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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 19.04.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 956/03
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
1. Steht die Reduzierung des Beschäftigtenbedarfs fest, muss der Arbeitgeber nach dem sog. Ultima ratio-Grundsatz prüfen, ob er den Arbeitnehmer anderweitig beschäftigen kann, und zwar zu gleichen oder zu veränderten Bedingungen, unbefristet oder befristet.

2. Besteht eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, die gemessen an der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung eine Vertragsänderung voraussetzt, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein konkretes Änderungsangebot unterbreiten und dabei unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er das Arbeitsverhältnis beenden werde, wenn sich der Arbeitnehmer mit den geänderten Bedingungen nicht einverstanden erklärt.

3. Der Ausspruch einer Änderungskündigung ist nur dann entbehrlich,

a) wenn die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit vom Standpunkt eines objektiv urteilenden Arbeitgebers gemessen an dem ursprünglichenvertraglichen Anforderungsprofil sowie dem wirtschaftlichen und sozialen Status des Arbeitnehmers schlechterdings nicht in Betracht kommt (§ 242 BGB),

b) oder wenn der Arbeitnehmer eine geeignete Tätigkeit nach angemessener Überlegungszeit vorbehaltlos und endgültig abgelehnt hat.


Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 956/03

Verkündet am: 19. April 2004

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 19.04.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kiel, die ehrenamtliche Richterin Straub und den ehrenamtlichen Richter Wittke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 29.04.2003 - 2 Ca 454/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Die Beklagte betrieb im Kündigungszeitpunkt mit ihrem Hauptsitz in H. sowie einem unselbständigen Filialbetrieb in B. den Handel von Neu- und Gebrauchtwagen und führte Wartungsarbeiten an den Fahrzeugen aus. Der Hauptbetrieb in H. wurde mit neuen Mitarbeitern und einem Auszubildenden geführt. In B. waren drei Mitarbeiter sowie seit Januar 2003 ein weiterer Geselle beschäftigt, zunächst mit befristetem Vertrag bis zum 30.04.2003. Hierbei handelt es sich um den ehemaligen Auszubildenden A., den die Beklagte von dem in Insolvenz geratenen Partner " T. fürs Auto" übernommen hatte, und der im Januar 2003 seine Ausbildung bei der Beklagten beendete. Der Betrieb in H. setzte im Jahr 2002 etwa 200 Neufahrzeuge um, in B. wurden 30 Fahrzeuge veräußert.

Der 1951 geborene, verheiratete Kläger ist einem Kind unterhaltspflichtig und bei der Beklagten seit dem 01.01.2002 auf Grund des Arbeitsvertrages vom 02.01.2002 als Kundendienstmeister zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von 2.800,00 € beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag, auf dessen vollständigen Inhalt Bezug genommen wird, haben die Parteien auszugsweise Folgendes geregelt:

"2a

Als Arbeitsort wird B. vereinbart.

...

d)

Er ist verpflichtet, auf Wunsch des Arbeitgebers oder seiner Beauftragten bei Bedarf auch andere, zumutbare Arbeiten im Betrieb zu leisten, insbesondere auch gelegentlich in anderen Betrieben der AH B..... GmbH als Meister eingesetzt zu werden."

Seit Mai 2002 war der Kläger der einzige Kfz-Meister im Unternehmen. Im Oktober 2002 entschied die Beklagte, nur noch einen Kfz-Meister zu beschäftigten. Ob dieser ausschließlich in H. oder in B. und in H. tätig werden sollte, ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte beabsichtigte, zwei weitere Auszubildende in H. einzustellen und in B. keine Ausbildung durchzuführen. Ende Oktober/Anfang November 2002 unterbreitet der Geschäftsführer der Beklagten L. dem Kläger ein Änderungsangebot des Arbeitsvertrages. Der Kläger, der die Geschäftsräume des Filialbetriebes in B. an die Beklagte verpachtet hatte und auf dem Gelände einen Tankstellenbetrieb sowie eine Waschstraße betreibt, sollte zukünftig als Meister für den Betrieb in H. zuständig sein. Einzelheiten des Angebots sind streitig, eine Vereinbarung kam nicht zustande.

Mit Schreiben vom 18.11.2002, das der Geschäftsführer dem Kläger an diesem Tage aushändigte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2002.

Nach Zugang der Kündigung stellte die Beklagte einen anderen Kfz-Meister für den Betrieb in H. ein. Mit Schreiben vom 11.08.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Betrieb in B. sei zum 31.07.2003 geschlossen worden, und kündigte das Arbeitsverhältnis erneut zum 30.09.2003. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit einer weiteren Kündigungschutzklage, die beim Arbeitsgericht H. anhängig ist.

Mit der vorliegenden, am 09.12.2002 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 18.11.2002 sei sozial ungerechtfertigt. Er hat behauptet, das Änderungsangebot der Beklagten habe beinhaltet, dass er in Zukunft in H. formell als Meister auftrete, tatsächlich aber den Arbeitsplatz in B. beibehalte. Er habe auf dieses Angebot zunächst Bedenkzeit erbeten und im Telefonat mit dem Betriebsleiter S. am 15.11.2002 erklärt, er sei mit dem Änderungsangebot unter der Voraussetzung einverstanden, dass ihn die Beklagte schriftlich von der Haftung für Schadensfälle freistelle, die während seiner Abwesenheit in H. entstünden. Er sei auch bereit gewesen, bei einem entsprechenden Angebot der Beklagten ausschließlich in H. als Meister tätig zu werden oder als Geselle ohne Meistertätigkeit in B. zu arbeiten.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 18.11.2002 zum 31.12.2002 beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, ihr Änderungsangebot habe ausschließlich darin bestanden, den Arbeitsort des Klägers von B. nach H. zu verlegen. Der Kläger habe dieses Angebot mehrfach kategorisch abgelehnt, so in dem ersten Gespräch, in einem weiteren Telefonat am 15.11.2002 sowie vor Aushändigung des Kündigungsschreibens am 18.11.2002. Auf Grund der Ablehnung sei ihm die Kündigung ausgehändigt worden.

Die Beklagte hat behauptet, im Zeitpunkt der Kündigung sei geplant gewesen, den Fahrzeugverkauf insgesamt in den Hauptbetrieb nach H. zu verlagern. Der Filialbetrieb in B. habe ausschließlich als Werkstatt-Service- Station des Hauptbetriebes fungieren sollen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 29.04.2003, auf dessen vollständigen Inhalt Bezug genommen wird, im Wesentlichen mit folgender Begründung stattgegeben: Die Kündigung der Beklagten vom 18.11.2002 sei nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 KSchG. Berufe sich ein Arbeitgeber auf die unternehmerische Entscheidung der Personalreduzierung, habe ein Gericht zu überprüfen, welche Maßnahmen der Arbeitgeber konkret angeordnet habe und wie sich diese auf den Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers auswirkten. Er müsse seine tatsächlichen Angaben im Einzelnen so darlegen, dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden könnten. Diesen Voraussetzungen genüge der Sachvortrag der Beklagten nicht. Sie habe nicht dargelegt, dass durch ihre unternehmerische Entscheidung, nur noch in H. einen Meister zu beschäftigen, die tatsächliche Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger in B. entfallen sei und dass es kein milderes Mittel als die Kündigung des Klägers gegeben habe, um den betrieblichen Erfordernissen gerecht zu werden. Die Beklagte habe vortragen müssen, dass die Durchführung der von ihr getroffenen unternehmerischen Entscheidung, nur noch in H. mit einem Kfz-Meister tätig zu werden, auch gleichzeitig mit einer entsprechenden Verringerung des Arbeitsvolumens für Kundendienstmeister im Betriebsteil B. verbunden sei. Welche Tätigkeiten im Einzelnen der Kläger bisher ausgeführt habe und welche Tätigkeiten in Zukunft in B. wegfallen und nach H. verlagert werden sollten, sei nicht feststellbar. Gegen eine Verringerung des Arbeitsvolumens in B. spreche auch die Tatsache, dass die Beklagte kurz nach dem Ablauf der Kündigungsfrist den ehemaligen Auszubildenden A. befristet weiterbeschäftigt habe. Diese Stelle habe dem Kläger angeboten werden müssen. Es könne daher dahinstehen, ob die Beklagte ihm auch die ausschließliche Beschäftigung als Meister in H. angeboten und der Kläger dies ausdrücklich abgelehnt habe.

Das Urteil ist der Beklagten am 05.05.2003 zugestellt worden. Mit ihrer am 02.06.2003 eingelegten und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 31.07.2003 an diesem Tage begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag nach Maßgabe der Schriftsätze vom 21.07.2003 sowie vom 19.11.2003 weiter, auf die ergänzend Bezug genommen wird. Die Beklagte trägt vor, sie habe dem Kläger keine befristete Beschäftigung als Geselle in B. anbieten müssen. Die Stelle sei weder vergleichbar noch für den Kläger geeignet. Die Besetzung mit dem ehemaligen Auszubildenden A. lasse auch nicht den Schluss auf einen dauerhaften Beschäftigungsbedarf für einen Gesellen zu. Herrn A. habe lediglich die Möglichkeit eröffnet werden sollen, seine Ausbildung abzuschließen, um sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus bei einem anderen Arbeitgeber bewerben zu können.

Die für den Kläger geeignete Stelle als Meister in H. habe der Kläger mehrfach strikt abgelehnt. Deshalb sei eine Änderungskündigung auch nicht mehr in Betracht gekommen. Zuletzt sei ihm vor Aushändigung der Kündigung vom 18.11.2002 angeboten worden, zukünftig statt in B. ausschließlich in H. zu arbeiten.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 29.04.2003 - 2 Ca 454/02 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe ihm die Kündigung am 18.11.2002 ohne vorherige Erläuterung und ohne ein konkretes Änderungsangebot übergeben. Die zuvor geführten Gespräche hätten eine Beibehaltung des Arbeitsortes in B. zum Inhalt gehabt, verbunden mit der von ihm geforderten zusätzlichen Bereitschaft, in H. "formell" als Meister aufzutreten. Dazu habe er - der Kläger - wegen der damit verbundenen Haftungsfrage Bedenkzeit erbeten. Wäre ihm ein "totaler" Arbeitsplatzwechsel mit ständigem Aufenthalt in H. angeboten worden, wäre er darauf eingegangen.

Der Kläger meint, durch die über den 30.04.2003 hinaus erfolgte Beschäftigung des ehemaligen Auszubildenden A. als Geselle sei ein entsprechender Beschäftigungsbedarf indiziert. Diese Position habe ihm im Wege der Änderungskündigung übertragen werden müssen.

Das Gericht hat auf Grund Beweisbeschlusses vom 24.11.2003 Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe das Angebot, in dem Betrieb H. als Meister zu arbeiten, vorbehaltlos und endgültig vor Ausspruch der Kündigung abgelehnt, durch Vernehmung der Zeugen S. und E.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19.04.2004 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die frist- und formgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben.

1.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung.

Der Kläger ist in dem Betrieb der Beklagten seit dem 01.01.2002 und damit im Kündigungszeitpunkt am 18.11.2002 länger als sechs Monate beschäftigt (§ 1 Abs. 1 KSchG). Bei der Betriebsstätte in B., für die der Kläger nach Ziffer 2 a) des Arbeitsverhältnisses hauptsächlich eingestellt ist, handelt es sich um einen unselbständigen Betriebsteil des H. Betriebes, der deshalb mit 13 Arbeitnehmern im Kündigungszeitpunkt nicht unter die Kleinbetriebsklausel nach § 23 KSchG fällt. Der Betriebsteil in B. verfügt nicht über einen eigenständigen Leitungsapparat, er stellt keine organisatorische Einheit im Sinne des Betriebsbegriffs dar.

Der Kläger hat am 09.12.2002 binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben und damit die Frist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt.

2.

Die Klage ist begründet, weil die Kündigung vom 18.11.2002 nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam ist.

a)

Nach dieser Vorschrift setzt die Rechtsunwirksamkeit der ordentlichen Kündigung voraus, dass diese sozial ungerechtfertigt ist. Nach § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung u. a. dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

aa)

Dies setzt nach ständiger Rechtsprechung zunächst voraus, dass der Arbeitgeber auf Grund inner- oder außerbetrieblicher Gründe einen unternehmerischen Entschluss fasst, der nicht offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sein darf, und in dessen Konsequenz die ursprüngliche Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfällt. Die innerbetrieblichen Ursachen fallen regelmäßig mit der unternehmerischen Entscheidung zusammen. Dazu zählen alle betrieblichen Maßnahmen auf technischem, organisatorischen und wirtschaftlichem Gebiet, durch die der Arbeitgeber seine Entscheidung über die Geschäftspolitik im Hinblick auf den Markt oder die Organisation des Betriebes verwirklicht und die sich auf den Beschäftigungsbedarf auswirken (vgl. BAG 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 - NZA 1999, 1098; APS/Kiel, 2. Aufl. 2004, § 1 Rn. 474). Hierzu gehören u. a. sämtliche Rationalisierungsmaßnahmen einschließlich der Entscheidung, Hierarchieebenen zu streichen und verbleibende Aufgaben anders zu verteilen. Ob der Arbeitgeber eine zur Verringerung des Arbeitskräftebedarfs führende Unternehmerentscheidung tatsächlich getroffen hat, ob die Gründe, auf denen sie beruht tatsächlich existieren, und ob die getroffene Maßnahme für den Fortfall des Arbeitsplatzes kausal ist, unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung (APS/Kiel a. a. O. Rn. 472).

bb)

Steht danach die Reduzierung des Beschäftigungsbedarfs fest, muss der Arbeitgeber in einem zweiten Schritt prüfen, ob er den Arbeitnehmer anderweitig in seinem Unternehmen beschäftigen kann, und zwar zu gleichen oder zu veränderten Bedingungen. Dies ergibt sich aus dem Ultima-Ratio-Grundsatz, der als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips für das gesamte Kündigungsschutzrecht bedeutsam ist, und im Tatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG dadurch zum Ausdruck kommt, dass nur "dringende" betriebliche Erfordernisse eine Kündigung "bedingen" können. § 1 Abs. 2 Satz 3, 2. Alternative KSchG konkretisiert diesen Grundsatz normativ, ohne dass es auf den tatbestandlich geforderten Widerspruch des Betriebsrats ankommt.

Das BAG hat daraus in der grundlegenden Entscheidung vom 27.09.1984 - 2 AZR 62/83 - NZA 1985, 455 = EzA § 2 KSchG Nr. 5) den Grundsatz der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung entwickelt (dazu ausführlich APS/Kiel a. a. O. Rn. 623 ff.). Besteht eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, die gemessen an der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung eine Vertragsänderung voraussetzt, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein entsprechend konkretisiertes Änderungsangebot in einem "klärenden Gespräch" unterbreiten und dabei eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er das Arbeitsverhältnis beenden werde, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot ablehne. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer eine Überlegungsfrist von einer Woche einräumen. Innerhalb dieser Frist kann der Arbeitnehmer das Angebot unter einem dem § 2 KSchG entsprechenden Vorbehalt annehmen. Der Arbeitgeber muss dann eine Änderungskündigung aussprechen, die der Arbeitgeber unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG annehmen kann. Ob man ein klärendes Gespräch vor Ausspruch der Kündigung für obligatorisch oder nur für nützlich hält (für letzteres APS/Kiel a. a. O. Rn. 627 ff. m. w. N.), kann ebenso dahinstehen wie die umstrittene Frage, ob der Arbeitnehmer sich binnen Wochenfrist erklären muss (ablehnend APS/Kiel a. a. O. Rn. 629 m. w. N.), wenn eine Änderungskündigung aus folgenden Gründen von vornherein ausscheidet: Denn der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Änderungskündigung auszusprechen, wenn die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit vom Standpunkt eines objektiv urteilenden Arbeitgebers gemessen an dem ursprünglichen vertraglichen Anforderungsprofil sowie dem wirtschaftlichen und sozialen Status des Arbeitnehmers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 242 BGB) schlechterdings nicht in Betracht kommt, so dass der Arbeitnehmer einem Änderungsangebot nicht mal unter Vorbehalt zugestimmt hätte. Das Gleiche gilt dann, wenn der Arbeitnehmer eine geeignete Tätigkeit nach angemessener Überlegungszeit endgültig und vorbehaltlos abgelehnt hat. Dies setzt aber voraus, dass das Angebot konkret ist und sich nicht auf die (mehr oder weniger allgemeine) Anfrage beschränkt, unter welchen Bedingungen er mit einer veränderten Aufgabenstellung zur Weiterarbeit bereit ist (APS/Kiel a. a. O. Rn. 628 a. E.).

Bestehen mehrere Beschäftigungsmöglichkeiten zu veränderten Bedingungen, kann der Arbeitgeber unter Berücksichtigung billigen Ermessens (§ 315 BGB) entscheiden, welche Stelle er dem Arbeitnehmer anbietet (APS/Kiel a. a. O. Rn. 638).

b)

Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze ist die Kündigung nicht aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse sozial gerechtfertigt.

aa)

Auf Grund des zweitinstanzlichen Prozessvortrages und dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann das Gericht zwar nachvollziehen, dass die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung die Entscheidung getroffen hat, für den unselbständigen Betrieb in B. keinen Meister vorzusehen und mit dem Kläger deshalb Gespräche darüber geführt hat, ob dieser bereit sei, die im Hauptbetrieb H. vakante Stelle zu übernehmen. Verbleibende Wartungstätigkeiten können von den in B. beschäftigten Gesellen ausgeführt werden, wobei das Gericht zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass dazu auch aus formalen Gründen kein Meister vor Ort sein muss. Jedenfalls bedarf es in B. keines Meisters aus Gründen der Ausbildung, die im Hauptbetrieb H. erfolgt und in B. nur ausnahmsweise stattgefunden hat, um dem Auszubildenden A. den Abschluss seiner Ausbildung zu ermöglichen. Herr A. kann einfachere Aufgaben des Klägers übernehmen, soweit diese nicht auf andere Gesellen zu verteilen sind. Gemessen an dem Maßstab billigen Ermessens (§ 315 BGB) ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger nicht die Herrn A. übertragene Gesellentätigkeit angeboten hat, die zumindest vorübergehend vorhanden war, sondern ihn für die Beschäftigung als Meister in H. vorgesehen hat.

bb)

Allerdings hat der Geschäftsführer der Beklagten L. die Kündigung nicht mit einem konkreten Änderungsangebot verbunden, das der Kläger unter dem Vorbehalt einer sozialen Rechtfertigung der Änderungsbedingungen nach Maßgabe des § 2 KSchG hätte annehmen können. Das Gericht kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit der gebotenen Überzeugung (§ 286 ZPO) feststellen, dass dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung konkret angeboten worden sei, seinen Arbeitsort von B. insgesamt nach H. zuverlegen, und dass der Kläger dieses Angebot vorbehaltlos und endgültig abglehnt hat.

Welches konkrete Angebot der Geschäftsführer L. in dem ersten Gespräch dem Kläger unterbreitet hat, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unklar. Der Betriebsleiter S. hat einerseits ausgesagt, dem Kläger sei verdeutlicht worden, warum in H. ein Meister vor Ort benötigt werde. Die Stelle sei dem Kläger angetragen worden, der gelegentlich weiterhin auch in B. habe Aufgaben erledigen müssen. Daraus folgt, dass der Kläger für beide Betriebsteile zuständig sein sollte. Wie sich diese Aufgabenteilung in der Praxis darstellen würde, war Gegenstand der ersten Unterredung, die allerdings nicht in ein konkretes Angebot mündete, in das der Kläger hätte einwilligen, oder das er unter Vorbehalt hätte annehmen können. So hat der Zeuge E., der dem Gespräch zeitweise beigewohnt hat, bekundet, der Kläger habe in H. für Lehrlingssachen usw. eingetragen werden sollen. Er habe sich zunächst darüber informieren wollen, was "rechtlich" sei, wenn etwas passierte. Dies deckt sich mit dem Vortrag des Klägers, auf die Frage, ob er die Meisterstelle in H. "mitmachen" wolle, habe er um Überlegungszeit gebeten und sich bei der Handwerkskammer erkundigt, ob dies möglich sei. Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass eine Ausnahmegenehmigung mit Einschränkung denkbar sei. Daraufhin habe er Herrn S. bei dem Telefonat in der Folgewoche erklärt, er sei zu einer Weiterarbeit in H. bereit, wenn er von der Haftung dort freigestellt werde, da er nicht an zwei Orten gleichzeitig anwesend sein könne. Dem habe der Betriebsleiter S. zugestimmt. Herr S. hat dieses Telefonat anders in Erinnerung. Das Angebot, offiziell in H. zu arbeiten, tatsächlich aber weiter von B. aus tätig zu sein, habe vor dem Hintergrund der damaligen Planung keinen Sinn gemacht und sei dem Kläger nicht unterbreitet worden. Allerdings konnte sich auch Herr S. daran erinnern, dass die haftungsrechtlichen Konsequenzen bei einer Zuständigkeit für beide Betriebsstätten damals erörtert worden seien. Im Ergebnis steht damit für das Gericht lediglich fest, dass es zwischen dem Geschäftsführer und dem Betriebsleiter S. einerseits sowie dem Kläger andererseits vor Ausspruch der Kündigung zwei Gespräche gab, den Kläger in erster Linie im Hauptbetrieb in H. einzusetzen und Meisteraufgaben in dem Betrieb B. miterledigen zu lassen, wobei die haftungsrechtlichen Auswirkungen thematisiert wurden. Auch unter Einbeziehung des letzten Gesichtspunkts hätte es der Beklagten oblegen, ein konkretes Angebot zu unterbreiten. Dies wird nicht dadurch entbehrlich, dass sich der Kläger in dem Gespräch generell ablehnend verhalten hat, wovon das Gericht auf Grund der Aussage der Zeugen S. und E. ausgeht. Dass er das Angebot allerdings vorbehaltlos und endgültig abgelehnt hat, kann das Gericht zumindest nach der Aussage des Zeugen E. nicht erkennen.

Der Geschäftsführer L. sowie der damalige Betriebsleiter S. haben dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung auch nicht verdeutlicht, welche Folgen aus der Nichtannahme eines Änderungsangebots resultieren. So hat Herr S. ausgesagt, über die Folgen für das Arbeitsverhältnis, wenn der Kläger die Meisterstelle in H. nicht übernehme, sei "explizit nicht gesprochen" worden, insbesondere sei eine mögliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht Gegenstand des Gespräches gewesen. Zwar hat der Zeuge ausgesagt, vor Übergabe der Kündigung habe Herr L. danach gefragt, ob sich der Kläger die ganze Sache noch einmal überlegt habe. Die Erinnerung des Zeugen S. ist in diesem Punkt aber nicht zutreffend, er hat sie deshalb auf späteren Vorhalt des Gerichts auch nicht aufrechterhalten. So hat der Geschäftsführer L. nach der persönlichen Schilderung des Klägers bestätigt, dass das Gespräch am 18.11.2002 erst nach Aushändigung der Kündigung stattfand.

Im Ergebnis kann deshalb weder festgestellt werden, dass die Beklagte dem Kläger als Ergebnis der Gespräche vor Ausspruch der Kündigung konkrete Bedingungen für eine Weiterbeschäftigung in H. genannt und ihm die Möglichkeit einer Annahme unter Vorbehalt eingeräumt hat noch hat sie damit den Hinweis verbunden, die Nichtannahme eines solchen Angebots werde die Beendigungskündigung nach sich ziehen. Der Kläger konnte folglich ein diesen Anforderungen entsprechendes Angebot auch nicht vorbehaltlos und endgültig ablehnen.

II.

Die Berufung war deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Es bestehen keine Gründe zur Zulassung der Revision.

Ende der Entscheidung

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