Istwert nicht verzerrt wird. Diese Systematik verdeutlicht, dass die BV ZuV kein Surrogat für die Vergütung von Überstunden darstellt und damit nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 4 a Abs. 1 EFZG zu fassen ist.

Es führt zu keinem anderen Ergebnis, dass die Teilnahme an der BV ZuV freiwillig ist. Soweit die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Freiwilligkeit eine Option zwischen Vergütung für Mehrarbeit und leistungsorientierter Mehrarbeit ableitet, entspricht dies nicht der rechtlichen Konzeption der BV ZuV. Nach § 8 Abs. 2 BV ZuV wird Mehrarbeit zumindest dann vergütet, wenn diese ausdrücklich angeordnet ist. Die Betriebsparteien haben damit klargestellt, dass die ZuV-Zahlung nicht die Überstundenvergütung ersetzt. Eine andere Bestimmung wäre auch weder mit der Regelungssperre in § 77 Abs. 3 BetrVG noch mit § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG sowie mit dem in § 4 Abs. 3 TVG geregelten Günstigkeitsprinzip vereinbar und ist von den Betriebsparteien nicht beabsichtigt, wie neben Ziffer 8 und Ziffer 3 Abs. 4 Satz 4 z.B. Ziffer 3 Abs. 5 und Ziffer 5 Abs. 6 BV ZuV verdeutlichen. Danach kann sich der Mitarbeiter bei zwischen Kunden und Regionalleitung fest vereinbarten Präsenzzeiten für eine Abrechung der Präsenzzeiten entsprechend MTV entscheiden. Auf diese Weise hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, bei einer Vergleichsberechnung eine untertarifliche Vergütung bei angeordneter Mehrarbeit zu verhindern.

Mit der Ansicht, die Teilnahme an der BV ZuV gehe mit dem Verzicht auf eine Mehrarbeitsvergütung einher, verbindet die Beklagte nach den Erläuterungen in der letzten mündlichen Verhandlung die Erwartung, dass die Mitarbeiter nicht nur eine höhere Leistung während der vereinbarten Arbeitszeit erbringen, sondern darüber hinaus freiwillig Überstunden leisten können, allerdings unter Verzicht auf die tarifliche Grundvergütung. Die Arbeitnehmer könnten durch zusätzliche, nicht angeordnete, gleichwohl aber geduldete Mehrarbeit den Istumsatz erhöhen, während der Sollumsatz stabil bliebe, und dadurch ihre Vergütung nach der BV ZuV verbessern.

Abgesehen davon, dass neben der Anordnung auch die Billigung und Duldung von Überstunden den Vergütungsanspruch begründet (BAG 17.04.2002 - 5 AZR 644/00 - AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 40 = NZA 2002, 1340) und eine Disposition über die tariflichen Mindestleistungen sowohl im Hinblick auf das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG als auch wegen der Regelungssperre (§§ 77 Abs. 3 und 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG) der Regelungsautonomie der Betriebsparteien entzogen ist, sieht Ziffer 5 nur Regelungen einer freiwilligen Mehrarbeit an Samstagen vor. Dies zwingt zu dem Umkehrschluss, dass eine (freiwillige) Überarbeit ohne Anspruch auf die Vergütung für die übrigen Wochentage nicht vorgesehen ist, zumal die Betriebsparteien unter Ziffer 8 deutlich herausgestellt haben, dass sich die wöchentlichen Arbeitszeiten der Mitarbeiter nach den Bestimmungen der Manteltarifverträge und der bestehenden Betriebsvereinbarungen richten. Jedenfalls aber würde selbst eine zulässigerweise freiwillige Mehrarbeit nicht dazu führen, dass es sich bei der ZuV-Zahlung um eine von § 4 Abs. 1 a ZuV privilegierte Alternative zur Überstundenvergütung handelt. Es bliebe immer noch eine Vergütung für Leistung und - zumindest ganz überwiegend - nicht für Überstunden.

c) Die Berechnung der Ausfallzeiten ist im Berufungsverfahren von der Beklagten nicht substantiiert bestritten und - mit Ausnahme eines geringfügigen Rechenfehlers - schlüssig. Ein Zeitraum von 13 Wochen stellt einen angemessenen Referenzzeitraum zur Buchung der Aufwandszeiten nach § 4 Abs. 1 EFZG dar. Die Beklagte hat nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG iVm Ziffern 3, 5 der BV ZuV für jeden Krankheitstag eine leistungsorientierte ZuV-Zahlung zu leisten, die gemessen am Durchschnitt der letzten 13 Wochen für den ersten Zeitraum 518,58 € brutto (18 Tage x 28,81 €) und für den zweiten Zeitraum 315,90 € brutto beträgt (13 Tage x 24,30 €).

2. Der Anspruch des Klägers in Höhe von 518,58 € brutto ist jedoch nach § 18 MTV TÜV, der kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, erloschen. Nach dieser Vorschrift können Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis von beiden Seiten nur innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, mit Ausnahme von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung.

a) Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Die Geltendmachung einer Forderung im Sinne einer tariflichen Ausschlussfrist verlangt, dass die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufgefordert wird. Ob im Einzelfall eine ausreichende Aufforderung vorliegt, lässt sich häufig erst nach einer Auslegung feststellen. Bei der Geltendmachung einer Forderung handelt es sich zwar um keine Willenserklärung, wohl aber um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, auf die Vorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen in §§ 133, 157 BGB entsprechend anzuwenden sind (BAG 20.02.2001 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 11 = EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 139). Danach muss aus Sicht des Erklärungsempfängers klar sein, dass die Gegenpartei an sie einen näher bestimmten Anspruch richtet. Dieser muss nach Grund und Höhe hinreichend deutlich bezeichnet sein. Der Gläubiger muss dessen Erfüllung verlangen (BAG 17.04.2002 aaO). Als unzureichend ist die Aufforderung des Arbeitsnehmers beurteilt worden, der Arbeitgeber möge die Anrechung einer Tariflohnerhöhung auf eine freiwillige Zulage schriftlich begründen und "noch einmal überdenken" (BAG 05.04.1995 - 5 AZR 961/93 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 130 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 111). Ebensowenig genügt die Aufforderung eines Angestellten, der Arbeitgeber möge seine Eingruppierung prüfen (BAG 10.12.1997 - 4 AZR 22 (/96 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 234). Ausreichend dagegen ist die "Rüge" unverzüglich nach einer Abrechnung, dass Urlaubsgeld fehle (BAG 20.02.1991 - 9 AZR 46/00 aaO).

b) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs genügt das Schreiben des Klägers vom 17.03.2003 nicht zur Geltendmachung des Anspruchs aus. Der Kläger hat die Beklagte darin um Mitteilung gebeten, wie sich die ZuV-Zahlung nach der Gehaltsabrechung 01.2003 zusammensetzt und hinzugefügt, dass die ihm zustehende ZuV für den Zeitraum seiner Arbeitsunfähigkeit vom 08.01. bis 31.01.2003 nicht berücksichtigt worden sei. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 31.03.2003. Sie vertrat bereits vorgerichtlich die Rechtsauffassung, dass ZuV-Zahlungen nicht in die Lohnfortzahlung einflössen, weil der Mitarbeiter das Wahlrecht habe, Mehrarbeit gem. Manteltarifvertrag geltend zu machen oder an der ZuV-Regelung teilzunehmen. Diese Auskunft beendet die Korrespondenz. Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass der Kläger die Rechtsauffassung akzeptiert, nachdem er die Ansprüche nicht geltend gemacht hat.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

Zurück