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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 11.05.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 503/03
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 1 Abs. 1 |
2. Dies gilt selbst dann, wenn sie aufgrund ihrer fehlenden beruflichen Qualifikation keine eigene behördliche Betriebserlaubnis zur Führung einer Wohngruppe nach §§ 45, 49 SGB VIII i.V.m. dem jeweiligen Landesrecht erhalten könnte.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil
Aktenzeichen: 5 Sa 503/03
Verkündet am 11.05.2004
In dem Rechtsstreit
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 11.05.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Otten-Ewer als Vorsitzende, den ehrenamtlichen Richter Schlichting als Beisitzer und die ehrenamtliche Richterin Finnern als Beisitzerin
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 06.04.2004 wird zurückgewiesen.
2. Die weitergehenden Kosten trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses insbesondere um den Status der Klägerin.
Die Klägerin ist staatlich geprüfte Hauswirtschaftsleiterin und war bei der beklagten Hansestadt zunächst als Reinigungsbeauftragte aufgrund eines Arbeitsvertrages angestellt. Mit Wirkung vom 01.11.1993 ließ sie sich unbezahlt beurlauben, um für die Beklagte die Aufgabe der Leitung einer Außenwohngruppe zu übernehmen. Die Beklagte betreibt Außenwohngruppen als Alternative zu Kinder- und Jugendheimen. Kindern und Jugendlichen wird durch die Außenwohngruppen ein familienähnliches Zuhause mit festen Bezugspersonen - den Außenwohngruppenleitern - angeboten. Die Klägerin leitet die Außenwohngruppe M... in G... (S...-H...). Ihr Vertragsverhältnis regelten die Parteien am 22.10.1993 durch einen von ihnen so bezeichneten "Dienstvertrag". Dieser wurde später durch einen Vertrag vom 24.01.1996 ersetzt (Anl. K2, Bl. 14 ff. d. GA.).
Letzterer lautet auszugsweise:
"I.
(1) Der/Die AuftragnehmerIn übernimmt gemeinsam mit ..../.... die Betreuung einer selbständigen Außenwohngruppe mit 2 Minderjährigen.
(2) Die Tätigkeit wird freiberuflich ausgeführt; ein Arbeitsverhältnis wird nicht begründet.
(3) Der Umfang der zeitlichen Inanspruchnahme richtet sich nach dem Erziehungs- und Betreuungsbedarf der Betreuten. Der/Die AuftragnehmerIn setzt ihre ganze Kraft für die Erfüllung der Erziehungsaufgabe ein.
II.
Der/Die Auftragnehmerin übernimmt folgende Verpflichtungen:
(1) Er/Sie beschafft gemeinsam mit dem/der anderen BetreuerIn Wohnraum (Einzelhaus, Reihenhaus Wohnung etc.) und lebt darin in Gemeinschaft mit den Betreuten und dem/der anderen BetreuerIn.
Über den Wohnort der Außenwohngruppe ist Einvernehmen mit der Auftraggeberin zu erzielen.
(2) Er/Sie gewährt den Minderjährigen auf der Grundlage des Konzeptes über die Erziehung in Außenwohngruppen eine familienähnliche Erziehung mit dem Ziel, sie bis zum Erreichen des 18. Lebensjahres zu einem selbständigen Leben in der Gesellschaft zu befähigen.
Er/Sie bestimmt gemeinsam mit dem/der anderen BetreuerIn über die Ausgestaltung der Arbeit, soweit hierüber in einer Anlage zu diesem Vertrag nichts Näheres vereinbart ist.
Er/Sie ist in den vorstehend beschriebenen Angelegenheiten an Weisungen der Auftraggeberin nicht gebunden. Die Rechte der Heimaufsicht nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz bleiben unberührt.
(3) Er/Sie arbeitet mit den von der Auftraggeberin benannten Dienststellen des Amtes für Jugend zusammen. Er/Sie berichtet auf Anforderung der von der Auftraggeberin als zuständig benannten Dienststelle über die Entwicklung der Minderjährigen und über andere besondere Vorkommnisse.
(...)
III.
Die Auftraggeberin übernimmt folgende Verpflichtungen:
(1) Sie berät den/die AuftragnehmerIn in allen pädagogischen und organisatorischen Fragen.
(2) Sie unterstützt den/die AuftragnehmerIn bei der Wohnungssuche.
(3) Sie zahlt dem/der AuftragnehmerIn (...) auch bei persönlicher Verhinderung (z.B. Kur, Krankheit usw.) eine Vergütung; sie beträgt z. Zt. 7.059,94 DM monatlich.
(...)
(4) Die Vergütung wird ohne Abzüge gezahlt.
Dem/Der AuftragnehmerIn obliegt die Beachtung steuerrechtlicher Verpflichtungen.
Hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht verpflichtet sich der/die AuftragnehmerIn, vom anliegenden Merkblatt Kenntnis zu nehmen.
Der/Die AuftragnehmerIn verpflichtet sich (...), freiwillig Beiträge zur Angestelltenversicherung zu entrichten.
Neben der Vergütung erhält der/die AuftragnehmerIn (...) folgende Zahlungen als Kostenersatz:
(5) - Ersatz für die Kosten der Unterkunft -
(...)
(6) - Ersatz für die Beschäftigung von Haushaltshilfen -
(...)
(8) - Ersatz für die Herrichtung und Ausstattung der Unterkunft -
(...)
(9) - Lebensunterhalt der Betreuten -
(...)
(12) Die als Kostenersatz gezahlten Beträge sind vollständig für die Ausstattung und den Betrieb der Außenwohngruppe zu verwenden.
Aus Kostenersatzmitteln angeschaffte Vermögenswerte mit einem Wert von über 200,00 DM im Einzelfall gehen in das Eigentum der Auftraggeberin über. Ein Kostenersatzguthaben bei Schließung der Außenwohngruppe ist der Auftraggeberin zurückzuzahlen.
(...)
(14) Mit Vergütung und Kostenersatz sind alle Ansprüche des/der AuftragnehmerIn abgegolten.
(...)
IV.
(...)
(2) (...)
Im Falle des Auslaufens gelten folgende Regelungen:
a) Die Auftraggeberin ersetzt dem/der AuftragnehmerIn für 2 Jahre nach Freiwerden des ersten Platzes, längstens jedoch bis Ende des Dienstverhältnisses, die zuletzt bei voller Belegung der Außenwohngruppe vergüteten Miet- und Mietnebenkosten.
b) Die übrigen Kostenerstattungen werden im Verhältnis zur sinkenden Kinderzahl verringert.
Das Honorar wird - mit der unter c) vorgesehenen Ausnahme - bei Absinken der Betreuungszahl auf 2 Betreute auf 80 % und bei Absinken der Betreuungszahl auf einen Betreuten auf 40 % des zuvor gezahlten Honorars verringert.
Sobald weniger als 3 Betreute in der Außenwohngruppe verbleiben, entfällt der Kostenersatz für die Beschäftigung von Vertretungskräften nach III (7)."
Bestandteil des Vertrages war ein Anhang, der auszugsweise lautet (Bl. 23 f. d. GA.):
"1. Koordinierende Stelle der Auftraggeberin (...) ist der Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung.
2. Diese Abteilung hat einen Arbeitskreis 'Außenwohngruppen' eingerichtet, der sich zu regelmäßigen monatlichen Besprechungen trifft. In diesen Besprechungen werden Fragen von grundsätzlicher Bedeutung gemeinsam geklärt. Aus jeder Außenwohngruppe nimmt ein/eine BetreuerIn in Absprache mit ihrem/seinem PartnerIn teil.
(...)
4. Beendigung der Betreuung eines Jugendlichen und Aufnahme neuer Minderjähriger erfolgen nur einvernehmlich.
Bei besonderen Anlässen wird sofort informiert.
6. Ansonsten berichtet der/die AuftragnehmerIn der Auftraggeberin mindestens in jährlichen Abständen über das Wohlergehen (...) und die weitere Erziehungsplanung.
7. Entscheidet die zuständige Stelle, dass für einen Minderjährigen das Leben in einer Außenwohngruppe die geeignete Maßnahme ist, und hat die Außenwohngruppe einen freien Platz, so lädt sie den/die AuftragnehmerInnen zu einem ersten Informationsgespräch ein. Sie informiert in diesem Gespräch soweit wie möglich über das bisherige Schicksal der/des Minderjährigen, über seine tatsächlichen Bindungen an Verwandte und den Umfang von Sorge- und Besuchsrecht. (...) Erst danach kann die Aufnahmeentscheidung einvernehmlich fallen.
(...)
10. Die Außenwohngruppe ist frei in der Verwendung dieser Mittel. Sie legt hierüber jedoch - unbeschadet eventueller weitergehender steuerrechtlicher Notwendigkeiten - der Auftraggeberin in Form einer vereinfachten Buchführung Rechnung.
(...)
12. Der/Die AuftragnehmerIn führt (...) alle aus Kostenersatzmitteln beschafften Sachen, die nicht zum sofortigen (...) Verbrauch (...) bestimmt sind und einen Wert von mehr als DM 200,00 haben, in einer (...) Bestandsliste auf. (...)
An allen aus Kostenersatzmitteln beschafften Gegenständen mit einem Anschaffungswert von über DM 200,00 im Einzelfall überträgt sie/er hiermit der Auftraggeberin das Eigentum.
13. Sobald das für den Betrieb einer Außenwohngruppe abgeschlossene Dienstverhältnis im Rahmen der Auslaufregelungen (...) beendet wird, endet auch die für diesen Zweck erfolgte Beurlaubung aus dem Öffentlichen Dienst."
In der Vergangenheit wurde streitig, ob die Vertragsverhältnisse der Außenwohngruppenleiter sozialrechtlich als Arbeitsverhältnisse einzustufen waren. Die Beklagte beabsichtigt deshalb, die Vertragsverhältnisse derart neu zu regeln, dass die Landesversicherungsanstalt (LVA) und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) sie als selbstständige Tätigkeit anerkennen. Um neue Verträge abschließen zu können, kündigte die Beklagte die Verträge mit den Außenwohngruppenleitern ordentlich. Der Klägerin kündigte sie mit Schreiben vom 04.03.2003 (Anl. K3, Bl. 25 d. GA.), zugestellt am 17.03.2003, das "Vertragsverhältnis vom 1.11.1993" zum 31.10.2003.
Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit der am 28.03.2003 vor dem Arbeitsgericht Lübeck erhobenen Feststellungsklage.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Die streitgegenständliche Kündigung gehe ins Leere, da sie sich nicht auf ihren gegenwärtigen Vertrag vom 24.01.1996 beziehe, sondern ausdrücklich auf denjenigen vom 01.11.1993. Auch eine Kündigung des gegenwärtigen Vertragsverhältnisses sei aber ggf. unwirksam, da es sich um ein Arbeitsverhältnis handele und daher das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden sei. Sie sei abhängig beschäftigt, da sie in den Betrieb der Beklagten eingegliedert sei und deren Weisungsrecht unterliege. Außerdem trage sie kein wirtschaftliches Risiko und könne auch nicht durch persönliche Entscheidungen das wirtschaftliche Ergebnis ihrer Arbeit steigern. Das Weisungsrecht der Beklagten folge unter anderem daraus, dass die Beklagte die Inhaberin der Betriebserlaubnis für die Außenwohngruppe sei, während die Klägerin keine Betriebserlaubnis habe und in S...-H... mangels notwendiger Qualifikation auch keine erlangen könne. Ansprechpartner der Heimaufsicht sei nicht die Klägerin, sondern die Beklagte, woraus folge, dass die Weisungen der Heimaufsicht durch Weisungen der Beklagten gegenüber der Klägerin durchgesetzt werden müssten. Die Klägerin müsse ein bestimmtes Erziehungskonzept umsetzen. Sie müsse nach dem Vertragsanhang an monatlichen Besprechungen eines Arbeitskreises teilnehmen. In der Gestaltung ihrer Arbeitszeit sei die Klägerin deshalb nicht frei, weil sie nach ihrer Aufgabenstellung "rund um die Uhr" im Einsatz sei. Ein Weisungsrecht bezüglich des Ortes der Arbeitsleistung folge daraus, dass die Betriebserlaubnis der Heimaufsicht an eine bestimmte Wohnung gebunden sei. Die Klägerin sei verpflichtet, die Leistung persönlich zu erbringen; sie müsse nach dem Vertrag ihre ganze Kraft für die Erziehungsaufgabe einsetzen und bedürfe der Zustimmung zur Ausübung von Nebentätigkeiten. Eigenes Personal könne die Klägerin nicht einsetzen; sie dürfe nach dem Vertrag nur Vertretungskräfte einsetzen. Diese stünden aber in einem "mittelbaren Arbeitsverhältnis" zur Beklagten. Die Klägerin trage auch kein unternehmerisches Risiko. Die Klägerin müsse Buch führen und die Buchführung nebst Quittungen der Beklagten vorlegen. Auf die Vertragsbezeichnung durch die Parteien komme es nicht an. Gegenüber der LVA H... habe die Beklagte schließlich in einem Prozessvergleich anerkannt, dass die Außenwohngruppenleiter abhängig beschäftigt seien.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auf Grund des Vertrages vom 24.01.1996 durch die Kündigung der Beklagten vom 04.03.2003, zugestellt am 17.03.2003, nicht zum 30.10.2003 beendet wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen:
Das besondere Konzept der Außenwohngruppen könne nur außerhalb des Arbeitsrechts verfolgt werden. Der pädagogische Alltag könne nicht in einen 8-Stunden-Tag mit Schichtdienst zergliedert werden, da die Kinder in die private Lebensgemeinschaft der Betreuer aufgenommen würden. Deren Berufsrolle und Privatheit dürften nicht voneinander getrennt werden. Aufgrund dieser Notwendigkeit hätten die Vertragspartner einvernehmlich den freien Dienstvertrag als Vertragsform gewählt. Die sozialrechtliche Einschätzung der LVA H... teile die Beklagte auch nach dem Vergleich nicht. Dieser sei nur zur Vermeidung eines langen Rechtsstreits geschlossen worden. Im Übrigen binde die sozialrechtliche Einschätzung die Gerichte für Arbeitssachen nicht. Nach der tatsächlichen Vertragsdurchführung liege kein Arbeitsverhältnis vor. Die Klägerin sei zeitlich, örtlich und hinsichtlich der Art und Weise der Tätigkeit nicht weisungsgebunden. Die Klägerin könne sich ihre Arbeitszeit frei einteilen. Sie habe sich den Ort der Wohngruppe selbst gesucht. Einvernehmen sei nur im Hinblick darauf erforderlich gewesen, dass die Betriebserlaubnis an eine bestimmte Adresse gebunden sei. Einen Vorgesetzten, der das Arbeitsverhältnis regele, habe die Klägerin nicht. Es sei nur ein abstrakter, grober Rahmen für die Tätigkeit festgelegt. Die Berichtspflicht sei mittlerweile mündlich aufgehoben worden. Die Klägerin müsse auch nicht an regelmäßigen Arbeitskreistreffen teilnehmen. Die Klägerin sei nicht in die Organisationsstruktur der Beklagten eingegliedert. Die Möglichkeit, Vertretungskräfte zu beschäftigen, spreche für die Selbstständigkeit der Klägerin. Die Beklagte habe auf deren Auswahl keinen Einfluss. Arbeitgeberin der Vertreter sei die Klägerin. Die Klägerin trage ein hohes unternehmerisches Risiko, weil sie, beispielsweise bei längerer Arbeitsunfähigkeit, Vertretungskräfte auf eigene Kosten beschäftigen müsse.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich deren Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, es handele sich bei dem Vertrag der Parteien vom 24.01.1996 um einen Arbeitsvertrag. Die Rechtsstellung der Klägerin sei derjenigen einer Familienhelferin nach § 31 SGB VIII stark ähnlich, für die das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 06.05.1998 - 5 AZR 347/97 (AP Nr. 94 zu § 611 BGB 'Abhängigkeit') eine Arbeitnehmerstellung angenommen habe. Die Klägerin sei persönlich abhängig beschäftigt. Sie habe keine eigene Betriebserlaubnis für die Außenwohngruppe und könne in S...-H... auch keine bekommen. Dass sie in H... wegen anderer dort geltender Anforderungen eine Betriebserlaubnis bekommen könnte, sei für den vorliegenden Fall unerheblich, da die Klägerin in S...-H... tätig sei. Mangels Betriebserlaubnis könne die Klägerin ihre Dienste nicht auf einem Markt anbieten, wie es bei freien Mitarbeitern der Fall sei. Die Klägerin sei außerdem an die Weisungen der Heimaufsicht im Einzelfall gebunden. Die Kündigung sei unwirksam. Die Kündigungserklärung sei zwar dahingehend auszulegen, dass sie den Vertrag vom 24.01.1996 betreffe. Die Kündigung sei aber nicht gemäß dem KSchG sozial gerechtfertigt. Insbesondere liege keine betriebsbedingte Kündigung vor, weil die Beklagte nicht dargelegt habe, dass die Außenwohngruppenleiter auf Grundlage der neu entworfenen Dienstleistungsverträge freie Mitarbeiter seien.
Gegen dieses ihr am 14.10.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 06.11.2003 beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 15.01.2004 am 14.01.2004 begründet.
Die Beklagte trägt vor:
Im Wesentlichen wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie trägt vor, dass die Dienstverhältnisse der Außenwohngruppenleiter ursprünglich sozialrechtlich als freie Dienstverhältnisse anerkannt worden seien und sich dies erst später - nach einer Veränderung in der behördlichen Zuständigkeit - geändert habe. Die Beklagte hält die Stellung der Klägerin für nicht vergleichbar mit derjenigen einer Familienhelferin. Im Übrigen kritisiert die Beklagte die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu Familienhelferinnen. Insbesondere ergebe sich aus der öffentlich-rechtlichen Fachaufsicht kein arbeitgeberliches Direktionsrecht. Selbst wenn man ein Arbeitsverhältnis annehme, müsse eine Kündigung wenigstens aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage möglich sein, die sich aus der bei Vertragsschluss nicht erwarteten Einschätzung der LVA H... ergebe. Die Beklagte betont auch in der zweiten Instanz, es sei - insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Bereitschaftszeit (BAG NZA 2004, 164) - unmöglich, die Außenwohngruppen im Rahmen von Arbeitsverhältnissen zu betreiben. Zur fehlenden Möglichkeit der Klägerin, eine eigene Betriebserlaubnis zu erhalten, trägt die Beklagte vor, sie habe der Klägerin die Unterstützung bei einer zweijährigen Ausbildung angeboten, durch die die Klägerin die notwendige Qualifikation hätte erlangen können. Das Angebot habe sie jedoch nicht angenommen.
Im anberaumten Berufungstermin ist die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung säumig gewesen, sodass das Berufungsgericht auf Antrag der Beklagten durch Versäumnisurteil vom 06.04.2004 unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abgewiesen hat. Gegen dieses ihr am 13.04.2004 zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin am 20.04.2004 beim Landesarbeitsgericht Einspruch eingelegt und diesen sogleich begründet.
Die Klägerin trägt vor:
Im Wesentlichen wiederholt und vertieft auch sie ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie meint insbesondere, das Konzept der Außenwohngruppen stehe der Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegen; die Außenwohngruppenleitung könne auch mit den arbeitsrechtlichen Einschränkungen eines Arbeitsverhältnisses stattfinden. Es seien nicht 24 Stunden am Tag als Bereitschafts- oder Arbeitszeit zu bewerten. Mangels eigener Betriebserlaubnis könne die Klägerin jedenfalls die Wohngruppe unter Anwendung des neuen Vertragsentwurfs nicht fortführen. Dies schade vor allem dem von ihr betreuten Kind. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage scheide als Argument aus, weil die Beklagte schuldhaft die Verträge falsch eingeschätzt habe. Dass Weisungen praktisch keine große Rolle im Verhältnis der Parteien spielten, liege daran, dass es sich um eine gehobene und verantwortungsvolle Tätigkeit hadele. Auch den in Heimen angestellten Erziehern würden keinerlei konkrete Weisungen erteilt. Die Beklagte zahle ein Vertretungsgeld erst ab einer Zahl von drei Betreuten. Für die von ihr geleitete Zweier- bzw. Einerwohngruppe werde kein Vertretungsgeld gezahlt.
Die Klägerin beantragt,
das Versäumnisurteil vom 06.04.2004 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
den Einspruch zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 06.04.2004 ist zulässig, aber unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg, da die Klage unbegründet ist.
I.
Das Vertragsverhältnis der Parteien endete durch die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten vom 04.03.2003 zum 31.10.2003.
1. Die Kündigungserklärung vom 04.03.2003 ist gem. § 133 BGB so auszulegen, dass sie sich auf das bestehende Vertragsverhältnis betreffend die Position einer Wohngruppenleiterin in der Fassung des Vertrages vom 24.01.1996 bezog. Insoweit kann zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck (S. 11 f.) verwiesen werden. Die Klägerin wendet sich auch nicht mehr in der Berufungsinstanz gegen die so getroffene Auslegung der Kündigungserklärung.
2. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam. Das Kündigungsschutzgesetz ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf den gekündigten Vertrag anwendbar, da es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis i. S. m. § 1 Abs. 1 KSchG handelt.
a) Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eins privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmer Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist ( BAG, Urt. v. 09.0.2003 - 5 AZR 595/02 -, AP Nr. 58 zu § 611 BGB 'Lehrer, Dozenten'; BAG, Beschl. v. 16.02.2000 - 5 AZB 71/99 -; BAGE 93, 310, 314 f.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, kommt es für den arbeitsrechtlichen Status eines Dienstverpflichteten indessen weder auf die Wünsche und Vorstellungen der Vertragspartner noch auf die Vertragsbezeichnung an, sondern darauf, wie die Vertragsbeziehung nach dem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Denn durch Parteivereinbarung können die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechts nicht eingeschränkt werden (BAG, Urt. v. 09.06.1993 - 5 AZR 123/92, AP Nr. 66 zu § 611 BGB 'Abhängigkeit'). Das Arbeitsverhältnis ist ein auf den Austausch von Arbeitsleistung und Vergütung gerichtetes Dauerschuldverhältnis. Die vertraglich geschuldete Leistung ist im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich ins. darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgerbers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (BAG, Beschl. v. 26.09.2002 - 5 AZB 19/01 -, AP Nr. 83 zu § 3 ArbGG; BAG, Urt. v. 19.01.2000 5 AZR 644/98 -, BAGE 93, 218, 222). Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist. Maßgeblich ist eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles.
In Anwendung dieser Grundsätze lässt sich vorliegend eine Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin nicht begründen.
Die Parteien haben unstreitig einen privatrechtlichen - als Dienstleistungsvertrag bezeichneten - Vertrag abgeschlossen. Der strittige Vertrag vom 24.01.1996 ist weder nach dessen Inhalt noch aufgrund der tatsächlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsvertrag zu qualifizieren. Die vereinbarten und geleisteten Tätigkeiten waren keine unselbstständigen, sondern selbstständige Dienste.
b) Hinsichtlich der Art und Weise ihrer Tätigkeit ist die Klägerin im Wesentlichen nicht den Weisungen der Beklagten unterworfen. Sie arbeitet unbeaufsichtigt in räumlicher Entfernung von den Einrichtungen der Beklagten und kann ihre Erziehungs- und Betreuungsarbeit nach ihren eigenen Vorstellungen ausführen. Dies ergibt sich ins. aus Ziff. II. (2) des Vertrages, in welcher ausdrücklich bestimmt ist, dass die Klägerin bei der Betreuungs- und Erziehungsaufgabe, den Minderjährigen zu einem selbstständigen Leben in der Gesellschaft zu befähigen, nicht an Weisungen der Beklagten gebunden ist. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte entgegen dieser Regelungen ihr im Einzelnen gleichwohl Weisungen erteilt habe. Weisungsgebunden ist die Klägerin nach dem Vertrag nur durch ein erzieherisches Rahmenkonzept. Dies steht der Einordnung des Vertrags als freies Dienstverhältnis indessen nicht entgegen. Auch im Rahmen eines Werk- oder freien Dienstvertrages ist der Auftragnehmer an allgemeine Weisungen des Auftraggebers betreffend die Ausführung des Auftrages gebunden, ins. hat er gesetzliche Vorschriften einzuhalten.
Auch der Umstand, dass die Klägerin gem. Ziff. 1 des Anhanges zum Dienstleistungsvertrag verpflichtet war, an den monatlichen Besprechungen des von der Beklagten errichteten Arbeitskreises "Außenwohngruppen" teilzunehmen, begründet keine ausschlaggebende Weisungsgebundenheit. Dieser diente der Besprechung von Fragen grundsätzlicher Bedeutung und deren gemeinsamen Klärung. Bei den vorgesehenen Monatsbesprechungen ging es mithin erkennbar nicht um Berichtspflichten der Klägerin oder die Erteilung von Anweisungen seitens der Beklagten, sondern um die gemeinsame Erarbeitung und Festlegung eines bestimmten Betreuungskonzepts bzw. der Art und Weise der Durchführung eines bestehenden Konzepts. Die diesbezügliche Einhaltung des Vertrages kann die Beklagte durch Rüge selbstverständlich auch anmahnen, ohne dass dies zur rechtlichen Einordnung des Vertrages als Arbeitsvertrag führen würde. Dies ist keine Eigentümlichkeit des Arbeitsverhältnisses. Weisungsgebundenheit ist nach dem Vertrag und dessen tatsächlicher Ausgestaltung dagegen nur soweit vorgesehen, wie sie erforderlich ist, um die gesetzlichen Vorgaben gegenüber den Aufsichts- und Kontrollrechten der Heimaufsicht nach SGB VIII durchsetzen zu können. Hierzu zählen ins. die in Ziff. 6 des Anhangs zum Dienstleistungsvertrag vereinbarten jährlichen Berichtspflichten. So hat die Beklagte auch unbestritten vorgetragen, dass diese Berichtspflichten seit Jahren nicht mehr ihr gegenüber erfüllt werden, sondern in erster Linie gegenüber der fallzuständigen Fachkraft des Jugendamtes. Diesen Berichtspflichten wäre die Klägerin aber auch dann unterworfen, wenn sie ihre Dienste direkt am Markt den zu Betreuenden anböte. Diese Vorgaben und die daraus folgende beschränkte Weisungsbefugnis charakterisieren das Vertragsverhältnis dementsprechend nicht.
Dass über einzelne Gegenstände Einvernehmen erzielt werden soll - Wohnung, Beendigung der Betreuung und Aufnahme neuer Minderjähriger - spricht nicht für Weisungsgebundenheit, sondern dagegen. Denn eine Weisung erfolgt unabhängig vom Willen des Angewiesenen. Im Zusammenhang mit den Gegenständen des Einvernehmens trat die Klägerin der Beklagten aber gerade gleichberechtigt gegenüber.
c) Auch bezüglich Zeit und Dauer ist die Klägerin nicht den Weisungen der Beklagten unterworfen. Eine Weisungsgebundenheit lässt sich nicht daraus ableiten, dass die Klägerin "rund um die Uhr" zu arbeiten hätte. Arbeitete die Klägerin tatsächlich zu jeder Stunde eines Tages, würde es Weisungen über die Arbeitszeit nicht bedürfen. Insofern könnte nicht auf eine Weisungsgebundenheit geschlossen werden. Indessen beträgt die Arbeitszeit unstreitig nicht 24 Stunden am Tag. Vielmehr ist das Dienstverhältnis der Parteien dadurch gekennzeichnet, dass Dienst- und Freizeit stetig wechseln und teilweise ineinander fließen und eine klare Trennung nicht möglich ist. Auch ist kennzeichnend, dass der Arbeitsanfall Schwankungen unterworfen ist. Jedenfalls bietet auch die Betreuung der Kinder und Jugendlichen sowohl am Tag als auch in der Nacht Freiräume, in denen nicht gearbeitet werden muss. Einmal handelt es sich dabei um Zeiten, in denen die zu Betreuenden abwesend sind (z. B. in der Schule) oder schlafen. Zum anderen trägt auch nicht jede Zeit, die der AWG-Betreuer mit den Minderjährigen gemeinsam verbringt, den Charakter von Arbeit, dies gilt z. B. während der gemeinsamen Mahlzeiten. Jedenfalls ist die Klägerin in der Gestaltung des Tagesablaufes und der Entscheidung, was und wann sie dies erledigt, frei und nicht von Weisungen der Beklagten abhängig.
Die Klägerin ist auch nicht nach Ziff. I. (3) des Vertrages verpflichtet, ihre gesamte Arbeitskraft - auch in zeitlicher Hinsicht - der Beklagten für die Erfüllung der ihr übertragenden Erziehungsaufgabe zur Verfügung zu stellen. Dies ergibt sich bereits aus Ziff. II. (6) des Vertrages. Der Klägerin ist es gerade nicht generell untersagt, neben der Betreuungstätigkeit eine anderweitige Beschäftigung aufzunehmen; vielmehr ist es ihr nach vorheriger Absprache gestattet.
Gegen die Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation spricht auch, dass die Klägerin ebenso wie die übrigen AWG-Betreuer ihren Urlaub - anders, als es für ein Arbeitsverhältnis typisch ist - nicht bei der Beklagten zu beantragen braucht. Vielmehr kann sie unabhängig vom Willen der Beklagten Urlaub machen und muss selbst für eine Vertretung sorgen bzw. sich mit dem weiteren AWG-Betreuer absprechen. Die Vertretungsperson hat sie der Beklagten nur zu benennen [Ziff. III. (7) des Vertrages].
d) Der Ort der Leistung ist ebenfalls nicht weisungsabhängig. Die Klägerin kann und muss die Betriebsstätte, also die Wohnung für die Außenwohngruppe, selbst aussuchen und im eigenen Namen anmieten. Dies muss im Einvernehmen mit der Beklagten geschehen. Gerade Letzteres spricht gegen eine Weisungsunterworfenheit. Die Beklagte kann die Klägerin gerade nicht ohne weiteres anweisen, ihre Tätigkeit in einem anderen Ort oder einer anderen Wohnung zu verrichten, also umzuziehen.
e) Die Intensität des Weisungsrechts ist zwar, wie die Klägerin richtig erkennt, von der Eigenart der Position eines Arbeitnehmers abhängig. Je eigenverantwortlicher ein Arbeitnehmer handeln darf, um so weniger ist er weisungsgebunden. Auch wenn Weisungen für ein Vertragsverhältnis nur eine geringe Bedeutung haben, kann es sich um ein Arbeitsverhältnis handeln, wenn sich aus den übrigen Umständen der Vertragsausgestaltung ergibt, dass der Vertragspartner in eine fremde Arbeitsorganisation eingebunden ist. Vorliegend hat die Klägerin indessen nicht dargelegt, dass sie in die Betriebsorganisation der Beklagten eingegliedert ist. Das Gegenteil ist der Fall.
Ein freies Dienstverhältnis ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass die Bedingungen, unter denen die Dienste erbracht werden, so gestaltet sind, dass eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation nicht stattfindet (BAG, Urt. v. 12.09.1996 - 5 AZR 1066/94 -, BAGE 84, 108). So ist es bei der Klägerin. Die Tätigkeit der Klägerin ist dadurch gekennzeichnet, dass sie ohne Rücksicht auf betriebliche Erfordernisse im eigenen privaten Bereich unabhängig verrichtet werden kann. Die Freiheit der Klägerin wird nur durch die Eigenart der Tätigkeit selbst beschränkt, nicht dadurch, dass sie diese innerhalb fester organisatorischer Vorgaben innerhalb eines Betriebes der Beklagten zu leisten hätte. So braucht sie auch nicht die Arbeit von Kollegen mit zu übernehmen, ebenso wenig, wie sie bei Bedarf von anderen Außenwohngruppenleitern oder Arbeitnehmern der Beklagten vertreten wird.
Ob die Klägerin regelmäßig an Gruppentreffen teilzunehmen hat, was von der Beklagten bestritten wird, ist nicht erheblich, da solch eine Teilnahmepflicht jedenfalls nicht prägend für das Dienstverhältnis ist. Gleiches gilt für die jährlichen Berichtspflichten.
f) Allerdings setzt die Klägerin tatsächlich ihre gesamte Arbeitskraft für die Beklagte ein, obgleich ihr nach vorheriger Absprache eine Nebentätigkeit gestattet werden könnte [Ziff. I (3) i. V. m. Ziff. II (6) des Vertrages]. Diese Tatsache spricht nur auf den ersten Blick für eine persönliche Abhängigkeit. Tatsächlich handelt es sich hierbei eher um eine wirtschaftliche, denn um eine persönliche Abhängigkeit. Ungeachtet dessen vermag die wirtschaftliche Abhängigkeit nicht die Einordnung als freies Dienstverhältnis zu rechtfertigen, da die ein Arbeitsverhältnis charakterisierenden Merkmale der fehlenden Weisungsgebundenheit und der fehlenden Eingliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation fehlen. Auch ein Vollzeitarbeitnehmer steht dem Arbeitgeber in aller Regel mit seiner gesamten Arbeitskraft zur Verfügung. Dies ergibt sich bereits aus dem zeitlichen Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung. Vorliegend ist der Einsatz der gesamten Arbeitskraft im Wesen des zu leistenden Dienstes (familienähnliche Betreuung von Minderjährigen) begründet. Während andere Dienste leicht im Wechsel für mehrere Auftraggeber geleistet werden können, setzt die Erziehungs- und Betreuungsaufgabe in den Außenwohngruppen voraus, dass der Dienstverpflichtete sich dieser Aufgabe grundsätzlich voll widmet. Die Betreuung und Erziehung von Minderjährigen in Wohngruppen kann gerade nicht auf bestimmte Zeiten beschränkt werden, es sei denn, man konzipiert die Betreuung in einer Art Schichtdienst.
Dass die Klägerin nicht auch im Auftrag von anderen Stellen Kinder und Jugendliche betreut, begründet noch keine persönliche Abhängigkeit. Es handelt sich eher um eine wirtschaftliche Abhängigkeit, die sich aus der geringen Größe des Nachfragemarktes für derartige Betreuungsleistungen ergibt. Ein Nachfragemonopol macht eine Arbeit aber nicht unbedingt zur persönlich abhängigen Arbeit.
g) Auch die Tatsache, dass die Klägerin selbst aufgrund fehlender beruflicher Qualifikation nach §§ 45, 49 SGB VIII i.V.m. dem schleswig-holsteinischen Landesrecht in S...-H... keine Betriebserlaubnis erhalten kann, macht ihre Tätigkeit nicht zur abhängigen Beschäftigung. Denn erstens könnte ihr in H... aufgrund des dortigen Landesrechts eine entsprechende Genehmigung erteilt werden. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin derzeit die Wohngruppe in S...-H... leitet, d.h. in S....-H... ihre vertragliche Tätigkeit ausübt; denn es geht bei dem Gesichtspunkt einer möglichen Abhängigkeit, d.h. der Statusfrage, wegen der behördlichen Genehmigungspflicht um die Frage, welche Alternativen die Klägerin hat. Sie könnte die Leistung, die sie jetzt erbringt, mit behördlicher Erlaubnis in H... sowohl für die Beklagte als auch für jemand anderen erbringen. Die Klägerin ist vertraglich auch nicht verpflichtet, die geschuldete Betreuungsaufgabe in M... in G... zu erbringen. Ein Erfüllungsort ist in dem zugrunde liegenden Vertrag gerade nicht vorgeschrieben. Im Einvernehmen mit der Beklagten könnte die Klägerin mit dem noch zu betreuenden Minderjährigen nach H... umziehen.
Zweitens liegt der Grund dafür, dass die Klägerin in S...-H... keine behördliche Erlaubnis erhält, nur in ihrer fehlenden fachspezifischen Ausbildung und dem schleswig-holsteinischen Landesrecht. Die von ihr geschuldete Tätigkeit ist dagegen genau die gleiche wie die der anders qualifizierten Außenwohngruppenleiter. Infolge der anderen Ausbildung und des unterschiedlichen Landesrechts kann sich aber nicht ergeben, dass die gleiche Tätigkeit in einem Fall selbstständig und in einem anderen Fall abhängig ist. Der Mangel des Erwerbs einer eigenen Betriebserlaubnis führt vorliegend mithin nicht zu einer persönlichen Abhängigkeit.
Ob und ggf. wie die Klägerin in der Zukunft die Möglichkeit hat, weiter eine Außenwohngruppe zu leiten, ist für die Einordnung des jetzigen Verhältnisses ohne Bedeutung. Gleiches gilt für eine - von der Beklagten bestrittene - etwaige abweichende Gestaltung vor dem Beginn des hier streitigen Arbeitsverhältnisses.
h) Die zweckgebundenen Zahlungen der Beklagten führen ebenfalls nicht zu einer persönlichen Abhängigkeit. Es widerspricht nicht einer selbstständigen Tätigkeit, dass der Dienstberechtigte dem Dienstverpflichteten Aufwendungen ersetzt. Auch liegt in den Zahlungen keine Weisung, etwas Bestimmtes mit dem Geld anzuschaffen, sondern sie dienen dem Ausgleich für Anschaffungen, über die die Klägerin selbst bestimmen kann.
i) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie kein hohes unternehmerisches Risiko trage und umgekehrt keine großen unternehmerischen Chancen habe. Dies allein spricht nicht notwendigerweise gegen eine selbstständige Tätigkeit. Das Kriterium des unternehmerischen Risikos ist ein Hilfskriterium für Abgrenzungsschwierigkeiten. Wesentlich ist nur, dass die Klägerin selbst, mit einem eigenen Haushalt, wirtschaftet. Dies ist der Fall, denn sie bestimmt selbst über die Verwendung ihrer Vergütung und der pauschalen Aufwendungsersatzzahlungen (siehe Ziff. 10 der Anlage zum Dienstleistungsvertrag). Wenn letztere die Ausgaben nicht decken, muss sie auf ihre Vergütung zugreifen. So hängt es von ihrer wirtschaftlichen Leitung der Außenwohngruppe ab, wie viel Geld ihr selbst verbleibt. Zwar sind weder unkalkulierbare Verluste noch hohe Gewinne zu erwarten, da die Zahlungen der Beklagten so bemessen sind, dass sie in etwa dem Bedarf entsprechen. Aber auch in anderen Wirtschaftszweigen kann durch geringes Investitionsvolumen und vertragliche Verbindung mit anderen Unternehmen (Abnehmern) eine ähnliche Lage gegeben sein. Von einer Verflechtung zweier Unternehmen wird noch nicht eines davon zum Arbeitnehmer.
Die Pflicht, Buch zu führen und Rechenschaft über den Haushalt abzulegen, steht der Annahme von Selbstständigkeit ebenfalls nicht entgegen. Diese Rechnungslegungspflicht ist neben Arbeitsverhältnissen auch anderen Vertragsarten (Auftrag, Dienstvertrag, Werkvertrag) wesensimmanent.
j) Die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ist auch nicht aus Gründen der sozialen Schutzwürdigkeit - wie die Klägerin meint - geboten. An dieser Stelle muss sich die Klägerin entgegenhalten lassen, dass sie mit der Beklagten unter Aufgabe ihres zuvor bestandenen Arbeitsverhältnisses von vornherein und unmissverständlich mit Wirkung ab dem 01.11.1993 expressis verbis einen Dienstleistungsvertrag begründet hat. Der Vorwurf, die Änderungskündigung der Beklagten sei eine "Flucht aus dem Arbeitsrecht", trifft angesichts der bei Vertragsschluss beiderseits eindeutig gewollten und vereinbarten Rechtsbeziehungen nicht zu. Sofern die Parteien ihre vertraglichen Beziehungen, deren Gegenstand eine Tätigkeit war, die nach ihrer Art ebenso gut von einem freien Mitarbeiter wie von einem Arbeitnehmer erbracht werden kann, über Jahre hinweg - von beiden Seiten akzeptiert -rechtlich als freies Dienstverhältnis behandeln, kommt eine nachträgliche "Korrektur" in ein Arbeitsverhältnis nur dann in Betracht, wenn die sonstigen Umstände der praktischen Handhabung des Vertragverhältnisses zweifelsfrei und eindeutig nur einem Arbeitsverhältnis zuzuordnen sind (LAG Köln, Urt. v. 14.03.2003 - 7 Sa 863/02 -, zit. n. Juris). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall, wie bereits zuvor ausgeführt worden ist.
Die streitgegenständliche Kündigung führt nicht auch zur Erwerbslosigkeit der Klägerin, denn sie tritt dann wieder in ihre vorherige Position als Arbeitnehmerin der Beklagten, d. h. einer Reinigungsbeauftragten, ein.
k) Die Tätigkeit der Klägerin unterscheidet sich maßgeblich von derjenigen einer Familienhelferin, die das BAG in seinem Urteil vom 06.05.1998 (5 AZR 347/97, AP Nr. 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) als abhängige Beschäftigung eingeordnet hat. Familienhelferinnen werden für einige Stunden in der Woche in Familien eingesetzt und bieten den Betroffenen kein Zuhause. Sie sind in ihrer Tätigkeit weisungsgebunden, da ein Sozialarbeiter auch während des Einsatzes verantwortlich für den Einzelfall bleibt. Die Tätigkeit wird im Vorhinein genau bestimmt.
l) Auch die sozialrechtliche Bewertung des Dienstverhältnisses als Beschäftigungsverhältnis durch die LVA H... führt nicht dazu, dass ein Arbeitsverhältnis anzunehmen ist. Abgesehen davon, dass das Gericht an die Ansicht von Sozialversicherungsträgern ebenso wenig gebunden ist wie an diejenige anderer Fachgerichte, muss auch die sozialrechtliche Einordnung als Beschäftigungsverhältnis nicht notwendig eine arbeitsrechtliche Einordnung als Arbeitsverhältnis nach sich ziehen. Diese Begriffe sind trotz großer Gemeinsamkeiten (vgl. § 7 IV SGB IV) voneinander unabhängig (Löwisch, BB 1999, 102 (106)).
3. Andere Gründe neben § 1 Abs. 1 KSchG, die die Kündigung unwirksam machen könnten, sind nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.
Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Nach dem Vortrag der Parteien sind derzeit noch mehrere Parallelprozesse in unterschiedlichen Landesarbeitsgerichtsbezirken gegen die Beklagte anhängig, in denen der Status der Außenwohngruppenleiter streitig ist.
Ende der Entscheidung
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