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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 10.02.2003
Aktenzeichen: 8 Sa 853/02
Rechtsgebiete: RVO
Vorschriften:
RVO § 173 b Abs. 2 |
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 10.02.2003
In dem Rechtsstreit
hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 10.02.2003 durch die Richterin am Arbeitsgericht Bittens als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter Dr. Jaschke und Junge
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgericht Hannover vom 18.4.2002 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Streitwert wird auf 12.614.40 € festgesetzt.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht durch die Beklagte.
Die Klägerin war von 1964 bis 1969 angestellte Lehrerin im Schuldienst in. Von Herbst 1969 bis August 1971 war die Klägerin als Lehrerin in tätig und hatte sich auf ihren Antrag hin von der Versicherungspflicht befreien lassen. Das Beschäftigungsverhältnis wurde von der Klägerin gekündigt. Anschließend war die Klägerin bei ihrem Mann mitversichert bis zum 9. Februar 1972. Danach übernahm die Klägerin die private Krankenversicherung. Seit dem 1. August 1972 arbeitet die Klägerin im Schuldienst.
Mit Schreiben vom 4. Januar 1973 teilte der Regierungspräsident in der Klägerin mit, dass die Klägerin wegen Erhöhung der Jahresverdienstgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem 1. Januar 1973 der Krankenversicherungspflicht unterliege. Auf der Seite zwei des Schreibens vermerkte er folgenden Zusatz für Mitglieder bei privaten Krankenversicherungsunternehmen:
Wegen der beihilferechtlichen Auswirkungen, die die Ausweitung der Krankenversicherungspflicht mit sich bringt, mache ich darauf aufmerksam, dass Angestellte, die bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen unter den in § 405 RVO bezeichneten Voraussetzungen versichert sind, die Möglichkeit haben, sich nach § 173 b Abs. 1 RVO auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Ein entsprechender Antrag wäre von ihnen innerhalb eines Monats nach Eintritt der Versicherungspflicht, mithin bis zum 31. Januar 1973, bei der o.a. Krankenkasse zu stellen. Die Befreiung wirkt vom Beginn der Krankenversicherungspflicht an und kann nicht widerrufen werden. .........
Angestellte, die bei einem privaten Versicherungsunternehmen versichert sind und wegen der Erhöhung der Jahresarbeitsverdienstgrenze am 1. Januar 1973 versicherungspflichtig werden, können - falls sie die private Krankenversicherung aufgeben wollen - gemäß § 173 b Abs. 2 RVO den Versicherungsvertrag ohne Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist zum Ende des Monats kündigen, in dem sie den Eintritt der Versicherungspflicht nachweisen.
Daraufhin stellte die Klägerin den Antrag, weiterhin in der privaten Krankenversicherung bleiben zu können, d. h. auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Einen Beitragszuschuss hat die Klägerin beim nicht beantragt. Bei einer entsprechenden Beantragung hätte sich der Beihilfesatz von 50 Prozent auf 25 Prozent reduziert.
Die private Krankenversicherung kostet die Klägerin für die weil ab dem Beginn der Rentenzeit 700,- € monatlich, wohingegen die gesetzliche Krankenversicherung für Rentner lediglich 85.- € monatlich und die Zusatzversicherung für besondere Leistungen 177.- € monatlich kosten würde. Eine Aufnahme der Klägerin in die gesetzliche Krankenversicherung für Rentner ist nicht mehr möglich.
Die Klägerin hat zur Klagebegründung vorgetragen, dass das sie über die Folgen einer Krankenversicherungspflicht im Ruhestandsverhältnis und über den Wegfall des Beihilfeanspruchs rechtzeitig habe unterrichten müssen, so dass sie ihre Entscheidung sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen hätte davon abhängig machen können. Die Klägerin hat beantragt
1. Das zu verpflichten, der Klägerin nach Eintritt in den Rentenstand Beihilfe in sinngemäßer Anwendung der für die Beamten des jeweils geltenden Beihilfevorschriften zu gewähren.
2. hilfsweise das zu verpflichten, der Klägerin nach Eintritt in den Rentenstand den Differenzbetrag zwischen den Kosten einer privaten Krankenversicherung bei der DVK unter Berücksichtigung der Beihilfegewährung von 30 Prozent und den Kosten eines vergleichbaren Versicherungsschutzes zu 100 Prozent zu gewähren,
3. hilfsweise das zu verpflichten, der Klägerin nach Eintritt in den Rentenstand einen Beitragszuschuss im Sinne des § 257 SGB V zu zahlen.
Das hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Hannover hat durch Urteil vom 18. April 2002 die Klage voll umfänglich abgewiesen. Es hat eine Schadensersatzpflicht des verneint. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 83 - 87 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 4. Juni 2002 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 18. Juni 2002 eingereichten und 4. September 2002 (nach Fristverlängerung) begründeten Berufung.
Die Klägerin meint,
die Schadensersatzverpflichtung des ergebe sich daraus, dass die Beratung durch die unvollständig gewesen sei. obwohl das Schreiben vom 4. Januar 1973 vermeintlich umfassend über den Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung informiert habe. Bei der Klägerin habe so der Eindruck entstehen müssen, dass das sie über alle relevanten Fragen bezüglich des Verbleibs in der privaten Krankenversicherung informiert habe.
Die Klägerin habe davon ausgehen können, das sie beihilferechtlich einer Beamtin gleichgestellt sein würde. Es sei ein Hinweis erforderlich gewesen, dass sich die Klägerin über die Folgen des Verbleibs in der privaten Krankenversicherung zu informieren hätte. Wenn sie richtig beraten worden wäre, hätte sie keinen Befreiungsantrag gestellt, wäre in die gewechselt und hätte eine private Zusatzversorgung abgeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 18. April 2002 - 10 Ca 548/01 Ö - wird abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass das verpflichtet ist. der Klägerin nach Eintritt in den Rentenstand die Kosten ihrer bei der bestehenden privaten Krankenversicherung zu erstatten abzüglich eines auf die Klägerin fiktiv entfallenden Beitragsanteils zur Krankenversicherung der Rentner und abzüglich der Kosten einer privaten Zusatzversicherung für den stationären Bereich.
Das beantragt.
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Das verteidigt das ersteinstanzliche Urteil und meint:
Es habe keine besondere Aufklärungspflicht bestanden. Die Klägerin habe darüber hinaus drei Jahrzehnte in erheblichem Umfang Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung erspart.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft und zulässig: sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO i.V. mit § 26 EGZPO).
Die Berufung ist unbegründet.
1. Der erstmals in dieser Form in der Berufungsinstanz gestellte Feststellungsantrag ist zulässig gemäß § 256 ZPO.
Gemäß dieser Norm kann Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses erheben, der ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung hat. Eine solche Klage kann auch einzelne Ansprüche aus einem Rechtsverhältnis betreffen und für den Fall nach Erlöschen des Rechtsverhältnisses geführt werden, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben (BAG, Urt. vom 21. Sept. 1993, 9 AZR 580/90. AP Nr. 22 zu § 256 ZPO 1977).
Auf der Grundlage dieses Beurteilungsmaßstabes hat die Klägerin ein Interesse an der Feststellung der Schadensersatzpflicht des da ein Wechsel von der Angestelltenfunktion in die Position einer Rentnerin unmittelbar bevorsteht. Es ist auch anzunehmen, dass das aufgrund einer verurteilenden Feststellungsklage einen Schadensersatzausgleich leistet.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen das wegen Verletzung der Aufklärungs- und Hinweispflicht aus positiver Forderungsverletzung (p.F.V.) auf Ersatz eines ihr entstandenen Schadens.
Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass der Arbeitgeber die jedem Arbeitsverhältnis innewohnende Nebenpflicht verletzt hat, die in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interesse (auch Vermögensinteressen) seines Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung seiner Belange und der des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (BAG, Urt. vom 21.Nov.2000, 3 AZR 13/00, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Auskunft).
Eine solche Pflichtverletzung liegt z.B. vor wenn der Arbeitgeber eine unrichtige Auskunft über die Höhe der Zusatzversorgungsansprüche gibt (BAG. Urt. vom 21.Nov. 2000. a.a.O.).
Bei der Beurteilung, welchen Umfang die Hinweis- und Aufklärungspflichten des Arbeitsgebers haben, sind die Interessen gegeneinander abzuwägen. Hierbei können den Arbeitgeber gestiegene Hinweispflichten dann treffen, wenn ein Aufhebungsvertrag auf seine Initiative hin und in seinem Interesse zustande kommt (BAG. Urt. vom 17. Okt. 2000. 3 AZR 605/99. AP Nr. 116 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht m.w.N.). Dies insbesondere deshalb, weil der Arbeitgeber durch das Angebot den Eindruck erwecken kann, er werde auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne ausreichende Aufklärung erheblichen, atypischen Versorgungsrisiken aussetzen (BAG. Urt. Vom 3. Juli 1990, 3 AZR 382/89. AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG).
Auf der Grundlage dieses Beurteilungsmaßstabes stellt das Schreiben des beklagten Landes vom 4. Januar 1973. welches die Klägerin zu ihrem Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht veranlasst hat. keine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht dar.
a) Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Kausalität zwischen dem Schreiben vom 4. Januar 1973 und dem behaupteten Sehaden überhaupt gegeben ist, da die Klägerin bereits in der Zeit in Baden-Württemberg auf ihren Antrag hin von der Versicherungspflicht befreit war. In diesem Fall könnte wegen der Unwiderruflichkeit der einmal abgegebenen Erklärung zur Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherung bereits damals eine endgültige Festlegung erfolgt sein (insofern offen gelassen bei der Entscheidung des Bundessozialgerichts, Urteil vom 8. Dez. 1999. B 12 KR 12, 99 R. BSGE 85. 208 - 214).
b) Denn das hat die Hinweis- und Aufklärungspflicht durch die Abfassung des Schreiben vom 4. Januar 1973 nicht verletzt. Es hat auf der ersten Seite lediglich die tatsächliche Situation nach der Erhöhung der Jahresarbeitsverdienstgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung mitgeteilt.
Hierzu hat es die für die Klägerin sich ergebende Veränderung an hand der einschlägigen damals gültigen Vorschriften der RVO erläutert. Auch die Seite 2 des Schreiben mit dem Zusatz für Mitglieder bei privaten Krankenversicherungsunternehmen" läßt keine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht durch den Regierungspräsidenten in erkennen.
Vielmehr ist zu Recht auf die beihilferechtlichen Auswirkungen und die Möglichkeit, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen hingewiesen worden. Dieser Hinweis ist auch nicht zu beanstanden. Er entspricht den Tatsachen.
Auch die anschließende Schilderung der formellen Antragserfordernisse ergänzt den Hinweis lediglich. Darüber hinaus hat das berechtigt zur Vervollständigung des Hinweises auf die ünwiderruflichkeit der Befreiung von der Krankenversicherungspflicht verwiesen. Die Auskunft ist auch ausreichend. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin bereits in auf ihren Antrag hin von der Versicherungspflicht befreit war und es sich deshalb um eine wiederholte Antragstellung handelte.
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass die Beratung des unvollständig sei, so kann die Kammer angesichts der Ausführlichkeit des Hinweises einen solchen Mangel nicht feststellen, denn das hat zur Ergänzung im letzten Absatz auch noch die Alternativmöglichkeit der Kündigung der privaten Krankenversicherung aufgezeigt.
Soweit die Klägerin meint, dass für sie der Eindruck entstanden sei, dass das sie über alle relevanten Fragen des Verbleibs in der privaten Versicherung informiert habe, so erkennt sie den bloßen Informationcharakter dieses Schreibens. Denn das hat der Klägerin das Schreiben nicht aus eigenem Interesse an einer rechtsgestaltenden Erklärung der Klägerin geschickt, sondern sie nur als Folge der Erhöhung der Jahresarbeitsverdienst-grenze über die alternativen Möglichkeiten der Reaktion durch die Klägerin informiert.
Anders als in der Entscheidung des BAG zur Frage des vom Arbeitgeber veranlaßten Aufhebungsvertrages und den damit gesteigerten Anforderungen an den Umfang und die Intensität der Aufklärungspflicht. handelt es sich im vorliegenden Fall um eine das nur am Rande betreffende Entscheidung der Klägerin, die diese ohnehin wegen der gesetzlichen Änderungen zu treffen hatte. Insoweit fehlt es schon an einer Initiative des an einer Vertragsgestaltung.
c) Soweit die Klägerin meint, sie habe davon ausgehen können, dass sie beihilferechtlich einer Beamtin gleichgestellt sein würde, so ergibt sich hierfür aus dem Schreiben vom 4. Januar 1973 kein Anhaltspunkt. Das hat mit keinem Wort auf die Gleichstellung der Klägerin mit einer Beamtin auch für den Beginn des Rentenfalles hingewiesen. Weiterer Sachvortrag dazu, woraus sich eine solche Gleichstellung ergeben soll, ist von der Klägerin nicht erfolgt.
d) Auch soweit die Klägerin meint, dass ein Hinweis durch das erforderlich gewesen sei, dass sie sich über die Folgen des Verbleibs in der privaten Krankenversicherung zu informieren hätte, so stellt ein Unterbleiben eines entsprechend! Hinweises keine Pflichtverletzung dar. Denn es ist grundsätzlich Sache jeder Vertragspartei, sich über die Konsequenzen einer abzugebenden Willenserklärung durch Einholung von möglichst breitgefächerten Informationen vorher Klarheit zu verschaffen. Die Hinweise des beklagten Landes haben hierzu die ersten Anregungen gegeben, ohne den Eindruck von Vollständigkeit zu vermitteln und damit auch die Interessen der Klägerin ausreichend gewahrt.
Auch die Gesamtschau der von der Klägerin genannten Gründe ergibt keinen Anlass eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht anzunehmen.
Die Berufung war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Gründe, die Revision zuzulassen liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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