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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.08.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 317/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 105
BGB § 105 Abs. 2
BGB § 105 Abs. 2 zweite Alt.
BGB § 123
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 138
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 142 Abs. 1
ZPO §§ 512 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 07.03.2007, Az.: 10 Ca 162/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit eines Aufhebungsvertrages und einer anschließenden außerordentlichen Kündigung sowie um die Verpflichtung zur Zahlung von Arbeitsvergütung.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 07.03.2007 (dort Seite 2 - 7 = Bl. 245 - 250 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch Aufhebungsvertrag vom 21.12.2005 noch durch die am 25.01.2006 zugestellte außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 20.01.2006 aufgelöst wurde, sondern über den 25.01.2006 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

2. die Beklagte zu verurteilen, für den Monat Januar 2006 an ihn € 6.205,23 brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.02.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat entsprechend seinem Beweisbeschluss vom 17.05.2006 (Bl. 94 d. A.) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie durch schriftliche Vernehmung des Dr. R.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des psychiatrischen Gutachtens des Dr. G. vom 11.09.2006 (Bl. 121 ff. d. A.) und die schriftliche Beantwortung der Beweisfrage durch Dr. R. vom 06.02.2007 (Bl. 222 f. d. A.) verwiesen.

Sodann hat das Arbeitsgericht Mainz mit Urteil vom 07.03.2007 (Bl. 244 ff. d. A.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der schriftliche Aufhebungsvertrag habe das Beschäftigungsverhältnis zum 31.12.2005 beendet, die fristlose Kündigung der Beklagten vom 20.01.2006 gehe somit ins Leere und mangels eines bestehenden Arbeitsverhältnisses bestehe auch kein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Arbeitsentgelt für den Monat Januar 2006.

Die durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Kläger am 21.12.2005 den Aufhebungsvertrag im Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit, mithin ohne Geschäftsfähigkeit, vereinbart habe. § 105 Abs. 2 BGB setze einen Zustand voraus, in dem die freie Willensbestimmung nicht nur geschwächt und gemindert, sondern völlig ausgeschlossen sei.

Aufgrund des psychiatrischen Sachverständigengutachtens des Dr. G. vom 11.09.2006 sei davon auszugehen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung an den Symptomen einer akuten Belastungsreaktion (ICD 10 F 43.0) gelitten habe. Nach Überzeugung des Gutachters habe aber keine manifeste amnestysche Störung zu diesem Zeitpunkt vorgelegen. Entgegen der Auffassung des Dr. R. sei auch keine dissoziative Amnesie (ICD 10 F 44.0) zu diagnostizieren gewesen. Neben der festgestellten traumatischen Belastungsreaktion sei keine andere manifeste seelische Erkrankung beim Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses des Auflösungsvertrages festzustellen gewesen. Die Voraussetzungen für eine Geschäftsunfähigkeit seien somit nach Auffassung des Sachverständigen nicht erfüllt gewesen.

Auch der schriftlichen Zeugenaussage des Dr. R. vom 06.02.2007 seien keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit beim Kläger zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Auflösungsvertrages zu entnehmen gewesen. Der Zeuge sei in seiner schriftlichen Aussage von den ursprünglichen Feststellungen in seinem Attest vom 06.01.2001 abgerückt. Er habe nämlich nun nicht mehr behauptet, der Kläger sei bei Vertragsunterzeichnung nicht in der Lage gewesen, die Folgen seiner Willensbestimmung zu überblicken, sondern nur noch, der Kläger habe die von ihm später nicht nachvollziehbare Entscheidung getroffen, seine Unterschrift zu leisten. Der Feststellung des Sachverständigen Dr. G., wonach der Kläger bei Unterzeichnung des Auflösungsvertrages nicht geschäftsunfähig gewesen sei, habe Dr. R. in seiner schriftlichen Zeugenaussage nicht widersprochen.

Des Weiteren sei der geschlossene Aufhebungsvertrag vom Kläger nicht wirksam nach § 123 Abs. 1 BGB angefochten worden, da eine Drohung im Sinne dieser Vorschrift nicht feststellbar sei. Die Androhung eines Arbeitgebers, ein Beschäftigungsverhältnis durch fristlose Kündigung zu beenden, stelle zwar die Ankündigung eines zukünftigen empfindlichen Übels dar. Diese Drohung sei aber nur dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung habe ziehen dürfen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erweisen würde. Der anfechtende Arbeitnehmer habe die Tatsachen darzulegen und ggfls. zu beweisen, die die angedrohte Kündigung als widerrechtlich erscheinen lassen würden.

Im gegebenen Fall habe ein vernünftiger Arbeitgeber anstelle der Beklagten am 21.12.2005 eine außerordentliche Kündigung in Erwägung ziehen dürfen. Einer rechtswidrigen und schuldhaften Entwendung einer Sache stehe das arbeitsvertragswidrige und schuldhafte Kopieren von Daten gleich. Der Kläger habe am 10.12.2005 unstreitig insgesamt 47 E-Mails mit Dateianhängen an seine private Mailadresse übermittelt, wobei für den Zugriff auf 37 Dateien unstreitig ein besonderes Masterpasswort notwendig gewesen sei. Den Geschäftsleitern der Beklagten sei lediglich ein VR-Passwort zugewiesen gewesen, mit dem diese auf die Daten ihres Marktes, ihres Bezirkes und ihrer Vertriebsregion hätten zugreifen können; hingegen sei es ihnen nicht möglich gewesen, damit auf Warendaten zuzugreifen, die Auskünfte über die Spanne, den Rohertrag, die Steigerungsartikel oder die Entwicklung der hauseigenen TIP-Artikel geben würden. Hierbei handele es sich um besonders sensible und geheimhaltungswürdige Dateien, die durch das besondere Masterpasswort geschützt seien. Es sei unzureichend, wenn der Kläger zu seiner Rechtfertigung anführe, es sei üblich und normal gewesen, dass ein Marktleiter, die ihm zur Verfügung gestellten Umsatz-, Ertrags- und Kostenstatistiken mit nach Hause nehme, um sich dort außerhalb des normalen Tagesgeschäfts in Ruhe mit ihnen zu befassen. Hieraus ergebe sich nämlich nicht, weshalb und für welche konkreten Zwecke sich der Kläger in den zwei Wochen vor Weihnachten 2005 noch mit dem Inhalt der gesendeten Dateien habe auseinander setzen müssen. Der Kläger sei auch nicht auf den Vortrag der Beklagten eingegangen, er habe überwiegend Dateien kopiert und gemailt, die er für seine Tätigkeit als Geschäftsleiter nicht benötige (unter anderem nationale Zahlen und Steigerungslieferanten).

An der Widerrechtlichkeit der Drohung fehle es auch dann, falls die Beklagte am 21.12.2005 nicht nur mit einer fristlosen Kündigung, sondern zusätzlich mit der Einschaltung der Kriminalpolizei, der Veranlassung einer Hausdurchsuchung und der Beschlagnahme des privaten PCs des Klägers gedroht habe. Es lägen nämlich hinreichende Anhaltspunkte vor, die es der Beklagten erlaubt hätten, den Kläger wegen des Verdachts des Kopierens von geheimhaltungswürdigen Dateien anzuzeigen und die Polizei hinzuziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 7 ff. des Urteils vom 07.03.2007 (Bl. 244 ff. d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger, dem die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 16.04.2007 zugestellt worden ist, hat am 15.05.2007 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am Montag, den 18.06.2007 sein Rechtsmittel begründet.

Der Kläger macht geltend,

der zwischen den Parteien geschlossene Aufhebungsvertrag sei nicht rechtswirksam zustande gekommen, das Arbeitsgericht habe in diesem Zusammenhang eine fehlerhafte Beweiswürdigung vorgenommen. Er habe nämlich am 21.12.2005 vor Unterzeichnung des Vertrages an einer psychischen Dekompensation gelitten, welche zu einer Geschäftsunfähigkeit geführt habe. Dies habe der ihn unmittelbar nach Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages behandelnde Psychiater Dr. R. in seinem Attest bestätigt. Aus dem Sachverständigengutachten von Dr. G., welches das Arbeitsgericht eingeholt habe, ergebe sich, dass er bei Unterzeichnung des Vertrages unter Schock gestanden habe, unter massiven Ängsten, einem Gefühl des Ausgeliefertseins, der Ohnmacht und der Betäubung gelitten habe und die gesamte Situation als psychisch so unerträglich bedrohlich empfunden habe, dass er möglichst schnell aus dieser Situation habe herauskommen wollen. Infolge des akuten Nervenzusammenbruches, den die Beklagte verursacht habe, sei es ihm aber nicht möglich gewesen, zum Beispiel das Büro einfach zu verlassen. Die für die Annahme einer Geschäftsfähigkeit erforderliche freie Willensbestimmung sei daher bei ihm nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen bei zutreffender rechtlicher Würdigung nicht mehr gegeben gewesen.

Der sachverständige Zeuge Dr. R. habe in seiner schriftlichen Aussage vom 06.02.2007 auch keine Abschwächung oder gar Rücknahme seiner zeitnah erstellten Diagnose der Geschäftsunfähigkeit vorgenommen.

Der Aufhebungsvertrag sei im Übrigen auch sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB, da die Art der Gesprächsführung seitens der Mitarbeiter der Beklagten bei ihm einen Nervenzusammenbruch verursacht habe und diese psychische Zwangslage sittenwidrig zum Zwecke des Abschlusses des Aufhebungsvertrages von der Beklagten ausgenutzt worden sei.

Des Weiteren habe das Arbeitsgericht unter Verkennung der durch das Sachverständigengutachten nachgewiesenen Tatsachen, des Tatsachenvortrages beider Parteien und der sekundären Darlegungslast der Beklagten zu Unrecht angenommen, dass es an einem Anfechtungsgrund im Sinne von § 123 BGB fehle. Während des Gesprächs vom 21.12.2005 habe die Beklagte, trotz der äußerst schlechten gesundheitlichen Verfassung des Klägers angekündigt, ihre Vernehmungen, im Falle der Verweigerung der Unterschrift, mit kriminalpolizeilicher Unterstützung und somit über weitere mehrere Stunden fortzusetzen. Ein verständiger Arbeitgeber hätte in dieser Situation zumindest einen Arzt herbeigerufen und sich für diesen Tag zunächst einmal auf mögliche Beweissicherungsmaßnahmen beschränkt. Das Ausnutzen des Nervenzusammenbruches des Klägers durch die Beklagte verkörpere ein widerrechtliches und völlig unverhältnismäßiges Mittel.

Das Arbeitsgericht gehe zu Unrecht vom Vorliegen eines Datendiebstahls durch den Kläger aus, zumal es an dem subjektiven Element für einen Diebstahl, nämlich der Absicht der rechtswidrigen Zueignung fehle. Aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ergebe sich nämlich, dass der Kläger den Vorwurf, er habe sich Dateien unrechtmäßig nach Hause gemailt, zunächst überhaupt nicht verstanden habe.

Entgegen dem Ausgangspunkt des Arbeitsgerichtes habe sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Androhung einer fristlosen Kündigung lediglich auf den Verdacht der beabsichtigten Weitergabe ihrer Daten an Konkurrenten berufen, nicht aber auf einen vom Kläger durchgeführten Datendiebstahl.

Soweit die Beklagte behaupte, der Kläger habe für einen Teil der von ihm nach Hause gesandten Daten, die mit einem Masterpasswort geschützt gewesen seien, keine Zugriffsberechtigung gehabt, stehe dies im Widerspruch zu dem weiteren Vortrag, der Kläger sei als Geschäftsleiter für die jährliche Umsatz-, Rohertrags-, Kosten- und Ergebnisplanung zuständig gewesen und habe die Kosten- sowie Ergebnissituation ständig optimieren sollen. Dies sei ihm aber letztlich nur möglich gewesen, wenn er auch tatsächlich auf die Daten, welche er nach Hause übersandt habe, habe zugreifen können. Das notwendige Passwort sei ihm bereits vor Jahren telefonisch übermittelt worden, wobei er nicht mehr in Erinnerung habe, welcher Mitarbeiter der Beklagten an diesem Gespräch beteiligt gewesen sei.

Auch die von den Prozessparteien beabsichtigte Freistellung des Klägers von der Arbeit ab dem 01.01.2006 ändere nichts daran, dass dieser die für das Jahr 2006 zu erstellende Umsatz-, Rohertrags-, Kosten- und Ergebnisplanung habe vorbereiten müssen; es habe im Übrigen auch zu seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung gehört, die Kosten- und Ergebnissituation im Monat Dezember noch zu optimieren.

Im Übrigen habe die Beklagte nicht bestritten, dass es dem Kläger als Geschäftsleiter nicht verboten gewesen sei, ihm zur Verfügung gestellte Firmendaten zu Hause auszuwerten. Sie habe lediglich bestritten, dass die Mitnahme der Daten nach Hause allgemein üblich gewesen sei.

Der Kläger habe auch nicht Firmendaten auf einen privaten Datenträger heruntergeladen, vielmehr habe er lediglich Daten, mittels einer vom Rechner der Beklagten versandten E-Mail nach Hause gesandt. Infolgedessen habe die Beklagte die vollständige Kontrolle darüber gehabt, welche Daten von ihm mitgenommen worden seien.

Die Beklagte habe die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung nicht vorgetragen. Der Kläger habe während des Gesprächs vom 21.12.2005 die Übersendung der Daten nach Hause nicht damit gerechtfertigt, dass er sich mittels dieser Daten auf Bewerbungsgespräche habe vorbereiten wollen, damit er die Zahlen der Beklagten kenne. Selbst wenn er aber eine entsprechende Äußerung gemacht hätte, könne diese nur so verstanden worden sein, dass er die besonderen Erfolge und Stärken seiner Tätigkeit für sich quasi statistisch habe ermitteln wollen, um seine besonderen Qualitäten bei zukünftigen Bewerbungen hervorheben zu können. Die Annahme, er habe bei seinen zukünftigen Bewerbungen die Zahlen der Beklagten Mitbewerbern übergeben wollen, liege außerhalb jeder Lebenserfahrung. Eine solche Illoyalität gegenüber einem früheren Arbeitgeber hätte ihm von vornherein jede Chance auf eine Einstellung in vergleichbarer Position zunichte gemacht.

Einem dringendem Tatverdacht stehe auch entgegen, dass er ohne jede Heimlichkeit und quasi öffentlich die Daten an seine private Mailadresse versandt habe.

Auch aus dem Umstand, dass er ab dem 01.01.2006 von der Arbeit habe freigestellt werden sollen, könne nicht geschlossen werden, er habe beabsichtigt die Daten an Dritte weiterzugeben. Für eine solch illoyale Absicht habe keinerlei Veranlassung bestanden. Schließlich habe er während nahezu sieben Jahren bei der Beklagten in einer gehobenen Vertrauensposition gearbeitet.

Vor Erhebung der schweren Anschuldigungen gegen den Kläger hätte die Beklagte außerdem eine Aufklärung des Sachverhaltes durchführen müssen. Stattdessen habe sie sich auf die Frage in dem Gespräch mit dem Kläger beschränkt, weshalb dieser die Daten per Mail an seine private E-Mailadresse versandt habe. Das Unterlassen einer entsprechenden Aufklärung lasse sich nur damit erklären, dass es dem Vorgesetzten des Klägers, Herrn S. bekannt gewesen sei, dass der Kläger - wie die übrigen Geschäftsleiter auch - über das Masterpasswort verfügt und die nach Hause gesandten Daten zu Erledigung seiner Arbeit benötigt habe.

Die von der Beklagten angedrohte fristlose Kündigung sei schließlich nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren, zumal die Beklagte dem Kläger noch dreizehn Tage vor Erhebung der schweren Illoyalitätsvorwürfe die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 60.000,00 EUR angeboten habe, sich der Kläger sieben Jahre lang völlig loyal verhalten habe, sich aus dem Sachverständigengutachten ergebe, dass der Kläger keinerlei Zweifel an der Zulässigkeit der Übermittlung der Daten an seine privaten E-Mailadresse gehabt habe und die Übermittlung der Daten auch nicht heimlich erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 16.06.2007 (Bl. 278 ff. d. A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsver­hältnis weder durch Aufhebungsvertrag vom 21.12.2005 noch durch die am 25.01.2006 zugestellte außerordentliche Kündigung der Beklag­ten vom 20.01.2006 aufgelöst wurde, sondern über den 25.01.2006 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

2. die Beklagte zu verurteilen, für den Monat Januar 2006 an ihn € 6.205,23 brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.02.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus,

nach wie vor sei vom Kläger der Beweis seiner Geschäftsunfähigkeit bei der Unterzeichnung des Auflösungsvertrages vom 21.12.2005 nicht geführt worden. Aus dem eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. G. sowie der schriftlichen Aussage des Zeugen Dr. R. ergebe sich lediglich, dass der Kläger an den Symptomen einer akuten Belastungsreaktion gelitten und eine grobe amnestysche Störung nicht vorgelegen habe, sondern lediglich eine partielle Gedächtnisstörung. Im Übrigen habe die Beklagte den Kläger nicht damit gedroht, die Kripo einzuschalten, eine Hausdurchsuchung zu veranlassen und seinen PC zu beschlagnahmen. Man habe ihm gegenüber auch nicht erklärt, er sei seinen Job los, sondern lediglich, dass er sich um Kopf und Kragen bringe.

Der Aufhebungsvertrag sei zudem nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig, da ein etwaiger Nervenzusammenbruch beim Kläger nicht auf der Art der Gesprächsführung seiner Vorgesetzten beruht habe. Für diese sei eine psychische Zwangslage des Klägers nicht erkennbar gewesen.

Dem Kläger sei auch nicht eine fristlose Kündigung oder Strafanzeige angedroht worden. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen wäre, sei zu berücksichtigen, dass ein vernünftiger Arbeitgeber in der entsprechenden Situation ebenso gehandelt hätte. Der Kläger habe nämlich, obwohl das Arbeitsverhältnis aufgrund mündlicher Vereinbarung vom 08.12.2005 beendet werden sollte, am 10.12.2005 Daten auf seinen privaten PC überspielt, ohne dass hierfür eine Veranlassung bestanden habe. Sowohl der Verdacht der beabsichtigten Weitergabe von Daten an Mitbewerber als auch das Kopieren von Daten aus dem Bestand des Arbeitgebers auf einen privaten Datenträger habe aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers eine fristlose Kündigung gerechtfertigt. Es sei nicht nachvollziehbar, wofür der Kläger die 47 überspielten Dateien benötigt habe, nachdem er selbst seit dem 08.12.2005 von seiner Freistellung ab dem 01.01.2006 ausgegangen sei. Umsatz-, Rohertrags-, Kosten- und Ergebnisplanung für das Jahr 2006 hätten ihm, angesichts der beabsichtigten Freistellung zum 01.01.2006, nicht mehr oblegen. Das Überspielen der Dateien nach Hause sei unzulässig gewesen, soweit dem Kläger kein entsprechendes Passwort zugeteilt worden sei. Für 9 Dateien habe er mindestens dass Masterpasswort, für die übrigen 37 Dateien ein höheres Passwort als das VR-Passwort benötigt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 11.07.2007 (Bl. 295 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

A.

Der mit der Berufung weiter verfolgte Klageantrag zu 1. ist unbegründet, da das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch den schriftlichen Aufhebungsvertrag vom 21.12.2005 rechtswirksam beendet worden ist und es daher einer rechtlichen Überprüfung der nachfolgenden außerordentlichen Kündigung vom 20.01.2006 nicht mehr bedarf. Die vom Kläger erklärte Annahme des Auflösungsangebotes der Beklagten ist weder wegen Geschäftsunfähigkeit nach § 105 BGB noch wegen Anfechtung nach Drohung gemäß §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB nichtig. Dies hat bereits das erstinstanzliche Gericht festgestellt, dessen rechtlich zutreffende Entscheidungsgründe (Seite 7 ff. des Urteils vom 07.03.2007 = Bl. 250 ff. d. A.) sich die erkennende Berufungskammer vollumfänglich zu Eigen macht und auf eine wiederholende Darstellung nach § 69 Abs. 2 ArbGG verzichtet. Die hiergegen vom Kläger mit der Berufung erhobenen rechtlichen Einwände sind nicht gerechtfertigt. Der Aufhebungsvertrag vom 21.12.2005 ist, entgegen der vom Kläger im zweitinstanzlichen Verfahren erstmals vertretenen Auffassung, auch nicht wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

I.

Der Kläger war bei Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 21.12.2005 nicht geschäftsunfähig im Sinne von § 105 Abs. 2 zweite Alt. BGB (vorübergehende Störung der Geistestätigkeit). Diese bereits vom Arbeitsgericht getroffene Feststellung beruht auf einer rechtlich einwandfreien Beweiswürdigung. Eine Geschäftsunfähigkeit des Kläger bei Abschluss des Aufhebungsvertrages ergibt sich weder aus dem ärztlichen Attest des Dr. R. vom 09.01.2006 (Bl. 31 f. d. A.) noch aus dem psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr. G. vom 11.09.2006 (Bl. 121 ff. d. A.) und auch nicht aus der schriftlichen Aussage des als Zeugen vernommenen Dr. R. vom 06.02.2007 (Bl. 222 ff. d. A.).

1.

Dem ärztlichen Attest vom 09.01.2006 ist entgegen der Auffassung des Berufungsführers nicht zu entnehmen, dass es infolge seiner psychischen Dekompensation vom 21.12.2005 zu einer Geschäftsunfähigkeit kam. Die für den medizinischen Laien mehrdeutigen Angaben des Dr. R. in seinem Attest vom 09.01.2006 ("Es ist auch von einer dissoziativen Amnesie (F44.0) auszugehen. Zusammenfassend ist auszugehen, dass aufgrund seines psychischen Zustandes (Kurzschlussreaktion) im Rahmen einer akuten psychischen Belastung Herr S. am 21.12.2005 während des Personalgesprächs nicht in der Lage war die Folgen seiner Willensbestimmung zu überblicken.") bot in Verbindung mit der vom Kläger behaupteten Geschäftsunfähigkeit lediglich Anlass, eine Beweisaufnahme durchzuführen. Der Gutachter Dr. G. stellte aber nachvollziehbar fest, dass eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit beim Kläger nicht eintrat, sondern lediglich eine akute Belastungsreaktion, ohne dass es zu einer dissoziativen Amnesie kam; Dr. R. hat dieser Auffassung in seiner schriftlichen Aussage vom 06.02.2007 nicht widersprochen und das Nichtvorliegen einer dissoziativen Amnesie bestätigt.

2.

Die Feststellung des Gutachters Dr. G., wonach der Kläger - laut eigenen Angaben - bei dem Gespräch vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages an vegetativen Symptomen wie verstärktem Schwitzen, erhöhtem Puls und Kopfdruck, der höchstwahrscheinlich mit einem überhöhten Blutdruck einherging, litt sowie nicht die Möglichkeit gehabt habe, das Geschehen grundsätzlich in Frage zu stellen, es zum Beispiel auf eine fristlose Kündigung ankommen zu lassen und das Büro zu verlassen, werden vom Kläger in der Berufungsbegründung zur Begründung eines Ausschlusses seiner freien Willensbestimmung isoliert dargestellt. Liest man die Angaben des Sachverständigen aber im Zusammenhang des folgerichtig aufgebauten Gutachtens, ergibt sich ein solcher Ausschluss der Willensbestimmung gerade nicht. Demnach handelt es sich bei den vom Kläger geschilderten vegetativen Symptomen um solche, die typisch sind für eine akute Belastungsreaktion (ICD 10 F 43.0), also eine Reaktion auf eine Belastung eines psychisch nicht manifest gestörten Menschen, die normalerweise in Stunden oder Tagen abklingt.

Die Angabe des Klägers, es sei ihm nicht möglich gewesen, das Geschehen grundsätzlich in Frage zu stellen, es zum Beispiel auf eine fristlose Kündigung ankommen zu lassen und das Büro zu verlassen, lassen aus Sicht des Gutachters wahrscheinlich erscheinen, dass es durch die Beschwerden der Belastungssituation zu einer Willensschwächung und leichten Beeinflussbarkeit gekommen war. Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung war nach der nachvollziehbaren Auffassung des Sachverständigen hiermit aber nicht verbunden, da der Kläger bei Unterzeichnung des Vertrages noch die Fähigkeit gehabt habe, die Bedeutung seines Handelns zu erkennen und aus vernünftigen Erwägungen zu entscheiden. Dies leitet der Sachverständige daraus ab, dass der Kläger zum Beispiel auf die Frage des Gutachters, warum er am Morgen des 21.12.2005 in Anbetracht des Angebots eines Auflösungsvertrages zum 31.12.2005 oder einer fristlosen Kündigung ersteres gewählt habe und dass er damals überlegt habe, dass ein Auflösungsvertrag zum 31.12.2005 bei einer späteren Bewerbung immer noch besser aussehe als eine fristlose Kündigung. Des Weiteren habe der Kläger bei seiner Untersuchung berichtet, dass er später beim Betreten seines Hauses überlegt habe, die ihn begleitenden Mitarbeiter der Beklagten nicht ins Haus zu lassen, dies aber dann doch verworfen habe, um aus dem Geschehen herauszukommen. Hierbei handelt es sich um rationale Erwägungen, die mit einer Störung der Geistestätigkeit nicht vereinbar sind.

3.

Auch soweit der Kläger in der Berufungsbegründung ausführt, Dr. R. habe in seiner schriftlichen Zeugenaussage die am 09.01.2006 attestierte Geschäftsunfähigkeit nicht zurückgenommen, ist dies richtigzustellen. Zum einen enthält dass ärztliche Attest vom 09.01.2006 keine eindeutige Bestätigung einer beim Kläger vorliegenden Geschäftsunfähigkeit. Zum anderen hat der Zeuge Dr. R., nachdem ihm der Inhalt des Gutachtens von Dr. G. vorgehalten wurde, bestätigt, dass beim Kläger keine grobe amnestysche Störung vorgelegen habe. Nur eine solche Störung hätte aber zum Ausschluss der Geschäftsunfähigkeit im vorliegenden Zusammenhang führen können. Partielle Erinnerungslücken des Klägers, die der Zeuge laut eigenem Bekunden am 09.01.2006 "in dem Rahmen einer möglichen dissoziativen Amnesie gestellt" hat, reichen nicht aus, um das erkennende Gericht, angesichts der klaren gutachterlichen Ausführungen - von dem Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit des Klägers zu überzeugen.

Wenn man sich des Weiteren den apodiktischen Satz des Dr. R. in seinem Attest vom 09.01.2006: "Es ist auch von einer dissoziativen Amnesie (F44.0) auszugehen." vergegenwärtigt, kann in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgerichts durchaus festgestellt werden, dass der Zeuge diese Behauptung in seiner schriftlichen Aussage nicht weiter aufrecht erhalten hat und hiervon abgerückt ist.

II.

Auch die in der Berufungsbegründung gegen die rechtlichen Ausführungen des Arbeitsgerichts Mainz zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer Anfechtung wegen Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB) enthaltenen Einwendungen bleiben ohne Erfolg.

1.

Selbst wenn der streitige Sachvortrag des Klägers als zutreffend unterstellt wird, dass die Beklagte ihm während des Gesprächs vom 21.12.2005 im Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrages nicht nur eine fristlose Kündigung in Aussicht stellte, sondern ebenfalls die Hinzuziehung der Kriminalpolizei, so ergibt sich hieraus nicht der Einsatz eines widerrechtlichen und unverhältnismäßigen Mittels. Wie bereits das Arbeitsgericht im Einzelnen dargelegt hat, hätte auch ein verständiger Arbeitgeber, angesichts des bestehenden Verdachtes eines Datendiebstahls, die entsprechenden Maßnahmen ergriffen.

2.

Auch soweit der Kläger die Auffassung vertritt, vom Vorliegen eines Datendiebstahls oder Diebstahlverdachtes könne wegen des Fehlens einer Zueignungsabsicht nicht ausgegangen werden, folgt dem die erkennende Kammer nicht. Allein aus der Erklärung des Klägers gegenüber dem Gutachter, er habe den Vorwurf der Beklagten, Dateien unrechtmäßig nach Hause gemailt zu haben, zunächst überhaupt nicht verstanden, lässt sich nicht ableiten, dass aus Sicht der Beklagten nicht der Verdacht entstehen konnte, dass der Kläger die nach Hause überspielten Dateien bewusst für eigene, unrechtmäßige Zwecke verwenden wollte.

Wenn der Kläger darauf hinweist, die Beklagte selbst habe die Androhung der fristlosen Kündigung nur mit dem Verdacht der beabsichtigten Weitergabe ihrer Daten an Konkurrenten begründet, nicht aber mit einem erfolgten Datendiebstahl gerechtfertigt, verkennt er, dass aus Sicht der Beklagten der Datendiebstahl Voraussetzung gewesen sein muss, um einen Verdacht der unrechtmäßigen Weitergabe von Daten an Konkurrenten überhaupt entstehen zu lassen.

3.

Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung weiter ausführt, er hätte nicht vortragen müssen, welcher Mitarbeiter der Beklagten ihm das Masterpasswort erteilt habe, da die Beklagte die fehlende Zugangsberechtigung des Klägers nicht substantiiert vorgetragen habe, folgt dem die Berufungskammer nicht. Die Beklagte hat das bei ihr geltende Passwortsystem erstinstanzlich im Einzelnen vorgetragen, ohne dass dem der Kläger widersprochen hätte. Demnach war Geschäftsleitern ein VR-Passwort zugewiesen, das lediglich den Zugriff auf Daten ihres Marktes, ihres Bezirks und ihrer Vertriebsregion erlaubte. Demgegenüber hatten Vertriebsleiter und Merchandiser mit dem Masterpasswort Zugriff auf nationale Daten und Vergleichsdaten. Unter Berücksichtigung dieser unstreitigen Verteilung von Passwörtern hatte der Kläger als Geschäftsleiter lediglich auf die Dateien mit den Ziffern 21, 22, 28 und 42 bis 47 der insgesamt 47 nach Hause gesandten Dateien (vgl. zu Kennziffer, Inhalt und Art der Dateien Bl. 90 - 92 d. A.) Zugriff. Für die restlichen Dateien, welche einen nationalen Bezug hatten, war der Einsatz eines Masterpasswortes notwendig. Der Kläger hätte daher im Einzelnen darlegen müssen, wer ihm das Masterpasswort und die entsprechende Zugriffsberechtigung erteilt hatte; da ein entsprechender Sachvortrag auch zweitinstanzlich nicht erfolgte, nährte dies aus objektiver Sicht bei einem verständigen Arbeitgeber den Verdacht, dass der Kläger unberechtigt auf die mit dem Masterpasswort geschützten Dateien Zugriff nahm.

Soweit er dies damit zu rechtfertigen versuchte, er habe diese Dateien benötigt, um seine arbeitsvertraglich geschuldete Verpflichtung, die jährliche Umsatz-, Rohertrags-, Kosten- und Ergebnisplanung zu erstellen und die Kosten- sowie Ergebnissituation ständig zu optimieren sowie die Warenbestände zu steuern, hat er dies nicht im Einzelnen ausgeführt. Auch auf Nachfrage der erkennenden Kammer während der mündlichen Berufungsverhandlung erfolgte insofern keine nachvollziehbare Begründung für den Zusammenhang zwischen nationalen Dateien der Beklagten und den betriebsbezogenen Planungsaufgaben des Klägers. Erst recht ist nicht verständlich, weshalb der Kläger die Dateien mit nationalem Bezug benötigte, um arbeitsvertragliche Pflichten zu erfüllen, wenn man sich vor Augen hält, dass die Prozessparteien bereits vor Abschluss des Aufhebungsvertrages unstreitig vereinbart hatten, dass der Kläger ab dem 01.01.2006 von der Arbeit freigestellt wird. Aus Sicht des Berufungsgerichtes machte es keinen Sinn, am 10.12.2005 betriebsbezogene Planungen für das Jahr 2006 zu erstellen, für welches der Kläger keine Verantwortung als Geschäftsleiter mehr zu tragen hatte. Des Weiteren ist auch nicht erkennbar, weshalb er nach Ablauf nahezu eines Drittels des Monats Dateien nach Hause versandte, um - wie er in der Berufungsbegründung behauptet - die Kosten und Ergebnissituation auch im Monat Dezember noch zu optimieren. Der Kläger trägt hier keinerlei Zusammenhang zwischen den versandten Dateien und der ihm behaupteten Geschäftsoptimierung während des laufenden Monats vor. Auch während der mündlichen Berufungsverhandlung vermochte das Berufungsgericht einen solchen Zusammenhang durch Befragen des Klägers nicht in Erfahrung zu bringen.

4.

Der Kläger weist in der Berufungsbegründung darauf hin, dass die Beklagte nicht vorgetragen habe, es sei ihm als Geschäftsleiter verboten gewesen, die ihm zur Verfügung gestellten Firmendaten zu Hause auszuwerten. Diesem Vortrag ist die Beklagte zumindest in der mündlichen Berufungsverhandlung eindeutig entgegengetreten und hat ausgeführt, dass es ihm als Geschäftsleiter zumindest verboten gewesen sei, Dateien, die mit einem Masterpasswort geschützt gewesen seien, per E-Mail nach Hause zu senden. Die Beklagte hat des Weiteren in der Berufungsverhandlung ausgeführt, dass ansonsten das von ihr eingeführte Passwortsystem keine Bedeutung mehr habe. Diesen nachvollziehbaren Angaben vermochte der Kläger nicht weiter entgegenzutreten.

Wenn der Kläger des Weiteren ausführt, er habe die Dateien per E-Mail nicht heimlich übersandt, vielmehr hätte die Übersendung der vollständigen Kontrolle der Beklagten unterlegen, verkennt er, dass die Aufdeckung der Übersendung voraussetzte, den Datenfluss auf dem vom Kläger dienstlich genutzten Rechner zu überprüfen. Solche Überprüfungen werden von Arbeitgebern üblicherweise nicht ständig durchgeführt, so dass auch nicht von einer vollständigen Kontrolle die Rede sein kann.

5.

Soweit der Kläger zur Widerlegung der Voraussetzungen einer Verdachtskündigung Ausführungen macht, ist vorweg darauf hinzuweisen, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sein müssen, um eine Drohung i. S. v. § 123 Abs. 1 BGB auszuschließen. Vielmehr kommt es ausschließlich darauf an, ob aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers eine Situation gegeben war, die ihn eine Verdachtskündigung hätte in Erwägung ziehen lassen. Dies war vorliegend der Fall. Ausschlaggebend für den objektiv entstehenden Verdacht des Datendiebstahls und der Weitergabe von sensiblen Daten an Konkurrenten der Beklagten ist der Umstand, dass der Kläger während des Gesprächs vom 21.12.2005 darauf hinwies, er habe diese Daten übermittelt, um sich auf Bewerbungsgespräche vorzubereiten. Entsprechende Angaben hat er auch während der mündlichen Berufungsverhandlung gemacht, so dass sein Bestreiten in der Berufungsbegründung unerheblich ist. Für Konkurrenten hatten die nationalen Dateien objektiv einen hohen Informationswert, da den Daten zur Entwicklung der TIP und aldinativen Artikeln z. B. der von der Beklagten erzielte Rohertrag zu entnehmen war. Ein Konkurrent der Beklagten hätte im Besitz dieser Unterlagen die Kalkulation der Beklagten zumindest teilweise nachvollziehen können.

Dass der Kläger - wie er in der Berufungsbegründung vortragen lässt - seine besonderen Erfolge und Stärken quasi statistisch ermitteln wollte, um sich auf Bewerbungen vorzubereiten, ist nicht nachvollziehbar. Denn zur Beurteilung eigener Erfolge und Stärken bedurfte es nicht der Übermittlung von Dateien, die nationale Geltung hatten.

Da die Dateien für Konkurrenten einen erheblichen Informationswert hatten, war aus der objektiven Sicht eines verständigen Arbeitgebers zumindest die Gefahr gegeben, dass der Kläger diese Dateien, welche er ca. drei Wochen vor Einstellung der Arbeitstätigkeit nach Hause überspielt hat, weitergibt. Dass er in diesem Fall wegen Illoyalität im Falle einer Bewerbung auf eine Arbeitsstelle auch bei einem neuen Arbeitgeber keine Chance gehabt hätte, schließt nicht aus, dass eine Weitergabe gegen andere Gegenleistungen möglich war.

6.

Gegen das objektive Vorliegen von tatsächlichen Anhaltspunkten, die den Verdacht des Datendiebstahls und der beabsichtigten Weitergabe an konkurrierende Firmen rechtfertigen, spricht entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass die Beklagte auf eine weitergehende Aufklärung des Sachverhaltes verzichtet hat und nach dem Gespräch vom 21.12.2005 das Angebot zum Abschluss des Aufhebungsvertrages unterbreitete. Die vor und während dieses Gespräches bekannt gewordenen Tatsachen rechtfertigten jedenfalls aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers den dargelegten Verdacht. Ob weitere Aufklärungsmaßnahmen geboten gewesen wären, wäre allenfalls im Zusammenhang der kündigungsschutzrechtlichen Überprüfung der Begründetheit einer Verdachtskündigung in Erwägung zu ziehen. Für einen verständigen Arbeitgeber reichten die hier vorliegenden Tatsachen aus, um eine fristlose Kündigung sowie die Hinzuziehung der Kriminalpolizei in Aussicht zu stellen.

7.

Die angedrohte fristlose Kündigung verstieß auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die vom Kläger vorgetragenen Umstände, welche zu seinen Gunsten sprechen (Abfindungsangebot in Höhe von rund 60.000,00 EUR durch die Beklagte ca. 13 Tage vor dem Gespräch vom 25.12.2005; loyales Verhalten des Klägers über sieben Jahre hinweg; fehlende Zweifel des Klägers an der Zulässigkeit der Datenübermittlung; keine heimliche Übermittlung der Daten an die private E-Mail-Adresse) lassen den Verdacht des Datendiebstahls nicht entfallen und hätten auch einen verständigen Arbeitgeber bei der vorliegenden Ausgangssituation veranlasst, eine fristlose Kündigung sowie polizeiliche Maßnahmen in Erwägung zu ziehen.

III.

Der Aufhebungsvertrag vom 25.12.2005 ist nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig. Die Beklagte hat nämlich den Kläger, entgegen der von ihm in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung, nicht durch die Gesprächsführung in einen Nervenzusammenbruch getrieben, sondern legitime eigene Interessen verfolgt und dabei lediglich Folgerungen aus dem vorausgegangenen Fehlverhalten des Klägers gezogen. Da ein verständiger Arbeitgeber - wie vom Arbeitsgericht sowie vorstehend auch vom Berufungsgericht bereits ausgeführt - sich ebenso verhalten hätte, kann von einer sittenwidrigen Ausnutzung einer psychischen Zwangslage des Klägers nicht die Rede sein. Im Übrigen ist auch nicht nachvollziehbar, dass für die Beklagte die vegetativen Störungen, welche der Kläger bei seinem Gespräch mit dem Sachverständigen Dr. G. angegeben hat, tatsächlich erkennen konnte. Mithin ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte bewusst eine ihr erkennbare Willensschwäche des Klägers ausgenutzt hat.

Da somit das Beschäftigungsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag vom 25.12.2005 rechtswirksam beendet worden ist, bedarf es nicht mehr einer rechtlichen Überprüfung der zeitlich nachfolgenden außerordentlichen Kündigung; die Klage wurde auch insoweit zu Recht als unbegründet abgewiesen.

B.

Dem Kläger steht auch nicht der mit dem Berufungsantrag zu 2. weiterverfolgte Zahlungsanspruch zu, da im Januar 2006 zwischen den Prozessparteien kein Beschäftigungsverhältnis mehr bestand und dementsprechend es auch an einer Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Arbeitsentgelt fehlt.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben. Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an.

Ende der Entscheidung

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