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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 06.09.2006
Aktenzeichen: 9 TaBV 21/06
Rechtsgebiete: BetrVG, ASiG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 37
BetrVG § 37 Abs. 6
BetrVG § 37 Abs. 6 S. 1
BetrVG § 40 Abs. 1
BetrVG § 80
BetrVG § 80 Abs. 1 Nr. 2
BetrVG § 80 Abs. 1 Ziff. 2
BetrVG § 87
BetrVG § 87 Abs. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 7
BetrVG § 87 Abs. 7
ASiG § 3
ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG §§ 87 ff.
ArbGG § 92 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 TaBV 21/06

Entscheidung vom 06.09.2006

Tenor:

1. Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27.03.2006, Az. 8 BV 21/05, wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Freistellung von Kosten für verschiedene Schulungen von Betriebsratsmitgliedern.

Die Beteiligte zu 2 ist ein metallverarbeitendes Unternehmen, das mit der Produktion von Blechpackungen befasst ist (im Folgenden: die Arbeitgeberin). Nachdem ursprünglich bis zu 260 Arbeitnehmer bei der Arbeitgeberin tätig waren, sank die Beschäftigtenzahl auf zuletzt weniger als 200 Arbeitnehmer.

Der Beteiligte zu 1 ist der bei der Arbeitgeberin errichtete Betriebsrat, dem ursprünglich neun und zuletzt noch sieben Mitglieder angehörten (im Folgenden: der Betriebsrat). Im März 2004 schied Herr X. aus dem Betriebsrat aus, für ihn rückte Herr W. nach.

Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin unter Vorlage von Seminarunterlagen (vgl. Bl. 104 ff. d. A.) mit, dass Betriebsratsmitglieder an folgenden Schulungsseminaren teilnehmen sollen:

1. "Mitbestimmungen - Überwachungen gemäß §§ 87, 80 BetrVG sowie § 3 ASiG"

Termin: 01.06.2004

Teilnehmer: Frau V., Herr W.

Vgl. zum Seminarinhalt: Bl. 14 d. A.

2. "(Alkohol)- Sucht in der Arbeitswelt"

Termin: 10.11.2004 (nachmittags) bis 12.11.2004 (vormittags)

Teilnehmer: Herr W.

Vgl. zum Seminarinhalt: Bl. 9 und 21 d. A.

3. "Mitbestimmung des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 7 BetrVG beim Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Umsetzung der Arbeitsstättenverordnung"

Termin: 01.03.2005

Teilnehmer: Frau V., Herr W.

Vgl. zum Seminarinhalt: Bl. 12 d. A.

4. "Neues aus der Gefahrstoffverordnung - Auswirkungen auf das Mitbestimmungsrecht und die Überwachungsrechte gemäß §§ 80, 87 Abs. 1 und 7 BetrVG"

Termin: 02.06.2005

Teilnehmer: Frau V., Herr W.

Vgl. zum Seminarinhalt: Bl. 10 d. A.

Die Arbeitgeberin erklärte gegenüber dem Betriebsrat mit Schreiben vom 20.04.2005 (Bl. 13 d. A.), sie übernehme für das Seminar vom 01.03.2005 die Seminargebühren für lediglich ein Betriebsratsmitglied. Des Weiteren bat sie mit Schreiben vom 18.05.2005 (Bl. 11 d. A.) den Betriebsrat, im Hinblick auf das Seminar vom 02.06.2005 seinen Beschluss dahingehend zu überdenken, dass wenigstens nur ein Betriebsratsmitglied das Seminar besuche.

Die Betriebsratsmitglieder V. und W. nahmen, wie vom Betriebsrat der Arbeitgeberin zuvor mitgeteilt, an den Schulungsseminaren teil, wodurch folgende Kosten anfielen:

1. Für das Seminar vom 01.06.2004: 370,00EUR;

2. für das Seminar vom 10./12.11.2004: 625,92 EUR;

3. für das Seminar vom 01.03.2005: 370,00 EUR;

4. für das Seminar vom 02.06.2005:370,00 EUR.

Die Arbeitgeberin weigerte sich, die Kosten für diese Schulungsmaßnahmen zu übernehmen. Daraufhin hat der Betriebsrat nach entsprechender Beschlussfassung beim Arbeitsgericht Ludwigshafen ein Beschlussverfahren eingeleitet und die Freistellung von den angefallenen Schulungskosten durch die Arbeitgeberin verlangt.

Wegen des erstinstanzlichen Beteiligtenvorbringens wird auf die Zusammenfassung im Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27.03.2006 (dort S. 2 bis 4 = Bl. 151 bis 153 d. A.) Bezug genommen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Arbeitgeberin zu verpflichten, den antragstellenden Betriebsrat von den durch die Teilnahme

- der Betriebsratsmitglieder V. und W. am Arbeitssicherheitsseminar vom 01.06.04 der U. GmbH (Seminarkosten = 370,00 € ),

- der Betriebsratsmitglieder Gertrud V. und W. am Seminar "Mitbestimmung des Betriebsrates im Zusammenhang mit der Arbeitsstättenverordnung" am 01.03.05 der U. GmbH (Seminarkosten = 370,00 €),

- der Betriebsmitglieder V. und W. an dem Seminar "Neues aus der Gefahrenstoffverordnung" vom 02.06.05 der U. GmbH (Seminarkosten = 370 €),

- des Betriebsratsmitgliedes W. am Seminar "(Alkohol)-Sucht in der Arbeitswelt" der T. (Seminarkosten = 625,92 €)

entstandenen Seminarkosten in der Gesamthöhe von 1.736,00 € freizustellen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit Beschluss vom 27.03.2006 die Arbeitgeberin verpflichtet, den Betriebsrat von den durch die Teilnahme jeweils eines Betriebsratsmitgliedes an den Seminaren "Mitbestimmung des Betriebsrates im Zusammenhang mit der Arbeitsstättenverordnung" am 01.03.2005 sowie "Neues aus der Gefahrstoffverordnung" am 02.06.2005 der geimeinnützigen U. GmbH entstanden Seminarkosten in Höhe von insgesamt 370,00 EUR freizustellen; im Übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen.

Seine Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen damit begründet, dass die Pflicht zur Übernahme eines Teiles der entstanden Schulungskosten, nämlich für je ein Betriebsratsmitglied an den Schulungen vom 01.03.2005 und 02.06.2005 sich aus § 37 Abs. 6 S. 1 i. V. m. § 40 Abs. 1 BetrVG ergebe. Hinsichtlich dieser Schulungen habe die Arbeitgeberin in ihren Schreiben an den Betriebsrat zu erkennen gegeben, dass sie die Seminarteilnahme jeweils eines Mitgliedes genehmige. Mithin habe die Arbeitgeberin gegen eine entsprechende Teilnahme an den beiden Schulungen, bezogen auf jeweils ein Mitglied, keine Einwendungen erhoben und könne die Erforderlichkeit der Schulung nunmehr nicht mehr bestreiten.

Im Übrigen sei die Arbeitgeberin aber nicht zur Kostenübernahme verpflichtet, da die besuchten Seminare weder Grundkenntnisse über Arbeitssicherheit vermittelt hätten noch ein aktueller oder absehbarer betrieblicher oder betriebsratsbezogener Anlass für die Schulungsteilnahme dargelegt worden sei. Hinsichtlich des Seminars "(Alkohol)- Sucht in der Arbeitswelt" sei die Vermittlung von Grundlagen und Kenntnissen nicht festzustellen, zumal der Betriebsrat insoweit kein allgemeines pädagogisches oder gar therapeutisches Mandat habe, für welches er Grundkenntnisse bezüglich der Suchtproblematik benötigen könnte.

Auch fehle es im Zusammenhang mit diesem Seminar an einem betriebs- und betriebsratsbezogenen Anlass. Zum einen sei nämlich nicht ersichtlich, inwiefern eine im Jahr 2000 diskutierte Betriebsvereinbarung zur Beschränkung des Alkoholkonsums noch im Jahr 2004 zu einem Schulungsbedarf habe führen können. Zum anderen sei dem Hinweis des Betriebsrates auf verschiedene Gespräche "zum Thema Drogenprobleme" nicht zu entnehmen, inwiefern zur Führung derartiger Gespräche die in dem fraglichen Seminar vermittelten Kenntnisse auch für die Zukunft notwendig seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 4 ff. des Beschlusses vom 27.03.2006 (= Bl. 153 ff. d. A.) verwiesen.

Der Betriebsrat, dem die Entscheidung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am 05.04.2006 zugestellt worden ist, hat am 03.05.2006 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am Dienstag (nach Pfingsten), den 06.06.2006 sein Rechtsmittel begründet.

Der Betriebsrat macht geltend, die Teilnahme des Betriebsratsmitgliedes W. am Seminar "(Alkohol)- Sucht in der Arbeitswelt" sei erforderlich gewesen, da Herr W. Beauftragter des Betriebsrates in allen Fragen, die im Zusammenhang mit Suchterkrankungen anfielen, sei und ein vergleichbares Seminar noch nicht besucht habe. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf habe es sich bei dem Seminar um eine Grundschulung gehandelt, zumal Alkoholprobleme in jedem Betrieb latent vorhanden seien. Dies ergebe sich auch aus verschiedenen Statistiken: Nach dem Bericht der Berufsgenossenschaft Druck- und Papierverarbeitung "Alkohol im Betrieb" seien mindestens 5 % aller Beschäftigten alkoholkrank und weitere 10 % seien stark gefährdet; diese Zahlen würden im Übrigen auch bestätigt durch das "ABC-online-Handbuch/ Suchterkrankungen" der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahr 2006.

Unabhängig hiervon sei es in der Vergangenheit bereits mehrfach zur Einschaltung des Betriebsrates im Zusammenhang mit Alkoholproblemen von Mitarbeitern gekommen. So hätten in der Abteilung S. im September/ Oktober 2003 mehrere Gespräche zwischen dem Abteilungsleiter R. und einem Mitarbeiter, der Alkoholprobleme gehabt habe, stattgefunden. Während dieser Gespräche, an denen das Betriebsratsmitglied W. ebenfalls beteiligt gewesen sei, seien dem Mitarbeiter arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht worden. Ein weiterer Fall, in dem es zu Gesprächen gekommen sei, habe sich im Oktober 2003 ereignet. In der Folgezeit sei ein Drogenproblem zwischen dem Betriebsrat, dem Integrationsamt sowie dem Personalchef der Arbeitgeberin, Herrn Q. mit einer betroffenen Mitarbeiterin aus dem Bereich P. erörtert worden. Darüber hinaus sei der Betriebsrat am 23.09.2003 zur beabsichtigten fristgemäßen Kündigung eines Arbeitnehmers mit Alkoholproblemen angehört worden. Da die Arbeitgeberin zunächst auf eine Kündigung verzichtet habe, sei eine weitere Kündigungsanhörung mit Schreiben vom 15.07.2004 im Zusammenhang mit dem gleichen Arbeitnehmer erfolgt.

Dem Betriebsratsmitglied W. würden die rechtlichen Grundlagen im Zusammenhang mit Alkoholproblemen am Arbeitsplatz fehlen. Er habe auch Defizite beim Erkennen von Verhaltensweisen und Umständen, die auf Alkoholprobleme von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hindeuten würden. Ebenso sei ihm unklar gewesen, inwiefern Arbeitskolleginnen und Kollegen an der Aufrechterhaltung der Sucht mitwirken könnten (Co-Alkoholismus). Zudem habe ein Schulungsbedarf hinsichtlich der Gesprächsführung mit Suchtkranken oder suchtauffälligen Menschen bestanden. Aus den vorgelegten Schulungsmaterialien ergebe sich, dass das von Herrn W. besuchte Seminar gerade zu diesen Punkten Informationen vermittelt habe.

Hinsichtlich der weiteren drei Seminare sei zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Erforderlichkeit von Schulungen im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung generell gegeben sei. Hinsichtlich des Seminars vom 02.06.2005 sei des Weiteren zu beachten, dass die ursprüngliche Gefahrstoffverordnung vom 26.08.1986 komplett überarbeitet worden sei und nunmehr insbesondere eine Gefährdungsbeurteilung in den Betrieben erfolgen müsse. Eine solche Gefährdungsbeurteilung sei im Betrieb der Arbeitgeberin bislang noch nicht erfolgt, so dass die in dem Seminar vermittelten Veränderungen für die Betriebsarbeit erforderlich gewesen seien. Das Seminar vom 01.06.2004 habe Informationen vermittelt, welche die Grundlage für die allgemeine Überwachungspflicht des Betriebsrates aus § 80 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG bilden würden. Hier sei insbesondere die Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Maschinenordnung vom 06.01.2004) Schulungsgegenstand gewesen. Im Betrieb dürften nur solche Maschinen zum Einsatz gebracht werden, die den allgemeinen Sicherheitsregeln entsprächen; der Betriebsrat habe dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Benutzer gegen Unfallgefahren geschützt seien.

In dem Seminar vom 01.03.2005 sei der Inhalt der Reform der bisherigen Arbeitsstättenverordnung Schulungsgegenstand gewesen. Keines der beiden teilnehmenden Betriebsratsmitglieder habe zuvor eine entsprechende Schulungsmaßnahme zur Arbeitsstättenverordnung durchlaufen, so dass das Grundlagenseminar notwendig gewesen sei.

Bei den Betriebsratsmitgliedern W. und V. habe es sich um die vom Betriebsrat für die Dauer der Wahlperiode 2002 bis 2006 für Fragen des Arbeitsschutzes beauftragten Betriebsratsmitglieder gehandelt.

Wegen der weitern Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 02.05.2006 (Bl. 166 ff. d. A.) und 30.08.2006 (Bl. 330 f. d. A.) Bezug genommen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27.03.2006 - 8 BV 21/05 - abzuändern und die Arbeitgeberin zu verurteilen, den antragstellenden Betriebsrat von den durch die Teilnahme

- der Betriebsratsmitglieder V. und W. am Seminar vom 01.06.2004 der U. GmbH zur Arbeitssicherheit (Seminarkosten = 370,00 EUR)

- eines weiteren Betriebsratsmitgliedes an dem Seminar "Mitbestimmung des Betriebsrates im Zusammenhang mit der Arbeitsstättenverordnung" am 01.03.2005 der U. GmbH (Seminarkosten = 187,00 EUR)

- eines weiteren Betriebsratsmitgliedes an dem Seminar "Neues aus der Gefahrstoffverordnung" am 02.06.2005 der U. GmbH (Seminarkosten = 185,00 EUR)

- des Betriebsratsmitgliedes W. am Seminar "(Alkohol)- Sucht in der Arbeitswelt" der T. vom 10.11. bis 12.11.2004 (Seminarkosten = 625,92 EUR)

entstandenen Seminarkosten in der Gesamthöhe von weiteren 1.365,92 EUR freizustellen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin führt aus, die Teilnahme des Betriebsratsmitgliedes W. an dem Seminar über Alkohol und Suchtprobleme sei nicht erforderlich gewesen, zumal die vom Betriebsrat dargelegten statistischen Zahlen zu Alkoholproblemen hinsichtlich des Werkes der Arbeitgeberin in C-Stadt zu bestreiten seien. Richtig sei lediglich, dass es in der Vergangenheit zu insgesamt vier Fällen von Alkoholauffälligkeiten gekommen sei - dies allerdings über einen Zeitraum von insgesamt elf Jahren hinweg. Drogenprobleme habe es im Werk der Beklagten noch nie gegeben. Außerdem sei es für die Betriebsratsarbeit nicht notwendig, sich mit Themen wie "Symptome von Suchtverhalten" oder "Gesprächsführung mit Suchtkranken" zu befassen, da es nicht Aufgabe des Betriebsrates sei, Alkoholkranke individuell zu betreuen. Unabhängig hiervon habe der Betriebsrat auch nicht dargelegt, dass mehr als 50 % der Einzelthemen den Anforderungen des § 37 BetrVG genügen würden.

Auch bei den restlichen drei Seminaren, für welche eine Freistellung vom Betriebsrat verlangt werde, würden nicht Grundlagen, sondern Spezialkenntnisse vermittelt. Eine Relevanz der Seminarinhalte für die konkreten betrieblichen Verhältnisse sei ebenfalls nicht dargelegt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beschwerdeerwiderung wird auf den Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 21.07.2006 (Bl. 287 ff. d. A.) verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß §§ 87 ff. ArbGG zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Der Betriebsrat hat keinen - über die erstinstanzlich bereits zugesprochene Freistellung - hinausgehenden Anspruch nach §§ 40 Abs. 1, 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG auf Freistellung von weiteren Seminarkosten, die durch die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an den vier streitgegenständlichen Seminaren entstanden sind.

Gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrates entstehenden Kosten. Dazu gehören auch die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitgliedes an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das dort vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist (st. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, vgl. BAG, Beschluss vom 08.03.2000 - 7 ABR 11/98 = AP Nr. 68 zu § 40 BetrVG 1972). Dazu gehören auch Schulungskosten, die ihrerseits Lehrgangsgebühren, Unterkunfts- und Verpflegungskosten umfassen. Nach § 37 Abs. 6 BetrVG ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann. Dazu bedarf es der Darlegung eines aktuellen oder absehbaren betrieblichen oder betriebsratsbezogenen Anlasses, aus dem sich der Schulungsbedarf ergibt. Lediglich bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern ist auf eine nähere Darlegung der Schulungsbedürftigkeit zu verzichten, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung handelt (BAG, Beschluss vom 19.07.1995 - 7 ABR 49/94 = AP Nr. 110 zu § 37 BetrVG). Grundsätzlich ist die Erforderlichkeit für eine Schulungsveranstaltung einheitlich zu bewerten. Eine nur teilweise erforderliche Schulung für die Tätigkeit eines Betriebsratsmitgliedes kommt nur dann in Betracht, wenn die unterschiedlichen Themen so klar von einander abgegrenzt sind, dass ein zeitweiser Besuch der Schulungsveranstaltung möglich und sinnvoll ist. Ist eine Aufteilung der Schulungsveranstaltung und ein zeitweiser Besuch praktisch nicht möglich, entscheidet über die Erforderlichkeit der Gesamtschulung, ob die erforderlichen Themen mit mehr als 50 % überwiegen (BAG, Beschluss vom 28.05.1976 - 1 AZR 116/74 = AP Nr. 24 zu § 37 BetrVG 1972; Beschluss vom 04.06.2003 - 7 ABR 42/02 = AP Nr. 136 zu § 37 BetrVG 1972).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze war im vorliegenden Fall eine über die erstinstanzlich zugesprochene, inzwischen rechtskräftige Freistellung von den Kosten der Teilnahme jeweils eines Betriebsratsmitgliedes an zwei Seminaren hinausgehende Freistellung von der Arbeitgeberin nicht geschuldet. Dies ergibt sich für die einzelnen Schulungen aus den nachfolgend dargestellten Rechtserwägungen.

1.

Bei dem Seminar "(Alkohol)- Sucht in der Arbeitswelt", an dem Herr W. vom 10.11. bis 12.11.2004 teilgenommen hat, ging es im konkreten Einzelfall nicht um die Vermittlung von Grundkenntnissen im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung. Denn der inhaltlich und dementsprechend auch zeitlich überwiegende Teil des Seminars beschäftigte sich - laut dem vorliegenden Themenplan (Bl. 9 u. 21 d. A.) - mit allgemeinen Gesichtspunkten, die keinen unmittelbaren Bezug zu betrieblichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen hatte. So wurde an nahezu eineinhalb Tagen (Mittwochnachmittag, Donnerstagvormittag, Donnerstagnachmittag) im Wesentlichen über Fragen wie den Suchtbegriff, Entstehungsbedingungen für Süchte, unterschiedliche Suchtarten usw. gesprochen. Erst am Donnerstagnachmittag gab es von insgesamt sieben an diesem Nachmittag behandelten Themen zwei, die einen unmittelbaren betrieblichen Bezug aufwiesen: "Alkohol - Sucht im Betrieb" und "Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrates und der Jugend- und Auszubildendenvertretung". Des Weiteren folgten am Freitagvormittag noch zwei von insgesamt vier Tagungspunkten, die ebenfalls einen unmittelbaren Betriebsbezug hatten: "Übung für die Praxis: Gesprächsvorbereitung und Gesprächsführung mit Betroffenen" und "Transfer des Gelernten in die betriebliche Praxis". Mithin lag der Schwerpunkt des Seminars in einem allgemeinen Themenbereich, der für die Tätigkeit des Betriebsrates im Zusammenhang mit Fragen der Ordnung des Betriebes und dem Verhalten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in dieser zeitlichen und inhaltlichen Form nicht notwendig war.

Dabei verkennt die Beschwerdekammer nicht, dass Voraussetzung des Verstehens von betrieblichen Zusammenhängen der Suchtproblematik auch die Kenntnis von allgemeinen Begriffen und Kategorien ist. Jedoch darf jedoch nicht übersehen werden, dass es bei dem vorliegenden Seminar nicht um die Schulung von Betriebsärzten oder Therapeuten gehen sollte, sondern um jene von Betriebsratsmitgliedern für die Wahrnehmung von betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben. Hierfür war es aber nicht erforderlich, weit überwiegend und mithin zu mehr als 50 % im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, allgemeine Gesichtspunkte der Suchtproblematik zu vermitteln. Obwohl Herr W. als nachgerücktes Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf die Vermittlung von Grundkenntnissen im Arbeitsrecht, Betriebsverfassungsrecht und im Bereich der Arbeitssicherheit hat, war mithin für das Vorliegen des Seminar festzustellen, dass dieses für die Vermittlung solcher Kenntnisse - insbesondere im Bereich der Arbeitssicherheit - ungeeignet war.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf vom 09.08.1995 (Az. 4 TaBV 38/95 = BB 1995, 2531). Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat dort die Erforderlichkeit einer fünftätigen Schulungsveranstaltung über Suchtkrankheiten am Arbeitsplatz für notwendig erachtet, weil es bei der Frage von Suchterkrankungen um Sachverhalte gehe, die latent in jedem größeren Betrieb vorhanden seien und jederzeit konkret werden könnten. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf auch bereits in den veröffentlichten Leitsätzen hervorgehoben, dass es bei dem betroffenen Betrieb um ein größeres Verlagsunternehmen ging. In größeren Betrieben mag es sein, dass der vom Betriebsrat in der Beschwerdebegründung hervorgehobene statistisch hohe Prozentsatz von Alkoholkranken und Alkoholanfälligen die Schulung von Betriebsratsmitgliedern - soweit sie überwiegend betriebs- oder betriebsratsbezogen ist - in diesem Bereich erforderlich macht. Im vorliegenden Fall konnte aber der überwiegende Betriebs- oder Betriebsratsbezug nicht festgestellt werden und es handelt sich bei der Arbeitgeberin darüber hinaus auch nicht um ein größeres Unternehmen, zumal weniger als 260 Arbeitnehmer bei der Arbeitgeberin beschäftigt sind. Aufgrund dieser Beschäftigtenzahl geben auch die vom Betriebsrat angeführten allgemeinen Statistiken über den Prozentsatz von Beschäftigten, die alkoholabhängig oder alkoholgefährdet sind, wenig her. Denn nach Überzeugung der Beschwerdekammer kommt es zumindest bei einem mittelständischen oder kleineren Betrieb darauf an, inwiefern tatsächlich entsprechende Problemfälle aufgetreten sind. Allgemeine Statistiken, die vor allem auch durch die Situation bei sehr großen Unternehmen beeinflusst werden, sind für mittelständische und kleinere Unternehmen ohne allzuviel Aussagekraft. Denn je kleiner ein Betrieb ist, um so größer ist die Möglichkeit der konkreten Abweichung von statistisch erhobenen Daten.

Es kann auch unterstellt werden, dass Herr W. Ansprechpartner für die Beschäftigten der Arbeitgeberin beim Auftreten von Alkohol- und Suchtproblematiken nach der Beschlusslage des Betriebsrates sein soll. Allerdings reichen die vom Betriebsrat dargelegten, in der Vergangenheit konkret aufgetretenen vier Fälle mit Alkoholproblem auch nicht aus, um eine betriebliche Notwendigkeit für eine Schulung - wie sie im konkreten Fall vorgenommen wurde - zu begründen. Unabhängig davon, dass es - wie oben bereits ausgeführt - an der notwendigen überwiegenden Betriebs- und Betriebsratsbezogenheit der vermittelten Themen fehlt, ist nämlich auch ein konkreter Anlass für die Teilnahme an dem Sucht- und Alkoholseminar nicht erkennbar. Zieht man nämlich auch in Erwägung, dass die in der Vergangenheit aufgetretenen vier Fälle über insgesamt elf Jahre verteilt sind, bestand kein hinreichender Anlass, um ein Betriebsratsmitglied zu einem zweitägigen Suchtseminar zu entsenden. Allein der Hinweis auf die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1, 80 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG führt hier ebenfalls nicht weiter. Denn der Betriebsrat hat nicht dargelegt, dass er in absehbarer Zukunft eine Regelung gemeinsam mit dem Arbeitgeber über das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb im Zusammenhang mit der Alkohol- und Suchtproblematik finden will. Des Weiteren hat er auch nicht vorgetragen, dass in absehbarer Zeit Maßnahmen beabsichtigt sind, welche er in diesem Zusammenhang beim Arbeitgeber im Sinne von § 80 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG beantragen will.

2.

Auch die Teilnahme an den weiteren drei Seminaren ist unter Beachtung von § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG nicht erforderlich, zumal kein Grundlagenwissen vermittelt wurde.

a) Bei dem Seminar "Mitbestimmungen - Überwachungen gem. §§ 87, 80 BetrVG sowie § 3 Arbeitssicherheitsgesetz" ging es nach der Darstellung des Betriebsrates in der Beschwerdebegründung insbesondere um die Maschinenverordnung vom 06.01.2004. Dabei lässt der mitgeteilte Seminarinhalt aber deutlich erkennen, dass es nicht um Grundlagenkenntnisse aus der Maschinenverordnung ging, sondern um Spezialthemen. Es wurde nämlich im Einzelnen Wissen vermittelt über folgende Themen:

"Umbau/ Nachrüsten und Verketten von Maschinen - ein Thema für Betriebsräte?

- Wann wird der Hersteller zum Anwender?

- Wann muss eine Maschine/ Anlage zertifiziert sein?

- Unfallrisiken - versteckte Mängel und Suchtstrategien?

- Von der Handlungsanleitung zur Betriebsanweisung"

Ein Vergleich dieser Themenpunkte mit der Inhaltsangabe der Maschinenverordnung, welche zum Beispiel gemeinsame Vorschriften für Arbeitsmittel und besondere Vorschriften für Überwachungsbedürftige Anlagen enthält, lässt ohne weiteres erkennen, dass in dem Seminar spezielle Fragen aufgegriffen werden, mit denen man sich, ohne entsprechende Grundkenntnisse, nicht beschäftigen kann. Dass bei den beiden Betriebsratsmitgliedern, welche an diesem Seminar teilnahmen, bereits solche Grundlagenkenntnisse vorhanden waren, wurde vom Betriebsrat nicht vorgetragen und ist auch im Übrigen nicht ersichtlich.

b) Auch bei der Schulungsveranstaltung "Mitbestimmung des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG beim Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Umsetzung der Arbeitsstättenverordnung" konnten keine Grundlagen-, sondern Spezialkenntnisse vermittelt werden. Dies zeigt schon die spezielle Ausrichtung des Seminars auf den zukünftigen Abschluss einer Betriebsvereinbarung. Dabei ist nicht vorgetragen oder erkennbar, dass eine solche Betriebsvereinbarung in naher Zukunft vom Betriebsrat tatsächlich abgeschlossen werden soll.

Unabhängig hiervon ist auch hier der Seminarinhalt so speziell, dass im Vergleich mit dem umfassenden Reglungsbereich der Arbeitsstättenverordnung, nur von Spezialkenntnissen gesprochen werden kann. Denn Seminarinhalt war insoweit:

- "Umgebungseinflüsse, die keine Gefahrenstoffe sind

- Raumtemperaturen - Hitze und Kälte - "Der nächste Sommer kommt bestimmt"

- Welche Temperaturen sind noch zumutbar?

- Nichtraucherschutz! Der raumfreie Arbeitsplatz"

Demgegenüber werden in der Arbeitsstättenverordnung zum Beispiel die Ausstattung der Gebäude, Verkehrswege und Fluchtwege, Arbeitsräume, Sanitär- und Sozialeinrichtungen, erste Hilfe, Brandschutz sowie Absturzstellen - Lagerungen behandelt. Mithin ging es in dem Seminar keinesfalls um die Vermittlung von Grundlagenkenntnissen.

c) Gleiches ist festzustellen für das Seminar "Neues aus der Gefahrenstoffverordnung - Auswirkungen auf das Mitbestimmungsrecht und Überwachungsrechte, §§ 80, 87 Abs. 1 BetrVG". Der Inhalt des Seminars ist in der Ausschreibung überschrieben mit dem Satz "Was hat sich verändert"; dies zeigt bereits, dass Kenntnisse über die bisher geltende Gefahrstoffverordnung vorausgesetzt werden; nur so sind Veränderungen vermittelbar. Der weitere Seminarinhalt lautet:

- "Das Gefahrstoffkataster im Betrieb - Dokumentation, Zugriffsrechte, Schnittstellen

- Sicherheitsbelehrungen

- Betriebsanweisungen

- Einbinden in die Gefährdungsbeurteilung - Wie?"

Angesichts der umfassenden Regelung in der Gefahrstoffverordnung kann bei der Vermittlung des oben genannten Themenplanes nicht von Grundkenntnissen die Rede sein. Dabei soll nicht in Abrede gestellt werden, dass angesichts der vor dem Seminar bereits aktuellen Veränderung in der Gefahrstoffverordnung das Seminar wesentliches Wissen vermitteln konnte. Dies allerdings nur dann, wenn bereits Grundlagen über die Gefahrstoffverordnung vorhanden waren. Solche Grundkenntnisse waren aber bei den beiden Betriebsratsmitgliedern, welche an dem Seminar teilnahmen, gerade nicht gegeben.

Darüber hinaus hat der Betriebsrat für die drei Seminare, die sich mit Arbeitssicherheit befassten, einen konkreten betrieblichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Umstand, der in absehbarer Zeit die Anwendung der vermittelten Kenntnisse notwendig machen würde, nicht dargetan.

Nach alledem war die Beschwerde des Betriebsrates zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Berücksichtigung von §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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