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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 28.01.2003
Aktenzeichen: 5 Ta 507/02
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 4 Satz 1 | |
KSchG § 5 Abs. 1 | |
KSchG § 5 Abs. 3 Satz 1 |
2. Ist durch eine (verspätete) Erhebung der Kündigungsschutzklage hingegen ein Prozessrechtsverhältnis begründet, muss sich der Arbeitnehmer die anschließende schuldhafte Versäumung der zweiwöchigen Frist für den Antrag auf nachträgliche Zulassung durch seinen Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. § 85 Abs. 2 ZPO findet in diesem Fall Anwendung, weil es sich bei der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 auch um eine prozessuale Frist handelt.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen Beschluss
In Sachen
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen durch ihren Vorsitzenden Dr. Kiel am 28.01.2003 ohne mündliche Verhandlung beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 27.11.2002 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 25.10.2002 - 1 Ca 409/02 - wird zurückgewiesen.
Der Wert des Beschlusses wird auf 2.454,20 € festgesetzt.
Gründe:
I. Die Parteien streiten um die nachträgliche Zulassung einer verspätet erhobenen Kündigungsschutzklage.
Der Kläger war bei der Beklagten zu 1) und deren Rechtsvorgänger, dem Beklagten zu 2) seit dem 05.03.2001 zunächst als EDV-Techniker und dann als Kraftfahrer beschäftigt, zuletzt zu einem Bruttomonatseinkommen von 1.636,13 €. Die Beklagte zu 1) beschäftigte ständig mehr als 5 Arbeitnehmer. Mit Schreiben vom 28.06.2002, das der Kläger am 29.06.2002 erhielt, kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos.
Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage vom 19.07.2002, die am 23.07.2002 beim Arbeitsgericht eingegangen ist. Mit der Ladung zum Gütetermin, die ausweislich des Kanzleistempels am 29.07.2002 abgeschickt worden ist, wurde seinen Prozessbevollmächtigten der Zugang der Klage mitgeteilt.
Mit Beschluss vom 02.09.2002 wies das Arbeitsgericht daraufhin, dass die Kündigungsschutzklage verspätet zugegangen ist. Dieser Umstand wurde im Beisein des Klägers in der Güteverhandlung vom 03.09.2002 erörtert.
Mit Schriftsatz vom 10.09.2002 beantragte der Kläger durch anwaltlichen Schriftsatz, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen. Der Kläger versichert folgenden Sachverhalt anwaltlich bzw. unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen:
Er - der Kläger - sei am 12.07.2002 bei seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten gewesen, um sich dort hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung beraten zu lassen. Mit seiner Prozessbevollmächtigten, die zur Kündigungsschutzklage geraten habe, sei er übereingekommen, sich zunächst selbst um eine einvernehmliche Regelung zu bemühen. Nachdem diese nicht rechtzeitig erzielt werden konnte, habe er seine Prozessbevollmächtigte per Telefax am 17.07.2002 beauftragt, Kündigungsschutzklage einzureichen. Daraufhin sei die Klage von ihr diktiert und mit einem Aufkleber "Fristablauf 22.07.2002" versehen worden, auf dem weiterhin vermerkt worden sei, dass die Klage spätestens am 19.07.2002 geschrieben und abgeschickt werden solle (insoweit: anwaltliche Versicherung durch Frau Rechtsanwältin G).
Die Mitarbeiterin M habe das Diktat am 19.07.2002 geschrieben, um 10.38 Uhr gespeichert, unmittelbar danach ausgedruckt, Abschriften gefertigt und in die Unterschriftenmappe der Prozessbevollmächtigten gelegt (insoweit: eidesstattliche Versicherung der Angestellten Frau M).
Die weitere Mitarbeiterin L habe zum Büroschluss am Freitag um 1 6.00 Uhr sämtliche Unterschriftsmappen kontrolliert und dafür Sorge getragen, dass alle Schriftsätze unterschrieben worden seien. Sodann habe sie die im Postausgangskorb befindliche Post an diesem Tag kuvertiert, frankiert und um 16.15 Uhr in einen Briefkasten geworfen, dessen Leerung um 16.45 Uhr stattfinde. Auf dem Briefkasten sei ein Vermerk der Post angebracht, dass die während der Tagesleerung eingeworfene Post im Regelfall am nächsten Zustellungstag bundesweit beim Empfänger sei (insoweit: eidesstattliche Versicherung der Angestellten Frau D).
Der Kläger meint, er habe alles Erforderliche unternommen, um die Klage rechtzeitig anzubringen. Unter Beachtung der regelmäßigen Brieflaufzeiten wäre die Klage rechtzeitig am 20.07.2002 beim Arbeitsgericht eingegangen. Störungen im Postverkehr könnten ihm nicht zum Nachteil gereichen. Jedenfalls liege kein Verschulden des Klägers an der Versäumung der Klagefrist vor. Der Kläger habe sich fristgemäß an eine "geeignete Stelle" gewandt, nämlich an seine nunmehr prozessbevollmächtigte Rechtsanwältin.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage als unzulässig zurückgewiesen, weil die Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht gewahrt sei. Das Arbeitsgericht hat den Standpunkt eingenommen, die verspätete Kündigungsschutzklage sei nicht zuzulassen, weil das Verschulden der Prozessbevollmächtigten bei der Versäumung der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen sei. Selbst wenn man insoweit anderer Auffassung sei und die Frist des § 4 Satz 1 KSchG als materiell rechtliche Frist ansehe, so handele es sich bei der Frist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG um eine prozessuale Frist. Diese Frist habe der Kläger versäumt. Die Prozessbevollmächtigten hätten im Rahmen der Ladung zum Gütetermin Mitteilung des Klageeingangs erhalten, den verspäteten Zugang der Klage bereits zu diesem Zeitpunkt feststellen und nachträgliche Zulassung beantragen müssen.
Der Beschluss ist dem Kläger am 13.11.2002 zugestellt worden.
Gegen diese Auffassung wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde vom 27.11.2002, die er mit der Ansicht begründet, auch bei § 5 Abs. 3 KSchG handele es sich um eine materielle Frist, auf die die prozessuale Zurechnungsnorm des § 85 Abs. 2 ZPO nicht anzuwenden sei. Die vom Arbeitsgericht vertretene Gegenauffassung würde den Zugang zu den Gerichten in unzumutbarer Weise erschweren, ohne dass hierfür ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers bestehe.
Die Beklagte verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die frist- und formgerecht eingelegt und insgesamt zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
1. Die unter Datum vom 19.07.2002 erstellte Kündigungsschutzklage ist am 23.07.2002 und damit einen Tag nach Ablauf der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG beim Arbeitsgericht eingegangen. Die angegriffene Kündigung ist am 29.06.2002 zugegangen.
2. Der Antrag des Klägers vom 10.09.2002 auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist nach § 5 KSchG unbegründet.
a) Die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage setzt nach § 5 Abs. 1 KSchG voraus, dass der Arbeitnehmer trotz aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert gewesen ist, die Klage innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist (§ 4 Satz 1 KSchG), die mit Zugang (§ 130 BGB) der Kündigungserklärung zu laufen beginnt, zu erheben. Den Arbeitnehmer darf kein Verschulden an der Fristversäumung treffen, wobei schon leichte Fahrlässigkeit die nachträgliche Zulassung ausschließt (Berkowsky, Betriebsbedingte Kündigung § 22 Rn. 87; von Hoyningen-Huene/Linck § 5 Rn. 2; ErfK/Ascheid § 5 Rn. 2; KR/Friedrich § 5 KSchG Rn. 10 ff.).
Es ist äußerst umstritten, ob sich ein Arbeitnehmer dabei das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG zurechnen lassen muss (vgl. zum Meinungsspektrum die umfangreiche Übersicht bei APS/Ascheid § 5 KSchG Rn. 27). Das Gericht hält an seiner Auffassung fest, dass Vertreterverschulden dem Arbeitnehmer insoweit nicht zuzurechnen ist.
aa) Mit der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts wird die Frist des § 4 Satz 1 Satz zwar verbreitet als prozessuale Frist angesehen (vgl. Thüringer LAG 30.11.2000 - 5 Sa 1310/97 -LAGE § 5 KSchG Nr. 103). Konsequenz dieser Auffassung ist, dass sich ein Kläger nach § 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 166 Abs. 1 BGB das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der nicht rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage zurechnen lassen muss. Diese Ansicht wird im Kern damit begründet, dass mit Klageauftrag Prozessrecht gelte und damit § 85 Abs. 2 ZPO direkt oder entsprechend anzuwenden sei. Durch diese Vorschrift solle verhindert werden, dass sich das Prozessrisiko zu Lasten des Gegners durch Einschaltung eines Prozessbevollmächtigten vergrößere. Ansonsten würden die prozessualen Vorschriften, die Nachteile an ein Verschulden knüpften, weitgehend leerlaufen. Eben dies trete ein, wenn man § 85 Abs. 2 ZPO auf die Frist nach §§ 4 Satz 1, 5 Abs. 1 KSchG nicht anwende. Zur Exkulpation würde es genügen, einen ordentlichen Anwalt ausgesucht zu haben (LAG Thüringen aaO).
Demgegenüber wendet die auch von der 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts vertretene Gegenauffassung § 85 Abs. 2 ZPO, wonach das Verschulden des Bevollmächtigtem dem Verschulden der Partei in Bezug auf die Wirkung von Prozesshandlungen gleichsteht, weder direkt noch entsprechend auf die Dreiwochenfrist nach § 4 Satz 1 KSchG an. Im Beschluss vom 27.07.2000 (5 Ta 799/99 - LAGE § 5 KSchG Nr. 98), auf dessen ausführliche rechtliche Erwägungen Bezug genommen wird, ist das Gericht davon ausgegangen, dass die unmittelbare Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO ein Prozessrechtsverhältnis voraussetzt, an dem es vor Klageerhebung gerade fehlt. Angesichts des § 7 KSchG sprechen die besseren Gründe für eine materielle Frist. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn auch eine analoge Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO scheidet aus. Mit der zutreffenden allgemeinen Erwägung, dass jeder, der sich am Rechtsverkehr beteiligt, für Personen einzustehen hat, die erkennbar sein Vertäuen genießen, lässt sich zwar eine Lücke im System der gesetzlichen Zurechung aufzeigen, nicht aber deren Planwidrigkeit in § 85 Abs. 2 ZPO begründen. Diese Vorschrift ist nach dem unzweifelhaften Willen des Gesetzgebers ausschließlich im Rahmen eines Prozessverhältnisses anzuwenden.
§ 5 Abs. 1 KSchG andererseits enthält eine abschließende Regelung. Die Vorschrift verlangt nur, dass der Arbeitnehmer an einer Erhebung der Kündigungsschutzklage trotz aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt gehindert sein muss. Der Arbeitnehmer muss sich nach dem Normzweck um seine Angelegenheiten kümmern und kann sich beispielsweise nicht auf fehlende Rechtskenntnisse berufen. Versäumnisse sind ihm hier von Nachteil. Hat sich der Arbeitnehmer jedoch an eine "geeignete Stelle" gewandt, wozu zweifelsohne Rechtsanwälte zählen, so hat er nach dem Gesetz das seinerseits Erforderliche getan. Dann besteht kein Grund, ihm das Verschulden eines Prozessbevollmächtigten für eine verspätete Kündigungsschutzklage zuzurechnen, zumal anderenfalls Wertungswidersprüche entstünden, auf die Friedrich (KR 6. Aufl. § 5 KSchG Rn. 70 mwN) zutreffend hingewiesen hat. Wird ein Arbeitnehmer vom Anwalt innerhalb der 3-Wochenfrist falsch beraten, so ist nachträgliche Zulassung zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer keinen Klageauftrag erteilt und selbst verspätet Klage erhoben hat. Erteilt der Arbeitnehmer das Mandat, soll hingegen nachträgliche Zulassung gewährt werden. Somit würde ein Arbeitnehmer, der sich sofort um die Abwehr der Kündigung kümmert, schlechter gestellt als derjenige, der sich zunächst mit dem (falschen) Rat begnügt.
Schließlich führen auch die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu keinem anderen Ergebnis. Für den Arbeitgeber wird kein Vertrauenstatbestand begründet. Wegen der Möglichkeit nachträglicher Zulassung der Kündigungsschutzklage kann er sich für einen Zeitraum bis zu 6 Monaten ohnehin nicht darauf verlassen, dass eine Klage nicht nachträglich zugelassen wird, § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG (vgl. APS/Ascheid § 5 KSchG Rn. 28).
bb) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze kommt es nicht darauf an, ob die Prozessbevollmächtigten des Klägers die nach Lage der Umstände gebührende Sorgfalt haben walten lassen, als sie darauf vertraut haben, dass die am Freitag Nachmittag abgeschickte Klage (19.02.2002) am darauffolgenden Montag (22.07.2002) rechtzeitig vor Fristablauf zugehen würde, ohne die Klage entweder parallel mit Telefax zu übermitteln oder sich über den fristgemäßen Zugang zu erkundigen. Entscheidend ist nach der hier vertretenen Rechtsauffassung allein, dass der Kläger seinerseits alles Erforderliche getan hat, als er seine Prozessbevollmächtigte per Telefax am 17.07.2002 beauftragt hat, Kündigungsschutzklage einzureichen. Er hat sich bereits zuvor von ihr beraten lassen und rechtzeitig vor Fristablauf den Klageauftrag erteilt, nachdem sich abzeichnete, dass sich die zunächst angestrebte Vergleichslösung kurzfristig nicht erzielen ließ.
b) Der Kläger muss sich aber das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO entgegenhalten lassen, soweit die zweiwöchige Frist zur Einreichung des Antrags auf nachträgliche Klagezulassung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG versäumt worden ist.
aa) Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist der Zulassungsantrag nur innerhalb von zwei Wochen nach "Behebung des Hindernisses" zulässig. Die Zweiwochenfrist wird nicht erst durch die positive Kenntnis von der Versäumung der Klagefrist in Lauf gesetzt, sondern bereits ausgelöst, wenn der Arbeitnehmer aufgrund konkreter Anhaltspunkte bei gehöriger Sorgfalt erkennen musste, dass die Frist möglicherweise versäumt ist (LAG Hamm 4.11.1996 - 12 Ta 105/96 - LAGE KSchG 1969 § 5 Nr. 81; APS/Ascheid § 5 Rn. 80). Hat der Arbeitnehmer die Klage an sich rechtzeitig zur Post gegeben, beginnt die Antragsfrist, wenn er von dem verspäteten Eingang bei Gericht erfährt. Hat er die Klage so spät zur Post gegeben, dass eine Verspätung nicht auszuschließen ist, beginnt die Frist, wenn der Arbeitnehmer bei gehöriger Sorgfalt von der Verspätung hätte erfahren können. Ihn trifft dann eine Erkundigungspflicht über den rechtzeitigen Eingang der Klage bei Gericht (APS/Ascheid § 5 KSchG Rn. 84; KR/Friedrich § 5 KSchG Rn. 118).
Ob sich ein Arbeitnehmer insoweit das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Frist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG über eine (entsprechende) Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, ist gleichfalls umstritten (vgl. APS/Ascheid § 5 KSchG Rn. 83). Die Erwägungen, die eine solchen Zurechung bezüglich der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG entgegenstehen, führen nicht zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass sich ein Arbeitnehmer den schuldhaft verspäteten Antrag durch seine Prozessbevollmächtigten auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht zurechnen lassen muss (differenzierend etwa LAG Hamm - 8 Ta 95/87 - LAGE § 5 KSchG Nr. 31. Eine Zurechnung des Vertreterverschuldens findet vielmehr jedenfalls dann statt, wenn Kündigungsschutzklage bereits erhoben und ein Prozessverhältnis bereits begründet worden ist und sich erst im Verlaufe des Prozesses die Versäumung der Frist nach § 4 Satz 1 KSchG herausstellt. Bei der Zweiwochenfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG handelt es sich nämlich auch um eine prozessuale Frist (z.B. Sächsisches LAG 05.10.2000 - 2 Ta 235/00 - LAGE § 5 KSchG Nr. 101; LAG Hamm 24.09.1987 ebenda).
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Zweiwochenfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG durch den am 10.09.2002 eingegangenen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht gewahrt.
Zwar hat das Arbeitsgericht erstmals mit Beschluss vom 02.09.2002 auf den verspäteten Eingang der Kündigungsschutzklage hingewiesen und der Kläger selbst erst in der Güteverhandlung am 03.09.1992 von der Verspätung erfahren. Darauf kommt es aber nicht an. Maßgebend ist, wann die Prozessbevollmächtigten des Klägers bei gehöriger Sorgfalt von der Klagefristversäumung Kenntnis erlangt hätten. Die Kündigungsschutzklage ist bereits am 23.07.2002 erhoben und den Beklagten am 31.07.2002 zugestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt hat bereits ein Prozessrechtsverhältnis bestanden mit der Konsequenz, dass die Zurechnungsnorm des § 85 Abs. 2 ZPO anwendbar ist.
Ob die Prozessbevollmächtigten des Klägers ohne weitere Kontrolle darauf vertrauen durften, dass die Kündigungsschutzklage auf dem einfachen Postweg rechtzeitig eingeht, kann auch insoweit dahinstehen. Auch wenn es durchaus üblich war und wegen des am Briefkasten angebrachten Aufklebers auch als wahrscheinlich angesehen werden konnte, dass der am Freitag, dem 19.07.2002 vor Leerung des Briefkastens um 16.45 Uhr eingeworfene Schriftsatz am darauffolgendem Montag beim Arbeitsgericht zugeht, konnte angesichts des dazwischenliegenden Wochenende ein verspäteter Zugang zumindest nicht ausgeschlossen werden. Bei einer Erkundigung am 23.07.2002 hätten die Prozessbevollmächtigten des Klägers vom Arbeitsgericht erfahren, dass die Klage nicht rechtzeitig zugegangen ist und binnen zwei Wochen einen Antrag nach § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG stellen können.
Jedenfalls aber hätten die Prozessbevollmächtigten den Zugang der Klage bei dieser Sachlage kontrollieren müssen, nachdem die Ladung vom 29.07.2002 zur Güteverhandlung eingegangen ist, auf der das Datum des Klageeingangs bei Gericht mitgeteilt worden ist. Vom Zeitpunkt dieser Kenntnis an (31.07.2002) hätten sie binnen zwei Wochen den Antrag auf nachträgliche Zulassung stellen müssen. Der am 10.09.2002 gestellte Antrag wahrt die Frist in keinem Fall.
3. Als Wert des Beschlusses hat das Gericht 1 1/2 Bruttomonatsverdienste (1/2 des Wertes nach § 12 VII ArbGG) als angemessen erachtet, weil es sich bei der Frage der nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage nur um eine Vorfrage im Kündigungsschutzprozess handelt.
Der Beschluss ist unanfechtbar. Nach Auffassung des BAG ist nach der zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Änderung des Beschwerderechts (§§ 567 ff ZPO, § 78 ArbGG nF) die Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Verfahren der nachträglichen Zulassung einer Kündigungsschutzklage nach 5 KSchG nicht statthaft (BAG 20.08.2002 - 2 AZB 16/02). Das Beschwerdegericht schließt sich dieser Auffassung in Ermangelung neuer Argumente an.
Ende der Entscheidung
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