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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: 13 Sa 44/04
Rechtsgebiete: ATG


Vorschriften:

ATG § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 13 Sa 44/04

Verkündet am 22.06.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - - 13. Kammer - durch den Richter am Arbeitsgericht Gneiting, die ehrenamtliche Richterin Hobrecker und den ehrenamtlichen Richter Schott im schriftlichen Verfahren nach der Sachlage am 18.05.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 18.06.2004 - Az.: 1 Ca 394/03 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto € 1.663,95 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2004 zu zahlen.

2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Mehrarbeitsvergütung für den Zeitraum vom 01.06.2003 bis 29.02.2004.

Der Kläger ist seit 20.08.1973 bei der Beklagten als Mechaniker, zuletzt mit einem Bruttostundenlohn von € 19,06 beschäftigt. Beide Parteien sind aufgrund Mitgliedschaft in den jeweiligen Tarifverbänden tarifgebunden. Auf das Arbeitsverhältnis finden daher die Tarifverträge für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden Anwendung.

Unter dem Datum vom 10.10.2001 schlossen die Parteien auf der Basis der bei der Beklagten bestehenden Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit vom 02.04.2001 (ABl. 72 ff.) einen Altersteilzeitarbeitsvertrag nach dem sogenannten Blockmodell. Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers entsprach vor Beginn der Altersteilzeit mit 35 Wochenstunden der tarifvertraglichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 7.1 Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden (MTV). In § 3 des Altersteilzeitvertrags vom 10.10.2001 ist zur Arbeitszeit des Klägers folgendes geregelt:

Arbeitszeit und zusätzliche Arbeit

Die wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers beträgt die Hälfte seiner bisher vereinbarten wöchentlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Stunden.

Die Arbeitszeit ist so zu verteilen, dass sie in der ersten Hälfte des Altersteil-zeitarbeitsverhältnisses voll geleistet wird in der Regel in Höhe der bisher vereinbarten wöchentlichen regelmäßigen Arbeitszeit (Arbeitsphase) und der Arbeitnehmer anschließend in der zweiten Hälfte bis zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt wird (Freistellungsphase).

- Beginn der Altersteilzeit und Arbeitsphase 01.11.2001.

- Ende der Arbeitsphase und Beginn der Freistellungsphase 01.03.2004.

- Ende der Freistellungsphase und Altersteilzeit 30.06.2006.

Mehrarbeit, die über die in § 5 Abs. 4 Altersteilzeitgesetz genannten Grenzen hinausgeht, ist ausgeschlossen. Mehrarbeit liegt nicht vor, wenn ein Ausgleich über das Zeitkonto stattfindet.

Mitarbeiter/innen in Altersteilzeit dürfen an Kurzarbeit und Absenkung der Arbeitszeit gemäß TV-Beschäftigungssicherung nicht teilnehmen.

Am 07.04.2003 schlossen die Beklagte gemeinsam mit mehreren Schwesterunternehmen und die IG Metall einen Zusatztarifvertrag. Dieser enthält zur Arbeitszeit der Arbeitnehmer folgende Regelungen:

3.1 Im Zuge der Einführung neuer Fertigungstechnolgien ergibt sich ein erhöhter Qualifikationsbedarf für die Beschäftigten der Um diesem Qualifikationsbedarf nach dem "Tarifvertrag zur Qualifizierung für die Metall- und Elektroindustrie gerecht zu werden, erbringen die Beschäftigten einen Eigenbeitrag in Höhe von einer Stunde in der Woche.

3.2 Die Durchführung der betrieblichen Qualifikationsmaßnahmen wird durch die Betriebsvereinbarung geregelt.

(...)

4.2 Für das Jahr 2003 werden allen Vollzeitbeschäftigten 40 Stunden aus dem Gleitzeit-/Arbeitszeitkonto ausgebucht. Für die Jahre 2004 bis einschließlich 2007 werden jedem Vollzeitbeschäftigten insgesamt 69 Stunden jährlich aus dem Gleitzeit-/Arbeitszeitkonto ausgebucht. Abweichende Arbeitszeiten werden im selben Verhältnis berücksichtigt.

4.3 Die Durchführung wird zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung geregelt.

Am 19.03.2003 schloß die Beklagten mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung, die unter anderem folgende Regelungen enthält:

4.b) Die befristete Neuregelung der Arbeitszeit ergibt sich aus der Vereinbarung, die zwischen den an dieser Betriebsvereinbarung beteiligten Firmen und der IG Metall Bezirk Stuttgart mit Wirkung ab 01.06.2003 abgeschlossen wurde.

c) Danach wird die wöchentliche Arbeitszeit für alle Mitarbeiter um 7,14 % angehoben - bei einer wöchentlichen Arbeitszeit vom 35 also um 2,5 Stunden. Diese zusätzliche Arbeitszeit wird nicht vergütet. Umsetzung: Die erarbeitete Zeit wird je Arbeitszeit um 1/5 der zusätzlich zu erbringenden Arbeitszeit gekürzt - bei einem Vollzeitbeschäftigten also um 30 Minuten.

(...)

h) Übersteigt die Umsatzrendite aus Eigenfertigung der GmbH 2 %, erfolgt für die unbezahlte Arbeitszeit des entsprechenden Wirtschaftsjahres nachträglich eine Zeitgutschrift. Der Wert der Zeitgutschrift darf den über der Mindestrendite liegenden Betrag nicht übersteigen."

Mit Willen der Beklagten arbeitete der Kläger im Zeitraum vom 01.06.2003 bis 29.02.2004 wöchentlich 37,5 Stunden. Im Hinblick auf die Regelung 4 h) der Betriebsvereinbarung vom 19.03.2003 zahlte die Beklagte an den Kläger mit der Entgeltabrechnung für Dezember 2004 sowie im Februar 2005 einen Betrag in Höhe von jeweils € 97,20.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, von den Regelungen des Zusatztarifvertrages und der Betriebsvereinbarung seien die Arbeitnehmer in Altersteilzeit nicht betroffen. Es liege in dem Zusatztarifvertrag sowie in der Betriebsvereinbarung eine Regelungslücke vor. Unabhängig davon genieße der Altersteilzeitvertrag vom 10.10.2001 als Individualvereinbarung Vorrang vor verschlechternden kollektivrechtlichen Vereinbarungen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, die vom 01.06.2003 bis 29.02.2004 über die 35-Stunden-Woche hinaus geleistete wöchentliche Mehrarbeit im Umfang von wöchentlich 2,5 Stunden zu bezahlen.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto € 1.858,35 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2004 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Betriebsvereinbarung setze die Arbeitszeitregelungen des Zusatztarifvertrages um. Die Regelungen von § 3.1 und § 4.2 des Zusatztarifvertrages entsprächen einer erhöhten wöchentlichen Arbeitszeit von 2,5 Stunden. Hinsichtlich der von der Beklagten diesbezüglich dargelegten Berechnung wird auf Seite 4 ff. des Schriftsatzes vom 10.03.2004 (ABl 34 ff. der erstinstanzlichen Akte) Bezug genommen. Die Regelungen des Zusatztarifvertrages und der Betriebsvereinbarung seien auch auf den Kläger als Mitarbeiter in Altersteilzeit anzuwenden. Eine günstigere individualrechtliche Vereinbarung bestehe nicht. In dem Altersteilzeitvertrag sei lediglich auf die bisherige (tarifliche) Arbeitszeit Bezug genommen worden. Daher sei der Kläger verpflichtet gewesen, ab 01.06.2003 an Stelle von 35 Wochenstunden 37,5 Stunden zu arbeiten.

Das Arbeitsgericht hat mit dem dem Kläger am 22.07.2004 zugestellten Urteil vom 18.06.2004 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 19.03.2003 und dem Zusatztarifvertrag verpflichtet gewesen, während der Arbeitsphase 37,5 Stunden wöchentlich ohne Lohnausgleich zu arbeiten.

Sowohl die Betriebsvereinbarung als auch der Zusatztarifvertrag finde auch auf Arbeitnehmer in Altersteilzeit Anwendung. Der Altersteilzeitvertrag des Klägers stelle demgegenüber keine günstigere Regelung dar, denn mit ihr sei keine konstitutive, von den bisherigen kollektiven Regelungen abweichende Arbeitszeitregelung getroffen worden. Mit dem Altersteilzeitvertrag sei nicht eine individuelle Arbeitszeit vereinbart, sondern das Blockmodell unter Beachtung der wöchentlichen regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit festgelegt worden.

Mit der am 17.08.2004 eingegangenen und am 22.09.2004 begründeten Berufung wendet sich der Kläger gegen die arbeitsgerichtliche Entscheidung. Er macht geltend, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, in dem Altersteilzeitvertrag vom 10.10.2001 sei der Umfang der wöchentlichen regelmäßigen Arbeitszeit nur deklaratorisch erwähnt worden. Tatsächlich handle es sich um eine konstitutive Festlegung, die gegenüber der Betriebsvereinbarung vom 19.03.2003 eine günstigere Regelung darstelle.

Der Kläger stellt den Antrag:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Karlsruhe vom 18.06.2004 - Az.: 1 Ca 394/03 - wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto € 1.663,95 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2004 zu zahlen.

Die Beklage beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sei durch den Zusatztarifvertrag vom 07.04.2003 in Verbindung mit der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 19.03.2003 für alle Mitarbeiter der Beklagten um 7,14 % erhöht worden. Die Einbeziehung der Mitarbeiter in Altersteilzeit in die Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich entspreche dem Gebot der Gleichbehandlung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 30.03.2005 bzw. 31.03.2005 haben sich die Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 3 ZPO einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichtes ist statthaft, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 3 Buchst. b ArbGG. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, so dass sie nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO zulässig ist.

II.

Die Berufung des Klägers ist auch überwiegend begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die von ihm begehrte Mehrarbeitsvergütung.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Streitgegenstand hinreichend bestimmt.

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist allgemeine Sachurteilsvoraussetzung die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs. Durch dieses Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit des Streitgegenstandes wird die Klagepartei gezwungen, den Lebenssachverhalt zu bezeichnen, aufgrund dessen sie eine vom Gericht auszusprechende Rechtsfolge begehrt. Nur wenn dieser Lebenssachverhalt von anderen Lebenssachverhalten hinreichend abgrenzbar ist, ist sichergestellt, in welchem Umfang eine gerichtliche Entscheidung in Rechtskraft erwächst.

Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger ohne nähere Darlegung, wann er täglich im maßgeblichen Zeitraum vom 01.06.2003 bis 29.02.2004 gearbeitet hat, eine Mehrarbeitsvergütung von wöchentlich 2,5 Stunden. Der Streitgegenstand ist dennoch eindeutig abgrenzbar, denn der Kläger begehrt mit seiner Klage nicht lediglich einen Teil der in diesem Zeitraum erbrachten Mehrarbeit. Vielmehr stützt er seine Klage auf die gesamte, im maßgeblichen Zeitraum geleistete Mehrarbeit.

2. Die Klage ist auch begründet.

a) Der zwischen den Parteien am 10.10.2001 abgeschlossene Altersteilzeitvertrag legte die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers für die Arbeitsphase bis 29.02.2004 konstitutiv auf 35 Wochenstunden fest.

Der Altersteilzeitvertrag bestimmt die regelmäßige Arbeitszeit nicht in Abhängigkeit der jeweils geltenden tariflichen Arbeitszeit. Er regelt sie unabhängig von tariflichen Regelungen alleine auf Basis der bisherigen Arbeitszeit.

Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Vertrages, der nicht auf die jeweilige tarifliche regelmäßige Arbeitszeit verweist, sondern ausdrücklich die Arbeitszeit in Abhängigkeit von der bisherigen Arbeitszeit des Klägers regelt.

Gegen die Auslegung des Arbeitsgerichts, das die in dem Altersteilzeitvertrag aufgeführte Höhe der bisherigen Arbeitszeit von bisher 35 Wochenstunden nur als deklaratorischen Verweis auf die jeweils geltende tarifliche Arbeitszeit ansah, spricht, dass dann im Falle einer Erhöhung einer tariflichen Arbeitszeit die Altersteilzeit nicht mehr den Voraussetzungen des § 2 Altersteilzeitgesetz (ATG) entsprechen und der Arbeitgeber der Leistungen der Bundesagentur für Arbeit verlustig gehen würde. Die Parteien wollten aber mit dem Altersteilzeitvertrag eine Altersteilzeitregelung nach dem Altersteilzeitgesetz treffen. Dies setzt jedoch gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 ATG in der bis 30.06.2004 geltenden Fassung voraus, dass während der Dauer der Altersteilzeit die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit nicht überschreitet. Um dieser gesetzlichen Voraussetzung einer Leistungsgewährung durch die Bundesagentur für Arbeit zu entsprechen, haben die Parteien die regelmäßige Arbeitszeit für die erste Hälfte des Zeitraums der Altersteilzeit, der Arbeitsphase, auf die bisherige wöchentliche Arbeitszeit verbindlich begrenzt.

Die Regelungen der §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 6 Abs. 2 ATG legen eine Höchstgrenze der zulässigen regelmäßigen Arbeitszeit fest. Entgegen der Auffassung der Beklagten geht daher auch die Bundesagentur für Arbeit in ihren Durchführungsanweisungen zum Altersteilzeitgesetz davon aus, dass kollektivrechtliche Regelungen die regelmäßige Arbeitszeit von Arbeitnehmern in Altersteilzeit nicht mehr zu verändern vermögen. In der Durchführungsanweisung zu § 2 ATG (2.2 Abs. 18) wird zunächst darauf hingewiesen, dass eine Anpassung des Altersteilzeitvertrages in Folge der Reduzierung der Arbeitszeit während der Arbeitsphase beispielsweise durch Haustarifvertrag nicht zwingend aber unschädlich ist. Für den Fall einer Erhöhung der Arbeitszeit wird dagegen ausdrücklich ausgeführt:

Demgegenüber hat eine tarifliche oder betriebliche Erhöhung der Arbeitszeit während der Altersteilzeit generell keinen Einfluss auf die reduzierte Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2.

b) Die durch den Altersteilzeitvertrag konstitutiv festgesetzte regelmäßige Wochenarbeitszeit des Klägers wurde durch den Zusatztarifvertrag vom 07.04.2003 und die Betriebsvereinbarung vom 19.03.2003 nicht abgeändert.

Jedenfalls gegenüber einer Regelung, die die regelmäßige Arbeitszeit ohne Lohnausgleich erhöht, stellt sich die in den Altersteilzeitvertrag aufgenommene Regelung der Wochenarbeitszeit als günstigere Regelung dar.

Nach § 4 Abs. 3 TVG und dem auch im Verhältnis zwischen Individualvereinbarung und Betriebsvereinbarung geltenden Günstigkeitsprinzip vermögen entsprechende verschlechternde kollektive Regelungen die günstigere einzelvertragliche Regelung nicht zu verdrängen.

Der Kläger war somit lediglich verpflichtet, wie in dem Altersteilzeitvertrag festgelegt, eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden zu erbringen.

c) Da der Kläger ab 01.06.2005 auf Anordnung der Beklagten wöchentlich statt 35 Stunden 37,5 Stunden gearbeitet hat, hat er bis 29.02.2005 97,5 Mehrarbeitsstunden erbracht.

d) Die Zahl der erbrachten Mehrarbeitsstunden vermindert sich auch nicht durch § 4.2 des Zusatztarifvertrags. Dem steht zum einen entgegen, dass die Durchführung dieser tariflichen Bestimmung mit der Betriebsvereinbarung vom 19.03.2003 abschließend durch Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit geregelt wurde. Zum anderen hat der Kläger die Mehrarbeit nicht im Rahmen eines Gleitzeit- oder Arbeitszeitkontos erbracht, sondern auf Verlangen des Arbeitgebers, nachdem dieser, trotz der vom Kläger erhobenen Einwendungen, auf die Erbringung von 37,5 Wochenstunden bestanden hat.

e) Die erbrachte Mehrarbeit von 97,5 Stunden hat die Beklagte jedenfalls mit dem Stundenlohn des Klägers in Höhe von 19,06 € zu vergüten. Der sich hieraus ergebende Betrag reduziert sich unstreitig um den von der Beklagten bezahlten Betrag von € 194,40 brutto, so dass die Beklagte an den Kläger noch € 1.663,95 zu entrichten hat.

3. Der Zinsanspruch des Klägers ist gemäß § 288 Abs. 1 BGB in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.03.2004 begründet.

a) Die Beklagte befand sich mit der Mehrarbeitsvergütung in Höhe des zugesprochenen Betrages ab 01.03.2004 in Verzug. Gemäß § 11.2 MTV ist die Vergütung für Mehrarbeit spätestens bis zum Ende des Monats auszuzahlen, der auf den Monat folgt, in dem diese Arbeit geleistet wurde. Damit befand sich die Beklagte zum 01.03.2004 mit allen bis 31.01.2004 angefallenen Überstunden gemäß § 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB in Verzug. Bis 31.01.2005 hatte der Kläger 87,5 Mehrarbeitsstunden erbracht, so dass zum 01.03.2004 eine die Klagsumme übersteigende Mehrarbeitsvergütung fällig war.

b) Dem Kläger stehen jedoch nur Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu.

Zwar beträgt gemäß § 288 Abs. 2 BGB der Zinssatz für Entgeltforderungen aus Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Der Kläger ist als Arbeitnehmer der Beklagten jedoch Verbraucher im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 13 BGB (so im Ergebnis auch BAG 23.02.2005, 10 AZR 602/03).

Nach dem Wortlaut des § 13 BGB ist der Arbeitnehmer auch in seiner Eigenschaft als solcher Verbraucher. Denn Verbraucher ist danach eine natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen, noch ihrer selbständigen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Mit der Legaldefinition des § 13 BGB hat der Gesetzgeber bewusst den Arbeitnehmer in seinem rechtsgeschäftlichen Verhältnis zum Arbeitgeber mit einbezogen. Während nach dem Recht der Europäischen Union jeder Bezug zu einer beruflichen Tätigkeit die Verbrauchereigenschaft aufhebt, sind abweichend vom Gemeinschaftsrecht nach § 13 BGB nur Rechtsgeschäfte für selbständige berufliche Zwecke vom Verbraucherschutz ausgeschlossen. Die gesetzliche Regelung stellt damit dem Unternehmer (§ 14 BGB) die nicht zu selbständigen Erwerbszwecken handelnden natürlichen Personen als Verbraucher gegenüber. Der Arbeitnehmer ist daher Verbraucher im Sinne von § 13 BGB (siehe zum Meinungsstand Preis in: Dieterich, Müller-Glöge u. a., Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 5. Aufl., § 611 Rn. 208).

Ein über den zugesprochenen Zinssatz hinausgehender klägerischer Zinsschaden im Sinne von § 288 Abs. 3 BGB ist nicht ersichtlich.

III.

Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V. mit § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für die Beklagte die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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