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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 08.05.2003
Aktenzeichen: 1 Sa 48/03
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 1 Sa 48/03

Verkündet am 08.05.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 08.05.2003 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 28.11.2002 - 2 Ca 1173/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Berechtigung einer ordentlichen Kündigung.

Die Beklagte bietet Elektro-, Installations- und sonstige Arten von Bauten an. Ein Betriebsrat ist ihrem Betrieb nicht gewählt. Der Geschäftsführer der Beklagten, Herr ... K..., ist zugleich Geschäftsführer der Komplementärin der Firma F... GmbH, die mit identischem Tätigkeitsfeld wie die Beklagte Arbeiten anbietet. Diese übernahm im Mai 2002 fünf der neun Arbeitnehmer und einige Kunden der Beklagten, so dass vier Arbeitnehmer, u. a. der Kläger, bei der Beklagten beschäftigt blieben.

Der Kläger ist seit dem 01.05.1998 als Maurerpolier zu einem monatlichen Durchschnittslohn in Höhe von 2.359,64 Euro brutto bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet Kraft Allgemeinverbindlichkeit der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) Anwendung.

Mit Schreiben vom 29.07.2002, dem Kläger am selben Tage zugegangen, kündigte die Beklagte dem Kläger zum 31.08.2002. Sie begründet die Kündigung damit, dass sie aufgrund der schlechten Ergebnisse und fehlenden positiven Zukunftsaussichten den Geschäftsbetrieb zum 31.08.2002 einstelle.

Gegen diese Kündigung wehrt der Kläger sich mit seiner Kündigungsschutzklage.

Er meint, das Kündigungsschutzgesetz finde nach § 23 Abs. 1 KSchG Anwendung, obwohl die Beklagte selbst bei Kündigungsausspruch nur noch vier Mitarbeiter beschäftigt habe. Die Beklagte und die Firma F... GmbH & Co. KG führten einen gemeinsamen Betrieb mit mehr als fünf Mitarbeitern.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 29.07.2002 - zugestellt am 29.07.2002 - nicht zum 31.08.2002 beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie, die Beklagte und die Firma F... GmbH & Co. KG führten keinen gemeinsamen Betrieb. Beide Betriebe seien immer sauber voneinander getrennt worden. Selbst wenn ein gemeinsamer Betrieb vorgelegen habe, sei dieser spätestens mit der Entscheidung des Geschäftsführers der Beklagten im Juni 2002, den Betrieb einzustellen, aufgelöst worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:

Es könne dahinstehen, ob die Beklagte und die Firma F... GmbH & Co. KG einen gemeinsamen Betrieb mit insgesamt mehr als fünf Arbeitnehmern geführt hätten. Die Kündigung der Beklagten habe das Arbeitsverhältnis in jedem Fall zum 31.08.2002 beendet.

Die Kündigung sei auch bei Anwendung des KSchG sozial gerechtfertigt. Die Beklagte habe sich Ende 2002 entschlossen, sich in Liquidation zu begeben, das sei mit einer Einstellung ihres "Betriebes" d. h. jeglicher gewerblicher Aktivität einhergegangen. Damit sei bei einem angenommenen gemeinschaftlichen Betrieb eine Betriebsabteilung - nämlich die Abteilung "Firma .. R... GmbH" - geschlossen worden. Damit sei die Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger weggefallen. Die Kündigung sei auch nicht nach § 1 Abs. 3 KSchG wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam. Der Kläger habe die soziale Auswahl nicht beanstandet.

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung des Klägers am 29.07.2002 und den von ihm behaupteten Betriebsübergang durch Übernahme von fünf Arbeitnehmern und Kunden im Mai 2002 sei selbst nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht erkennbar.

Gegen dieses ihm am 07.01.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.02.2003 Berufung eingelegt und die Berufung am 06.03.2003 durch Telekopie und am 07.03.2003 durch Originalschriftsatz begründet.

Der Kläger trägt vor:

Das Arbeitsgericht habe sich zu Unrecht nicht mit der Frage befasst, ob sie, die Beklagte und die F... GmbH & Co. KG einen gemeinsamen Betrieb bildeten. Das die Beklagte und die Firma F... GmbH & Co. KG einen gemeinsamen Betrieb bildeten, ergebe sich aus folgendem:

Es bestehe ein einheitlicher Leitungsapparat. Die Geschäftsführer seien identisch. Der Geschäftsführer der Beklagten habe das Baugeschäft R... GmbH, das schwerpunktmäßig Fliesenarbeiten angeboten habe, gekauft. Bis April 2002 habe die Beklagte 9 Arbeitnehmer eingestellt. Grund für den Erwerb der Beklagten sei gewesen, dass das Angebotsspektrum habe erweitert werden sollen. Es hätten auch Bau- und Fliesenarbeiten, die im Zusammenhang mit der Haustechnik anfielen, angeboten werden sollen. Wenn die Firma F... GmbH & Co. KG beauftragt worden sei, Fliesen- und Maurerarbeiten durchzuführen, seien diese Arbeiten durch die Beklagte ausgeführt worden. Die organisatorische Zusammenfassung beider Unternehmen ergebe sich daraus, dass beide Firmen in denselben Geschäftsräumen tätig seien.

Unerheblich sei, dass er, der Kläger, die fehlerhafte soziale Auswahl nicht gerügt habe. Das Arbeitsgericht habe nämlich einen entsprechenden Hinweis unterlassen und damit gegen seine Prozessleitungspflicht verstoßen. In seinem Auflagenbeschluss habe das Arbeitsgericht ihm nur aufgegeben vorzutragen, "inwieweit ein gemeinsamer Betrieb, zwischen ihr, der Beklagten und der F... GmbH & Co. KG" bestehe.

Die soziale Auswahl sei nicht ordnungsgemäß getroffen. Der gemeinsame Betrieb beider Unternehmen habe bis zum März 2002 insgesamt acht Arbeitnehmer beschäftigt. Im Mai 2002 seien sodann fünf Arbeitsverhältnisse mit der Beklagten auf die Firma F... GmbH und Co. KG übertragen worden. Es handele sich um die Arbeitsverhältnisse der Herren L..., B..., V..., Z... und F.... Bei der Sozialauswahl seien auch diejenigen Angestellten zu berücksichtigten, die offiziell als Fliesenleger eingestellt worden seien. Er sei mit Fliesenlegern vergleichbar und könne diese Arbeit leisten. Es seien ohnehin zu 85% Fliesenarbeiten durch Maurer und Fliesenleger durchgeführt worden. Die übrigen 15% seien auf allgemeine Maurerarbeiten entfallen. Aufgrund der Kürze der Betriebszugehörigkeit und des jüngeren Lebensalters der Arbeitnehmer L... und Z... habe diesen gekündigt werden müssen.

Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 28.11.2002 - 2 Ca 1173/02 - abzuändern und nach den Schlussanträgen I. Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts und trägt vor:

Der umfangreiche neue Sachvortrag des Klägers sei gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Stellungnahme zur sozialen Auswahl gehöre auch ohne gerichtliche Auflage zu jeder Kündigungsschutzklage. Im Übrigen habe sie, die Beklagte, hierzu mit Schriftsatz vom 09.09.2002 vorgetragen. Hierauf habe der Kläger gemäß der gerichtlichen Auflage entgegnen müssen.

Der Kläger habe im Übrigen auch nicht ausreichend dargelegt, dass sie, die Beklagte, und die F... GmbH & Co. KG einen einheitlichen Betrieb bildeten. Im Übrigen sei der Gemeinschaftsbetrieb vor Ausspruch der Kündigung aufgelöst worden. Die Auflösung des Gemeinschaftsbetriebes könne z. B. auch dadurch erfolgen, dass ein Unternehmen seine Liquidation beschließe, allen seinen Mitarbeitern kündige und die Liquidation tatsächlich einleite. Dem verbleibenden Betrieb könnten in einem solchen Fall keine neuen Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber er nicht sei, aufgezwungen werden. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für einen einheitlichen Betrieb auch nicht vor. Erst im April 2002 seien die Unternehmen in räumliche Nähe gebracht worden. Die Verwaltung befinde sich in getrennten Räumen, das Personal sei nicht identisch. Die Unternehmen hätten auch nicht das selbe "Logo". Aufträge seien von den Firmen jeweils getrennt bearbeitet worden und durchgeführt worden. Der Außenauftritt sei sorgfältig getrennt gewesen. Schließlich habe auch kein einheitlicher Leitungsapparat für beide Unternehmen bestanden. Der Geschäftsführer K... sei zusammen mit dem weiteren Geschäftsführer H... Gesellschafter der Beklagten gewesen. Die Arbeitgeberfunktion habe zunächst H... (bis 31.08.2001) wahrgenommen. Anschließend sei als leitender Angestellter Herr ... Sch... beschäftigt worden.

Unrichtig sei die Behauptung, dass zu 85% Fliesenlegerarbeiten ausgeführt worden seien. Der Kläger habe im Jahre 2000 insgesamt 77% Maurer- und Putzarbeiten ausgeführt. Sie habe auch keine soziale Auswahl durchgeführt, da diese nicht geboten gewesen sei. Die Mitarbeiter L... und Z... der Firma F... GmbH & Co. KG seien Fliesenleger und mit dem Kläger nicht vergleichbar.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Beweisantritte der Parteien im Berufungsrechtszuge wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die zum Inhalt der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist dem Wert der Beschwer nach statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache ist sie jedoch nicht gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

1. Das Berufungsgericht kann - anders als das Arbeitsgericht - die Frage, das KSchG anzuwenden ist, mithin, ob die Beklagte und die Firma F... GmbH & Co. KG einen einheitlichen Betrieb im Sinne von § 23 KSchG bilden, nicht mehr dahingestellt sein lassen, da der Kläger im Berufungsrechtszug die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl gerügt hat (§ 1 Abs. 3 KSchG). Dieses Vorbringen ist auch nicht verspätet, da es innerhalb der Berufungsbegründungsfrist vorgetragen worden ist (§ 67 Abs. 1 ArbGG). Die strengere Vorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO ist hingegen im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht anzuwenden (Ostrowicz/Künzl/Schäfer, Der Arbeitsgerichtsprozess, Rz. 195).

2. Der Kläger kann jedoch keinen Kündigungsschutz beanspruchen. Das KSchG findet auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Die Beklagte ist aus diesem Grunde nicht zu einer Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG verpflichtet.

a) Möglicherweise haben die Beklagte und die Firma F... GmbH & Co. KG einmal einen gemeinsamen Betrieb gebildet. Darauf kommt es jedoch nicht an. Im Zeitpunkt der Kündigung des Klägers war nämlich dieser Gemeinschaftsbetrieb aufgelöst. Das Berufungsgericht schließt sich insoweit dem Urteil des LAG Bremen vom 17.10.2002 - 3 Sa 147/02 - (NZA-RR 2003, S.189) an. Danach kann die Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebes durch Kündigung auch konkludent erfolgen, z. B. dadurch, das eines von zweien in einem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen seine Liquidation beschließt, allen seinen Arbeitnehmern kündigt und die Liquidation tatsächlich einleitet. Die Schaffung eines Gemeinschaftsbetriebes führt nicht dazu, dass im Falle seiner Auflösung durch Liquidation eines Betriebes dem verbleibenden Betrieb, der nicht Arbeitgeber ist, neue Arbeitnehmer aufgezwungen werden können, auch nicht, wenn die - gekündigten - Arbeitnehmer des liquidierten Betriebes überwiegend Tätigkeiten verrichten, die in dem verbleibenden Betrieb des ehemaligen Gemeinschaftsbetriebes auch weiterhin anfallen. So liegt hier der Fall. Die Beklagte hat sich vor Ausspruch der Kündigungen entschlossen, ihr Unternehmen nach Kündigung ihrer Arbeitnehmer stillzulegen und zu liquidieren und diese Liquidation auch eingeleitet.

b) Der Kläger hat auch keine ausreichenden Tatsachen dafür vorgetragen, dass die Kündigung aus sonstigen Gründen, die außerhalb des Kündigungsschutzes liegen, etwa gem. §§ 242, 138 BGB, rechtsunwirksam ist. Der Feststellung des Arbeitsgerichts, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung des Klägers am 29.07.2002 und den von ihm behaupteten Betriebsübergang durch Übernahme von fünf Arbeitnehmern und Kunden im Mai 2002 sei nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht erkennbar, ist der Kläger in der Berufung nicht entgegengetreten.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebes zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

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