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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 08.05.2000
Aktenzeichen: 1 Ta 24/00
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO, BGB
Vorschriften:
BRAGO § 128 | |
BRAGO § 128 Abs. 4 | |
BRAGO § 128 Abs. 5 Satz 1 | |
ZPO §§ 91 ff. | |
ZPO § 114 | |
ZPO § 121 Abs. 2 Satz 1 | |
ZPO § 124 | |
BGB § 242 |
1 Ta 24/00
Beschluss vom 08.05.2000
In dem Beschwerdeverfahren
pp.
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 1. Kammer - durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Baur ohne mündliche Verhandlung am 08.05.2000
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziff. 1 werden die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kn. Aalen - vom 26.01.2000 - 9 Ca 155/99 und 164/99 - und vom 03.02.2000 - 9 Ca 155/99 und 164/99 - aufgehoben:
Die Anträge des Beteiligten Ziff. 1 auf Gewährung der von der Landeskasse zu zahlenden Vergütung vom jeweils 12.01.2000 in den Verfahren 9 Ca 155/99 und 164/99 werden zur erneuten Bescheidung an das Arbeitsgericht Stuttgart - Kn. Aalen - zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Der Beteiligte Ziff. 1 ist gemäß § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO in den Ausgangsverfahren 9 Ca 155/99 und 164/99 jeweils dem Kläger beigeordnet worden. Im Ausgangsverfahren 9 Ca 155/99 hat er sich gegen die Auffassung der Beklagten, das Arbeitsverhältnis sei durch Befristung zum 28.02.1999 aufgelöst worden, gewendet. Die Beklagte hat mit der am 22.03.1999 zugegangenen Kündigung vorsorglich zum 30.04.1999 gekündigt. Diese Kündigung hat der Kläger für sozialwidrig gehalten und erneut Klage erhoben, die den Gegenstand des Ausgangsverfahrens 9 Ca164/99 gebildet hat. Für beide Verfahren ist dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt worden unter Beiordnung des Beteiligten Ziff. 1. Im Ausgangsverfahren 9 Ca 155/99 haben die Parteien einen Prozessvergleich geschlossen, in dem auch die Erledigung des Ausgangsverfahrens 9 Ca 164/99 vereinbart wurde. Der Beteiligte Ziff. 1 hat für beide Verfahren erneut die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen beantragt.
Das Arbeitsgericht hat im Beschluss vom 26.01.2000 für beide Verfahren die Gebühren und Auslagen festgesetzt und lediglich den Streitwert dem Ausgangsverfahren 9 Ca 155/99 zu Grunde gelegt mit der Begründung, die Erhebung des Verfahrens 9 Ca 164/99 sei unter Kostengesichtspunkten überflüssig gewesen; der Kläger sei gehalten gewesen, die Klage im Verfahren 9 Ca 155/99 zur Geltendmachung des Kündigungsschutzes zu erweitern, statt eine weitere selbstständige Kündigungsschutzklage zu erheben. Der vom Beteiligten Ziff. 1 eingelegten Erinnerung hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen.
II.
Die gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 03.02.2000 gerichtete Beschwerde ist nach § 128 Abs. 4 BRAGO statthaft und auch im Übrigen zulässig und begründet.
Die vom Arbeitsgericht vorgenommene, einheitliche Vergütungsfestsetzung für beide Ausgangsverfahren ist nicht statthaft. Vielmehr sind für jedes der beiden Ausgangsverfahren die Vergütungen und Auslagen des Beteiligten Ziff. 1 festzusetzen. Deshalb sind die insoweit abweichenden Beschlüsse des Arbeitsgerichts aufzuheben und die Anträge auf Vergütungsfestsetzung erneut vom Arbeitsgericht zu bescheiden.
1. Die Vorschrift des § 114 ZPO nennt abschließend die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um Prozesskostenhilfe gewähren zu können. Dazu zählt auch die Frage der Mutwilligkeit der -hier - beabsichtigten Rechtsverfolgung. Sie ist nach wie vor zu bejahen, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (vgl. Zöller/Philippi,ZPO, 20. Aufl., § 114 Rz. 30; m. w. N.). Mutwillig handelt danach,wer den kostspieligeren von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen beschreitet(Zöller/Philippi a. a. O. Rz. 34; m. w. N.).
Geht man davon aus, dass bei einer Folge von Feststellungsanträgen eine Klageerweiterung der kostengünstigere und auch zumutbare Weg im Verhältnis zur Einleitung von zwei getrennten Klageverfahren darstellt, so kann dem Prozesskostenhilfe-Antrag im Folgeverfahren wegen Mutwilligkeit nicht entsprochen werden.
2. Ob diese Voraussetzungen im Folgeverfahren 9 Ca 164/99 gegeben waren, kann dahinstehen. Das Arbeitsgericht hat in beiden Ausgangsverfahren jeweils Prozesskostenhilfe gewährt und den Beteiligten Ziff. 1 beigeordnet und in den Gründen jeweils u. a. ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei nicht mutwillig.
Es kann die Frage dahinstehen, ob und inwieweit die Bewilligung der Prozesskostenhilfe in materielle Rechtskraft erwachsen kann. Der Gesetzgeber geht jedoch nicht von einer jederzeitigen Überprüfbarkeit dergewährten Prozesskostenhilfe selbst und deren Voraussetzungen aus. Das ergibt sich aus der Vorschrift des § 124 ZPO, die die Aufhebung der Prozesskostenhilfe nur bei Vorliegen der dort im Einzelnen genannten Tatbestände gestattet. Hieraus wird zutreffend gefolgert, dass die Voraussetzungen, unter denen die Prozesskostenhilfe gewährt wurde, nicht den Gegenstand einer erneuten Überprüfung bilden kann, sofern nicht einer der vorgenannten Ausnahmetatbestände vorliegt. So ist es anerkannt, dass das Gericht die Frage der Erfolgsaussicht nicht erneut prüfen darf, also auch dann nicht, wenn die Prüfung auf einer besseren Erkenntnis der Rechtslage beruht (vgl. Zöller/Philippia. a. O. § 124 Rz. 2).
3. Nichts anderes gilt im Bereich der Prüfung der Mutwilligkeit. Ist ihr Vorliegen verneint, so kann diese Frage nicht mehr den Gegenstand einer erneuten Prüfung bilden. Das setzt sich fort im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 128 BRAGO. Es ist zwar einhellig anerkannt, dass auch im Vergütungsfestsetzungsverfahren die Notwendigkeit des Entstehens von Kosten i. S. des § 91 ZPO zu prüfen ist. Der Prüfungsmaßstab ist jedoch eingeschränkt durch die unanfechtbar gewordene Feststellung, die Rechtsverfolgung als solche sei nicht mutwillig. Insoweit ist eine Einschränkung des Bestandes der Prozesskostenhilfe - durch welches Nachverfahren auch immer - unstatthaft. Deshalb ist auch im Vergütungsfestsetzungsverfahren die Verweigerung der Vergütung mit einer Begründung ausgeschlossen, die in ihrem Zuschnitt erneut die Frage der Mutwilligkeit umschließt (Gerold/Schmidt/v.Eicken, BRAGO, 14. Aufl., § 128, Rz. 9; m. w. N.). Das hat aber das Arbeitsgericht getan, indem es den Kläger auf die kostengünstigere Variante der Klageerweiterung verwiesen hat.
Das Vergütungsfestsetzungsverfahren darf sich auch deshalb nicht in Widerspruch zur gewährten Prozesskostenhilfe setzen, weil die Wertvorstellungen in den Vorschriften der §§ 91 ff. und der §§ 114 ZPO nicht unterschiedlich sind.
4. Die Richtigkeit der vorstehenden Erwägungen ergibt sich aus dem auch das Verfahrensrecht beherrschenden Grundsatz des Vertrauensschutzes (Verbot des venire contra factum proprium). Mit der Gewährung derProzesskostenhilfe auch unter dem Aspekt der Mutwilligkeit darf die Partei davon ausgehen, den unter Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall kostengünstigsten Klageweg zu beschreiten. Die Partei kann deshalb im Vertrauen auf den Bestand der Prozesskostenhilfe- Bewilligung die Kostenverursachenden Maßnahmen durchführen, also etwa wie hier eine weitere Klage erheben. Dieser Vertrauensschutz wirkt in das Vergütungsfestsetzungsverfahren weiter, in welchem der Partei nicht entgegengehalten wurde, die Kostenverursachenden Maßnahmen seien doch mutwillig gewesen, weil es einen kostengünstigeren Weg gegeben hätte. Dies stellte ein widersprüchliches Verhalten des Gerichts dar, das mit dem auf § 242 BGB zurückzuführenden Vertrauensschutz nicht vereinbar ist.
5. Die hiervon abweichende Rechtsprechung (vgl. etwa LAG München,Beschluss v. 07.02.1994, JurBüro 1996, 535 m. w. N.) verkennt das Verbot der erneuten Prüfung der Mutwilligkeit im Vergütungsfestsetzungsverfahren im Gewand der Notwendigkeit der Kosten i. S. des § 91 ZPO. Ihr ist aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen. Die frühere Rechtsprechungder 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (vgl. etwaBeschl. v. 11.08.1993 - 1 Ta 25, 26 und 27/93) wird aus den genannten Gründen nicht aufrechterhalten.
III.
Diese Entscheidung ergeht nach § 128 Abs. 5 Satz 1 BRAGO gebührenfrei.
Ende der Entscheidung
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