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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 20.01.2005
Aktenzeichen: 10 Ta 258/04
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 5 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 569 Abs. 1
ArbGG § 9 Abs. 5 Satz 3
ArbGG § 9 Abs. 5 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Ta 258/04

Verkündet am: 20.01.2005

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 21.09.2004, AZ: 5 Ca 329/04, wie folgt abgeändert:

Die Kündigungsschutzklage wird nachträglich zugelassen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.100,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Kläger war seit dem 17.05.1992 bei der Beklagten als Stanzmesserbieger beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.03.2004, welches dem Kläger noch am selben Tag zuging. Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger unter dem Datum vom 16.04.2004 verfasste, am 21.04.2004 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage. Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.05.2004, welcher dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 13.05.2004 zuging, die Nichteinhaltung der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG gerügt hatte, hat der Kläger am 25.05.2004 die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragt.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21.09.2004 den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen. Gegen diesen, ihm am 27.10.2004 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 19.11.2004 sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie der Prozessgeschichte im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1.

Die nach § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig.

Zwar ist die sofortige Beschwerde nicht innerhalb der in § 569 Abs. 1 ZPO normierten Notfrist von 2 Wochen eingelegt worden. Hinsichtlich dieser Frist enthält der angefochtene Beschluss indessen eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung, soweit dort ausgeführt ist, dass der Kläger die sofortige Beschwerde "innerhalb einer Frist von einem Monat" einlegen könne. Dies hat nach § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG zur Folge, dass die gesetzlich an sich vorgeschriebene Einlegungsfrist nicht begonnen hat. Die in diesem Fall nach § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG einzuhaltende Jahresfrist ist im Streitfall gewahrt.

2.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Die Kündigungsschutzklage war nachträglich zuzulassen, da der Kläger trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben (§ 5 Satz 1 KSchG).

Den Kläger selbst trifft an der Fristversäumung zweifellos keinerlei Verschulden. Aber auch ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten ist nicht gegeben.

Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass seine Prozessbevollmächtigten alles Erforderliche getan bzw. veranlasst hatten, um einen fristgerechten Eingang der Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht herbeizuführen. Eine Sorgfaltspflichtverletzung oder ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist nicht gegeben.

Der Kläger hat dargetan und durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen auch glaubhaft gemacht, dass der die Kündigungsschutzklage beinhaltende Schriftsatz weisungsgemäß am 19.04.2004 spätestens gegen 12 Uhr kuvertiert und in das Postausgangsfach gelegt wurde. Darüber hinaus bestand nach dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen im Büro der Prozessbevollmächtigten des Klägers die allgemeine Anweisung, dass die im Postausgangsfach liegenden Briefe ohne weitere Zwischenschritte noch am selben Tag frankiert und zur Post gegeben werden. Damit war dem Erfordernis einer ausreichenden Ausgangskontrolle bei fristwahrenden Schriftsätzen genügt (vgl. BGH; EzA § 233 ZPO Nr. 48). Einer speziellen Anweisung, dass die im Ausgangsfach lagernde Post auch im Fall eines Defekts der Frankiermaschine, der im vorliegenden Fall nach den Darlegungen des Klägers u. U. am 19.04.2004 vorlag, auf jeden Fall noch am selben Tag zu versenden ist, bedurfte es nicht. Bei der Auslegung der Vorschriften über die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage dürfen nämlich die Anforderungen an die Sorgfalt eines Prozessbevollmächtigten nicht überspannt werden (vgl. zu § 233 ZPO: BGHZ 151, 227 f. m. w. N. a. d. Rspr. des BVerfG). Die Erteilung spezieller Anweisungen für jede auch nur denkbare, jedoch kaum vorhersehbare Konstellation kann von einem Prozessbevollmächtigten vernünftigerweise nicht verlangt werden.

Als mögliche Ursache dafür, dass die Klageschrift nicht am 20.04.2004 beim Arbeitsgericht einging, kommen somit allein Fehler in der Postbeförderung oder ein Versehen des Büropersonals in Betracht. Für beides wären die Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht verantwortlich.

Falls die mit dem Absenden der Post betraute Angestellte H die kuvertierte Klageschrift entsprechend der ihr erteilten allgemeinen Anweisung noch am 19.04.2004 frankiert und zur Post gebracht hat - wofür nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht -, so beruht die Fristversäumung allein auf einer Überschreitung der normalen Postlaufzeit. Nach dem Inhalt der vom Kläger vorgelegten Auskunft der Deutschen Post AG gehört es nach wie vor zu deren Leistungsangebot, dass ordnungsgemäß frankierte und adressierte Briefsendungen bei normaler Beförderung am 1. Werktag nach ihrer Einlieferung in Deutschland zugestellt werden. Hierauf konnten sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers verlassen (ständige Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, vgl. die Nachweise bei KR-Friedrich, 6. Auflage, § 5 KSchG Rd-Ziffer 21).

Falls die Angestellte H entgegen der ihr erteilten Anweisung - u. U. wegen eines Defekts der Frankiermaschine am 19.04.2004 - die Klageschrift erst am 20.04.2004 zur Post gebracht hat, so beruht dieses Versäumnis ebenfalls nicht auf einem Verschulden der Prozessbevollmächtigten, welches dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet werden könnte. Wie bereits ausgeführt, genügte die von den Prozessbevollmächtigten erteilte Anweisung dem Erfordernis einer ausreichenden Ausgangskontrolle. Der Kläger hat auch glaubhaft gemacht, dass die mit der Erledigung der ausgehenden Post betraute Rechtsanwaltsfachangestellte H sorgfältig ausgewählt und belehrt sowie auf ihre Zulässigkeit hin kontrolliert worden war.

3.

Nach alledem war die Kündigungsschutzklage unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses nachträglich zuzulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde auf § 3 ZPO festgesetzt.

Gegen diese Entscheidung findet kein Rechtsmittel statt (vgl. BAG vom 20.08.2002, AP-Nr. 14 zu § 5 KSchG 1969).

Ende der Entscheidung

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