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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 14.05.2004
Aktenzeichen: 3 Sa 2065/03
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG, InsO


Vorschriften:

ArbGG § 64 II c
ArbGG § 69 II
KSchG § 1
InsO § 80
InsO § 113
InsO § 157
InsO § 160
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 3 Sa 2065/03

Verkündet am: 14.05.2004

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 17.06.03 - Az.: 9 Ca 3222/02 - wird kostenfällig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen eine Kündigung des Beklagten, die er als Insolvenzverwalter des Modehauses V am 26.09.03 zum 31.12.02 ausgesprochen hat.

Die Klägerin war seit 1991 als Verkäuferin in der Filiale M. der Firma Modehaus V gegen ein Gehalt 1.470,00 € im Monat beschäftigt. Am 31.08.02 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Er kündigte ihr das Arbeitsverhältnis am 26.09.02 zum 31.12.02, nachdem er sich zur Schließung der Filialen M. und B. entschlossen hatte. Am 30.09.02 hat auch die Gläubigerversammlung die Schließung dieser Filialen beschlossen.

Tatsächlich wurde die Filiale M. bis 18.01.03 noch betrieben; die tatsächliche Schließung erfolgt zum 31.01.03.

Bereits am 12.09.02 und am 23.09.02 hatte der Beklagte die Mietverhältnisse über die Geschäftsräume in M. und B. gekündigt.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat er keine Einkäufe mehr für die Filialen M. und B. getätigt.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26. 09.2003 nicht aufgelöst worden ist.

Sie verlangt - erstmals im Berufungsverfahren - ferner die Verurteilung der Beklagten, an sie 3.397,00 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Diskontsatz seit dem 01.03.2003 zu zahlen.

Der Zahlungsanspruch setzt sich aus den Gehaltsansprüchen für Januar und Februar 2003 in Höhe von 2.949,82 € sowie einem Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 351,15 € zusammen.

Der Beklagte hat im November 2002 eine weitere Kündigung zum 28.02.02 ausgesprochen, die von der Klägerin nicht angegriffen wird. Im Streit steht deshalb nur der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für die Monate Januar und Februar 2003.

Das Arbeitsgericht Mainz hat durch Urteil vom 17.06.2003 die bis dahin lediglich auf Feststellung gerichtete Klage abgewiesen.

Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin die Anträge,

1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26.09.2002 nicht aufgelöst worden ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3.300,97 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Diskontsatz seit dem 01.03.2003 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Von einer weiter gehenden Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69, II ArbGG abgesehen; insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin hat ihre nach § 64, II c ArbGG an sich statthafte Berufung innerhalb der gesetzlichen Fristen formgerecht eingelegt und begründet. Das damit zwar zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache jedoch erfolglos. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Das erkennende Gericht bezieht sich gem. § 69, II ArbGG uneingeschränkt auf die eingehende Begründung des Arbeitsgerichts und sieht deshalb von einer eigenen Begründung ab.

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren gibt ihm lediglich Anlass zu folgenden, ergänzenden Anmerkungen:

1.

Der Beklagte hat die Kündigung im Rahmen seiner Befugnisse nach § 113 InsO ausgesprochen. Er war nach § 80 InsO in die Arbeitgeberstellung der Gemeinschuldnerin eingerückt. Von der Zustimmung der Gläubigerversammlung war sein Kündigungsrecht nicht abhängig (vgl. nur LAG Köln vom 05.07.2002 - 4 (6) Sa 161/02 - LAGE Nr. 2 zu § 113 InsO).

2.

Der Beklagte hat die Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des § 1, II S. 1 KSchG ausgesprochen; die Kündigung erweist sich deshalb als sozial gerechtfertigt und wirksam.

§ 113 InsO entbindet den Insolvenzverwalter nicht von den Beschränkungen des § 1 KSchG und schafft keinen materiell-rechtlichen Kündigungsgrund (vgl. Busemann/Schäfer, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl. 2002, RZ 395; Hess, InsO, § 113 RZ 148 jeweils m.w.N.).

Hier hat der Beklagte die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Filiale M. zu schließen. Damit ist der Arbeitsplatz der Klägerin weggefallen. Eine Nachprüfung dieser Entscheidung ist nur daraufhin möglich, ob sie willkürlich oder rechtsmissbräuchlich getroffen wurde. Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte.

Das Arbeitsgericht ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass der Entschluss der Beklagten zur Schließung der Filiale in M. ein dringendes, betriebliches Bedürfnis zur Kündigung der Klägerin abgab.

Auf seine eingehenden Ausführungen kann uneingeschränkt Bezug genommen werden.

Dieser Beschluss zur Stilllegung der Filiale hatte auch bereits greifbare Formen angenommen. Bereits im September 2002 hatte der Beklagte die insoweit erforderlichen Maßnahmen getroffen, insbesondere die Mietverhältnisse der Geschäftsräume gekündigt. Auch dass er keine Einkäufe mehr für die Filialen in M. und B. getätigt hatte, belegt seinen endgültigen Entschluss zur Schließung der Filialen.

3.

Soweit der Beklagte im Kündigungsschreiben anklingen lässt, dass eine Entscheidung der Gläubigerversammlung gegen eine Schließung der Filialen unter Umständen sprechen würde, hat er damit ausdrücklich die Kündigung davon nicht abhängig gemacht, sondern lediglich der Klägerin einen Wiedereinstellungsanspruch für den Fall zugesagt, dass die Schließung der Filialen am Widerstand der Gläubigerversammlung scheitern würde. Dazu ist es jedoch nicht gekommen: Am 30.09.02 hat die Gläubigerversammlung die Schließung der Filialen M. und B. beschlossen.

Im Übrigen dürfte auch insoweit der Insolvenzverwalter nicht auf die Zustimmung der Gläubigerversammlung angewiesen gewesen sein; soweit nach § 160 InsO die Zustimmung des Gläubigerausschusses für bestimmte bedeutsame Maßnahmen des Insolvenzverwalters erforderlich ist, galt diese Beschränkung für den Beklagten schon deshalb nicht, weil kein Gläubigerausschuss bestellt war. Auch durch § 157 InsO war der Beklagte nicht an der Schließung der Filialen gehindert; diese Bestimmung betrifft nur die Frage, ob das Unternehmen insgesamt stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll.

Das Arbeitsgericht ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass der Entschluss des Beklagten zur Schließung der Filialen M. und B. auch ohne die Entscheidung der Gläubigerversammlung in ihrer Realisierung kaum zweifelhaft sein konnte.

Zum Zeitpunkt der Kündigung stand der Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin fest; damit war das dringende betriebliche Bedürfnis zu ihrer Kündigung gegeben.

4.

Nach dem Vorbringen der Parteien kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte seine Pflicht zur sozialen Auswahl verletzt hätte. Innerhalb der Filialbetriebe in M. und B. war eine soziale Auswahl nicht erforderlich, da diese Filialen komplett geschlossen wurden. Arbeitsplätze in T. musste der Beklagte wohl schon deshalb nicht in die soziale Auswahl einbeziehen, da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben hat, sie sei mit einer Versetzung nach T. einverstanden. Die soziale Auswahl ist nur unter vergleichbaren Arbeitnehmern vorzunehmen. An der Vergleichbarkeit fehlt es jedoch dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig auf den in Betracht kommenden Arbeitsplatz umsetzen kann, weil dessen Beschäftigung vertraglich auf eine bestimmte Positionen fixiert ist (BAG 17.09.1998 - EZA Nr. 36 zu § 1 KSchG, soziale Auswahl). Angesichts der räumlichen Entfernung zwischen M. und T. ist davon auszugehen, dass es der Beklagten nicht im Rahmen ihres Direktionsrechts möglich gewesen wäre, der Klägerin einen Arbeitsplatz in T. zuzuweisen.

Im Übrigen hat nach § 1 Abs. III, S. 3 KSchG der Arbeitnehmer kündigungsrelevante Mängel der sozialen Auswahl darzulegen und zu beweisen (vgl. Busemann/Schäfer, a.a.O., RZ 604 m.w.N.). Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass es in T. Arbeitsplätze gegeben hätte, die für sie in Frage gekommen wären, und die von sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmern besetzt gewesen wären.

Auch aus dieser Sicht kann die soziale Rechtfertigung der betriebsbedingten Kündigung nicht in Frage gestellt werden.

II.

Das Arbeitsgericht hat nach allem zu Recht die Kündigung für wirksam erachtet und die auf gegenteilige Feststellung gerichtete Klage abgewiesen.

Die im Berufungsverfahren erfolgte Klageerweiterung ist vom Schicksal der Feststellungsklage abhängig und erweist sich damit ebenfalls als unbegründet. Der Klägerin stehen Gehaltsansprüche für die Monate Januar und Februar 2003 nicht zu; ebenso wenig ist ihr in dieser Zeit ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung erwachsen.

Die Kosten ihrer nach allem erfolglosen Berufung hat gem. § 97 ZPO die Klägerin zu tragen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar; zur Zulassung der Revision bestand nach den Kriterien des § 72 ArbGG kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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