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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 13.03.2002
Aktenzeichen: 4 Ta 180/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 319
ZPO § 91 a
ZPO § 271 I
ZPO § 515 I
ZPO § 566
ZPO § 263
ZPO § 269
ZPO § 346
1. Ein Berichtigungsbeschluss bedarf stets der Angabe dessen, was berichtigt werden soll. Soll im Wege des Berichtigungsbeschlusses einem Parteiwechsel oder dem Ausscheiden einer Prozesspartei genüge getan werden, muss das im Beschluss mitgeteilt und klargestellt werden.

2. Im Wege des Berichtigungsbeschlusses dürfen nur offenbare Unrichtigkeiten berichtigt werden, unzulässig ist es, bei lediglich einseitiger Erledigungserklärung im Wege des Berichtigungsbeschlusses den Wegfall einer Prozesspartei aufgrund Klagerücknahme festzustellen und daraufhin im Passivrubrum eine Beklagtenpartei als aus dem Verfahren ausgeschieden zu bewerten. Derartige Feststellungen sind im Urteil oder in einem Beschluss nach § 91 a ZPO zu treffen.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 4 Ta 180/01

In dem Rechtsstreit

Tenor:

wird auf die sofortigen Beschwerde der Beklagten zu 2. der Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 8. November 2001 - 3 Ca 1092 e/00 - aufgehoben.

Gründe:

I.

Der Kläger hat mit der Klage vom 16. Februar 2000, beim Arbeitsgericht Elmshorn eingegangen am 15. Juni 2000, gegen Herrn Wilfried Sch. , in Firma Sch. "Ihre Bäckerei", Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die schriftliche Kündigung des Beklagten vom 28. Januar 2000 aufgelöst worden ist.

Der Kläger hat mit der Klageschrift vom 13. Juni 2000 Klage gegen Heinrich von A. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer Ralf von A. u. a., Klage erhoben mit den Anträgen,

1. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, den Kläger zu den Bedingungen des zwischen der G. E. Bäckerei und dem Kläger abgeschlossenen Arbeitsvertrages aus dem Jahr 1989 als Expeditionsleiter mit dem derzeitigen Gehalt von 3.500,00 DM brutto zu beschäftigen,

2. festzustellen, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. bestehende Arbeitsverhältnis seit dem 1. Februar 2000 auf den Beklagten zu 2. übergegangen ist und mit dieser zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.

Mit Schriftsatz vom 1. August 2000 hat der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 2. dahin erweitert,

festzustellen, dass das zwischen der Beklagten zu 2. (Heinrich von A. GmbH) und dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten zu 2. beendet. ist.

In der Sitzung vom 23. April 2001, in der beide Beklagten anwaltlich vertreten waren, erging folgendes Urteil

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Firma Sch. bestehende Arbeitsverhältnis seit dem 1. Februar 2000 auf die Beklagte übergegangen ist und mit dieser zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 14. Juli 2000 beendet wurde, sondern fortbesteht.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den Bedingungen des zwischen der G. E. Bäckerei und dem Kläger abgeschlossenen Arbeitsvertrages aus dem Jahr 1989 als Expeditionsleiter mit dem Gehalt von 3.500,00 DM brutto zu beschäftigen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5. Der Streitwert wird auf 17.500,00 DM festgesetzt.

Das Passivrubrum des am 23. April 2001 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Elmshorn - 3 Ca 1092 e/00 - geht dahin

1. Wilfried Sch. , in Firma Sch. "I. B. ", Z. , ... Landstraße 6, 26... G.

- Bekl. -

Proz.-Bev.: Syndikus

2. Heinrich von A. GmbH, vertr. d. d. Geschäftsführer Ralf von A. u. a., A... 19, 23... S. ,

- Bekl. -

Proz.-Bev.: Rechtsanwälte

Die Vorsitzende der Kammer des Arbeitsgerichts hat mit Beschluss vom 8. November 2001 dahin entschieden:

Das Rubrum des Urteils vom 23. April 2001 wird gem. § 319 ZPO von Amts wegen wie folgt berichtigt:

Beklagte ist die

Heinrich von A. GmbH, vertr. d. d. Geschäftsführer Ralf von A. u. a., A... 19, 23... S. .

Die Entscheidung ist darauf gegründet:

Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 23. April 2001 hat der Klägervertreter erklärt:

"Die Klage richtet sich nur noch gegen die Beklagte zu 2.. Der Rechtsstreit gegen die Beklagte zu 1. hat sich aufgrund der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts - Az.: 5 Sa 359/00 - erledigt.

Der Klägervertreter erklärt die Hauptsache bezüglich der Beklagten zu 1. für erledigt".

Die Vertreter der Beklagten zu 1. und zu 2. haben dieser teilweisen Klagerücknahme nicht widersprochen. Damit ist offenkundig, dass sich das Verfahren nur noch gegen die Firma Heinrich von A. GmbH richtet.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 3. Dezember 2001 - per Faxschreiben - beim Arbeitsgericht Elmshorn eingelegte und zugleich begründete sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2.. Die Beklagte zu 2. greift den Beschluss damit an, dass das Gericht wahlweise von der Erledigung oder der teilweisen Klagrücknahme spreche. Zunächst hätte sich das Gericht entscheiden müssen, welche Form der Beendigung es für gegeben halte. Für beide Rechtsinstitute lägen die notwendigen Voraussetzungen nicht vor. Vorliegend gebe es lediglich eine Erklärung des Klägers, der sich die Beklagten aber nicht angeschlossen hätten. Die Beklagten hätten auch nicht widersprochen. Die protokollierten Klagabweisungsanträge seien nämlich in jedem Fall als Widerspruch auszulegen. Schließlich widerspreche sich das Gericht auch selbst, wenn es zwar von einer übereinstimmenden Erledigung ausgehe, aber dann nicht die Kostenentscheidung gem. § 91 a ZPO treffen. Außerdem spreche das Gericht in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils auch beiden Beklagten das Recht zur Einlegung einer Berufung zu. Wenn die Angelegenheit übereinstimmend für erledigt erklärt worden sei, bleibe jedoch kein Raum mehr für eine Berufung. Eine teilweise Klagrücknahme liege auch nicht vor. Es mangele an einer ausdrücklichen Erklärung des Klägers bzgl. einer Rücknahme der Klage. Weiterhin habe die mündliche Verhandlung bereits begonnen, weshalb für eine Klagrücknahme die Zustimmung der Beklagten erforderlich gewesen sei. Auch die Voraussetzung des § 319 ZPO läge nicht vor. Nach § 319 ZPO sei eine Berichtigung im Falle von offenbaren Unrichtigkeiten zulässig, daran mangele es jedoch. Die Unrichtigkeit ergehe auch nicht aus dem berichtigten Urteil selbst. Das Gericht gehe aufgrund seiner Ausführung zur Bindungswirkung offenbar sogar von einer notwendigen Streitgenossenschaft der Beklagten aus, weshalb eine Erledigung der Klagrücknahme auch immer beide Beklagte betreffen würde. Der Beschluss hätte auch nicht durch die Richterin allein ergehen müssen, sondern unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter.

Die Beklagte zu 1. beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 8. November 2001 - 3 Ca 1092 e/00 - aufzuheben.

Der Kläger beantragt, wie seine Ausführung erweisen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Entscheidung sei zutreffend, denn das Arbeitsgericht habe nicht wahlweise von einer Erledigung bzw. einer Klagrücknahme gesprochen, sondern ausdrücklich in der Begründung zunächst die Äußerung des Unterzeichners zitiert und dann, nach dem Zitat, eine Schlussfolgerung aus den Erklärungen des Unterzeichners dahingehend gezogen, dass das Gericht diese Erklärung als teilweise Klagrücknahme interpretiere. Eine Kostenentscheidung gem. § 91 a ZPO war nicht zu veranlassen, weil das Gericht die Erklärung des Klägers als Klagrücknahme interpretiert habe. Im Wege des § 319 ZPO könnten gerade unrichtige Parteibezeichnungen korrigiert werden.

Der Beklagte meint, dass das Arbeitsgericht den Gang des Verfahrens zutreffend gewertet habe und hat hierzu rechtlich vorgetragen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, rechtzeitig begründet und musste auch in der Sache Erfolg haben.

Zunächst erscheint allerdings fraglich, ob überhaupt eine Berichtigung eines Urteils vorliegt, denn die Tenorierung im Beschluss vom 8. November 2001 "Beklagte ist die Heinrich von A. GmbH ..." entspricht bereits dem Rubrum des verkündeten Urteils. In jenem Urteil ist die Heinrich von A. GmbH als Beklagte ausdrücklich aufgeführt. Die Begründung des Beschlusses vom 8. November 2001 geht davon aus, dass die Beklagte zu 1. aus dem Rechtsstreit ausgeschieden sei, eine derartige ausdrückliche Erklärung ist aber gerade nicht im Berichtigungsbeschluss enthalten, denn dann hätte er so lauten müssen: Im Passivrubrum werden gestrichen folgende Bezeichnungen: "1. Wilfried Sch. in Firma Sch. "Ihre Bäckerei", ...".

Aber auch eine solche Berichtigung, die das Arbeitsgericht wohl gewollt hat, ist im Wege des Berichtigungsbeschlusses nach § 319 ZPO nicht zulässig.

Voraussetzung der Berichtigung sind offenbare Unrichtigkeiten. Unrichtig in diesem Sinne ist nur eine wesentliche Abweichung der gerichtlichen Willenserklärung von der Willensbildung. Fehler, die auf rechtsirriger Willensbildung beruhen, können außer Rechenfehlern nicht mit § 319 ZPO berichtigt werden (Thomas/Putzo, ZPO, 20. Aufl., Rdnr. 2 f. zu § 319). Es mag sein, dass eine Unrichtigkeit besteht, weil die Kammer möglicherweise nur ein Urteil gegen die Beklagte zu 2. erlassen wollte.

Die Unrichtigkeit ist aber nicht offenbar.

Offenbar ist die Unrichtigkeit nur, wenn sich der Fehler bereits unmittelbar aus der Entscheidung selbst oder aus den Vorgängen bei Erlass und Verkündung auf Dritte ohne Weiteres ergibt. Aus den Vorgängen bei der Verkündung und auch aus dem Urteil selbst ergeht aber nicht, dass die Beklagte zu 1. aus dem Verfahren ausgeschieden ist. Im Berichtigungsbeschluss ist zwar ausgeführt, dass der Klägervertreter die Hauptsache bzgl. der Beklagten zu 1. für erledigt erklärt habe. Eine derartige Erklärung findet sich auch in der Sitzungsniederschrift. Die einseitige Erledigungserklärung des Klägers erledigt aber weder den Prozess noch die Rechtshängigkeit (h. M.). Sie bedeutet den Antrag an das Gericht, die Erledigung der Hauptsache festzustellen. Ob aber ein Fall der Erledigung vorliegt, ist im Urteil nicht ausgeführt. Es könnte ein Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung vorliegen, dann hätte aber die Beklagte zu 1. zustimmen müssen. An einer derartigen Erklärung fehlt es. Es fehlt auch an einer entsprechenden Entscheidung nach § 91 a ZPO, die im Fall der übereinstimmenden Erledigung des Rechtsstreits hätte ergehen müssen. Die Richterin hat im Berichtigungsbeschluss die Erledigungserklärung des Klägers als teilweise Klagrücknahmeerklärung gewertet, denn im Beschluss ist ausgeführt, dass die Vertreter der Beklagten zu 1. und 2. dieser teilweisen Klagrücknahme nicht widersprochen hätten. Weil aber die Rechtswirkungen von Erledigungserklärung und Klagrücknahme unterschiedlich sind, kann in einer Erledigungserklärung nicht automatisch eine Rücknahmeerklärung gesehen werden. Da ein Klagabweisungsantrag von "der Beklagten" gestellt worden war, kann eine Zustimmung in die Klagrücknahme nicht erkannt werden.

Eine Klage oder ein Rechtsmittel könne nur mit Zustimmung des Gegners zurückgenommen werden, sobald dieser zur Hauptsache verhandelt hat (§§ 271 Abs. 1, 515 Abs. 1, 566 ZPO; vgl. Nikisch, Zivilprozess, 2. Aufl., § 54 V. 2.). Die in §§ 263, 269, 346, 515 ZPO vorgesehenen Möglichkeiten der Zurücknahme sind, soweit hier einschlägig, nur mit Zustimmung des Gegners möglich. In der Sitzungsniederschrift vom 23. April 2001 findet sich jedoch kein Hinweis darauf, dass die Beklagten mit der Zurücknahme der Klage etwa in Bezug auf den Beklagten zu 1. sich einverstanden erklärt haben. Es findet sich in der Sitzungsniederschrift lediglich der Antrag auf Abweisung der, wäre er entsprechend der zivilprozessrechtlichen Vorschriften vorgelesen und genehmigt worden, auch einer der Beklagten hätten zugerechnet werden können. So aber lässt sich nicht feststellen, welcher Beklagtenvertreter den Antrag gestellt hat. Auf die Antragstellung kommt es auch im Übrigen nicht an. Das Gericht findet sich insoweit auch in Übereinstimmung mit der OLG Frankfurt, das zutreffend darauf hingewiesen hat, dass dann, wenn der Antragsgegner in mündlicher Verhandlung sich sachlich auf den Antrag eingelassen hat, darin ein Verhandeln zur Hauptsache i. S. v. § 269 Abs. 1 ZPO liege - selbst wenn der Antragsgegner keinen Antrag gestellt habe -; die Rücknahme des Antrags bedürfe danach der Zustimmung des Antragsgegners (OLG Frankfurt, Urt. v. 10. November 1981 - 3 UF 6/81 - in FamRZ 1982, 809 - 813; ebenso LAG Schl.-Holst., Urt. v. 10. Januar 2002 - 4 Sa 609/00 -). Auch das LAG Nürnberg hat richtig darauf hingewiesen, dass im fortgestrittenen Verfahrensstadium eine Rücknahme von Prozessanträgen grundsätzlich nur mit Einwilligung des Klägers in Betracht komme, soweit nichts anderes bestimmt sei. Die §§ 269 Abs. 1 und 515 Abs. 1 ZPO enthielten insoweit einen allgemeinen Rechtsgedanken (LAG Nürnberg in LAGE § 888 ZPO Nr. 18). Mangels Klagerücknahme konnte auch nicht festgestellt werden, dass etwa der Beklagte zu 1. aus dem Verfahren ausgeschieden sei.

Nach alledem ist die Berichtigung unzulässig.

Kosten werden nach § 8 GKG nicht erhoben.

Gegen diese Entscheidung ist keine weitere Beschwerde gegeben.

Ende der Entscheidung

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