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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 25.01.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 604/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, EuGVVO, BGB
Vorschriften:
ArbGG § 64 Abs. 1 | |
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. b | |
ArbGG § 65 | |
ArbGG § 69 Abs. 2 | |
ZPO § 280 Abs. 2 Satz 1 | |
EuGVVO § 66 Abs. 1 | |
BGB § 823 |
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.07.2007, Az.: 4 Ca 1645/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage unter dem Gesichtspunkt internationaler Zuständigkeit zulässig ist oder nicht.
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin von dem Beklagten zu 2) als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 1. Schadensersatz in Höhe von insgesamt 326.987,41 EUR nebst Zinsen. Sie stützt diesen Anspruch auf folgende zwischen den Parteien streitige Sachverhalte:
Unberechtigte Entnahme von Geldern aus dem der Klägerin gehörenden Sonnenstudio am Sitz der Klägerin, sogenannte Schwarzbauten am Produktionsstandort der Klägerin und die unberechtigte Vermietung von Sonnenbänken und Erteilung der Einnahmen zwischen den Beklagten.
Durch Beschluss vom 10. Januar 2007, Az.: 4 Ca 1645/03 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bezüglich des genannten Anspruchs für eröffnet erklärt, auch soweit dieser gegenüber dem Beklagten zu 2) geltend gemacht wird. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. Februar 2007 - 3 Ta 42/07 -).
Während der Beklagte zu 1. Arbeitnehmer der Klägerin war, bestand zwischen dem Beklagten zu 2) und der H.. . ein Vertrag als "Manager Commerciele". Aufgrund dieses Vertrages war der Beklagte zu 2) bei der Klägerin mit Aufgaben der Geschäftsführung betraut und im Briefkopf der Klägerin aufgeführt. Der Beklagte zu 2) wohnt im holländischen N..
Mit Urteil vom 31. Dezember 2003 des niederländischen Landgericht Arnheim mit dem Aktenzeichen 91688/HA ZA 02-1473 (Übersetzung Bl. 443 d. A.) ist die von der Klägerin zusammen mit der H.-und HA. gegen den Beklagten zu 2) im Jahre 2002 erhobene Klage bezüglich der Klägerin rechtskräftig entschieden worden. Der Tenor der Entscheidung lautet: "Das Landgericht weist die Forderungen der Klägerin als unzulässig ab". Dieser Entscheidung liegt ausweislich des Urteils folgendes zugrunde: Ursprünglich hatte die Klägerin in diesem Prozess Schadensersatz unter anderem wegen der bereits oben angeführten Vorwürfe gefordert. Allerdings hat die Klägerin diese Schadensersatzforderung, nachdem der Beklagte zu 2) der Klagrücknahme nicht zustimmte, auf Null angesetzt, um sie in Deutschland geltend zu machen.
Die H. und HA. führen gegen den Beklagten zu 2) weiter einen Rechtsstreit vor dem holländischen Amtsgericht Nijmegen unter dem Aktenzeichen AR/7.11.1999, 238016/CV EXPL 04-1205 unter anderem wegen Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 204.201,00 EUR auf den definitiv festzustellenden Schaden wegen der behaupteten Entnahmen aus dem der Klägerin eigenen Sonnenstudio und den behaupteten sogenannten Schwarzbauten von Sonnenbänken in der Produktionsstätte der Klägerin. Die Forderung wurde vom Amtsgericht mit Entscheidung vom 10. Juni 2005 abgewiesen (vgl. zur Übersetzung Bl. 397 ff. d. A.). Der Rechtsstreit ist derzeit in den Niederlanden noch in der Berufungsinstanz anhängig.
Wegen der weiteren Einzelheiten insbesondere des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Zwischenurteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25. Juli 2007 - Az.:4 Ca 1645/03.
Mit dem genannten Urteil hat das Arbeitsgericht die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage für zulässig erklärt.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen und zusammengefasst folgendes ausgeführt:
Die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts folge aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Der Zulässigkeit der Klage stehe auch nicht die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Arnheim vom 31. Dezember 2003 in Anwendung des Art. 33 Abs. 1 EuGVVO entgegen, da es sich bei diesem ausweislich des Tenors und der Begründung nicht um ein Sach-, sondern um ein Prozessurteil handele.
Die Klage sei auch nicht in Anwendung des Art. 27 EuGVVO wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Der in den Niederlanden zwischen der H., HA. gegen den Beklagten zu 2) in der Berufungsinstanz noch anhängige Rechtsstreit berühre die Zulässigkeit der Klage nicht. Es sei bereits zweifelhaft, ob mit der arbeitsgerichtlichen Klage derselbe Anspruch im Sinne des Art. 27 EuGVVO geltend gemacht werde. Jedenfalls aber fehle es an der nach Art. 27 EuGVVO vorausgesetzten Identität der Parteien. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus dem Urteil des EuGH vom 19. Mai 1998, C-351/96. Eine Interessenidentität zwischen der Klägerin und den Klägerinnen des in den in den Niederlanden derzeit noch anhängigen Rechtsstreit sei nicht dargelegt worden und auch sonst nicht erkennbar. Insbesondere reiche nicht aus, dass die Klägerin mit den genannten niederländischen Firmen demselben Konzern angehörte. Hinzu käme, dass sowohl die Klägerin als auch die niederländischen Firmen ihre Klagen jeweils auf eigene Recht stützten.
Hinsichtlich der Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidungsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Zwischenurteils verwiesen.
Gegen dieses ihm am 09. August 2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte zu 2) mit einem am 06. September 2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 05. Oktober 2007 (Bl. 600 ff. d. A.) begründet.
Nach Maßgabe seiner Berufungsbegründung im genannten Schriftsatz, auf den ergänzend Bezug genommen wird, macht der Beklagte zu 2) im Wesentlichen geltend:
Das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft seine Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO hergeleitet. Eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhang bestehe nicht.
Das Arbeitsgericht hätte sich bereits gemäß Art. 27 Abs. 2 EuGVVO für international unzuständig erklären müssen. Der niederländischen Rechtslage nicht entsprechend sei es, das Urteil des Landgericht Arnheim vom 31. Dezember 2003 als Prozessurteil zu qualifizieren. Die aufgrund der rein taktischen Reduzierung der Klageforderung auf Null erfolgte Abweisung der Klage habe nach niederländischem Prozessrecht die Folge, dass die Forderung nicht nochmals geltend gemacht werden könne. Es handele sich insoweit bei dem genannten Urteil um eine inhaltliche und nicht um eine rein prozessuale Entscheidung. Die Rechtskraft dieses Urteils stehe daher der hiesigen Klage entgegen.
Des Weiteren sei im Hinblick auf das in den Niederlanden in der Berufungsinstanz noch anhängige Verfahren der H.. und der HA. gegen den Beklagten zu 2) eine doppelte Rechtshängigkeit im Sinne des Art. 27 Abs. 1 EuGVVO gegeben. Es handele sich um denselben Anspruch im Sinne des Art. 27 Abs. 1 EuGVVO, da es im Sinne der sogenannten Kernpunktheorie des EuGH bei beiden Rechtsstreitigkeit um dieselbe Frage gehe.
Dass die Klageansprüche nicht völlig deckungsgleich seien, stehe der Annahme der doppelten Rechtshängigkeit nicht entgegen, da Art. 27 Abs.1 EuGVVO auch einschlägig sei, wenn die Klägerin ihre Forderung gesplittet hätte und jeweils Teilbeträge in mehreren Staaten eingeklagt hätte. Die Annahme einer Interessenidentität zwischen der Klägerin des hiesigen Verfahrens und den Klägerinnen des niederländischen Verfahrens sei zwingend, da eine Geltendmachung der Ansprüche im niederländischen Verfahren nur dann denkbar sei, wenn die in dem niederländischen Verfahren auftretenden Klägerinnen sich zuvor den von der hiesigen Klägerin geltend gemachten Anspruch hätten abtreten lassen oder mit dieser im Firmenverbund wirtschaftlich identisch seien.
Die H.. und die HA. seien darüber hinaus im Hinblick auf die behaupteten Forderungen als Rechtsnachfolger der hiesigen Klägerin anzusehen. Dies ergebe sich insbesondere auch aus dem Inhalt des Schreibens der HA. .vom 12. November 2002 an die Klägerin, in welchem erklärt werde, den durch den Beklagten zu 2) verursachten Schaden der Klägerin zu ersetzen.
In Anwendung der Grundsätze des Urteils des EuGH Rs C 351/96 Drouot/CMI sei auch von einer Parteiidentität im Sinne des Art.s 27 EuGVVO auszugehen. Aufgrund der Reduzierung der Forderung auf Null durch die Klägerin in dem Verfahren vor dem Landgericht Arnheim, der Übernahme der Forderung durch die verbleibende Klägerin HA. . als eigene und dem damit einhergehenden Parteiwechsel in niederländischen Verfahren sei von einer Parteiidentität auszugehen. Zudem sei die HA.. derart eng mit der Klägerin verbunden, wie auch die Ausübung faktischer Geschäftsführungsbefugnisse für die Klägerin durch den Beklagte zu 2) belege.
Der Beklagte zu 2) beantragt,
das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25. Juli 2007, Az.: 4 Ca 1645/03 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 30. November 2007 (Bl. 645 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend und macht sich die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts zu eigen.
Auch im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung des Beklagten zu 2) ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach §§ 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b ArbGG an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Die Berufungskammer folgt zunächst den Gründen der angefochtenen Entscheidung und stellt dies hiermit gem. § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist ergänzend lediglich Folgendes auszuführen:
1. Zunächst bedarf der Tenor der angefochtenen Entscheidung der Auslegung. Das Arbeitsgericht hat ausweislich des Tenors die Klage gegen den Beklagte zu 1.) für zulässig erklärt. Hierbei handelt es sich um ein offensichtliches Versehen. Eine Auslegung des Tenors unter Hinzuziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung ergibt, dass durch das genannte Urteil die Klage gegen den Beklagte zu 2) für zulässig erklärt wurde. Nur bezüglich des Beklagten zu 2) ergeben sich die Probleme internationaler Zuständigkeit. Dem entspricht es, dass sich die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Zulässigkeit der Klage auch ausschließlich auf den Beklagten zu 2) beziehen. Hiervon gehen im Übrigen auch die Parteien aus.
2. Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass sich die Frage der internationalen Zuständigkeit nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO) richtet, da es sich um eine Zivilsache im Sinne des Art. 1 Abs. 1 EuGVVO handelt und die Klage nach Inkrafttreten der Verordnung (1.3.2002, Art. 76 EuGVVO) erhoben wurde, § 66 Abs. 1 EuGVVO.
Ebenso hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass der besondere Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO eröffnet ist, da die Klägerin gegen den Beklagten zu 2) Ansprüche aus einer (behaupteten) unerlaubten Handlung geltend macht. Unter einer unerlaubte Handlung im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist jegliche Schadenszufügung zu verstehen, die nicht aus einem Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 herrührt (EuGH Rs 189/87 Kalfelis/Schröder EuGHE 1988, 5565; Leible, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Brüssel I-VO Rz. 78, 79). Nach dem, im Einzelnen allerdings streitigen Sachvortrag der Klägerin kommen gegen den Beklagten zu 2) nicht aus Vertrag herrührende Ansprüche, namentlich nach § 823 BGB, in Betracht.
Soweit die Berufung erneut rügt, dass eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs nicht bestehe, ergibt sich das Gegenteil aus dem rechtskräftigen Beschluss des Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 27. Februar 2007, Az. 3 Ta 42/07 und ist unabhängig von der Regelung des § 65 ArbGG deshalb einer erneuten Prüfung entzogen.
3. Das angefochtene Zwischenurteil erweist sich auch nicht deshalb als rechtsfehlerhaft, weil das Arbeitsgericht zum Zeitpunkt seiner Verkündung in Anwendung des Art. 27 EuGVVO im Hinblick auf das Verfahren vor dem Landgericht Arnheim, Az. 91688/HA ZA 02-1473, noch gehalten gewesen wäre, das Verfahren auszusetzen oder sich für unzuständig zu erklären. Dies ergibt sich daraus, dass zum Zeitpunkt der Verkündung des Zwischenurteils das Urteil des Landgerichts Arnheim im genannten Verfahren vom 31. Dezember 2003 nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts bereits rechtskräftig war und damit dieser Rechtsstreit vor dem Landgericht Arnheim abgeschlossen und damit nicht mehr anhängig war. Welche Wirkungen dieser Verfahrensabschluss auf das hier anhängige Verfahren hat, richtet sich nicht nach Art. 27 EuGVVO, sondern nach Art. 33 EuGVVO.
4. Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Arnheim - Sektor Zivilrecht- vom 31. Dezember 2003, Az. 91688 HA ZA 02-1473, entgegen.
Aus Art. 33 Abs. 1 EuGVVO folgt, dass aufgrund der dort vorgesehenen Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangener Entscheidungen ohne besonderes Anerkennungsverfahren ("ipso iure", vgl. etwa Leible, aaO., Art. 33 Brüssel I-VO Rz. 2) im nationalen gerichtlichen Verfahren die Rechtskraft von in einem anderen Mitgliedsstaat ergangenen Urteilen zu beachten ist. Wird gleichwohl Klage erhoben, ist diese als unzulässig abzuweisen (EuGH Rs 42/76 de Wolf/Cox EuGHE 1976, 1759; Leible, aaO. Rz 4). Die Wirkungen der in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat entsprechen dabei - vorbehaltlich der Wahrung des ordre public - den Wirkungen, die ihr im Urteilsstaat zugemessen werden (vgl. EuGH Rs 145/86 Hoffmann/Krieg EuGHE 1988, 645).
Zu beachten ist allerdings, dass die genannte Anerkennungswirkung nicht Prozessabweisungen oder sonstige Entscheidungen über prozessuale Frage erfasst, auch wenn diese nach dem Recht des Erststaates in materielle Rechtskraft erwachsen sollten (Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl., S. 872 Rz. 2788, 2790 mwN.; ders. In: Zöller, ZPO, 26. Aufl., Anh I Art. 32 EuGVVO Rz. 11; Gottwald, MüKo-ZPO, IZPR Art. 26 Rz. 4). Soweit eine Anerkennung von Prozessurteilen diskutiert wird, betrifft dies nur die Frage, ob ein Gericht ein ausländisches Gericht als zuständig ansehen darf, das seine Zuständigkeit bereits rechtskräftig verneint hat (vgl. etwa Gottwald, aaO; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Vor Art 33 Rz. 13; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art 33 EuGVVO Rz. 3).
Die Berufungskammer teilt insoweit ungeachtet der Angriffe der Berufung die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass es sich bei dem klageabweisenden Urteil hinsichtlich der Klägerin des Landgerichts Arnheim - Sektor Zivilrecht - vom 31. Dezember 2003, Az. 91688 HA ZA 02-1473, um ein Prozessurteil in diesem Sinne handelt. Dies ergibt sich aus Tenor und Entscheidungsbegründung des genannten Urteils, wobei nach Art. 36 EuGVVO eine Nachprüfung, ob die Entscheidung des Landgerichts Arnheim dem niederländischen Zivilprozessrecht entspricht, ausgeschlossen ist.
Bereits aus dem Tenor der genannten Entscheidung ergibt sich, dass die Forderung der Klägerin als unzulässig abgewiesen wurde. Aus der Entscheidungsbegründung ergibt sich, dass die Forderung als unzulässig verworfen wurde, weil nach Reduzierung der Forderung auf Null kein Interesse mehr an der Forderung bestehe.
Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob die Einordnung einer ausländischen Entscheidung als Sach- oder Prozessurteil im Rahmen der EuGVVO verordnungsautonom (so etwa Linke, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rz. 3579) oder nach nationalen, vorliegend also deutschen Rechtsvorstellungen (so etwa Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, aaO., Rz. 2790) zu erfolgen hat. Soweit eine verordnungsautonome Beurteilung befürwortet wird, liegt ein Prozessurteil vor, wenn sich das Urteil mit dem geltend gemachten Anspruch selbst in der Sache nicht befasst hat, sondern die Klage aus prozessualen Gründen und damit wegen verfahrensrechtlicher Unvollkommenheiten abgewiesen wurde (Linke, in: Internationale Zuständigkeit und Urteilsanerkennung in Europa, 1993, S. 157 ff., 164). Die Frage bedarf keiner abschließenden Klärung, da in Anwendung beider Maßstäbe von einem Prozessurteil auszugehen ist. Nach nationalen Rechtsvorstellungen folgt dies daraus, dass das fehlende Interesse an der Weiterfolgung einer auf Null reduzierten Forderung sich als Klage ohne Rechtsschutzbedürfnis mit der Folge ihrer Unzulässigkeit darstellen würde. Aber auch in Anwendung eines verordnungsautonomen Maßstabs handelt es sich um ein Prozessurteil. Aus der Entscheidungsbegründung des genannten Urteils des Landgerichts Arnheim ergibt sich, dass sich das Gericht mit dem der Forderung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht auseinandergesetzt hat und insbesondere nicht geprüft hat, ob ein haftungsbegründender Sachverhalt vorliegt.
5. Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht die Anhängigkeit des Verfahrens in den Niederlanden der H.. sowie der HA. gegen den Beklagten zu 2) entgegen, welches sich noch im Berufungsverfahren befindet (Ausgangsverfahren: Amtsgericht Nijmegen, Az. AR/7.11.19999, 238016 CV EXPL 04-1205). Ein Fall des Art. 27 EuGVVO ist nicht gegeben.
Zwar weist die Berufung zu Recht darauf hin, dass der Begriff desselben Anspruchs im Sinne des Art. 27 EuGVVO verordnungsautonom zu bestimmen und weit auszulegen ist. Nach der sog. Kernpunkttheorie des EuGH (EuGH Rs 144/86 Gubisch Maschinenfabrik/Palumbo EuGHE 1987, 4861; vgl. etwa Leible, aaO., Art. 27 Brüssel I-VO, Rz. 8 mwN. zur Rechtsprechung des EuGH) handelt es sich um dieselben Ansprüche, wenn die Klagen auf derselben Grundlage beruhen und sie denselben Gegenstand haben. Beruht die Klage auf dem gleichen Sachverhalt und der gleichen Rechtsvorschrift und verfolgen beide Klagen den gleichen Zweck, ist von Klageidentität auszugehen, wobei es bereits genügt, dass die Klagen im Kern den gleichen Gegenstand haben.
Eine Anspruchsidentität in diesem Sinne allein ist aber nach Art. 27 EuGVVO nicht ausreichend. Vielmehr setzt Art. 27 EuGVVO zusätzlich voraus, dass in verschiedenen Mitgliedstaaten Klagen auch zwischen denselben Parteien anhängig sind, erfordert also eine Parteiidentität. Auch dieser Begriff ist verordnungsautonom zu bestimmen (Leible, aaO., Art. 27 Brüssel I-VO, Rz. 6; EuGH Rs C 406/92 Tatry/Maciej Rataj EuGH 1995 I 5439; EuGH Rs C 351/96 Drouot/CMI EuGHE 1998 I 3075). Parteiidentität liegt vor, wenn an beiden Verfahren dieselben Personen beteiligt sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Klägerin des hiesigen Verfahrens nicht an dem genannten Verfahren in den Niederlanden beteiligt ist.
Nach der auch der von der Berufung herangezogenen Entscheidung des EuGH im Verfahren C 351/96 Drouot/CMI kann ausnahmsweise eine Parteiidentität trotz Personenverschiedenheit vorliegen, wenn die Interessen der unterschiedlichen an den Rechtsstreiten beteiligten Personen soweit übereinstimmen, dass ein Urteil, das gegen die eine ergeht, Rechtskraft gegenüber der anderen entfalten würde. Dies - so der EuGH - wäre insbesondere dann der Fall, wenn statt des Versicherungsnehmers der Versicherer kraft übergegangenen Rechts klagt oder verklagt wird, ohne dass der Versicherungsnehmer in der Lage wäre, auf den Ablauf des Verfahrens Einfluss zu nehmen. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer, falls ihre Interessen voneinander abweichen, die Möglichkeit genommen wird, ihre jeweiligen Interessen gegenüber den anderen betroffenen Parteien gerichtlich geltend zu machen.
Ein derartiger Ausnahmefall liegt nicht vor. Wie sich aus dem erstinstanzlichen Urteil des niederländischen Gerichts im genannten Verfahren ergibt, machen die beiden niederländischen Gesellschaften nicht etwa aus von der Klägerin des hiesigen Verfahrens abgetretenem Recht Schadensersatz geltend, sondern einen eigenen Schaden. Insbesondere die H. . stützt ihren Anspruch darauf, dass sie der Klägerin des hiesigen Verfahrens zum Ersatz des dieser entstandenen Schadens aufgrund des Abordnungsvertrages verpflichtet sei (vgl. insbesondere Ziffer 3.2 der erstinstanzlichen Entscheidung im genannten niederländischen Verfahren, Bl. 398 ff. d.A.).
Nicht zu verkennen ist, dass der Ausgang des Verfahrens in den Niederlanden Auswirkungen auch auf das hiesige Verfahren haben könnte. Sollte ein der Klägerin ggfs. verantwortlich vom Beklagten zu 2) verursachter Schaden entstanden sein, dieser aber sodann von einer der niederländischen Gesellschaften ausgeglichen worden sein und der Beklagte zu 2) in den Niederlanden zum Ersatz dieses Schadens verurteilt werden, liegt auf der Hand, dass der behauptete Schaden nur ein Mal, entweder bei der Klägerin oder aber bei einer oder beiden holländischen Gesellschaften entstanden sein kann.
Dies rechtfertigt aber nicht die Annahme einer Parteiidentität im Sinne des Art. 27 EuGVVO.
Der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bei nicht gegebener doppelter Rechtshängigkeit im Sinne des Art. 27 EuGVVO trägt Art. 28 EuGVVO Rechnung. Der Begriff des Zusammenhangs im Sinne des Art. 28 Abs. 1 EuGVVO ist dabei autonom zu bestimmen und weit zu fassen: Erfasst werden alle Fälle, in denen die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht, selbst wenn die Entscheidungen getrennt vollstreckt werden können und sich ihre Rechtsfolgen nicht gegenseitig ausschließen (EuGH Rs 145/86 Hoffmann/Krieg EuGHE1988, 645). Ein nach Art. 28 EuGVVO genügender Zusammenhang kann etwa gegeben sein, wenn den beiden Klagen ein übereinstimmender Lebenssachverhalt zugrunde liegt, ein Widerspruch in den tragenden Urteilsgründen zu erwarten ist, Rechts- und Tatsachenfragen zu klären sind, die in beiden Verfahren eine Rolle spielen oder sich die Ergebnisse des Erstverfahrens im Zweitverfahren verwerten lassen.
Ob diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sind, war nicht zu prüfen, da Art. 28 EuGVVO nicht zur Unzulässigkeit der Klage führt, sondern dem (vorliegend erstinstanzlichen) Gericht die in Art. 28 Abs. 1 und 2 EuGVVO genannten Ermessenentscheidungen (vgl. Leible, aaO., Art. 28 Brüssel I-VO, Rz. 7, 11) eröffnet.
III. Die Berufung war daher mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Grund, der die Zulassung der Revision rechtfertigt, besteht nicht. Einer Vorlage an den EuGH bedurfte es nicht. Die maßgeblichen Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit Art. 27 EuGVVO sind bereits geklärt, insbesondere durch das genannte Urteil des EuGH vom 19.5.1998, C 351/96 Drouot/CMI.
Ende der Entscheidung
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