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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 17.12.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 272/08
Rechtsgebiete: BGB, TVöD
Vorschriften:
BGB § 626 Abs. 1 | |
BGB § 626 Abs. 2 | |
TVöD § 3 Abs. 2 |
2. Die Ausschlussfrist beginnt erst dann zu laufen, wenn der Kündigungsberechtigte zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat. Bei der vom Arbeitgeber erklärten außerordentlichen Kündigung gehören auch solche Aspekte zum Kündigungssachverhalt, die für den Arbeitnehmer und gegen die Kündigung sprechen.
3. Der wiederholte Verstoß eines Angestellten im öffentlichen Dienst gegen das Verbot gemäß § 10 BAT bzw. § 3 Abs. 2 TVöD, ohne Zustimmung des Arbeitgebers Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit anzunehmen, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Zuwendungen eine Amtspflichtverletzung bewirken oder entgelten sollen.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil
Aktenzeichen: 6 Sa 272/08
Verkündet am 17.12.2008
In dem Rechtsstreit
hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 17.12.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 14.05.2008 - öD 3 Ca 331 a/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Der am ...1955 geborene, ledige Kläger trat am 01.03.1981 als technischer Angestellter in die Dienste der Beklagten. Er arbeitete zuletzt als Bauleiter im Tiefbauamt Abteilung Stadtentwässerung. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung die tariflichen Bestimmungen des BAT bzw. des TVöD (Kommunen/Bund) Anwendung.
Am 11.12.2007 durchsuchten Mitarbeiter des Landeskriminalamts aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts K... (Anlage B 1 = Bl. 28 f. d. A.) die Diensträume der Abteilung Stadtentwässerung der Beklagten und die Privaträume des Klägers. Der Durchsuchungsbeschluss war in einem Ermittlungsverfahren gegen einen Mitarbeiter der Firma b... (T... B..- und K... GmbH mit Sitz in W...) wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung, Bestechung und wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen ergangen. Nach dem Beschluss lagen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass u. a. der Kläger dafür Sorge getragen hat, dass die mit bestimmten Bauprojekten befassten Ingenieurbüros nur Produkte der b... verplanen und diese dann tatsächlich auch eingebaut werden. Es bestand der Verdacht, dass sich der Kläger insbesondere durch die Annahme der Bezahlung von 3 Übernachtungen anlässlich eines privaten Karnevalsbesuchs in K... im Jahr 2006 durch die Firma b... Vorteile hat gewähren lassen. In der Privatwohnung des Klägers wurden u. a. Reiseunterlagen mit dem Ziel K... betreffend die Jahre 2004 bis 2007 jeweils während der Karnevalszeit sichergestellt.
Noch am 11.12.2007 führte der Leiter der Stadtentwässerung B... mit dem Kläger ein Gespräch über den Hintergrund der Durchsuchung. Dabei räumte der Kläger ein, dass er anlässlich von Karnevalsbesuchen in K... in den Jahren 2003, 2004, 2006 und 2007 Betriebsbesichtigungen bei der Firma b... durchgeführt hatte und sich Übernachtungskosten für die Aufenthalte in K... von dieser Firma hat bezahlen lassen. Dabei handelte es sich jeweils um 3 Übernachtungen (Donnerstags bis Sonntags). Der Kläger hatte für diese Tage Urlaub genommen. Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 14.05.2008 räumte der Kläger ein, dass er sich auch anlässlich eines Karnevalsbesuchs im Jahre 2005 von der Firma b... die Hotelkosten für 3 Nächte hat bezahlen lassen. Die Firma b... ist bestrebt, ihre Produkte an die Beklagte zu verkaufen.
Herr B... informierte das Personalamt telefonisch noch am 11.12.2007 über das Gespräch mit dem Kläger. Einen Vermerk fertigte und übersandte er per E-Mail am 14.12.2007. Das Personalamt forderte den Kläger am folgenden Montag (17.12.2007) auf, zu der deswegen beabsichtigten fristlosen Kündigung bis zum 18.12.2007 Stellung zu nehmen (Anlage K 2 = Bl. 10 f. d. A.). Fristgerecht reichte für den Kläger Rechtsanwalt H... die Stellungnahme vom 18.12.2007 ein (Anlage K 3 = Bl. 12 f. d. A.). Der Kläger ließ bestreiten, dass er im Zusammenhang mit seinem Amt bzw. seiner dienstlichen Tätigkeit Geschenke angenommen hat.
Am nächsten Tag beantragte die Beklagte bei ihrem Personalrat Innere Verwaltung die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers. Am Freitag, dem 21.12.2007 tagte der Personalrat und beschloss in seiner Sitzung, die um 12.30 Uhr endete, der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers nicht zuzustimmen. Dieser Beschluss wurde dem Personalamt noch am selben Tage mitgeteilt. Eine Woche später, am 28.12.2007, versandte der Personalrat die Begründung seines Beschlusses an das Personalamt. Am 02.01.2008 entschied sich das Personalamt, das Einigungsstellenverfahren auf Ersetzung der nicht erteilten Zustimmung des Personalrats durchzuführen.
Die Einigungsstelle tagte am 25.01.2008. Am 28.01.2008 um 14.42 Uhr unterrichtete die Einigungsstellenvorsitzende das Personalamt über den Beschluss, der Kündigung zuzustimmen (Anlage B 4 = Bl. 36 f. d. A.). Einen Tag später entschied sich das Personalamt zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Klägers und unterrichtete den Personalrat darüber.
Mit Schreiben vom 30.01.2008, das dem Kläger am selben Tag ausgehändigt wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis u. a. wegen eines "nicht auszuräumenden Verdachts der Vorteilsnahme" und wegen des "Verstoßes gegen die Dienstanweisung für Beschäftigte der Landeshauptstadt K... über die Annahme von Belohnungen und Geschenken" außerordentlich fristlos (Anlage K 1 = Bl. 7 f. d. A.).
Bei der Beklagten galt in der Vergangenheit die Dienstanweisung vom 19.12.2000 für die Beschäftigten der Landeshauptstadt K... über die Annahme von Belohnungen und Geschenken (Anlage B 6 = Bl. 44 f. d. A.). Diese Dienstanweisung wurde unter dem 14.10.2006 (Bl. 48 f. d. A.) neu gefasst. Sie wurde und wird den Mitarbeitern der Beklagten jährlich neu zur Kenntnisnahme vorgelegt und ist von diesen abzuzeichnen.
Auch der Mitarbeiter L... aus dem Tiefbauamt hat in den Jahren 2003 bis 2005 an den Karnevalsbesuchen in K... und entsprechenden Betriebsbesichtigungen bei der Firma b... teilgenommen, nicht jedoch in den Jahren 2006 und 2007. Er hat sich jedenfalls in den Jahren 2003 und 2004 ebenfalls die Hotelkosten von der Firma b... bezahlen lassen. Für das Jahr 2005 ist dies streitig. Der Mitarbeiter L... erhielt von der Beklagten wegen des Verstoßes gegen die vorgenannte Dienstanweisung eine Abmahnung.
Der Kläger hat gemeint, die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses sei unwirksam. Es liege weder ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor noch sei die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten.
Ein wichtiger Grund zur Kündigung bestehe nicht. Die Annahme der Beklagten, dass er Zuwendungen im Zusammenhang mit dem Amt bzw. seiner dienstlichen Tätigkeit erhalten habe, treffe nicht zu. Ein entsprechender Verdacht der Beklagten habe objektiv gar nicht entstehen können, weil er, der Kläger, gar nicht in der Lage gewesen sei, die Firma b... bei Ausschreibungen zu begünstigen. Er sei nämlich in Vergabesachen nicht entscheidungsbefugt. Das Vergabeverfahren würde durch den Abteilungsleiter, das Rechtsamt, die Vergabestelle, die Rechnungsprüfung und zuletzt durch den Finanzausschuss kontrolliert. Im übrigen könne sich die Firma b... an den Ausschreibungen selbst gar nicht beteiligen. Sie sei lediglich Lieferant der sich an den Ausschreibungen beteiligenden Baufirmen. Die Besuche in K... hätten aus rein privaten Gegebenheiten stattgefunden. Mit dem Mitarbeiter G... der Firma b... verbinde ihn aufgrund jahrelanger Kontakte ein freundschaftliches Verhältnis. Im übrigen sei er, der Kläger, an der Herstellung der zu verbauenden Materialien fachlich interessiert. Eine 2-tägige Teilnahme am Rohrleitungsforum in O.../N... sei ihm nicht genehmigt worden. Er habe die Dienstreise an einem Tag ohne Übernachtung erledigen sollen. Es erscheine deshalb lobenswert, wenn er sich in seiner Freizeit beruflich fortbilde. Weil damit kein begründeter Verdacht einer Straftat bestehe, bleibe lediglich der Pflichtverstoß gegen die Dienstanweisung. Dieser rechtfertige aber nur eine Abmahnung, insbesondere im Hinblick auf seine beanstandungsfreie 27-jährige Beschäftigungszeit bei der Beklagten und wegen seines Lebensalters.
Die Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt. Die Beklagte habe bereits am 11.12.2007 in Person des kaufmännischen Leiters der Stadtentwässerung volle Kenntnis des die Kündigung begründenden Sachverhalts gehabt. Herr B... habe das Personalamt am selben Tag telefonisch über die Angelegenheit informiert. Fristbeginn sei damit der 12.12.2007. Die Frist ende folglich am 27.12.2007. Die Beklagte habe auch nicht bis zu diesem Tag das fristhemmende Mitbestimmungsverfahren eingeleitet, so dass die Kündigung unwirksam sei. Selbst wenn die Frist erst am 14.12.2007 mit der schriftlichen Information des Personalamtes durch den Abteilungsleiter B. zu laufen begonnen habe, habe sie am 28.12.2007 geendet. Auch in dem Fall sei die 2-Wochen-Frist nicht gewahrt worden.
Der Kläger hat beantragt:
1. Festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche/fristlose Kündigung vom 30.01.2008 nicht aufgelöst worden ist.
2. Die Beklagte im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) zu verurteilen, dem Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten vertraglichen Bedingungen als Dipl.-Ing. weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei wegen mehrfachen gravierenden Verstoßes gegen die Dienstanweisung vom 19.12.2000 bzw. 24.10.2006 sowie wegen des Verdachts der Vorteilsnahme gerechtfertigt. Bei den vom Kläger angenommenen Zuwendungen der Firma b... bestehe der nahe an der Gewissheit liegende Verdacht, dass diese Zuwendungen im Zusammenhang mit dem Amt bzw. der dienstlichen Tätigkeit des Klägers gewährt worden seien. Die klägerische Darstellung, sein Interesse an Kunststoffrohren sei für ihn der Anlass der Betriebsführungen gewesen, stelle eine Schutzbehauptung dar. Zum einen könnten ausreichend aussagekräftige Informationen über das Internet erlangt werden, zum anderen hätte die Betriebsbesichtigung sicherlich nicht mehrere Tage dauern und daher Übernachtungen zur Folge haben müssen. Der Kläger habe auch nie versucht, sich die Annahme dieses Vorteils gemäß der Dienstanweisung durch seinen Vorgesetzten genehmigen zu lassen.
Die 2-Wochen-Frist sei gewahrt, weil angesichts des Vorwurfs und der beabsichtigten Maßnahme eine förmliche Anhörung des Klägers notwendig gewesen sei. Erst nach Eingang der Stellungnahme des Anwalts des Klägers am 18.12.2007 habe die Beklagte eine ausreichende Grundlage für die Kündigung gehabt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das im Wesentlichen damit begründet, es liege ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vor. Durch die Annahme der Kostenübernahme habe der Kläger in erheblicher Weise gegen die Dienstanweisung für die Beschäftigten der Beklagten über die Annahme von Belohnungen und Geschenken verstoßen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt.
Gegen das ihm am 04.07.2008 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 31.07.2008 Berufung eingelegt und diese am 04.09.2008 begründet.
Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungserklärungsfrist sei nicht gewahrt. Die Frist habe am Tag nach der telefonischen Information des Personalamtes durch Herrn B... zu laufen begonnen, mithin am 12.12.2007. Auf die Anhörung des Klägers sei nicht abzustellen, weil es sich nicht um eine Tatkündigung handele. Wegen des Geständnisses des Klägers gegenüber Herrn B... könne es keine Verdachtskündigung sein. Selbst wenn es sich um eine Verdachtskündigung handele, sei die Anhörung am 11.12.2007 ausreichend gewesen. Der weiteren Anhörung am 17./18.12.2007 habe es nicht bedurft.
Der Kläger meint, der Verstoß gegen die Dienstanweisungen aus den Jahren 2000 und 2006 rechtfertige nur eine Abmahnung. Aufgrund der Verbundenheit mit Herrn G... habe der private Charakter der Besuche im Vordergrund gestanden. Dafür spreche auch, dass er Urlaub genommen und die Fahrtkosten getragen habe. Aufgrund des ausführlichen und komplizierten Ausschreibungsverfahrens sei der Kläger nicht in der Lage gewesen, bestimmte Firmen zu bevorteilen. Zudem sei die Firma b... nur Lieferantin der an den Bauvorhaben beteiligten Firmen. Schließlich meint der Kläger, dass die Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausgehe. Zu berücksichtigen seien insbesondere seine lange beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit und sein Lebensalter. Hinzu komme, dass die Beklagte die ebenfalls beteiligten Mitarbeiter L... und R... nicht gekündigt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 14.05.2008 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 30.01.2008 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, die Kündigungserklärungsfrist sei gewahrt. Herr B... sei nicht kündigungsberechtigt und bekleide auch keine derart selbständige Stellung, die einer kündigungsberechtigten Person gleichkomme. Er habe noch am 11.12.2007 das Personalamt kursorisch über den Vorgang informiert und 3 Tage später einen ausführlichen Vermerk übersandt. Das Personalamt habe umgehend am folgenden Montag (17.12.2007) durch weitere Anhörung des Klägers den Sachverhalt weiter aufgeklärt. Die Kündigungserklärungsfrist habe danach erst nach Eingang der Stellungnahme des Anwalts des Klägers zu laufen begonnen. Bereits am folgenden Tag sei der Personalrat um Zustimmung zur Kündigung gebeten worden. Nach dessen Zustimmungsverweigerung sei das Einigungsstellenverfahren umgehend eingeleitet worden. Die Kündigungsentscheidung habe die Beklagte am Tag nach Abschluss des Einigungsstellenverfahrens getroffen und die Kündigung am folgenden Tag ausgesprochen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Verfehlungen des Klägers rechtfertigten ohne weiteres eine außerordentliche fristlose Kündigung. Der Kläger habe Vergünstigungen der Firma b... angenommen. Es bestünden dringende Verdachtsmomente dafür, dass diese Vorteilsnahmen geeignet gewesen seien, sein Verhalten zugunsten dieser Firma zu beeinflussen. Aufgrund der Schwere der Verfehlung sei es der Beklagten nicht zuzumuten, den Kläger weiter zu beschäftigen. Eine Ungleichbehandlung mit den Mitarbeitern R... und L... liege nicht vor.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 lit. b ArbGG) und form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 ArbGG; §§ 519, 520 ZPO).
Die Berufung ist hingegen nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
I.
Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.01.2008 ist wirksam.
1. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die außerordentliche Kündigung nicht wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB rechtsunwirksam. Die Frist begann nicht schon am 12.12.2007 zu laufen, sondern erst mit Eingang der Stellungnahme des Anwalts des Klägers vom 18.12.2007. Zwar ist die Kündigung erst am 30.01.2008 und damit nach Ablauf der am 18.12.2007 angelaufenen Frist ausgesprochen worden. Dies ist jedoch unschädlich, weil die Beklagte die Kündigung unverzüglich nach Abschluss des innerhalb der 2-Wochenfrist eingeleiteten personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungsverfahrens erklärt hat.
a) Die Berufungskammer geht von folgenden Rechtsgrundsätzen aus:
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 02.02.2006 - 2 AZR 57/05 - AP BGB § 626 Nr. 204; 21.10.1983 - 7 AZR 281/82 - BAGE 43, 368) ist § 91 Abs. 5 SGB IX (vormals § 18 Abs. 6 Schwerbehindertengesetz) analog anzuwenden, wenn vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung ein personalvertretungsrechtliches Mitbestimmungsverfahren durchzuführen ist. Hat der Arbeitgeber rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB beim Personalrat die erforderliche Zustimmung zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung beantragt und bei verweigerter Zustimmung noch innerhalb der 2-Wochen-Frist das nach den personalvertretungsrechtlichen Vorschriften sodann durchzuführende Mitbestimmungsverfahren eingeleitet, so ist die Kündigung nicht wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam, auch wenn das Mitbestimmungsverfahren bei Ablauf der Frist noch nicht abgeschlossen ist.
bb) Nach § 626 Abs. 2 S. 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von 2 Wochen erfolgen. Diese Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 S. 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (BAG 17.03.2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46). Die Vorschrift regelt einen gesetzlich konkretisierten Verwirkungstatbestand (BAG 18.11.1999 - 2 AZR 852/98 - BAGE 93, 12). Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Anspruch oder Recht verwirkt, wenn der Berechtigte längere Zeit untätig geblieben ist und dadurch den Eindruck erweckt hat, er wolle das Recht nicht mehr geltend machen, sein Vertragspartner sich auf den dadurch geschaffenen Vertrauenstatbestand eingestellt hat und es ihm deshalb nicht mehr zugemutet werden kann, sich auf das verspätete Begehren des Berechtigten einzulassen. Sinn der Kündigungserklärungsfrist ist es, für den betroffenen Arbeitnehmer rasch Klarheit darüber zu schaffen, ob sein Arbeitgeber einen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt.
cc) Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 05.12.2002 - 2 AZR 478/01 - AP BGB § 123 Nr. 63). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Ohne die umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann sein Kündigungsrecht nicht verwirken (BAG 05.12.2002 - 2 AZR 478/01 - a. a. O.). Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Denn es genügt nicht allein die Kenntnis des konkreten, die Kündigung auslösenden Anlasses, d. h. des "Vorfalls", der einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen soll. Bei einer vom Arbeitgeber erklärten außerordentlichen Kündigung gehören auch solche Aspekte zum Kündigungssachverhalt, die für den Arbeitnehmer und gegen die Kündigung sprechen. Deshalb kann der Kündigungssachverhalt regelmäßig nicht ohne eine Anhörung des Arbeitnehmers hinreichend vollständig erfasst werden (BAG 17.03.2005 - 2 AZR 245/04 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; 02.02.2006 - 2 AZR 57/05 -a. a. O.). Außerdem gehört es zu den maßgeblichen Umständen, die vom Kündigungsberechtigten zu ergründen und festzustellen sind, mögliche Beweismittel für die ermittelte Pflichtverletzung zu beschaffen und zu sichern (BAG 02.02.2006 - 2 AZR 57/05 - a. a. O.).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte das Mitbestimmungsverfahren rechtzeitig eingeleitet. Die Beklagte war gehalten, den Kläger vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung zu den Vorwürfen anzuhören. Das gilt unabhängig davon, ob eine Tat- oder Verdachtskündigung beabsichtigt war. Ohne Anhörung des Klägers konnte der Sachverhalt nicht vollständig erfasst werden. Die Anhörung hatte auch den Zweck, dem Kläger Gelegenheit zu geben, entlastende Umstände vorzutragen.
Entgegen der Auffassung des Klägers war deshalb die schriftliche Anhörung vom 17.12.2007 angezeigt. Sie war nicht deshalb entbehrlich, weil Herr B... den Kläger bereits am 11.12.2007, dem Tag der Durchsuchung in den Amtsräumen, auf die Sache angesprochen hatte. In diesem Gespräch ging es zunächst um die Klärung der Hintergründe der Durchsuchung und damit um die Aufklärung des Sachverhalts. Die Beklagte durfte die dadurch gewonnenen Erkenntnisse durch das Personalamt als zuständige Stelle prüfen lassen. Diese Prüfung und die sich anschließende Anhörung lag durchaus auch im Interesse des Klägers. Denn auf diese Weise konnte er gegen die nunmehr im Raum stehende außerordentliche Kündigung sprechende Umstände vortragen.
Demnach lief die 2-Wochenfrist erst ab Eingang der Stellungnahme des Anwalts des Klägers am 18.12.2007. Bereits am nächsten Tag hat die Beklagte die erforderliche Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung beim Personalrat beantragt. Die weiteren Schritte hat die Beklagte, wogegen sich der Kläger in der Berufung auch nicht wendet, jeweils umgehend eingeleitet, so dass die Kündigungserklärungsfrist bei Ausspruch der Kündigung am 30.01.2008 noch nicht abgelaufen war.
2. Ein wichtiger Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.
a) Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu einer vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls "an sich" geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. So-dann ist in der zweiten Stufe zu untersuchen, ob nach Abwägung aller in Betracht kommenden Interessen der Parteien des Arbeitsverhältnisses die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist.
b) Der mehrfache Verstoß eines Angestellten im öffentlichen Dienst gegen das Verbot gemäß § 10 BAT und § 3 Abs. 2 TVöD, ohne Zustimmung des Arbeitgebers Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit anzunehmen, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen (BAG 15.11.2001 - 2 AZR 605/00 - BAGE 99, 331).
Schon nach § 8 Abs. 1 BAT hatten sich Angestellte so zu verhalten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet wird. Von einem Bauleiter im Tiefbauamt erwarten der Dienstherr und die Öffentlichkeit, dass bereits der böse Anschein vermieden wird, ein Bestechungsversuch könnte erfolgreich sein. Wenn deshalb § 3 Abs. 2 TVöD (vormals § 10 Abs. 1 BAT) klarstellt, dass der Angestellte des öffentlichen Dienstes - jedenfalls ohne Zustimmung des Arbeitgebers - in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit keinerlei Belohnungen oder Geschenke annehmen darf, so handelte es sich hierbei um eine wesentliche Dienstpflicht, die die saubere und unbestechliche Diensterfüllung gewährleisten soll. Die Bürger sollen nicht veranlasst werden, zusätzliche Leistungen für Dienste aufzubringen, auf die sie einen Rechtsanspruch haben. Außerdem sollen Bürger, die solche zusätzlichen Leistungen nicht aufbringen können oder wollen, keinen Grund zu der Befürchtung haben, benachteiligt zu werden. Beide Regelungsziele lassen sich nur erreichen, wenn Belohnungen und Geschenke jeder Art unterbleiben, soweit es sich nicht nur um geringwertige Aufmerksamkeiten handelt (BAG 17.04.1984 - 3 AZR 97/82 - BAGE 45, 325; 15.11.2001 - 2 AZR 605/00 - a. a. O.). Die Beklagte hat vor diesem Hintergrund die Dienstanweisungen vom 19.12.2000 und 24.10.2006 verfasst.
Nicht entscheidend ist, ob Belohnungen oder Geschenke im Sinne von § 3 Abs. 2 TVöD eine Amtspflichtverletzung bewirken oder entgelten sollen. Die Konkurrenzfirma, die davon erfährt, dass derjenige einen Auftrag der Stadt erhalten hat, der dem städtischen Angestellten zuvor Übernachtungen auf einer privaten Reise bezahlt hat, wird es kaum überzeugen, wenn der betreffende Angestellte nachträglich geltend macht, die Auswahlentscheidung zwischen den verschiedenen Anbietern sei ohne sein Zutun und ausschließlich unter sachdienlichen Gesichtspunkten getroffen worden. Ohne ein energisches Einschreiten der vorgesetzten Dienststelle wird die Öffentlichkeit beim Bekanntwerden solcher Verletzungen des § 3 Abs. 2 TVöD leicht geneigt sein anzunehmen, öffentliche Aufträge seien am besten zu erlangen, nachdem der Angestellte, der über die Vergabe zu entscheiden hat oder zumindest an ihr beteiligt ist, durch entsprechende Zuwendungen gewogen gemacht worden sei.
Die unstreitigen Verfehlungen des Klägers sind als schwerwiegend anzusehen. Finanzielle Zuwendungen in einer Größenordnung von 180,-- bis 200,-- € pro Fall können auch bei großzügigster Auslegung nicht mehr als bloße Aufmerksamkeiten eher symbolischer Natur (z. B. Kalender zur Weihnachtszeit etc.) gewertet werden, die der öffentliche Arbeitgeber regelmäßig tolerieren wird.
Gegen den Kläger spricht entscheidend, dass es sich nicht um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat, sondern dass er sein pflichtwidriges Verhalten über mehrere Jahre fortgesetzt hat, bis die Sache im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Firma b... bzw. deren Mitarbeiter G... herausgekommen ist. Im Zeitraum der Pflichtverletzungen des Klägers galten die Dienstanweisungen aus den Jahren 2000 und 2006, die mit der klaren Regelung des § 10 Abs. 1 BAT bzw. § 3 Abs. 2 TVöD übereinstimmen, wonach Geldgeschenke, erst Recht in der in Rede stehenden Größenordnung, in Bezug auf die dienstliche Tätigkeit nur mit Zustimmung der Beklagten angenommen werden durften. Der Kläger hat sich zu keiner Zeit um die Zustimmung der Beklagten zur Annahme der Zuwendungen bemüht, obwohl auch er die Dienstanweisungen regelmäßig vorgelegt bekommen und abgezeichnet hat.
Der Kläger rügt zu Unrecht, die Beklagte habe gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen, indem sie angesichts der Pflichtverletzungen des Klägers ohne Abmahnung sofort zum äußersten Mittel der außerordentlichen Kündigung gegriffen habe. Zwar ist auch bei Störungen im Vertrauensbereich das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung stets zu prüfen. Eine Abmahnung ist vor Ausspruch der Kündigung erforderlich, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann. Bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ist eine Abmahnung entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG 10.02.1999 - 2 ABR 31/98 - BAGE 91, 30).
Gemessen daran bedurfte es im Fall des Klägers keiner Abmahnung. Entscheidend ist die Schwere des Pflichtverstoßes des Klägers. Ihm war die Rechtswidrigkeit seines Handelns bekannt, wie seine Erklärungen anlässlich der Anhörung durch die Beklagte zeigen. Auch eine Wiederherstellung des Vertrauens in seiner Redlichkeit war nicht zu erwarten, weil sich die Annahme der Zuwendungen in der Vergangenheit im Verborgenen vollzogen hat, nämlich außerhalb des Dienstorts und während des Urlaubs. Folglich musste die Beklagte auch bei künftigen Wiederholungsfällen mit einer heimlichen Vorgehensweise rechnen.
Der Umstand, dass anderen Angestellten des Tiefbauamtes wegen gleichartiger Pflichtverletzungen nicht gekündigt worden ist, entlastet den Kläger nicht. Die Wirksamkeit der dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Kündigung hängt nicht davon ab, ob die Beklagte auch einem anderen Mitarbeiter gegenüber zur Kündigung berechtigt gewesen wäre. Im Übrigen ist der Fall "L..." nur teilweise vergleichbar. Denn dieser Mitarbeiter hat sich jedenfalls in den Jahren 2006 und 2007 keine Übernachtungskosten mehr zuwenden lassen.
Im Rahmen der Interessenabwägung sind alle für und gegen die Kündigung sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Der hohe soziale Besitzstand des Klägers, den er durch seine langjährige ungestörte Betriebszugehörigkeit und aufgrund seines Alters erlangt hat, führt hier nicht zu einem Überwiegen seines Bestandsinteresses. Für das Beendigungsinteresse der Beklagten spricht zum einen die Bedeutung der von § 3 Abs. 2 TVöD geschützten Rechtsgüter und zum anderen die Schwere der wiederholten und über mehrere Jahre fortgesetzten Verstöße sowie die Verantwortung der Beklagten für eine intakte Verwaltung. Hinzukommt die Publizität der Vorfälle, die mit der Durchsuchung in den Amtsräumen verbunden war sowie die damit eingetretene Rufgefährdung der Beklagten.
II.
Den erstinstanzlich für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag gestellten Weiterbeschäftigungsantrag hat der Kläger im Berufungsrechtszug nicht weiter verfolgt. Der Antrag wäre hier ohnehin nicht zur Entscheidung angefallen, weil der Feststellungsantrag unbegründet ist.
III.
Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 ZPO.
Für die Zulassung der Revision bestand angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG kein Anlass. Die Kammer hat ihrer Entscheidung die Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Ausschlussfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB und zur außerordentlichen Kündigung bei der Annahme von Belohnungen oder Geschenken zugrundegelegt.
Ende der Entscheidung
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