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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 212/07
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1 |
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.01.2007 - AZ: 9 Ca 1543/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen. Der Kläger, welcher auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28.05.1997 (Bl. 3-4 d. A.) bei der Beklagten seit 28.05.1997 in der Spedition der Beklagten als Lagerarbeiter beschäftigt ist, ist im Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Kündigung vom 13.07.2006 52 Jahre alt und dem jüngsten seiner vier Kinder neben seiner Frau unterhaltsverpflichtet.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 126-129 d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Urteil vom 30.01.2007 die Klage kostenpflichtig abgewiesen, was im Wesentlichen damit begründet worden ist, dass die Voraussetzungen, die das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung aufstelle, wenn es um die Überprüfung einer personenbedingten Kündigung, welche auf häufigen Kurzerkrankungen beruhe, erfüllt seien. Die Fehlzeiten des Klägers in der Vergangenheit verbunden mit der genannten Diagnose ergebe die Annahme, dass der Kläger auch künftig entsprechende Fehlzeiten aufweisen werde. Diese Indizwirkung werde nicht dadurch ausgeräumt, weil es sich größtenteils nicht um erkennbar chronische Erkrankungen handele und die einzelnen Infekte ausgeheilt seien. Die angegebenen Diagnosen würden die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger eine gewisse allgemeine Anfälligkeit für Erkrankungen aufweise. Auch wenn der Kläger wegen des diagnostizierten Diabetes mellitus seit dem Jahre 2005 nicht mehr erkrankt sei, so könne es deswegen immer wieder zu Fehlzeiten kommen, zumal der Kläger ersichtlich nichts Grundlegendes in seiner Lebensführung geändert habe, was auch für die übrigen Erkrankungen gelte. Auch die langen Ausfallzeiten im Zusammenhang mit Infektionserkrankungen belegten seine erhöhte Anfälligkeit.
Gesichtspunkte, dass die genannten Erkrankungen künftig nicht mehr auftreten würden, habe der Kläger nicht nennen können.
Die Anzahl der Fehlzeiten sei zudem erheblich und habe auch zu einer Beeinträchtigung betrieblicher Interessen geführt, die die Beklagte zum Ausspruch der Kündigung berechtigten. Neben den Lohnfortzahlungen, die einen Zeitraum von 6,5 Jahren bei der Gesamtbeschäftigungsdauer von zehn Jahren ausmachten, sei eine erhebliche Beeinträchtigung zu bejahen. Auch die anzustellende Interessensabwägung gehe zu Lasten des Klägers, weil die Interessen der Beklagten, künftig nicht mehr hohe Lohnfortzahlungskosten aufzubringen, das Interesse des Klägers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes aufgrund seines Lebensalters und der Unterhaltsverpflichtung für die vierzehnjährige Tochter. Das Beschäftigungsverhältnis der Parteien sei lediglich die ersten 2,5 Jahre ungestört verlaufen und die Beschäftigung sei noch nicht von derartig langer Dauer, dass dem Arbeitgeber die hohen Lohnfortzahlungskosten zuzumuten seien.
Auch könne nicht erkannt werden, dass die Verhältnisse am Arbeitsplatz verschiede Erkrankungen des Klägers hervorgerufen haben könnten, zumal die Fehlzeiten des Klägers deutlich über denjenigen der unmittelbaren Mitarbeiter liege.
Das Urteil ist dem Kläger am 19.03.2007 zugestellt worden, woraufhin Berufung am 30.03.2007 eingelegt und innerhalb verlängerter Frist am 20.06.2007 im Wesentlichen damit begründet worden ist, dass die bei der hierzu beurteilenden Kündigung anzustellende Prognose dazu führen muss, um eine Kündigung zu rechtfertigen, dass es aufgrund der häufigen Kurzerkrankungen nicht möglich sei, den Vertragszweck zu erreichen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit seien jedoch nur insoweit bedeutsam, als sie die Gefahr künftiger Erkrankungen indizieren können, wobei alle Erkrankungen der Vergangenheit ebenso außer Betracht zu bleiben hätten, wie offenkundig einmalige Gesundheitsschäden. Der Kläger weise, beginnend ab dem Jahr 2000-2006 Fehltage auf, wie er sie im Schreiben vom 20.06.2007 auf Seite 10 (= Bl. 164 d. A.) unter B. II, 1. am Ende dargestellt habe.
Mit verschiedenen Begriffen wie Entzündungskrankheiten lasse sich weder medizinisch noch juristisch etwas anfangen, da Entzündungen selbst keine Krankheiten seien, sondern die typischen Symptome von Krankheiten.
Insbesondere sei mit fortschreitendem Lebensalter die Anfälligkeit des Menschen gegenüber Krankheiten und sonstigen Störungen gesteigert, weil sich insbesondere die Bildung von B- und T-Lymphozyten verringere. Dieser biologische Vorgang sei auf das Alter des Arbeitnehmers zurückzuführen, weswegen an seiner Mehrzahl von kurzfristigen Erkrankungen bei einem Arbeitnehmer nicht drauf geschlossen werden könne, dass gerade er unter einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit leide und das Alter des Arbeitnehmers kein Grund für eine personenbedingte Kündigung sein könne.
Außerdem könne der Kläger bei manchen Krankheitsursachen seine Lebensführung nicht darauf einstellen, weil sich weder Infektionskrankheiten noch Hypertonie noch Schwindel noch Schmerzkrankheiten wie Kopfschmerzen noch Rückenschmerzen durch entsprechende Operationen behandeln ließen oder aber der Kläger das seinige dazu getan habe, hier eine erhöhte Bewegung als Therapie bei Diabetes mellitus Typ II-Patienten.
Das Arbeitsgericht habe zudem verkannt, dass die Fehltage aus den Jahren 2002, 2003 gegenüber 2000, 2001 erheblich gefallen seien.
Zudem seien im Jahr 2005 und 2006 die sechs Wochen Entgeltfortzahlungszeiträume nicht überschritten.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.01.2007 unter AZ: 9 Ca 1543/06 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.07.2006 nicht zum 31.08.2006 aufgelöst worden ist, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das arbeitsgerichtliche Urteil wird im Westlichen damit verteidigt, dass das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen sei, dass verschiedene Erkrankungen den Schluss auf eine gewissen Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulasse und eine negative Prognose begründe. Es sei nicht auf jede einzelne Erkrankung abzustellen, sondern eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, ob eine überdurchschnittliche hohe Krankheitsanfälligkeit vorliege. Dies habe das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, wobei es gerade für Kurzerkrankungen typisch sei, dass diese naturgemäß ausheilen würden, wobei jedoch die jeweils ausgeheilte Kurzerkrankung die Schlussfolgerung zuließe, dass sie aufgrund einer persönlichen Veranlagung des Arbeitnehmers gehäuft auftreten.
Die Anzahl der Feiertage seien von der Beklagten richtig gerechnet worden, was auch das Arbeitsgericht so festgestellt habe, sodass die Erheblichkeitsschwelle für die Jahre 2000, 2001 und 2004-2006 gegeben seien, weil der Kläger im Jahre 2006 noch im Zeitraum 16.10. bis 08.12.2006 arbeitsunfähig gewesen sei.
Betriebliche Ursachen für die Erkrankungen seien nicht gegeben, wobei die rein pauschale Behauptung des Klägers nicht ausreichend sei, um derartige Mitursachen annehmen zu können.
Zu den hohen Fehlzeiten trete noch hinzu, dass sich betriebliche Schwierigkeiten dadurch ergeben würden, dass der unerwartete Ausfall eines Arbeitnehmers Dispositionsprobleme mit sich bringen würden, weil andere Arbeitnehmer kurzfristig umgesetzt werden müssten.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und nebst der Anlagen, Gegenstand der mündlichen Verhandlungen gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, weil sie form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der eröffneten Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden ist.
In der Sache hat sie jedoch deshalb keinen Erfolg, weil das Arbeitsgericht mit ausführlicher und überzeugender Begründung die Kündigungsschutzklage abgewiesen hat und dabei darauf abstellte, dass der Kläger die sich aus den hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten ergebende negative Zukunftsprognose nicht hinreichend erschüttert hat und auch die übrigen Voraussetzungen, die an die Wirksamkeit einer derart begründeten Kündigung gestellt werden, erfüllt seien.
Das Berufungsgericht folgt den Entscheidungsgründen im angefochtenen Urteil und verweist auf die Ausführung zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen.
Wegen der Berufungsbegründung sei ergänzend auf folgendes hingewiesen:
Nach der vom Arbeitsgericht zu Recht angewendeten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Berufungskammer folgt, ist bei Kündigungen wegen häufiger Kurzerkrankung von dem Maßstab auszugehen, dass auf der ersten Stufe zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich ist, wobei maßgeblich Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit der Kündigung die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung sind.
Die prognostizierten Fehlzeiten können eine krankheitsbedingte Kündigung sozial dann rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, wobei neben Betriebsablaufstörungen auch erhebliche wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers wegen der zu erwartenden, den Zeitraum von sechs Wochen pro Jahr übersteigenden Lohnfortzahlungskosten zählen.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ergibt sich vorliegend, dass die Kündigung aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, der unstreitig auf das Vertragsverhältnis der Parteien Anwendung findet.
Die Fehlzeiten des Klägers indizieren eine negative Gesundheitsprognose, wovon das Arbeitsgericht zu Recht ausgegangen ist, wobei es auch für das Jahr 2005 unter Zugrundelegung der Daten der Beklagtenseite im Schreiben vom 27.10.2006, die auf die Angaben des Klägers im Schreiben vom 04.10.2006 eingehen, zu Recht zugrunde gelegt hat. Die Berechnung im Urteil kann das Berufungsgericht nachvollziehen und macht diese sich zu eigen.
Damit hat der Kläger bis auf die Jahre 2002 und 2003 beginnend ab dem Jahr 2000 Entgeltfortzahlung, die die Sechswochenfrist überschritten haben und dies für einen Zeitraum von 6,5 Jahren des neun Jahre bestehenden Beschäftigungsverhältnisses, erhalten.
Das Argument des Klägers, auch bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen dürften für die Feststellung einer negativen Gesundheitsprognose die Erkrankung nicht mehr herangezogen werden, die als Kurzerkrankung individuell ausgeheilt seien. Wenn man so vorginge, würde es einem Arbeitgeber im Bezug auf einen krankheitsanfälligen Arbeitnehmer, der immer nur kurze Erkrankungszeiten aufweise, unmöglich gemacht werden, eine berechtigte krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankung aussprechen zu können, obgleich er gerade insoweit auch von hohen Entgeltzahlungskosten betroffen ist. Das Typische der Kurzerkrankungen ist es gerade, dass diese naturgemäß in kurzer Zeit ausheilen. Dennoch können auch derartige Erkrankungen, die zwar im Hinblick auf Ihre Ursache nach dem Arbeitsunfähigkeitszeitraum ausgeheilt sind, aufgrund des Diagnosetyps Schlussfolgerungen ermöglichen, dass sie aufgrund einer persönlichen, konstitutionellen Schwäche des Arbeitnehmers derart gehäuft aufgetreten sind, dass sie auch künftig in ähnlichem Umfange auftreten werden. Der Kläger war in den Jahren 2000, 2001 an 16 und 46 Arbeitstagen wegen Kreuzschmerzen arbeitsunfähig erkrankt. Diese sind zwar in der Folgezeit nicht mehr aufgetreten, können aber deshalb als nicht mehr gesundheitsbedrohlich betrachtetet werden, weil aus den Ausführungen des Klägers im Schreiben vom 20.06.2007 (Bl. 15-17 des Schreibens = Bl. 169-171 d. A.) ausgeführt wird, was Kreuz- bzw. Rückenschmerzen aus medizinischer Sicht sind, nicht jedoch ausgeführt wird, dass diese als nicht wahrscheinlich wiederkehrende Erkrankung zu behandeln sind, weil nicht erkannt werden kann, außer der pauschalen Behauptung, sie seien nicht weiter aufgetreten, kein konkreter Vortrag gebracht wird.
Gleiches hat für die Erkrankung im Hinblick auf Diabetes mellitus Typ II zu gelten, wobei die Berufungskammer ebenso wie das Arbeitsgericht sehr wohl eine Verpflichtung des Arbeitnehmers erkennt, will er eine Kündigung verhindern, die auf Fehlzeiten gestützt wird, die wegen dieser Erkrankung aufgetreten sind, der verpflichtet ist, seine Lebenshaltung zu ändern. Der Vortrag des Klägers, dass man außer Bewegung keine andere Therapie einsetzen könne, bestärkt die Annahme, dass auch künftig mit derart begründeten Fehlzeiten zu rechnen ist.
Das gleiche gilt für die Schwindel-, Taumel- und Kopfschmerzerkrankungen, die der Kläger von 2001-2004 aufzuweisen hat. Auch hier ist nicht erkennbar, aufgrund welcher neuer Kausalverläufe davon ausgegangen werden soll, dass es eine künftige positive Entwicklung geben wird.
Auch die Erkrankungen des Klägers im Zeitraum 2005-2006, beruhend auf Infektionskrankheiten, lassen nicht erkennen, dass das Immunsystem des Klägers so gestaltet ist, dass auch künftig nicht mehr mit Fehlzeiten im bisherigen Umfang zu rechnen ist.
Gleiches gilt für die Krankheitsursache Phlegmone und eingewachsenen Nagel, wo der Kläger nicht ausführt, warum sich derartiges nicht mehr wiederholen kann und weshalb auch nicht mit künftigen Fehlzeiten wegen dieser Erkrankung zu rechnen ist.
Das Arbeitsgericht ist also zu Recht davon ausgegangen, dass sich aus den Fehlzeiten der Vergangenheit infolge besonderer Krankheitsanfälligkeiten des Klägers eine negative Zukunftsprognose ableiten lässt, die durch den Kläger nicht ausreichend erschüttert worden ist.
Auch die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen hat das Arbeitsgericht zu Recht bejaht und auch in der Interessensabwägung im angefochtenen Urteil zu Recht diese Entscheidung zu Lasten des Klägers vorgenommen. Seit dem Beschäftigungsbeginn am 28.05.1997 hat das Arbeitsverhältnis bis zum 22.02.2000 ungestört bestanden, und seit diesem Zeitpunkt sind erhebliche Fehlzeiten des Klägers festzustellen, die nicht auf Ursachen zurückzuführen sind, die in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fallen, weil die dahingehende Behauptung des Klägers, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, zu pauschal ist.
Die Berufung ist deshalb kostenpflichtig, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 ZPO zurückzuweisen.
Die Berufungskammer hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht für den Kläger zugelassen, weil die Vorgaben des § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG erfüllt sind.
Ende der Entscheidung
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