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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 06.05.2002
Aktenzeichen: 4 Ta 15/02
Rechtsgebiete: ZPO, BetrVG, GKG


Vorschriften:

ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 767
ZPO § 888
ZPO § 888 Abs. 1
ZPO § 891 Satz 3
BetrVG § 101
BetrVG § 101 Satz 3
GKG § 25 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg

Aktenzeichen: 4 Ta 15/02

Stuttgart, 06. Mai 2002

Beschluss

Im Beschwerdeverfahren

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer ohne mündliche Verhandlung am 06. Mai 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2001- 22 Ca 350/01 - insoweit abgeändert, als das Zwangsgeld auf einen festen Betrag von 3.000,00 EUR und die für den Fall, dass dieser Betrag nicht beigetrieben werden kann, am Vorsitzenden des Schuldners zu vollziehende Zwangshaft auf sechs Tage festgesetzt wird.

Seine weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1 hat neben den erstinstanzlich auferlegten Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 3.000,00 EUR

Gründe:

1. Mit Urteil vom 11. Juli 2001 hat das Arbeitsgericht gegen den Schuldner erkannt, dass er den Gläubiger als Disponent in der Rettungsleitstelle in B. "weiterzubeschäftigen" habe. Die hiergegen erhobene und auch mit dem Einwand begründete Berufung des Schuldners, dem Gläubiger sei es aus gesundheitlichen Gründen unmöglich, die fragliche Tätigkeit auszuüben, hat das Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 07. März 2002 rechtskräftig zurückgewiesen.

Im angegriffenen Beschluss hat das Arbeitsgericht ein Zwangsgeld von zunächst 300,00 DM für jeden Tag der Nichtbeschäftigung des Gläubigers mit der Tätigkeit als Disponent, im Nichtabhilfebeschluss vom 07. März 2002 sodann von 150,00 EUR, sowie Zwangshaft von unbestimmter Dauer angeordnet.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Anordnung von Zwangsmaßnahmen zur Vollstreckung des Urteils, weil der Schuldner weiterhin der Auffassung ist, dass der Gläubiger aus gesundheitlichen Gründen nicht in der fraglichen Position beschäftigt werden könne. Zur Untermauerung seiner Behauptung verweist er auf ein ärztliches Attest, das er bereits im Erkenntnisverfahren vorgelegt hat. Hilfsweise richtet sich die Beschwerde gegen die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes.

Der Schuldner tritt der Beschwerde entgegen und nimmt ebenfalls Bezug auf eine medizinische Untersuchung bezüglich seiner Einsatzfähigkeit.

2. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache nur zum kleineren Teil Erfolg.

Der Sache nach ist der Beschluss nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung liegen fraglos vor. Der Einwand des Schuldners bezüglich der Einsatzfähigkeit des Gläubigers ist unbeachtlich, da er diesen Einwand bereits im Erkenntnisverfahren vorbringen konnte und vorgebracht hat, dieser Umstand aber im Erkenntnisverfahren der Verurteilung nicht entgegenstehen konnte. Die Beschäftigungspflicht ist rechtskräftig entschieden. Im Zwangsvollstreckungsverfahren ist diese Entscheidung zu respektieren. Damit steht fest, dass dem Schuldner die fragliche Beschäftigung des Gläubigers mit den im Vollstreckungstitel genannten Tätigkeiten weder unmöglich noch unzumutbar ist. Es könnte allenfalls eine nachträglich eingetretene Erfüllung des Anspruchs oder eine auf Seiten des Schuldners, nicht des Gläubigers, nachträglich eingetretene Unmöglichkeit, der Verpflichtung nachzukommen, berücksichtigt werden. Auf solche Umstände bezieht sich der Schuldner aber nicht. Angesichts seiner rechtskräftigen Verurteilung gehen seine Einwendungen ins Leere. Ob ein Verfahren nach § 767 ZPO Aussicht auf Erfolg hat, ist hier nicht zu prüfen.

Abzuändern ist aber, ohne dass sich dies auf die Zulässigkeit der getroffenen Maßnahme im Übrigen auswirkt, der Betrag des festzusetzenden Zwangsgeldes. Da es sich nicht um ein Ordnungsgeld handelt, das für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzen ist, sondern um ein Zwangsmittel, das nur vollstreckt werden kann, bis der Schuldner der im Vollstreckungstitel angeordneten Verpflichtung nachkommt, scheidet es von vornherein aus, einen auf den Tag oder die Dauer der Nichtbeschäftigung bezogenen Betrag festzusetzen. Während die nicht lediglich ersatzweise, sondern anstelle eines Zwangsgeldes angeordnete Zwangshaft bis zur gesetzlichen Höchstgrenze solange fortdauert, bis die geschuldete Handlung erfolgt ist, wird der festgesetzte Geldbetrag so lange vollstreckt, bis das Vollstreckungsziel erreicht ist oder der Betrag beigetrieben ist. Danach kann sich die Zwangsvollstreckung in diesem Sinne wiederholen. Wird aber die Handlung vorgenommen, ist jede Zwangsvollstreckung ausgeschlossen. Dasselbe gilt, wenn sie unmöglich geworden ist. Bei der Verurteilung zur Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann deshalb die Vollstreckung nur für die Gegenwart erfolgen. Für die Vergangenheit kann das Zwangsgeld, da es keine Ordnungs-, sondern eine Beugemaßnahme ist, nicht mehr vollstreckt werden. Entschließt sich deshalb der Schuldner nach Einleitung der Zwangsvollstreckung zur angeordneten Beschäftigung des Arbeitnehmers, ist die Zwangsvollstreckung unzulässig und das Verfahren gegebenenfalls durch den Gläubiger für erledigt zu erklären (§ 891 Satz 2 ZPO). Wenn aber für jeden Tag der Nichtbeschäftigung ein Zwangsgeld festgesetzt wird, ist dies zum einen missverständlich, weil die Entscheidung so verstanden werden könnte, dass das Zwangsgeld zu bezahlen ist, auch wenn die Leistung für die Vergangenheit durch Zeitablauf unmöglich geworden ist ("für jeden Tag der Nichtbeschäftigung ..."!). Zum anderen wird aber der Zwangsgeldbetrag der Höhe nach unbestimmt, wenn die Entscheidung so auszulegen sein sollte, dass sich das im Hinblick auf die gegenwärtige Beschäftigungspflicht verhängte Zwangsgeld mit jedem Tag der Weigerung in der Vergangenheit erhöhen soll. Dies erscheint aber nicht zulässig, da das Zwangsgeld nach der Konzeption des § 888 Abs. 1 ZPO in einer bestimmten Höhe festzusetzen ist. Dies gilt auch für die ersatzweise festzusetzende Zwangshaft.

Soweit in § 101 Satz 3 BetrVG ein Höchstmaß an Zwangsgeld für jeden Tag der Zuwiderhandlung des Arbeitgebers bestimmt, handelt es sich um eine Sondervorschrift, die auf das Verfahren nach § 888 ZPO keinen Einfluss hat. Im Übrigen spricht viel dafür, dass auch im Rahmen des § 101 BetrVG ein bestimmter Betrag festzusetzen ist, der lediglich der Höhe nach durch die Tage, die der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts mit der Befolgung der gerichtlichen Anordnung in Rückstand geraten ist, und den gesetzlichen Höchstbetrag für einen Tag begrenzt ist. Eine solche Einschränkung ist im Rahmen des § 888 ZPO nicht gegeben. Bei der Bemessung des Zwangsgelds kann aber durchaus die Beharrlichkeit, mit der der Schuldner sich bislang geweigert hat, der gerichtlichen Anordnung Folge zu leisten, berücksichtigt werden. Umgekehrt hat es der Schuldner in der Hand, durch Befolgung des Urteils die Notwendigkeit zu vermeiden, das Zwangsgeld entrichten zu müssen. Die Art, wie der Schuldner sein Einkünfte (Spenden, Beiträge) erzielt, ist dabei unbeachtlich, da diese kein Vorwand dafür sein kann, gerichtliche Urteile zu negieren. Auch die Frage der Vergütungsdifferenz ist für die Höhe nicht entscheidend, weil es sich hier um die Art der Tätigkeit handelt, der nicht lediglich ein bestimmter Geldbetrag als Parameter zugeordnet ist, sondern der Inhalt des Vertrags bezüglich der geschuldeten Tätigkeit und der Grundsatz der Vertragstreue sind die wesentlichen Faktoren, die als Maßstab für die Bemessung des Zwangsgeldes heranzuziehen sind. Eine diesbezügliche fehlende Bestimmung im Zwangsgeldbeschluss verstößt gegen rechtsstaatliche Grundsätze, wonach in der Zwangsvollstreckung der Schuldner nicht nur genau wissen muss, welche Leistung er zu erbringen hat, sondern auch die Folgen, die seitens der staatlichen Behörden gegen ihn verhängt werden, präzise einschätzen können muss. Es liegt am Gläubiger, die Maßnahme gegebenenfalls wieder erneut verhängen zu lassen, wenn der Schuldner seiner Leistungspflicht nicht nachkommt.

Da die vorzunehmende Änderung der angegriffenen Entscheidung die Stellung des Schuldners aus der Sicht seiner Beschwer nicht wesentlich ändert, sondern nur die Zwangsmittel präzisiert, die gegen ihn zu verhängen sind, wirkt sich dieser Teil der Abänderung nach §§ 891 Satz 3, 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO bei der Kostenentscheidung zu Lasten des Schuldners nicht aus.

Der nach § 25 Abs. 2 GKG festzusetzende Gebührenwert ergibt sich aus dem Interesse des Schuldners, die vorliegende, hier präzisierte, Vollstreckungsmaßnahme aufzuheben.

Gegen diese Entscheidung findet kein Rechtsmittel statt.

Ende der Entscheidung

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