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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 07.09.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 29/05
Rechtsgebiete: TVATZ, BGB, StGB, SGB VII, SGB IV, ZPO, TV Metall


Vorschriften:

TVATZ § 16
BGB § 311 Abs. 3
BGB § 823
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 2 Satz 1
StGB § 266
SGB VII § 7 d
SGB IV § 7 d
SGB IV § 7d Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 533
ZPO § 529
ZPO § 264 Nr. 2
ZPO § 533 Nr. 1
TV Metall § 2
TV Metall § 16
TV Metall § 16 Abs. 1
TV Metall § 16 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 10 Sa 29/05

Verkündet am 07.09.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 10. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Arnold, den ehrenamtlichen Richter Dr. Koepfer und den ehrenamtlichen Richter Merz auf die mündliche Verhandlung vom 07.09.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen vom 25.01.2005 (Az. 8 Ca 540/03) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt mit seiner Klage den Geschäftsführer der in Insolvenz geratenen Firma S. GmbH & Co. KG in Anspruch. Er begehrt die Feststellung einer persönlichen Schadenersatzhaftung wegen fehlender Insolvenzsicherung eines Wertguthabens aus einer bestehenden Altersteilzeitvereinbarung.

Der Kläger war bei der Firma S. GmbH & Co. KG seit 18.04.1955 beschäftigt. Unter dem Datum vom 27.09.2001 haben diese einen Vertrag zur individuellen Umsetzung der Altersteilzeit in geblockter Arbeitszeit geschlossen. Zugrunde gelegt wurden der Tarifvertrag zur Altersteilzeit im Bereich der Metall- und Elektroindustrie Südwest und eine ergänzende freiwilligen Betriebsvereinbarung vom 01.04.2001. Vereinbart wurde eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung zum 31.05.2004. Die Arbeitszeit wurde verblockt so verteilt, dass der Kläger in der Zeit vom 01.12.2001 bis 28.02.2003 seine Arbeitsleitung erbringt und sich in der Zeit vom 01.03.2003 bis 31.05.2004 die Freistellungsphase anschließt.

Regelungen zum Insolvenzschutz des Guthabens enthält der Vertrag nicht.

Die freiwillige Betriebsvereinbarung enthält in II. 16 zur Insolvenzsicherung folgende Regelung:

"Der Arbeitgeber weist entsprechend § 16 TVATZ Maßnahmen zur Insolvenzsicherung nach."

Der geltende und zum 01.01.1998 in Kraft getretene Tarifvertrag enthält in § 16 folgende Regelung:

"Der Arbeitgeber berät geeignete Maßnahmen mit dem Betriebsrat und stellt sicher, dass im Falle der vorzeitigen Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses durch Insolvenz des Arbeitgebers alle bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Ansprüche einschließlich der darauf entfallenden Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung gesichert sind.

Der Arbeitgeber weist gegenüber dem Betriebsrat bzw. soweit keine Betriebsvereinbarung besteht gegenüber den Beschäftigten jährlich die ausreichende Sicherung nach. Die Art der Sicherung kann betrieblich festgelegt werden."

Unstreitig ist, dass das Wertguthaben des Klägers nicht insolvenzgesichert war und dem Betriebsrat eine ausreichende Sicherung nicht nachgewiesen wurde.

Am 14.05.2003 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Rottweil vom 14.05.2003 im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der S. GmbH & Co. KG Herr P. als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Bestellung von Herrn P. als Insolvenzverwalter erfolgte durch Beschluss des Amtsgerichts Rottweil vom 01.08.2003.

Mit seiner Klage nimmt der Kläger den Geschäftsführer der S. GmbH & Co. KG auf Schadenersatz in Anspruch. Die Schadenersatzverpflichtung ergebe sich aus den §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB, § 7 d SGB VII, der Betriebsvereinbarung und dem Tarifvertrag.

Der Kläger hat beantragt,

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 33.352,70 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene € 16.722,55 netto zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus € 3.335,27 jeweils abzüglich € 1.681,13 seit 01.09.2003, abzüglich € 1.626,90 seit 01.10.2003, abzüglich € 1.681,13 seit 01.11.2003, abzüglich € 1.626,90 seit 01.12.2003, abzüglich € 1.681,13 seit 01.01.2004, abzüglich € 1.718,33 seit 01.02.2004, abzüglich € 1.607,47 seit 01.03.2004, abzüglich € 1.718,33 seit 01.04.2004, abzüglich € 1.662,90 seit 01.05.2004 und abzüglich € 1.718,33 seit 01.06.2004.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat geltend gemacht, dass bis zur Insolvenzeröffnung weder der Kläger noch der Betriebsrat jeweils auf den Abschluss der Insolvenzsicherung hingewirkt habe oder nachgefragt habe. Ihm selbst sei weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vorzuwerfen, da er den Leiter der Personalabteilung beauftragt habe, die zur Insolvenzsicherung notwendigen Maßnahmen herbeizuführen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 25.01.2005 die Klage abgewiesen. Ein Schadenersatzanspruch scheitere daran, dass § 7 d SGB IV kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sei. Durch die Betriebsvereinbarung selbst sei eine weitergehende Verpflichtung nicht begründet worden. Sie habe lediglich deklaratorisch auf die gesetzliche Regelung verwiesen.

Zum weiteren Vorbringen und den Entscheidungsgründen wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 25.01.2005 verwiesen.

Gegen das dem Kläger am 21.02.2005 zugestellte Urteil hat dieser am 17.03.2005 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.05.2005 am 17.05.2005 begründet.

Der Kläger verbleibt bei seiner Auffassung, dass § 7 d SGB IV ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 BGB sei. Ziel der gesetzlichen Regelung sei es gerade gewesen, Arbeitnehmer als Inhaber von Wertguthaben vor dem Verlustschaden zu schützen. Zumindest jedoch ergebe sich der Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Ziffer 11 der Betriebsvereinbarung und § 16 des Tarifvertrages zur Altersteilzeit vom 16.12.1997. Beide Regelungen seien Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Der Anspruch ergebe sich auch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB, da es sich bei der Pflicht, Wertguthaben des Arbeitnehmers gegen eine mögliche Insolvenz abzusichern, um eine spezifische Vermögensbetreuungspflicht handele.

Der Beklagte hafte im Übrigen als möglicher Vertreter, da er ihn persönlich vorsätzlich über den Abschluss einer Insolvenzsicherung getäuscht und sowohl ihn als auch den Betriebsrat angelogen habe. Er habe mehrfach nachgefragt, ob eine Insolvenzsicherung der Wertguthaben abgeschlossen worden sei. Am 25.07.2003 habe der Beklagte die Zusicherung abgegeben, dass er sich persönlich darum kümmern werde, dass noch in dieser Woche eine Insolvenzsicherung bei der Versicherung "A." in M. erfolge. Am 05.08.2003 habe ihm der Beklagte in einem Anruf mitgeteilt, dass eine Insolvenzsicherung abgeschlossen worden sei.

Dem Betriebsratsvorsitzenden selbst, Herrn L. habe der Beklagte selbst auf Nachfrage im Sommer 2002 erklärt, dass eine Insolvenzsicherung erfolgt sei.

Auf Anregung des Gerichts hat der Kläger zuletzt den Antrag gestellt:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass das Wertguthaben für den Kläger aus dem Altersteilzeitvertrag nicht für den Fall der Insolvenz der S. GmbH & Co. KG abgesichert wurde.

Der Beklagte, der der Antragsänderung zugestimmt hat, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht habe den Rechtsstreit zutreffend entschieden, da nach der Rechtslage vor dem 01.07.2004 § 7 d SGB IV kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB gewesen sei. Der neue Sachvortrag, der bestritten werde, werde als verspätet gerügt. Er selbst sei gegen den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung zur ATZ gewesen, sei jedoch vom Verwaltungsrat und dem Betriebsratsvorsitzenden entsprechend unter Druck gesetzt worden. Die gesamte Abwicklung sei im Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Personalleiters gewesen. Es sei nicht richtig, dass er dem Kläger am 25.07.2003 die Zusicherung gegeben habe, sich persönlich um die Insolvenzsicherung zu kümmern. Angesichts des Insolvenzeröffnungsverfahrens sei es ohnehin zu spät gewesen. Auch am 05.08.2003 habe er dem Kläger nicht den Abschluss der Insolvenzsicherung bestätigt. Dagegen spreche bereits, dass er mit Wirkung ab 31.07.2003 nicht mehr Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin gewesen sei. Bei Nachfragen des Betriebsrates habe er diesen jeweils an die verantwortlichen Personalleiter Herr Z. und Herr H. verwiesen. Richtig sei, dass er davon ausgegangen sei, dass mit der Insolvenzsicherung alles in Ordnung sei.

Ergänzend wird auf das Vorbringen aus der Berufungsbegründung vom 10.05.2005 und der Erwiderung vom 15.06.2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten besteht nicht. Das Umstellen der Klage auf einen Feststellungsantrag ist nach § 533 ZPO zulässig, da der Feststellungsantrag auf die Tatsachen gestützt wird, die das Berufungsgericht der Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte. Ob, wie hier, bei einer Antragsänderung nach § 264 Nr. 2 ZPO nach § 533 Nr. 1 ZPO die Einwilligung der Gegenseite oder die Sachdienlichkeit erforderlich ist, kann dahingestellt bleiben, da der Beklagte der Antragsänderung zugestimmt hat und diese auch sachdienlich ist.

II.

1. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Insbesondere steht dem Feststellungsinteresse nicht die Möglichkeit der Leistungsklage entgegen. Es ist davon auszugehen, dass bereits das Feststellungsurteil zur endgültigen Streitbeilegung führt. Insbesondere ist durch den Feststellungsantrag klargestellt, dass der Schadenersatzanspruch des Klägers sich auf die fehlende Absicherung des Wertguthabens beschränkt.

Vertragliche Zahlungsansprüche als Schadenersatz kann der Kläger gegen den Beklagten nicht geltend machen, da das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der S. GmbH & Co. KG bestand.

2. Der Beklagte kann auch nicht als Dritter nach § 311 Abs. 3 BGB in Anspruch genommen werden. Bereits nach der früheren Rechtsprechung konnte ein Vertreter vertraglich dann haften, wenn dieser ein unmittelbar eigenes wirtschaftliches Interesse hatte oder ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat und hierdurch die Vertragsverhandlung oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat. Abgesehen davon, dass das allgemeine Interesse eines Geschäftsführers am Erfolg seines Unternehmens noch nicht die Eigenhaftung begründet (vergl. z. B. BGH, Urt. v. 27.03.1995, II ZR 136/94, NJW 1995 Seite 1544; Palandt/Heinrichs, 64. Auflage, § 311 Rz. 65), fehlt es vorliegend entscheidend an der Kausalität. Die streitigen Erklärung des Geschäftsführers nach der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und nach Insolvenzeröffnung sind nicht ursächlich für den Schaden, der dem Kläger dadurch entstanden ist, dass das Wertguthaben bei Insolvenzeröffnung nicht insolvenzgesichert war.

3. Eine persönliche Haftung des Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB scheidet gleichfalls aus. Voraussetzung dieses Anspruches ist der Verstoß gegen ein den Schutz des Klägers bezweckenden Gesetzes.

Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist eine Rechtsnorm, die ein bestimmtes Gebot oder Verbot ausspricht. Rechtsnormen, die nur allgemeine Grundsätze aufstellen, scheiden als Schutzgesetz aus. Die Gebots- oder Verbotsnorm muss nach Zweck und Inhalt jedenfalls auch dem Individual-schutz dienen. Die Gewährung von Individualschutz muss wenigstens eines der vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgten Anliegen sein (BAG, Urt. v. 25.04.2001, 5 AZR 368/99, AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 80). Entscheidend ist, ob nach dem Regelungszusammenhang die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden begründen sollte. Diese Begrenzung ist erforderlich, um auszuschließen, dass die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine allgemeine Haftung für Vermögensschäden unterlaufen wird (BAG v. 06.11.2002, 5 AZR 487/01, NZA 2003, Seite 400 unter II. 4a) der Gründe). Im Hinblick hierauf gilt folgendes:

a) Eine deliktische Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB scheidet aus. Der allein in Betracht kommende Treuebruchtatbestand setzt voraus, dass der Täter eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht hat, Vermögensinteressen eines Dritten zu betreuen, d. h. diesem drohende Vermögensnachteile abzuwenden. Allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen, die für das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis typisch sind, reichen nicht aus, und zwar losgelöst davon, ob und welche besonderen Rücksichtnahme- und Sorgfaltspflichten sich aus diesem Austauschverhältnis ergeben (vergl. auch LAG Hamm, Urt. v. 06.05.2004, 8 Sa 2220/03, LAG-Report 2005, Seite 135 ff.; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage, § 266 Rn. 29).

b) Ein Schadenersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 7d SGB IV, weil § 7d SGB IV in der vom 01.01.2001 bis zum 31.07.2003 geltenden Fassung kein Schutzgesetz im deliktrechtlichen Sinne war.

Nach § 7d SGB IV in der hier zur Anwendung kommenden Fassung haben die Vertragsparteien im Rahmen ihrer Vereinbarung Vorkehrungen zu treffen, die der Erfüllung der Wertguthaben einschließlich des auf sie entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag dienen.

Voraussetzung ist nach § 7d Abs. 1 Nr. 2 SGB IV zunächst, dass der vereinbarte Zeitraum, in dem das Wertguthaben auszugleichen ist, 27 Kalendermonate nach der ersten Gutschrift übersteigt. Streitig ist, wie die zeitliche Grenze von 27 Monaten zu berechnen ist. Die Arbeits- und Freistellungsphase betrug vorliegend je 15 Monate.

Es wird vertreten, dass die Insolvenzversicherungspflicht bereits dann besteht, wenn die Arbeits- und Freistellungsphase den Zeitraum von 27 Monaten übersteigt (so z.B. von Ahsen/Nölle, DB 2003, Seite 1384). In diesem Fall würde die vorliegende Altersteilzeitvereinbarung von der Regelung erfasst. Wird hingegen auf den Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt der erstmaligen Gutschrift eines Wertguthabens und dem Beginn der Freistellung abgestellt (so z.B. Seewald in Kass.Kom., § 7d SGB IV Rn. 12), unterfällt die vorliegende Altersteilzeitvereinbarung bereits nicht dem Geltungsbereich der Bestimmung. Unabhängig davon, ob Arbeits- und Freistellungsphase zu addieren sind, berücksichtigt erstere Auffassung wohl nicht, dass eine Altersteilzeitvereinbarung, die sich über 27 Kalendermonate erstreckt, deswegen nicht in den Geltungsbereich der gesetzlichen Bestimmung fällt, weil der Zeitraum von 3 Monaten mit einem entsprechenden Anspruch auf Insolvenzgeld zu berücksichtigen ist (vergl. hierzu Rittweger, Altersteilzeit, 2. Auflage, Seite 152). Einer abschließenden Entscheidung der Berechnung bedarf es jedoch nicht, weil selbst wenn man davon ausgeht, dass die vorliegende Altersteilzeitvereinbarung in den Regelungsbereich von § 7d SGB IV fällt, kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB vorliegt.

Auch wenn man davon ausgeht, dass § 7d SGB IV aF. als vertragliche Verpflichtung und nicht nur als Sollvorschrift zu verstehen ist, bedeutet dies nicht, dass der Verstoß gegen die vertragliche Verpflichtung deliktsrechtliche Folgen für den Arbeitgeber haben soll. Der Gesetzgeber hat in der damaligen Fassung bewusst keine genauen Vorgaben für die Insolvenzsicherung gemacht und die Vorschrift sanktionslos ausgestaltet. Die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Schaffung von Vorkehrungen des Insolvenzschutzes kann zwar einen Individualanspruch des Arbeitnehmers auf Verschaffung von Insolvenzschutz begründen. Aus dem Fehlen von Sanktionen für den Fall eines Verstoßes folgt in der Regel, dass der Schutz vor Schädigung und die Begründung einer deliktischen Haftung nicht das vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgten Anliegen war (so auch LAG Hamm v. 06.05.2004, 8 Sa 2220/03, LAG-Report 2005, Seite 135 ff.; LAG Düsseldorf v. 20.05.2005, 7 Sa 166/05, dok. in BeckRS 2005 Nr. 42056; Hanau, ZIP 2003, Seite 2028 ff., 2032; a. A. Schlegel, Handbuch zum Sozialrecht, Gruppe 7b, Altersteilzeit, Teil B Rn. 131; Zwanziger, RdA 2005, Seite 226 ff., 240).

c) Eine deliktische Haftung des Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 16 TV Metall und Elektro.

Es kann offen bleiben, ob diese tarifliche Bestimmung Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (vergl. hierzu ausführlich LAG Hamm v. 06.05.2004, 8 Sa 2220/03, a.a.O.). Entscheidend ist vorliegend, dass die tarifvertragliche Regelungen nur Sonderfälle betrifft. § 16 Abs. 1 TV Metall und Elektro regelt die Insolvenzsicherung im Falle der vorzeitigen Beendigung des Altersteilzeitverhältnisses durch Insolvenz des Arbeitgebers. Damit haben die Tarifvertragsparteien ergänzend zu der gesetzlichen Regelung des § 7d SGB IV für diesen Sonderfall, der hier nicht vorliegt, eine Regelung getroffen. Es mag sein, dass dabei die Tarifvertragsparteien von einer Insolvenzsicherungspflicht nach § 7d SGB IV ausgegangen sind (vergl. hierzu Rittweger/Petri, ATZG, 2. Auflage, § 16 TV Metall und Elektro, Rn. 106 ff.). Eine eigenständige Regelung für den Normalfall enthält der Tarifvertrag damit jedoch nicht, auch die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 TV Metall und Elektro liegen nicht vor. Dieser regelt nur den Sonderfall der Insolvenzsicherung von Langzeitkonten im Sinne von § 2 TV Metall und Elektro, die zielgerichtet bereits vor Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages gebildet wurden.

d) Die tarifvertragliche Haftung ergibt sich auch nicht aus der freiwilligen Betriebsvereinbarung. Die Vorschrift knüpft an Regelungen zur Insolvenzsicherung in § 7d SGB IV und § 16 TV Metall und Elektro an und begründet bereits keinen eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch auf Insolvenzsicherung, sodass es auch insoweit nicht darauf ankommt, ob und inwieweit ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB vorliegt.

III.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der unterliegende Kläger nach § 97 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, da durch das Bundesarbeitsgericht noch nicht geklärt ist, ob § 7d SGB IV ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist und wie die sicherungsbedürftigen Wertguthaben zu berechnen sind.

Ende der Entscheidung

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