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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: 1 Ta 210/03
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 114 |
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss
Aktenzeichen: 1 Ta 210/03
Im Beschwerdeverfahren
hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 18.12.2003 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 01.04.2003 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Antragssteller/Beschwerdeführer fordert die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine Klage auf Feststellung seiner Arbeitnehmereigenschaft und daraus sich ergebende Zahlungsansprüche.
Der Beschwerdeführer ist ausgebildeter Küchenmeister. Vom 1. Juli 1997 bis einschließlich Juli 2001 betrieb er im Rahmen eines Kantinen-Pachtvertrages in der Grenzschutzunterkunft des Grenzschutzpräsidiums N. in B... eine Kantine ; wegen des Inhalts des Vertrages wird auf Bl. 23 - 26 d. A. Bezug genommen. Dem Kantinen-Pachtvertrag lagen zudem "Allgemeine Bedingungen für die Verpachtung der Wirtschaftsbetriebe in den Kantinen des Bundesgrenzschutzes " zu Grunde (Abl. Bl. 27 - 33 d.A.), sowie " Bestimmungen über die Buchführung der Pächter von Kantinen der BGS" (Abl. Bl. 34 - 42 d.A.). Die Kantine war nur für Betriebsangehörige zugänglich.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 01.04.2003 zurückgewiesen und zur Begründung auf das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 29.01.2003 Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 05.05.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass sich aus den o. g. Vertragsbestimmungen sowie der Art und Weise der Durchführung der Verträge eine derart enge persönliche Abhängigkeit zur Beklagten ergebe, dass von seiner Arbeitnehmereigenschaft auszugehen sei. Er sei durch die Vielzahl der Vorgaben so stark eingeschränkt, dass von einer "unternehmerischen Entscheidungsfreiheit" nicht mehr ausgegangen werden könne. Vielmehr liege eine "Scheinselbständigkeit" vor. Das ergebe sich unter anderem aus Folgendem:
- er habe keine externen Kunden anwerben können, da diese keine Zugangsmöglichkeit hatten,
- er habe über die Nutzung der Kantine angesichts der Vielzahl von Vorgaben nicht frei entscheiden können,
- er habe kein Hausrecht gehabt,
- etwaige Urlaubsbegehren habe er vorher von der Beklagten genehmigen lassen müssen,
- die Beklagte und nicht er habe auf die Preisgestaltung maßgeblichen Einfluss gehabt,
- Personal habe er nur mit Zustimmung der Beklagten einstellen und entlassen dürfen,
- durch die Allgemeinen Bedingungen für die Verpachtung der Wirtschaftsbetriebe in den Kantinen des BGS sei er in seiner Werbefreiheit derart nachhaltig eingeschränkt worden, dass kaum ein Spielraum für ihn bestanden habe,
- hinsichtlich der Buchführungspflicht habe er genaueste Vorgaben erhalten,
- jegliche Absprachen mit Lieferanten seien ihm untersagt gewesen,
- er habe kein Bedienungsgeld annehmen dürfen,
- er habe detaillierte Vorgaben über Speisenangebote, Speisen- und Warensortiment und Lieferanten erhalten,
- seine Arbeitszeiten seien ihm durch die Kantinenöffnungszeiten vorgegeben worden.
Aus allen diesen Indizien ergebe sich zwingend der Schluss auf eine abhängige Beschäftigung. Seine Klage habe deswegen auch hinreichende Erfolgssaussichten.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 18.09.2003 nicht abgeholfen.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO); in der Sache ist sie jedoch nicht gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Recht mit der Begründung zurückgewiesen, dass für die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen (§ 114 ZPO).
1. Gem. § 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten sind dann zu bejahen, wenn das Klagebegehren schlüssig dargelegt und - soweit notwendig - unter Beweis gestellt worden ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es kann nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass das mit dem Beschwerdeführer geschlossene Vertragsverhältnis lediglich ein Scheinverhältnis zur Vertuschung einer tatsächlich abhängigen Beschäftigung darstellt. Arbeitsbezogene Weisungen sind kaum feststellbar. Die wenigen festgestellten, über das Übliche eines Pachtvertrages mit gleichzeitig garantiertem Kundenstamm hinausgehenden Abhängigkeiten und Weisungsmöglichkeiten der Beklagten führen nicht zu einem so hohen Grad persönlicher Abhängigkeit, dass dadurch ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis in Form eines Arbeitsverhältnisses entsteht.
2. Bei einem - wie hier - formal gestalteten Pachtverhältnis können die dem Pächter auferlegten Pflichten einen so hohen Grad der persönlichen Abhängigkeit vom Verpächter begründen, dass das Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis angesehen werden muss. Voraussetzung hierfür ist, dass die Pflichten des Pächters gegenüber dem Verpächter eine Dienstleistung enthalten. Ist dies zu bejahen, ist für die Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von einem Pachtverhältnis ebenso wie bei der Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von einem freien Dienstverhältnis der Grad der persönlichen Abhängigkeit maßgebend, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Entscheidend kommt es hierbei auf die das Rechtsverhältnis prägenden charakteristischen Merkmale an, wie sie sich aus dem Inhalt des Vertrages und der praktischen Durchführung und Gestaltung der Vertragsbeziehungen bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände ergeben. Anknüpfungspunkte für ein Arbeitsverhältnis sind insbesondere der Umfang der Weisungsgebundenheit des Dienstverpflichteten bei der Ausübung seiner Tätigkeit, die Eingliederung in den Betrieb des Dienstberechtigten, die Notwendigkeit einer ständigen engen Zusammenarbeit mit anderen im Dienst stehenden Personen, die Unterordnung unter solche Personen und die Möglichkeit für den Dienstberechtigten, über die Arbeitszeit des Mitarbeiters zu verfügen (BAG v. 13.08.1980 - 4 AZR 592/78 - BAGE 34, 111 m.w.N.). Eine Würdigung dieser Umstände ergibt im vorliegenden Fall, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestand
a) Der Beschwerdeführer trägt vor, er habe keine Möglichkeit gehabt, den freien Zugang der Kunden zu der Kantine zu regeln (Bl. 130 d. A.). Ein so begrenzter Kundenkreis ist, wie auch das erstinstanzliche Urteil zu Recht festgestellt hat, für Kantinenpächter typisch, ohne dass hieraus ein Arbeitsverhältnis abgeleitet würde (BAG, a. a. O.). Insoweit verkennt der Antragssteller, dass es zwar zutreffen mag, dass in manchen Betrieben auch Zugangsmöglichkeiten zum Betriebsgelände und damit zur Kantine für externe Kantinenbesucher bestehen können, dieses jedoch nicht der Regelfall ist.
b) Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei nicht frei, über die sonstige Nutzung der Kantine zu entscheiden, er habe zudem nicht das Hausrecht, ihm sei von Beklagten auch eine Kantinennutzungsverordnung vorgegeben, rechtfertigt nicht die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte stellt dem Beschwerdeführer Räumlichkeiten zur Verfügung, die für einen bestimmten Nutzungszweck von ihr und auf ihre Kosten eingerichtet wurden. Auch die Unterhaltungskosten trägt die Beklagte. Hieraus ergibt sich naturgemäß die Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Obhuts- und Sorgfalts- sowie Anzeigepflichten. Soweit das Fehlen des Hausrechts moniert wird, ist nicht ersichtlich, inwiefern hierdurch eine persönliche Abhängigkeit zur Beklagten begründet wird. Schließlich ist die Beklagte Dienstherr des Kundenstamms des Beschwerdeführers, der zudem als Sicherheitsbehörde besonderen Sicherheitsregeln unterworfen ist, deren Einhaltung sie gewährleisten muss.
c) Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass das Urlaubsbegehren dem Genehmigungsvorbehalt der Beklagten unterliege, ist in dieser Form unzutreffend. Nach § 7 Abs. 2 des Pachtvertrages (Bl. 24 d. A.) ist Urlaub des Pächters vom Verpächter nur zu genehmigen, sofern der Pächter die vollständige Schließung des Kantinenbetriebes wegen Urlaubs beabsichtigt. Dass der Beschwerdeführer, wie er vorträgt, tatsächlich alle Urlaubsbegehren vorgelegt hat, ist insoweit unbeachtlich. Hierzu war er nicht verpflichtet. Es stand ihm frei, sich und seinem Personal Urlaub zu genehmigen, ohne einen entsprechenden "Antrag" beim Verpächter vorzulegen, so lange durch urlaubsbedingte Abwesenheit die Kantine nicht vollständig geschlossen wurde. Dass die Beklagte im Zusammenhang mit einer Kantinenschließung ein Mitsprache- und Informationsrecht vertraglich festgelegt hat, ist nicht zu beanstanden.
d) Der Beschwerdeführer führt weiter als Indiz für eine Arbeitnehmereigenschaft an, dass die Beklagte auf die Preise, die Preisgestaltung und etwaige Preisänderungen verbindlichen Einfluss hatte. Insoweit wird er lediglich in seiner unternehmerischen Freiheit eingeschränkt (vgl. BAG, a.a.O.). Die Preisgestaltung hat wirtschaftliche Auswirkungen, führt jedoch nicht zu einer persönlichen Weisungsgebundenheit und Abhängigkeit. Abgesehen davon legt der Beschwerdeführer als Pächter gem. § 6 Satz 4 des Pachtvertrages die Verkaufspreise fest. Es ist lediglich im Anschluss daran ein Genehmigungsverfahren erforderlich. Insoweit verbleibt ihm wirtschaftlich eine unternehmerische Entscheidungsfreiheit bei der Festlegung der Preise.
e) Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Einstellung und Entlassung von Personal sei nur mit Zustimmung der Beklagten zulässig gewesen (§ 10 des Pachtvertrages), ist sachlich nicht richtig. Gem. § 10 Abs. 1 bedarf lediglich die Einstellung des Personals der Zustimmung des Verpächters. Das ist in der Tat ein Eingriff in die Arbeitsorganisation des Beschwerdeführers. Sie ist aber ebenso, wie die Befugnis, unter besonderen Voraussetzungen die Entlassung von Personal verlangen zu dürfen, im Pachtverhältnis der Parteien sowie dem besonderen Sicherheitsbedürfnis der Beklagten begründet. Aus diesem Mitspracherecht der Beklagten lässt sich vor allem keine, das gesamte Vertragsverhältnis prägende persönliche Abhängigkeit der Parteien ableiten. Der Beschwerdeführer ist derjenige, dem die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis nach wie vor zusteht. Aus dieser Befugnis wird auch ersichtlich, dass gerade keine Verpflichtung zur persönlichen Erbringung der Arbeitsleistung besteht.
f) Soweit sich der Beschwerdeführer auf Einschränkungen seiner Werbefreiheit nach § 27 der allgemeinen Bedingungen für die Verpachtung der Wirtschaftsbetriebe in den Kantinen der BGS beruft, (Bl. 131), ist dieses in die Kategorie einer "arbeitsbezogenen Weisung" einzuordnen. Letzteres ist zwar typisch für ein Arbeitsverhältnis.
Diese Weisungsmöglichkeit hat jedoch keinen derart tragenden Umfang, dass hier aus ein Arbeitsverhältnis abgeleitet werden könnte
g) Dass dem Beschwerdeführer eine Buchführungspflicht vorgegeben war, begründet kein persönliches Abhängigkeitsverhältnis zur Beklagten, sondern ist allgemeine Folge seiner Unternehmerstellung. Buchführungsarbeiten fallen nur bei einem Unternehmer an, wenn er diese Aufgaben in einer bestimmten Weise wahrnimmt und entsprechende Verpflichtungen eingeht, übt er eine unternehmerische Tätigkeit aus.
Insoweit wird er im eigenen unternehmerischen Interesse tätig und führt keine Dienstleistung für einen anderen aus (so auch BAG, a.a.O.).
h) Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, dass ihm Absprachen mit Lieferanten untersagt waren. Hier wird seine unternehmerische Freiheit eingeschränkt, was jedoch nicht zu einer persönlichen Abhängigkeit von der Beklagten im arbeitsrechtlichen Sinne führt. Abgesehen davon werden ihm auch nicht jegliche Abmachungen mit Lieferfirmen untersagt, vielmehr nur solche, mit denen er sich in ein Abhängigkeitsverhältnis zu diesen Firmen begeben würde. Damit verbleibt ihm Raum für eigene wirtschaftliche Betätigungen und Kalkulationen.
i) Der Beschwerdeführer führt an, aus § 24 der Allgemeinen Bedingungen für die Verpachtung der Wirtschaftsbetriebe in den Kantinen ergebe sich ein Verbot, Bedienungsgeld zu nehmen, was für eine abhängige Beschäftigung spreche. Diese Regelung führt ebenfalls nur zu einer Einschränkung der unternehmerischen Freiheit. Es gibt nämlich kein generelles Verbot, Bedienungsgeld anzunehmen. Die Parteien haben lediglich geregelt, dass ein Bedienungsgeld für Ausschank und Verkauf an der Theke nicht erhoben werden darf. Für andere Tätigkeiten kann Bedienungsgeld von 10 v. H. erhoben werden.
j) Die Vorgaben der Beklagten, täglich mindestens zwei Essen anzubieten, die aus Fleisch, Gemüse und Kartoffeln oder anderen gleichwertigen Nahrungsmitteln bestehen, ein angemessenes Sortiment an Warm- und Kaltgetränken sowie Nahrungs- und Genussmitteln zu einem angemessenen Preis vorzuhalten und anzubieten, stellen keine arbeitsbezogenen Weisungen der Beklagten dar, durch die die Art der Arbeit und ihre Methode geregelt wird. Die Beklagte hatte dem Beschwerdeführer gerade nicht Weisungen dahingehend erteilt, welche Essen er an welchen Tagen anbietet, wie er diese zubereitet, zu welchem Zeitpunkt er diese zubereitet, etc. Insoweit hatte der Beschwerdeführer Gestaltungsfreiheit.
k) Durch die Kantinenöffnungszeiten ist de Arbeitszeit des Beschwerdeführers nicht verbindlich festgelegt worden. Ihm waren lediglich die Verkaufszeiten vorgeschrieben. Zur persönlichen Arbeitsleistung während dieser Zeiten war er nicht verpflichtet.
Die Beschwerde war nach alledem zurückzuweisen.
Eine Kostenentscheidung entfällt mangels Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten im PKH-Beschwerdeverfahren (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand nicht.
Ende der Entscheidung
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