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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 11.01.2008
Aktenzeichen: 7 Ta 1/08
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG, ZPO, GKG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 78 Satz 1
ArbGG § 78 Satz 3
KSchG § 5 Abs. 2 Satz 2
KSchG § 5 Abs. 3 Satz 1
KSchG § 5 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 128 Abs. 4
ZPO § 139
ZPO § 139 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 139 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 572 Abs. 3
ZPO § 572 Abs. 4
ZPO § 920 Abs. 1
ZPO § 920 Abs. 2
GKG § 42 Abs. 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 21.12.2007 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 11.12.2007 - 16 Ca 6780/07 - aufgehoben und der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zur neuen Entscheidung auch über die Kosten der Beschwerde an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Sachverhaltes wird in entsprechender Anwendung des § 69 Absatz 2 ArbGG abgesehen.

II.

Die gemäß §§ 5 Absatz 4 Satz 2 KSchG, 78 Satz 1 ArbGG, 567 Absatz 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde, über die der Vorsitzende der Beschwerdekammer, nachdem das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 08.01.2008 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen hat (§§ 572 Absatz 1, 128 Absatz 4 ZPO, 53 Absatz 1 Satz 1 ArbGG, 5 Absatz 4 Satz 1 KSchG), nach § 78 Satz 3 ArbGG ohne mündliche Verhandlung allein entscheiden kann, ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 569 ZPO, 78 Satz 1 ArbGG). Die somit zulässige Beschwerde ist in der Sache auch begründet. Das Arbeitsgericht hat verfahrensfehlerhaft entschieden. Im Hinblick auf die noch zu treffenden Feststellungen über die Begründetheit des Antrages auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage hat die Beschwerdekammer vom Recht der Zurückverweisung Gebrauch gemacht (§ 572 Absatz 3 ZPO).

1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass der Antrag der Klägerin auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage unzulässig ist.

a) Gemäß § 5 Absatz 2 Satz 2 KSchG muss ein zulässiger Antrag auf nachträgliche Klagezulassung die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und die Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten. Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig (§ 5 Absatz 3 Satz 1 KSchG). Für die Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrages ist strikt zwischen der Angabe der Mittel der Glaubhaftmachung und der Glaubhaftmachung selbst zu trennen. Es müssen nur bestrittene Umstände glaubhaft gemacht werden, weil der Zulassungsantrag dem Gegner anders als zum Beispiel der Arrestantrag des § 920 Absatz 1 und 2 ZPO immer zugestellt wird. Es genügt für einen zulässigen Antrag, wenn die Mittel der Glaubhaftmachung im Antrag benannt, mit anderen Worten angeboten werden (HaKo-Gallner, 3. Auflage, § 5 Randnummer 32). Angegeben werden müssen sie schon im Antrag oder mindestens bei Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 5 Absatz 3 Satz 1 KSchG.

b) Hieran gemessen ist der Antrag der Klägerin unzulässig. Im Antrag der Klägerin war bei Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 5 Absatz 3 Satz 1 KSchG kein Mittel der Glaubhaftmachung benannt. Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 11.12.2007 erfolgte nach Ablauf der Zwei- Wochen-Frist. Die Zwei-Wochen-Frist begann spätestens mit Zugang des Schriftsatzes des Beklagten vom 21.09.2007 (Stichwort Behebung des Hindernisses; vergleiche auch Abgangs- vermerk der Geschäftsstelle vom 24.09.2007); denn darin wird der Klägerin mitgeteilt, dass die streitgegenständliche Kündigung am 30.07.2007 um 14.00 Uhr in ihren Briefkasten eingeworfen worden sei. Die Angabe der Mittel der Glaubhaftmachung war vorliegend auch nicht entbehrlich; denn die Tatsachen, welche die Klägerin zur Begründung ihres Antrags auf nachträgliche Klagezulassung anführt, sind nicht unstreitig.

2. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts beruht auf einem Verfahrensfehler.

a) Nach § 139 Absatz 1 Satz 2 ZPO hat das Gericht unter anderem dahin zu wirken, dass die Parteien die Beweismittel bezeichnen. Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat (§ 139 Absatz 2 Satz 1 ZPO).

b) Hieran gemessen ist der Beschluss des Arbeitsgerichts verfahrensfehlerhaft ergangen.

aa) Das Arbeitsgericht hat die Pflicht zur materiellen Prozessleitung verletzt. Es hätte nach Eingang des Antrages auf nachträgliche Klagezulassung die Klägerin darauf hinwiesen müssen, dass sie für ihren Antrag keine Mittel der Glaubhaftmachung angegeben hat. Soweit § 139 Absatz 1 Satz 2 ZPO sich nicht ausdrücklich auf Mittel der Glaubhaftmachung bezieht, erklärt sich dies daraus, dass Beweismittel in diesem Sinn auch Mittel der Glaubhaftmachung einschließen. Das Arbeitsgericht hat mit seiner Verfügung vom 13.11.2007 der ihr nach § 139 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1 ZPO obliegenden Hinweispflicht nicht Rechnung getragen; denn Hinweise müssen konkret und unmissverständlich formuliert sein (zum Beispiel BGH, Urteil vom 25.06.2002 - X ZR 83/00 - NJW 2002, 3317 ff., zu II 2 a der Gründe). Die Hinweisverfügung bezieht sich nicht auf das Fehlen der Angabe von Mitteln der Glaubhaftmachung, sondern ausschließlich auf die Ergänzung einer Tatsache der Antragsbegründung. Ebenso verhält es sich mit der Mitteilung der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 07.01.2008, wonach in der Güteverhandlung am 08.11.2007 pauschal auf eine Ergänzung des bisherigen Vortrages hingewiesen worden sein soll. Im Übrigen gilt insoweit, dass die Erteilung eines Hinweises nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden kann (§ 139 Absatz 4 Satz 2 ZPO). Das Protokoll über den Gütetermin vom 08.11.2007 verhält sich hierzu nicht. Das Arbeitsgericht irrt, soweit es in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 08.01.2008 davon ausgeht, im Hinblick auf die anwaltliche Vertretung der Klägerin habe es keines Hinweises bedurft. Die durch § 139 ZPO ausgestaltete Pflicht des Gerichts zur materiellen Prozessleitung nimmt hiervon anwaltlich vertretene Parteien nicht aus.

bb) Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 11.12.2007 beruht auf der Verletzung der Hinweispflicht nach § 139 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 1 ZPO. Die Klägerin behauptet nämlich, sie hätte bei einem entsprechenden Hinweis des Gerichts ihre Urlaubsabwesenheit durch eidesstattliche Versicherung des Herrn W. glaubhaft gemacht. Dessen eidesstattliche Versicherung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.12.2007 vorgelegt.

III.

Die Beschwerdekammer hat von der Möglichkeit, nach § 572 Absatz 3 ZPO zu verfahren, Gebrauch gemacht. Anders als im Berufungsverfahren steht die Aufhebung und Zurückverweisung im Ermessen ("kann", § 572 Absatz 3 ZPO) des Beschwerdegerichts und bedarf keines Antrages. Das Arbeitsgericht hat unter Berücksichtigung der eidesstattlichen Versicherung die Zulässigkeit im Übrigen und gegebenenfalls die Begründetheit des Antrages zu prüfen. Es ist an die Beschwerdeentscheidung gebunden (§ 563 Absatz 2 ZPO analog; Zöller/Gummer, ZPO, 26, Auflage, § 572 Randnummer 29 mit weiteren Nachweisen).

IV.

Die Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden folgt aus § 78 Satz 3 ArbGG.

Die Kompetenz des Vorsitzenden, außerhalb der mündlichen Verhandlung zu entscheiden, ergibt sich aus §§ 572 Absatz 4, 128 Absatz 4 ZPO. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt EUR 7 500,00. Er richtet sich nach dem Wert der Hauptsache, also nach § 42 Absatz 4 Satz 1 GKG (KR-Friedrich, 8. Auflage, § 5 KSchG Randnummer 178).

Ende der Entscheidung

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