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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 756/05
Rechtsgebiete: BAT, BGB


Vorschriften:

BAT § 4 Abs. 2 Satz 1
BAT § 70
BGB § 611
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 756/05

Entscheidung vom 07.09.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 16.06.2005 - Az: 2 Ca 2332/04 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.

3. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für die Parteien zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, welche mit der Notarkasse, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, am 20./30.03.1990 einen Arbeitsvertrag geschlossen hat, wegen dessen näheren Inhalts auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 80 d. A.) verwiesen wird, hat mit ihrer beim Arbeitsgericht am 30.12.2004 eingegangenen und mit Schreiben vom 28.02.2005 erweiterten Klage neben einer Weihnachtsgratifikation für die Jahre 2001 bis 2004 die Zahlung einer Notarzulage gefordert.

Die Klägerin ist durch Verfügung der Notarkasse mit Wirkung vom 01.06.2000 dem Beklagten, der ein Nurnotariat in Kaiserslautern betreibt, zugewiesen worden, wobei die Zuweisung mit Wirkung vom 31.08.2004 geendet hat.

Die Klägerin hat ihre Klage im Wesentlichen damit begründet,

dass sie in dem Vorstellungsgespräch bei dem Beklagten eine monatliche Notarzulage in Höhe von 3.000, DM und eine jährliche Weihnachtsgratifikation in Höhe von DM 5.000, gefordert habe, weil sie dies bereits bei dem Vorgängernotar erhalten hatte. Seit ihrer Abordnung an die Notarstelle in Speyer bis zum Freiwerden der Regelstelle beim Beklagten, was den Zeitraum 01.06.2000 bis 31.05.2001 umfasst habe, sei ihr der Betrag von DM 3.000, brutto monatlich abgerechnet und ausbezahlt worden, wobei dieser Betrag in der Abrechnung der Notarkasse als eigener Rechnungsposten im Bruttobereich ausgewiesen worden sei. Nach Aufnahme der Tätigkeit beim Beklagten sei diese Zahlung vom 01.06.2001 bis 28.02.2002 weiter erbracht worden. Im Zeitraum 01.03.2002 bis 30.04.2004 habe der Beklagte die Notarzulage um die Hälfte auf einen Bruttobetrag von 766,94 € pro Monat gekürzt und zwar aus Anlass einer Erkrankung der Klägerin.

Nachdem sie die Nachzahlung der bisher angefallenen einbehaltenen Notarzulage gefordert habe, habe der Beklagte die gesamte Notarzulage gestrichen, weswegen im Zeitraum 01.05. bis 31.08.2004 nichts mehr gezahlt worden sei.

Auch die von ihr geforderte Weihnachtsgratifikation sei im Zeitraum 2001 bis 2004 mit Ausnahme einer Teilleistung im Jahr 2003 in Höhe von 766,94 € brutto nicht gezahlt worden.

Zwar sei die Sonderzahlung nicht schriftlich vereinbart worden, jedoch sei sie neunmal vorbehaltlos und ohne einen Widerrufsvorbehalt gezahlt worden. Die Zahlung sei auch für die Arbeitsleistung erbracht worden und sei deshalb Arbeitsentgelt.

Die Klägerin hat beantragt:

der Beklagten wird verurteilt, an die Klägerin € 33.617,84 brutto nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus

- € 766,94 brutto seit 01.04.2002,

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.05.2002

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.06.2002

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.07.2002

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.08.2002

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.09.2002

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.10.2002

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.11.2002

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.12.2002

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.01.2003

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.02.2003

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.03.2003

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.04.2003

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.05.2003

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.06.2003

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.07.2003

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.08.2003

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.09.2003

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.10.2003

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.11.2003

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.12.2003

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.01.2004

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.02.2004

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.03.2004

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.04.2004

- aus weiteren € 766,94 brutto seit 01.05.2004

- aus weiteren € 1.533,88 brutto seit 01.06.2004

- aus weiteren € 1.533,88 brutto seit 01.07.2004

- aus weiteren € 1.533,88 brutto seit 01.08.2004

- aus weiteren € 1.533,88 brutto seit 01.09.2004

- aus weiteren € 1.491,27 brutto seit 01.12.2001

- aus weiteren € 2.556,46 brutto seit 01.12.2002

- aus weiteren € 1.789,52 brutto seit 01.12.2003

- aus weiteren € 1.704,63 brutto seit 01.12.2004

zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dies ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass der Beklagte der Klägerin keine Zusage im Hinblick auf die Notarzulage oder einer Weihnachtsgratifikation gegeben habe, weswegen auch eine schriftliche Vereinbarung fehle. Da im Arbeitsvertrag der Klägerin mit der Notarkasse auf den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Bezug genommen sei, begegnete ihre Forderung auch der Ausschlussfrist des BAT.

Auch stünde die zwingende Schriftform des § 4 Abs. 2 Satz 1 BAT der von der Klägerin behaupteten Vereinbarung entgegen.

Die geltend gemachten Weihnachtsgratifikationsforderungen seien verjährt. Die vom Beklagten als Beschäftigungsnotar bezahlte Zulage sei eine freiwillige Zulage gewesen, die jederzeit widerrufen werden könne, was bei der Einstellung der Kassenangestellten seitens der Geschäftsführung der Notarkasse auch ausdrücklich klargestellt und immer wieder betont werde. Die Freiwilligkeit der Zulage eröffne die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs.

Das Arbeitsgericht hat im Urteil vom 16.06.2005 der Klage im Hinblick auf die Notarzulage für den Zeitraum März bis August 2004 entsprochen und dies damit begründet, dass mit der Gewährung der monatlichen Notarzulage von 3.000, DM ein entsprechender Vertragsanspruch der Klägerin entstanden sei, der sich gegen den Beklagten richte. Durch die Zahlung habe er ein Vertragsangebot der Klägerin schlüssig unterbreitet, welches von dieser ohne eine weitere ausdrückliche Erklärung habe angenommen werden können.

Für den Rechtsfolgewillen des Beklagten spreche es, dass durch die typische Notarzulage das Gehalt der Klägerin aufgestockt werden sollte und damit eine Hauptpflicht berührt war. Die vertragliche Situation entspreche der eines Leiharbeitsverhältnisses, wo die Arbeitgeberfunktionen aufgespalten seien. Für eine vertragliche Bindung spreche zudem, dass die Abrechnung der Zulage vom Vertragsarbeitgeber mit dem regulären Gehalt vorgenommen worden sei. Ein Vorbehalt bezüglich der Freiwilligkeit und eines Widerrufes sei nicht gemacht worden und die fehlende Schriftform mache die Zusage nicht unwirksam, weil die Hauptleistungspflicht, nämlich die Vergütung, betroffen sei.

Eine Verwirkung der Ansprüche könne nicht angenommen werden, weil zumindest während des Laufs tariflicher Verfallfristen Ansprüche grundsätzlich nicht verwirken könnten.

Ein stillschweigender Verzicht könne ebenfalls nicht angenommen werden, weil hier für das bloße Untätigbleiben der Klägerin nicht ausreichend sei.

Die Ansprüche, die die Klägerin für den Zeitraum März 2002 bis Februar 2004 geltend mache, seien verfallen, weil § 70 BAT Anwendung finde. Der BAT sei im Arbeitsvertrag mit der Notarkasse zur Anwendung gebracht worden und finde auch im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten Anwendung. Hierzu gelange man im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung, weil die Abmachung der Prozessparteien lückenhaft sei, da nicht erkennbar sei, unter welchen Voraussetzungen die Zulage weiter gezahlt werden solle. Der Beklagte habe das Gehalt der Klägerin mit eigenen Mitteln aufstocken wollen, weswegen davon auszugehen sei, dass die Zulage unter den gleichen Bedingungen gezahlt werden sollte, wie die vertragliche Vergütung durch die Notarkasse, also unter Anwendung der BAT-Vorschriften.

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die geltend gemachte Weihnachtgeldzahlung, da die Geltendmachung ausgeschlossen und der Anspruch verjährt sei.

Die Klägerin habe zudem keinen Anspruch auf die geltend gemachte Weihnachtsgeldzahlung, weil sie kein Beweismittel dafür angeboten habe, dass eine dementsprechende Vereinbarung getroffen worden sei, was erforderlich gewesen wäre, weil der Beklagte eine derartige Vereinbarung in Abrede gestellt habe.

Nach Zustellung des Urteils am 11.08.2005 hat die Klägerin am 19.09.2005 Berufung eingelegt, welche am 11.10.2005 begründet worden ist.

Die Berufungsbegründung ist dem Beklagtenvertreter am 17.10.2005 zugestellt worden, woraufhin er mit Schreiben, welches am 17.11.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Anschlussberufung eingelegt hat.

Die Klägerin hat ihre Berufung im Wesentlichen damit begründet,

dass man an der Forderung auf Weihnachtsgeldnachzahlung nicht festhalte, den Anspruch auf die Zahlung der Notarzulage aber weiter verfolge, weil das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass der BAT im Verhältnis der Prozessparteien Anwendung finde.

Die Vereinbarung der Klägerin mit der Notarkasse einerseits und die Vereinbarung zwischen Klägerin und Beklagten andererseits seien selbständige Vertragsvereinbarungen. Weil mit der Entlohnung seitens der Notarkasse die üblicherweise anfallende erhebliche Mehrarbeit, das flexible und leistungsorientierte Arbeiten nicht adäquat entlohnt werde, würden zwischen Notaren und Kassenangestellten üblicherweise zusätzliche Vergütungen ausgehandelt und gezahlt, weswegen die Notarzulage den Kern der freiberuflichen Tätigkeiten des Notares betreffe und nicht den Kern der öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Notars. Aus diesem Grund könne auch der BAT auf diese Abrede nicht angewendet werden. Aber auch wenn der § 70 BAT anwendbar sei, könne sich der Beklagte hierauf nicht berufen, weil die Klägerin bereits anlässlich der ersten Kürzung zum 01.03.2002 widersprochen habe. Darüber hinaus habe sie unverzüglich die Notarkasse über ihren Widerspruch informiert.

Die Klägerin habe im April oder Mai 2004 die Forderung erneut angesprochen und erklärt, dass sie sich notfalls anwaltlicher Hilfe bei der Durchsetzung ihrer Forderung bedienen werde, worauf sie vom Beklagten vom Dienst suspendiert und die Zulage komplett gestrichen worden sei.

Aufgrund des Widerspruchs bei der Notarkasse sei die Suspendierung wieder aufgehoben worden.

Die Klägerin beantragt:

Unter teilweiser Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 16.06.2005 - Aktenzeichen: 2 Ca 2332/04 - wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 18.406,56 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus

- 766,94 Euro brutto seit 01.04.02

- 766,94 Euro brutto seit 01.05.02

- 766,94 Euro brutto seit 01.06.02

- 766,94 Euro brutto seit 01.07.02

- 766,94 Euro brutto seit 01.08.02

- 766,94 Euro brutto seit 01.09.02

- 766,94 Euro brutto seit 01.10.02

- 766,94 Euro brutto seit 01.11.02

- 766,94 Euro brutto seit 01.12.02

- 766,94 Euro brutto seit 01.01.03

- 766,94 Euro brutto seit 01.02.03

- 766,94 Euro brutto seit 01.03.03

- 766,94 Euro brutto seit 01.04.03

- 766,94 Euro brutto seit 01.05.03

- 766,94 Euro brutto seit 01.06.03

- 766,94 Euro brutto seit 01.07.03

- 766,94 Euro brutto seit 01.08.03

- 766,94 Euro brutto seit 01.09.03

- 766,94 Euro brutto seit 01.10.03

- 766,94 Euro brutto seit 01.11.03

- 766,94 Euro brutto seit 01.12.03

- 766,94 Euro brutto seit 01.01.04

- 766,94 Euro brutto seit 01.02.04

- 766,94 Euro brutto seit 01.03.04

zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Im Wesentlichen wird ausgeführt, dass es allgemeiner Lebenserfahrung und rechtlicher Praxis entspreche, dass Zahlungen gerade nicht nur aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung, sondern freiwillig und ohne Anerkennung einer Restpflicht geleistet werden. Der Umstand, dass der Beklagte an die Klägerin in früherer Zeit eine monatliche Notarzulage gezahlt habe, besage nichts darüber, ob diesen Zahlungen tatsächlich eine vertragliche Abrede zugrunde gelegen habe oder ob diese Zahlungen vom Beklagten freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht geleistet worden seien. Der Beklagte habe sich im Hinblick auf die Zahlung nicht binden wollen und von Anfang an deutlich gemacht, dass kein Rechtsanspruch der Klägerin auf die Zahlung dieser Zulage bestehe. Der Beklagte habe demgemäß auch ausdrücklich eine schriftliche Fixierung abgelehnt. Aber auch dann, wenn eine Vereinbarung getroffen worden sei, müssten die Bestimmungen des BAT anwendbar sein. Arbeitgeber der Klägerin sei ausschließlich die Notarkasse und die Tätigkeit der Klägerin im Notariat des Beklagten werde in vollem Umfange von dem zugrunde liegenden Arbeitsvertrag zwischen Klägerin und Notarkasse erfasst, so dass gefolgert werden müsse, dass jeder Anspruch der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis nach den über den Arbeitsvertrag anwendbaren Bestimmungen des BAT behandelt werden müssten. Zudem sei jede Zahlung an die Klägerin ausschließlich im Rahmen des mit der Notarkasse bestehenden Arbeitsverhältnisses erbracht worden.

Die Zahlung der Notarzulage sei auch nicht vom Arbeitsvertrag zu lösen, weil diese Leistung ausschließlich dafür gezahlt worden sei, um die Arbeitsleistung der Klägerin zu fördern und zu belohnen, die diese auf der Grundlage des Arbeitsvertrages schuldete.

Wenn man annehmen wolle, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten eine Vereinbarung zustande gekommen sei, so sei diese als Annex zum Arbeitsvertrag zu werten und hätte zwingend schriftlich abgefasst werden müssen. Da der Beklagte nicht Partei des Arbeitsvertrages gewesen sei, könne eine unterstellte mögliche Absprache der Parteien über die Zahlung der Zulage auch die Vergütung der Klägerin nicht ergänzend regeln. Der Beklagte habe als ein außerhalb des Arbeitsvertrages stehender Dritter einen nach Grund und Höhe völlig von der Arbeitsvergütung unabhängige Zulage zugesagt, weswegen die Zulage wegen Nichtbeachtung der Schriftform nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BAT unwirksam sei.

Die Klägerin habe aber überhaupt keinen Anspruch, weil auch der Teil der Forderung, den das Arbeitsgericht zugesprochen habe, verwirkt sei. Die Klägerin habe über Jahre hinweg davon abgesehen, den klageweise geltend gemachten Zahlungsanspruch zu fordern. Erstmals nach ihrem Ausscheiden aus dem Notariat habe sie mit Schreiben vom 06.09.2004 die Nachzahlung gefordert.

Neben dem Zeitmoment sei auch das erforderliche Umstandsmoment gegeben, weil die Klägerin lediglich nachgefragt habe, ob über die Höhe der Zulage nicht nochmals gesprochen werden könne und die jeweilige Antwort des Beklagten, dass es bei der Kürzung der Zulage bleibe, widerspruchslos hingenommen worden sei.

Da der Klägerin keine Forderung zustehe, beantragt der Beklagte im Wege der Anschlussberufung:

1. auf die Anschlussberufung des Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Kaiserslautern vom 16. Juni 2005 - Az: 2 Ca 2332/04 - dahingehend abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird,

2. die Klägerin trägt die Kosten der Anschlussberufung.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen

und führt weiter aus, dass das Vertragsverhältnis, das die Klägerin dem Beklagten wiederholt mündlich auf die Kürzungen angesprochen habe, was zur rückgängig gemachten Suspendierung im Mai 2004 geführt habe. Wenn die Klägerin den Beklagten jedoch mehrfach auf die Kürzung angesprochen habe, so habe bei diesem kein Vertrauen erwachsen können, dass die Klägerin die Kürzung auf Dauer hinnehmen werde.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst deren Anlagen, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ebenso Bezug genommen wie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Das Landesarbeitsgericht hat im Wege der Rechtshilfe Beweis durch Zeugeneinvernahme erhoben, wobei wegen der Bekundung der Zeuginnen D. F und H, des Zeugen K auf die Niederschrift vom 30.05.2006 (Bl. 237 bis 244 d. A.) verwiesen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung ist jedoch deshalb nicht begründet, weil das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Forderung, die über den zuerkannten Betrag im Urteil des Arbeitsgerichtes hinausgeht, die Ausschlussfrist des BAT, § 70 BAT, entgegensteht.

Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Notarzulage, die der Klägerin im Zeitraum 01.06.2000 bis 28.02.2002 in Höhe von 3.000, DM brutto pro Monat gezahlt worden sind, ein vertraglicher Anspruch der Klägerin geworden ist. Unter den Parteien ist es insoweit unstreitig, dass diese Zahlung, die vom Beklagten nach Beendigung der Abordnung an den Notar Schell in Speyer, also ab 01.06.2001 entrichtet wurde, für die Arbeitsleistung im Notariat des Beklagten gezahlt worden ist.

Bei dieser Frage kann offen bleiben, ob der Beklagte nicht doch Arbeitgeber geworden ist, weil etwa eine Arbeitsvermittlung durch die Notarkasse betrieben wird, und zwar in Form der nicht gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, wovon im vorliegenden Falle auszugehen ist, da die Notarkasse ebenso wie der Beklagte als Notar kein Gewerbe betreibt, sondern ein öffentliches Amt bekleidet beziehungsweise hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Jedoch kann die Überlassung von Arbeitnehmern an Dritte als Arbeitsvermittlung sich darstellen, wenn zwischen den Überlassenden und den Arbeitnehmern keine echten arbeitsvertraglichen Beziehungen mehr nach Überlassung bestehen, der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses also im Verhältnis zum Entleiher liegt. Ein wichtiges Indiz dafür, dass eine nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung als unerlaubte Arbeitsvermittlung zu werten ist, kann aus der Art der vom überlassenen Arbeitnehmer beim Entleiher wahrzunehmenden Aufgaben entnommen werden. Bei der Erfüllung von Daueraufgaben durch den überlassenen Arbeitnehmer, die eine Befristung des Arbeitsverhältnisses bei einer direkten Anstellung des Arbeitnehmers beim Entleiher sachlich nicht rechtfertigen könnten, würde viel, so der BAG im Urteil vom 21.03.1990 - Az: 7 AZR 198/90 - dafür sprechen, dass Arbeitsvermittlung vorliegt und der Wechsel des Schwerpunkts des Arbeitsverhältnisses vom überlassenen Arbeitgeber zum Entleiher angenommen werden muss. Wenn man dieses bejahen wollte, so wäre die Vergütung der Notarkasse zusammen mit der Zulagenzahlung des Beklagten Vergütung für die erbrachte Arbeitsleistung der Klägerin und keine freiwillige, schenkungsweise gewährte Zuwendung.

Aber auch, wenn man von einer Arbeitgeberposition des Beklagten, die er durch unerlaubte Arbeitsvermittlung eingenommen hätte, absieht, belegt auch ein Blick in das Einkommenssteuerrecht, dass es sich bei der Zulage um Arbeitsvergütung handelt, da dort Arbeitgeber derjenige ist, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird und dessen Weisung er zu folgen hat. Auch nach dieser Sicht ist der Beklagte als Schuldner der Vergütung in dem hier interessierenden Teil anzusehen, weil Arbeitgeber bei drittbezogenen Arbeitseinsätzen der ist, der dem Arbeitnehmer den Lohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung unmittelbar auszahlt. Bezüglich der Zulage wird diese zwar über die Notarkasse in München mit der dort errechneten monatlichen Grundvergütung als Lohnbestandteil abgerechnet, wird aber vom Beklagten, was unstreitig ist, an die Notarkasse gezahlt, weswegen diese Leistung auf seine Rechnung geht. Aber auch, dies ergibt aus der Verfügung der Notarkasse vom 30.05.2000 (Bl. 6 d. A.) hat der Beklagte für die Angestellte, die Klägerin, den in der Abgabensatzung der Notarkasse festgesetzten monatlichen Besoldungsbeitrag zu entrichten, sobald die Klägerin bei ihm die Arbeit aufgenommen hat. Dies bedeutet also, dass der Beklagte auch aus dieser Sicht als Arbeitgeber, zumindest zusammen mit der Notarkasse zu werten ist und Leistungen in Form von Geldzahlungen ohne weitere Absprache als Vergütung i. S. d. § 611 BGB erscheinen.

Da zudem unstreitig der Beklagte die DM 3.000, brutto nach Aufnahme der Tätigkeit der Klägerin am 01.06.2001 in seinem Notariat monatlich bis einschließlich 28.02.2002 gezahlt hat, ohne dass, so der Beklagte, überhaupt eine Vereinbarung hierüber getroffen worden ist, hat die Klägerin einen Anspruch aus Vertragsabsprache, weil man, wie das Arbeitsgericht richtig ausführt, davon auszugehen hat, dass in der Zahlung, die zudem separat neben der Grundvergütung ausgewiesen ist, ein Angebot des Beklagten an die Klägerin steckt, eine derartige Leistung erbringen zu wollen, welches diese, zumal sie dies zuvor schon gefordert hatte, schlüssig annehmen konnte und dies auch getan hat. Dies ergibt sich aus der Sicht eines mit den Einzelheiten vertrauten objektiven Betrachter, der eine derartige Leistung als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit einstuft.

Dass bei dieser Fallgestaltung auch die Anspruchsbegründung aus dem Institut der betrieblichen Übung abgeleitet werden kann, ist nur ergänzend hinzuzufügen.

Da jedoch der Beklagte sich in die Arbeitgeberrolle mit dem Vertragsarbeitgeber Notarkasse teilt, was bei Personalgestellungsabreden immer der Fall ist, weil die Arbeitgeberfunktion insoweit aufgespalten wird, dass Vertragsarbeitgeber die Notarkasse bleibt und der Beklagte über die Arbeitskraft der Klägerin verfügen kann und ihm die aus der Arbeitgeberposition folgenden Weisungsrechte eingeräumt sind. Diese Fallkonstellation begegnet keinen Bedenken, weil die Klägerin als auch der Beklagte als der Arbeitgeber und die Notarkasse, was sich aus der Verfügung vom 30.05.2000 ergibt, allesamt mit der Maßnahme einverstanden gewesen sind.

Jedoch konnte die Klägerin erkennen, dass die Leistung des Beklagten, die von der Notarkasse als ein Bruttobetrag, der üblicherweise nur bei Arbeitsvergütung anfällt, abgerechnet wird, als Gegenleistung für die Arbeitsleistung gedacht ist und mangels einer anderweitigen Abrede sich im Rahmen der arbeitsvertraglichen Beziehungen, die in § 4 des Arbeitsvertrages damit gekennzeichnet sind, dass die Zuweisung zur Dienstleistung bei einem Notar durch Verfügung der Notarkasse erfolgt und mit der vorgenannten Verfügung diese Dienstleistung konkretisiert wird, dass also auch die entsprechenden Leistungen für den weisungsbefugten Beklagten im Rahmen der arbeitsvertraglichen Abrede mit der Notarkasse behandelt werden sollen. Da zudem nach § 2 des Arbeitsvertrages das Arbeitsverhältnis sich nach dem BAT richtet, findet auch § 70 BAT Anwendung, auf den sich der Beklagte auch deshalb berufen kann, weil er, so der Vortrag der Klägerin, nicht den Eindruck erweckt hat, dass er die Klägerin bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche hinhalten will.

Nach dem Vorstehenden ist, da auch der Zeitpunkt der ersten schriftlichen Geltendmachung unstreitig ist, das Urteil des Arbeitsgerichtes richtig, als es die Forderung aus dem Zeitraum März 2002 bis Februar 2004 als verfallen ansieht.

Das Arbeitsgericht hat den zuerkannten Betrag richtig errechnet, weil es zwar unter I. in den Entscheidungsgründen schreibt, dass der Beklagte verpflichtet sei, von März bis August 2004 pro Monat 1.533,88 € brutto zu zahlen, was die Endsumme von eigentlich 9.203,28 € brutto ergibt, so dass das Arbeitsgericht für März und April 2004 jeweils 766,94 € brutto zugrunde legt und für den Zeitraum Mai bis August 2004 den vollen Betrag von 1.533,88 € brutto, so dass insgesamt fünf Mal 1.533,88 € brutto der Klägerin zugesprochen worden sind, was den Urteilsbetrag von 7.669,40 € brutto ausmacht.

Die Forderung scheitert auch nicht, was der Beklagte im Rahmen seiner Anschlussberufung ausführt an der Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 1 BAT, weil diese Vorschrift nur im Verhältnis Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung findet und der Beklagte schließlich behauptet, dass er kein Arbeitgeber gewesen sei. Aber auch unter Zugrundelegung der Arbeitgeberfunktion und der Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 Satz 1 BAT greift diese Vorschrift deshalb nicht ein, weil zwar von der Anwendbarkeit des BAT auszugehen ist, jedoch die Zulagenzahlung auf keiner vom Arbeitsvertrag losgelösten separaten Absprache erfolgte, sondern Bestandteil der Vergütung und damit keine Nebenabrede geworden ist. Der vom Arbeitsgericht zuerkannte Betrag ist auch nicht verwirkt, weil die durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, dass die Klägerin sich bei der Notarkasse vor Mai 2003, so die Zeugin Dr. H, wegen der Kürzung der Zulage beschwert hat. Die Zeugin hat zwar ausgesagt, dass es schwer sei sich nach vier Jahren konkret zu erinnern, aber sie wusste anhand ihres Ausscheidedatums das Gespräch mit der Klägerin vor Mai 2003 zu datieren und hat nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin sich wegen dieser Frage an sie gewendet hat, obwohl sie sich keine Aktennotiz gemacht hat. Die Zeugin hat sich nur dann Aktennotizen gemacht, wenn es Angelegenheiten waren, die die Notarkasse betreffen und die Frage der Zulage ist nach ihrer Sicht der Dinge eine Sache gewesen, die zwischen der Klägerin und dem Notar abzuhandeln sei. Der Zeuge K wusste zwar um Gespräche mit der Klägerin, jedoch nicht mehr, welchen Inhalt sie gehabt haben und auch die Zeugin Förtig, die seit 01.05.2003 Geschäftsführerin der Notarkasse ist, wusste zwar um Gespräche mit der Klägerin, aber nicht, ob es sich um die Frage der Zulage handelte. Lediglich für die beiden Telefonate nach dem 05.07.2004 konnte die Zeugin ausschließen, dass es sich um die Zulage drehte, weil es sich hierbei um den Versetzungsantrag der Klägerin gehandelt habe. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Klägerin sich an die damalige Geschäftsführerin der Notarkasse als der Zuständigen gewendet hat, um die Kürzung der Zulage zur Sprache zu bringen, was sich aus der Aussage ergibt, dass die Zeugin Dr. Hepp mit der Klägerin in diesem Zusammenhang telefoniert hat und es sich dabei um eine drohende Kürzung oder um eine bereits vollzogene Kürzung der Zulage gedreht hat. Da auch dieses Gespräch noch vor Mai 2003 anzusiedeln ist, sind zumindest die Forderungen der Klägerin, denen das Arbeitsgericht entsprochen hat, nicht durch das Institut der Verwirkung als entfallen anzusehen.

Die Klägerin hat sich bei ihrem Vertragsarbeitgeber, der schließlich auch um die Kürzung wusste, da dort schließlich die Abrechnung vorgenommen worden sind, gemeldet, was zwar nicht die tarifvertraglich vorgesehene Geltendmachung ersetzt, jedoch das Eingreifen von Verwirkungstatbeständen ausschließt.

Nach dem Vorstehenden ist also die Anschlussberufung des Beklagten ebenso wie die Berufung der Klägerin nicht begründet, so dass beide zurückzuweisen sind, was dazu führt, den Parteien die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte aufzuerlegen (§§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 92, 97 ZPO).

Die Kammer hat angesichts der Rechtsfragen eine Sache von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG gesehen und deshalb die Revision an das Bundesarbeitsgericht für die Parteien zugelassen.

Ende der Entscheidung

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