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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 21.12.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 295/04
Rechtsgebiete: ArbGG, HGB, BetrAVG, BGB
Vorschriften:
ArbGG § 72a | |
HGB §§ 25 ff. | |
HGB § 26 | |
HGB § 28 | |
HGB § 28 Abs. 3 | |
HGB § 159 | |
HGB § 160 | |
BetrAVG § 18a | |
BGB § 195 | |
BGB § 202 | |
BGB § 204 |
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil
Aktenzeichen: 2 Sa 295/04
Verkündet am 21.12.2004
In dem Rechtsstreit
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 21.12.2004 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 29.4.2004 - 2 Ca 52/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu gewähren.
Der Beklagte war Inhaber der M. , J. und Co.. Dort war der Kläger in der Zeit vom 18.6.1970 bis März 1996 beschäftigt. Die M. , J. und Co. war am 1.1.1951 als oHG gegründet worden. Der Beklagte wurde mit Eintragung vom 21.12.1972 alleinvertretungsberechtigt. Die oHG endete mit dem 5.11.1985 (Eintragungsdatum). Der Beklagte führte das Unternehmen alleine weiter. Am 1.10.1997 wurde eine KG gegründet. Die J. Verwaltungs-GmbH trat als persönlich haftende Gesellschafterin ein. Der Beklagte wurde Kommanditist (HR A ... AG Schleswig). Die Eintragung erfolgte am 02.04.1998.
Der Kläger ist am ...1933 geboren. Der Beklagte hatte seinen Mitarbeitern, unter anderem dem Kläger am 18.6.1970, eine Versorgungszusage erteilt. Am 30.9.1983 wurde eine Betriebsvereinbarung über die Altersversorgung abgeschlossen (Blatt 35 ff. d.A.), auf die hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird. Der Kläger trat im Juni 1996 in den Ruhestand und erhielt zunächst bis September 1997 Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung durch den Beklagten. Die Kommanditgesellschaft zahlte die Betriebsrente in der Zeit von Oktober 1997 bis September 2002. Im Oktober 2002 stellte sie die Zahlungen ein. Auf Klage des Klägers erging am 18.2.2003 ein Anerkenntnisurteil gegen die Kommanditgesellschaft (2 Ca 117/03 Arbeitsgericht Flensburg). Über deren Vermögen wurde am 11.3.2003 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Das Insolvenzverfahren wurde am 1.5.2003 eröffnet. Der Kläger meldete seine Forderungen beim Pensions-Sicherungsverein (P.) an. Der P. teilte am 2.12.2003 mit, er trete nicht für die Verbindlichkeiten aus der Versorgungszusage ein, da der Beklagte Schuldner der Verpflichtung sei (Blatt 4 d.A.). Hierauf hat der Kläger nach erfolgloser Zahlungsaufforderung (Blatt 6 d.A.) am 12.1.2004 Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben. Im Rahmen dieses Rechtsstreits hat der Beklagte sich u.a. auf Verjährung berufen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.4.2004, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie des Inhalts der Entscheidung verwiesen wird, den Beklagten verurteilt, an den Kläger rückständige Leistungen in Höhe von 3115,50 Euro nebst Zinsen sowie ab Januar 2004 monatlich nachträglich 207,70 Euro zu zahlen. Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung.
Der Beklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor, die Klage sei bereits verbraucht, weil der Kläger gegen die Kommanditgesellschaft ein Anerkenntnisurteil erwirkt habe. Dieses Anerkenntnisurteil habe er bis heute nicht etwa entwertet, um zu signalisieren, dass die anerkannten Ansprüche nicht gegen die KG, sondern den Beklagten bestünden. Der Kläger habe auch nicht die Auffassung vertreten, dass beide Gesamtschuldner seien.
Dem Kläger sei vorzuhalten, dass sein Anspruch nicht hinreichend schlüssig dargelegt und unter Beweis gestellt sei. Er, der Beklagte, sei zuletzt nur noch Kommanditist gewesen und habe mit der gesamten Rechtsverteidigung deutlich gemacht, für die Verbindlichkeiten aus der Ruhegeldvereinbarung nicht mehr haftbar zu sein.
Er, der Beklagte, hafte nicht mehr persönlich für die Verpflichtungen aus der Versorgungszusage. Auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Änderungen sei er aus der persönlichen Haftung entlassen worden. Nach § 160 HGB sei die Nachhaftung des ausgeschiedenen persönlich haftenden Gesellschafters auf fünf Jahre begrenzt. Diese fünf Jahre seien verstrichen. Der Anspruch habe zunächst gegen den Arbeitgeber, die Firma M. , J. und Co. oHG bestanden. Diese habe der Beklagte nach dem Ausscheiden der Mitgesellschafter als einziger Inhaber geführt. Diese Firma sei im Wesentlichen und vornehmlich im Sinne der §§ 25 ff. HGB fortgeführt worden, nachdem der Beklagte aus seiner Einzelinhaberschaft heraus eine Kommanditgesellschaft gegründet habe. Danach seien die Ansprüche des Klägers gegen die M. , J. und Co. M. GmbH und Co. KG begründet gewesen. Schuldnerin sei immer das Unternehmen gewesen. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass auf Arbeitgeberseite Treuwidrigkeit vorliege. Ihm habe es nicht verborgen bleiben können, dass Änderungen in der Gesellschaftsstruktur stattgefunden hatten. Diese ergäben sich nicht nur aus dem Handelsregister, sondern auch aus den Kontoauszügen. Mit der Änderung der Rechtsform der Unternehmensinhaberin seien auch praktische Änderungen im Betrieb einhergegangen. Die Verwaltung sei in einen neuen Bereich des Gewerbekomplexes umgezogen. Da in jedem Jahr die Lohnsteuerkarte abzugeben gewesen sei, habe das auch dem Kläger auffallen müssen.
Die Haftung des Beklagten für Verbindlichkeiten aus seiner Einzelfirma sei gemäß Ziff. XVIII der Ruhegeldordnung, § 160 HGB und gemäß § 28 Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 26 HGB auf die Zeit von fünf Jahren nach der Eintragung des neuen Inhabers in das Handelsregister beschränkt. Da die Eintragung des Beklagten als Kommanditist am 02.04. 1998 erfolgt sei, sei seine Nachhaftung am 2.4.2003 abgelaufen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Flensburg abzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zur Durchführung einer Beweisaufnahme zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt weiter vor, er habe die Leistungen der Kommanditgesellschaft zwar angenommen, da es ihm gleichgültig gewesen sei, von wem er seine Altersversorgung erhalte. Einem Schuldnerwechsel habe er damit aber nicht zugestimmt. Er, der Kläger, sei als gewerblicher Mitarbeiter in dem Unternehmen beschäftigt gewesen. Die jeweilige gesellschaftsrechtliche Konstruktion sei ihm unbekannt gewesen. Das gelte sowohl für die Dauer des Arbeitsverhältnisses als auch für die Folgezeit.
Unzutreffend sei, dass der Beklagte seit 1998 nicht mehr aktiv an der Geschäftsführung und Verwaltung des Unternehmens beteiligt gewesen sei. Selbst im Zeitpunkt des Anerkenntnisurteils sei der Beklagte Mitgeschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der KG gewesen.
Aus seiner Sicht spreche der zeitliche Ablauf dafür, dass der Beklagte versucht habe, durch eine fünfjährige Leistung seitens der KG als persönlich Haftender auszuscheiden. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die einzelkaufmännische Firma später eine Kommanditgesellschaft geworden sei. Die Vorschriften zur Nachhaftung fänden nicht Anwendung auf Ansprüche der betrieblichen Altersversorgung. Der Gesetzgeber habe eine entsprechende Regelung nicht getroffen.
Soweit der Beklagte ihm nun vorhalte, Details des Anspruchs seien nicht vorgetragen worden, sei zu berücksichtigen, dass beide Parteien sich seit Jahrzehnten kennen. Der Beklagte sei eine persönliche Haftung für Betriebsrentenansprüche eingegangen, der er sich nun zu entledigen trachte.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat nicht Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend den Beklagten verurteilt, an den Kläger die Rückstände sowie die monatlichen Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung auszuzahlen. Streitpunkt in der Berufung ist im Wesentlichen die Frage, ob der Beklagte persönlich aus der Verpflichtung für die Zahlung der Betriebsrente ausgeschieden ist.
1.
Dem Kläger steht aus der Versorgungszusage eine Betriebsrente in der ausgeurteilten Höhe gegen den Beklagten zu. Der Beklagte hat die Versorgungsleistung zugesagt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass das Bestreiten des Beklagten unzulässig sei. Der Beklagte hat selbst die Versorgung zugesagt und zunächst auch die Leistungen an den Kläger erbracht. Er als der Zusagende muss in der Lage sein, zu beurteilen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger ein Anspruch zusteht. Demgegenüber kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass er Rentner und schon 82 Jahre alt sei. Eine Einschränkung seiner geistigen Fähigkeiten behauptet er nicht. Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass er in den letzten Jahren nicht mehr aktiv am Geschehen der Kommanditgesellschaft beteiligt gewesen sei. Wie sich aus dem Handelsregisterauszug ergibt, war der Beklagte bis zuletzt Geschäftsführer. Er weiß daher aus eigener Kenntnis, welche Leistungen auch durch die Kommanditgesellschaft erbracht worden sind.
2.
Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Beklagte nicht aus der Verpflichtung zur Zahlung der Betriebsrente des Klägers entlassen worden. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Bei der Bewertung des Sachverhaltes darf nicht vergessen werden, dass die Kommanditgesellschaft nie Arbeitgeberin des Klägers gewesen ist. Es ist daher ein besonderes Moment erforderlich, um eine Haftung der Kommanditgesellschaft und eine Enthaftung des Beklagten zu begründen. Dies ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht gegeben.
Ein Ausscheiden des Beklagten aus der persönlichen Verantwortlichkeit durch §§ 26, 28 HGB ist nicht erfolgt. Die Änderungen des HGB zur Nachhaftung mit Wirkung vom 26.3.1994 finden hier nicht Anwendung. Nach § 28 HGB in der ab dem 26.3.1994 geltenden Fassung ist die Haftung des früheren Geschäftsinhabers, der Kommanditist wird, begrenzt, wenn die Gesellschaft für die im Betrieb seines Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten haftet. § 26 HGB in der Fassung ab dem 26.3.1994 sieht vor, dass der frühere Geschäftsinhaber für die früheren Verbindlichkeiten nur haftet, wenn sie vor Ablauf von 5 Jahren fällig und daraus Ansprüche gegen ihn gerichtlich geltend gemacht sind. Nach der Übergangsvorschrift zu §§ 26 und 28 Abs. 3 HGB, Art. 37 EGHGB, sind die §§ 26 und 28 Abs. 3 HGB auf die vor dem 26.3.1994 entstandenen Verbindlichkeiten anzuwenden, wenn
1. der neue Inhaber oder die Gesellschaft nach dem 26.3.1994 eingetragen wird oder die Kundmachung der Übernahme stattfindet und
2. die Verbindlichkeiten nicht später als vier Jahre nach der Eintragung oder der Kundmachung fällig werden.
Auf später fällig werdende Verbindlichkeiten ist das bisher geltende Recht mit der Maßgabe anwendbar, dass die Verjährungsfrist ein Jahr beträgt, Art. 37 Abs. 1 S. 2 EGHGB. Allerdings gilt § 28 Abs. 3 HGB auch für Verbindlichkeiten, die später fällig werden, wenn diese aus fortbestehenden Arbeitsverhältnissen entstanden sind, Art. 37 Abs. 2 EGHGB. Da die Verbindlichkeit nicht aus einem mit der Kommanditgesellschaft fortgeführten Arbeitsverhältnis herrührt, ist § 28 Abs. 3 HGB hier nicht anzuwenden.
3. Der Anspruch auf Leistungen ist für die streitbefangenen Zeiträume auch nicht verjährt. Der Beklagte kann sich insbesondere nicht auf Ziff. XVIII der Versorgungsordnung berufen. § 18a BetrAVG ist nicht dispositiv. Auch § 202 BGB in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gestattet nicht eine Erleichterung der Verjährung im Voraus durch Rechtsgeschäft.
Aus Art. 37 Abs. 1 EGHGB folgt, dass für die einzelnen monatlichen Betriebrentenansprüche, die in dem Zeitraum von 4 Jahren nach der Eintragung der Firmennachfolge, d.h. ab dem 2.4.1998, fällig geworden sind, § 26 HGB in der Neufassung Anwendung findet (BAG Urteil vom 23.3.2004 - 3 AZR 151/03 - DB 2004,1324). Das bedeutet, dass § 26 HGB Neufassung vorliegend nur die Ansprüche für die Zeit vom 2.4.1998 bis 1.4.2002 betreffen kann. Die in diesem von § 26 HGB erfassten Zeitraum fällig gewordenen Ansprüche sind jedoch nicht Streitgegenstand.
Die später fällig gewordenen Ansprüche - im Streit sind die Zahlungen ab Oktober 2002 - verjähren zwar nach dem Wortlaut des Art. 37 Abs. 1 EGHGB in einem Jahr. Diese Verjährungsvorschrift erfasst aber ersichtlich nicht die hier streitgegenständlichen Betriebsrentenzahlungen. Denn hier gilt § 18a BetrAVG, der durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts mit Wirkung vom 1.1.2002 in Kraft getreten ist. § 18a BetrAVG geht als speziellere und neuere Verjährungsvorschrift hier vor. Das bedeutet, dass der Anspruch aus der Versorgungszusage, d.h. das Stammrecht, auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung in 30 Jahren verjährt, während die Ansprüche auf die regelmäßig wiederkehrenden Leistungen der regelmäßigen Verjährungsfrist den Vorschriften des BGB unterliegen. Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB beträgt 3 Jahre. Diese Frist ist für die streitbefangenen Zeiträume noch nicht verstrichen, sondern durch die Rechtsverfolgung gehemmt, § 204 BGB.
Auf eine Verjährung nach § 160 HGB kann der Beklagte sich nicht berufen, da diese Vorschrift Verbindlichkeiten der Gesellschaft betrifft. Der Kläger war aber nie Arbeitnehmer der Kommanditgesellschaft. Die betriebliche Altersversorgung ist daher auch nicht eine Verbindlichkeit der Gesellschaft. Auch § 159 HGB kommt als Verjährungstatbestand nicht in Betracht, wie das Arbeitsgericht ausgeführt hat.
Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Die Revision ist im Hinblick auf die Entscheidung des BAG vom 23.3.2004 (3 AZR 151/03) nicht zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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