Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 22.07.2003
Aktenzeichen: 11 Sa 36/03
Rechtsgebiete: MTV, BGB


Vorschriften:

MTV § 18
MTV § 18 Ziff. 18.1.2
MTV § 18 Ziff. 18.2
BGB § 151
BGB § 516
BGB § 518
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 11 Sa 36/03

Verkündet am 22.07.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 11. Kammer -durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bernhard, den ehrenamtlichen Richter Gutmann und den ehrenamtlichen Richter Stadelhofer

auf die mündliche Verhandlung vom 22.07.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 17.03.2003, Az. 3 Ca 232/03, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Kläger, allesamt langjährige Beschäftigte der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen, teilweise bereits Ruheständler, Anspruch auf Zahlung einer Jubiläumszuwendung aus Anlass ihres 25- bzw. 40-jährigen Dienstjubiläums haben.

Der Kläger zu 1 ist seit 31.07.1956, der Kläger zu 2 seit 25.10.1956, der Kläger zu 3 seit 16.04.1956, der Kläger zu 4 seit 03.04.1956, die Kläger zu 5, 6 und 7 seit 06.09.1971, der Kläger zu 8 seit 23.04.1957 und der Kläger zu 9 seit 24.04.1957 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt und feierte zum jeweils gleichlautenden Kalendertag 40 Jahre (Kläger zu 1 bis 4 und 8 sowie 9) bzw. 25 Jahre (Kläger zu 4 bis 6) später sein 40-jähriges bzw. 25-jähriges Dienstjubiläum. Die Beklagte betreibt in xxxxxxxxxxxx eine Landmaschinenfabrik. Eine ihrer Rechtsvorgängerinnen gab im Jahre 1977 eine Personalinformation 4.6 heraus, die in der am 1. Januar 1984 gültigen Fassung unter anderem wie folgt lautete:

II. Jubiläumszuwendungen

1. Jubilarenehrengabe

Im Monat seines Dienstjubiläums erhält der Jubilar ein Geldgeschenk.

Diese freiwillige Sozialleistung des Unternehmens beträgt:

bei 25jährigem Dienstjubiläum 1 Monats entgelt brutto

bei 40jährigem Dienstjubiläum 2 Monatsentgelte brutto

bei 50jährigem Dienstjubiläum 2 Monatsentgelte brutto.

Unter dem 06.10.1995 gab die damalige Geschäftsleitung unter dem Eindruck einer immer schwieriger werdenden wirtschaftlichen Situation des Unternehmens ein Schreiben folgenden Inhalts an die Belegschaft aus:

Bekanntmachung

Einstellung der Jubiläumszahlungen

Aufgrund geänderter Steuervorschriften ist es uns leider unmöglich, die bisher gewährten Jubiläumszahlungen in der praktizierten Form beizubehalten.

Aus diesem Grunde werden die Zahlungen mit Wirkung vom 01. Oktober 1995 eingestellt.

Wir sind sicher, dass wir im Frühjahr 1996 eine Möglichkeit finden werden, Dienstjubiläen in geänderter Form auf absolut freiwilliger Basis entsprechend zu honorieren.

Hierauf wandte sich der Betriebsrat mit Schreiben vom 22.11.1995 an die Geschäftsleitung der Rechtsvorgängerin der Beklagten und widersprach der Einstellung der Jubiläumszahlungen mit folgender Formulierung:

"... Wir gehen davon aus, dass es bei der Jubiläumsgeldregelung um eine Gesamtzusage handelt, zumindest aber um eine betriebliche Übung, entsprechend der Einschätzung ihres Firmenanwalts.

In diesem Fall ist nach der herrschenden Rechtsauffassung eine vertragliche Bindungswirkung eingetreten, die eine Rücknahme der Leistung, einen Widerruf o. ä. nicht mehr zulässt.

Die Bindungswirkung hinsichtlich der bestehenden Arbeitsverhältnisse wird nach unserer Meinung nicht dadurch beseitigt, dass die Geschäftsleitung ein Jahr die Zahlungen einstellt und dann später eine andere Regelung einführt.

Deshalb widerspricht der Betriebsrat Ihrem Schreiben vom 22. September 1995. Alle betroffenen Betriebsangehörigen haben einen individuellen vertraglichen Anspruch auf das Jubiläumsgeld, so dass der Betriebsrat die Einstellung der Zahlungen für nicht rechtmäßig hält."

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Metallindustrie Südbaden vom 08. Mai 1990 kraft Verbandszugehörigkeit Anwendung. § 18 MTV enthielt eine Ausschlussfristenregelung mit folgendem Inhalt:

"18.1 Ansprüche der Beschäftigten aus dem Arbeitsverhältnis sind dem Arbeitgeber gegenüber folgendermaßen geltend zu machen:

18.1.1. Ansprüche auf Zuschläge aller Art innerhalb von 2 Monaten nach Fälligkeit;

18.1.2. Alle übrigen Ansprüche innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit, spätestens jedoch innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Ansprüche die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verjährt, es sei denn, dass der Beschäftigte durch unverschuldete Umstände nicht in der Lage war, diese Fristen einzuhalten.

18.2 Wenn ein Anspruch vom betroffenen Arbeitnehmer oder schriftlich durch den Betriebsrat dem Grunde nach geltend gemacht ist, dann ist, solange der Anspruch nicht erfüllt ist, eine nochmalige Geltendmachung auch für sich anschließende Ansprüche nicht erforderlich."

Der Kläger zu 8 hat mit Schreiben vom 10.07.1997 die Jubiläumszuwendung geltend gemacht, der Kläger zu 9 behauptet eine mündliche Geltendmachung Ende April 1997, für die restlichen Kläger erfolgte eine gesonderte Geltendmachung vor Erhebung der streitgegenständlichen Zahlungsklage am 23.12.1998 (Kläger zu 1), 24.12.1998 (Kläger 2 bis 6) und 30.12.1998 (Kläger zu 7) nicht.

In ihren unter den angegebenen Daten beim Arbeitsgericht jeweils eingegangenen Klagen haben die Kläger die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die Jubilarenehrengabe in Höhe eines Monatsgehalts (Kläger zu 5 bis 7) bzw. zweier Monatsgehälter (Kläger 1 bis 4 sowie 8 und 9) zu zahlen, weil die Personalinformationen aus 1977 und 1984 eine entsprechende Gesamtzusage beinhalteten. Diese Gesamtzusage enthalte keinen Freiwilligkeitsvorbehalt, welcher dem Unternehmen das Recht einräumen würde, die Zahlungen jederzeit wieder einzustellen. Die Formulierung "freiwillige Sozialleistung" reiche für einen Widerrufsvorbehalt nicht aus. Die komplette Streichung der Jubiläumszuwendung halte auch der gegebenenfalls erforderlichen Billigkeitskontrolle nicht stand, die Interessen der Kläger seien dabei nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Die Kläger haben deshalb unter Berücksichtigung ihrer individuellen, im Übrigen unstreitigen Vergütungsansprüche, nachdem das Arbeitsgericht ihre Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte, folgende Anträge gestellt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, folgende Zahlungen zu leisten:

a) an den Kläger Kxxxxxxx 7.410,66 € nebst 4 % Zinsen seit dem 01.06.1996,

b) an den Kläger Sxxxxxxxx 6.286,84 € nebst 4 % Zinsen seit dem 01.09.1996,

c) an den Kläger Exxxxxxx 4.896,13 € nebst 4 % Zinsen seit dem 01.03.1996,

d) an den Kläger Bxxxxxx 6.393,19 € nebst 4 % Zinsen seit dem 01.03.1996,

e) an den Kläger Mxxxx 2.215,94 € nebst 4 % Zinsen seit dem 01.08.1996,

f) an den Kläger Wxxxxxx 2.343,25 € nebst 4 % Zinsen seit dem 01.08.1996,

g) an den Kläger Fxxxx 3.528,94 € nebst 4 % Zinsen seit dem 01.08.1996,

h) an den Kläger Lxxxxxxxxxx 5.118,03 € nebst 4 % Zinsen seit dem 01.06.1997 und

i) an den Kläger Axxxxxx 5.380,84 € nebst 4 % Zinsen seit dem 01.03.1997.

Die Beklagte hat

Klagabweisung

beantragt.

Sie hat die Auffassung vertreten, durch die in der Personalinformation jeweils angegebenen Zusätze "Geldgeschenk" und "freiwillige Sozialleistung" habe die damalige Arbeitgeberin für die Arbeitnehmer erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass sie sich rechtlich nicht binden wolle. Die Streichung der Jubiläumsleistungen sei auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Situation gerechtfertigt gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und den Klägern die eingeklagten Jubiläumszahlungen zugesprochen. Es hat auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in einem Parallelverfahren xxxxxx/xxxxxxxxxx (10 AZR 48/02) verwiesen und sich der dort geäußerten Rechtsauffassung angeschlossen, wonach die Begriffe "Ehrengabe", "Geldgeschenk" und "freiwillige Sozialleistung" aus der Sicht der damaligen Arbeitgeberin und der betroffenen Arbeitnehmer nur die besondere Großzügigkeit der Zahlung einer Jubiläumszuwendung betonen sollte, nicht aber den Vorbehalt der Widerruflichkeit erkennen ließen. Es hat darüber hinaus die Auffassung vertreten, durch das Schreiben des Betriebsrats vom 22.11.1995 seien die Ansprüche aller betroffenen Arbeitnehmer geltend gemacht worden. Nach dem Wortlaut des Schreibens ergebe sich dies nicht nur für die bereits fälligen, sondern erst recht für die zukünftigen Ansprüche. Dem Zweck der tariflichen Ausschlussfrist, dem Arbeitgeber vor Augen zu führen, mit welchen Ansprüchen er rechnen müsse, sei das Schreiben des Betriebsrats vom 22.11.1995 ausreichend gerecht geworden. Mehr verlange die tarifliche Regelung nicht.

Mit ihrer am 25.04.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung gegen das ihr am 10.04.2003 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 17.03.2003 verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klagabweisung weiter. Sie will der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, auf das das Arbeitsgericht sein Urteil im Wesentlichen gestützt hat, nicht folgen und vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Begriffe "freiwillige Sozialleistung" und "Geldgeschenk" nur so verstanden werden können, dass von einem Verpflichtungswillen der Beklagten nicht ausgegangen werden konnte und durfte.

Die Beklagte ist ferner der Auffassung, dass das Schreiben des Betriebsrats vom 22.11.1995 keine Geltendmachung für die einzelnen Arbeitnehmer beinhalte, denn der Betriebsrat habe mit Sicherheit nicht für alle Beschäftigten tätig werden wollen, die einen eventuellen Anspruch hätten geltend machen können. Der Betriebsrat sei auch nicht von allen Arbeitnehmern beauftragt worden, vielmehr habe der Betriebsrat lediglich seine Rechtsauffassung dargestellt.

Im Übrigen könnten Ansprüche nur geltend gemacht werden, wenn sie bereits entstanden sind, dies aber sei zum Zeitpunkt des Schreibens des Betriebsrats hinsichtlich aller Kläger des vorliegenden Verfahrens nicht der Fall gewesen, da diese ihr Betriebsjubiläum noch nicht erreicht gehabt hätten. Zum Zeitpunkt des Schreibens sei eine Vielzahl von Fallkonstellationen denkbar gewesen, die das Entstehen eines Anspruchs noch hätten verhindern können.

Schließlich behauptet die Beklagte, die den Rechtsstreit entscheidende Kammer des Arbeitsgerichts sei nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall nicht zuständig gewesen, insoweit habe der unzuständige Richter entschieden, dies allein führe dazu, dass der Berufung stattzugeben und das Verfahren an das Arbeitsgericht zurück zu verweisen sei.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach, Kammern Radolfzell, vom 17.03.2003 Az.: 3 Ca 232/03 (vormals 3 Ca 93/00), wird abgeändert:

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kläger/Berufungsbeklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die Berufung für unzulässig, weil sie sich nicht ausreichend mit dem Urteil des Arbeitsgerichts auseinandersetze, außerdem sei sie unbegründet, denn die Kläger hätten, wie schon vom Bundesarbeitsgericht entschieden, Anspruch auf die geltend gemachte Jubiläumszuwendung. Der Vorbehalt des Widerrufs der Zuwendung könne aus den Bezeichnungen "freiwillige Sozialleistung" und "Geldgeschenk" nicht entnommen werden.

Die tarifliche Ausschlussfrist sei gewahrt durch das Schreiben des Betriebsrats vom 22.11.1995. Der Warnfunktion sei auch dann genügt, wenn der Gläubiger seinen Anspruch vorzeitig, also vor Fälligkeit, geltend macht. Auch dies habe das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden. Ob der unzuständige Richter in erster Instanz entschieden habe, könne offen bleiben, da die Beklagte in dem teilweise über fünf Jahre anhängigen Rechtsstreit, sich immer rügelos eingelassen habe.

Dass der Kläger zu 9 seine Ansprüche mündlich im April 1997 geltend gemacht hätte, bestritt die Beklagte im Berufungstermin. Das zuvor schriftsätzlich erfolgte Bestreiten der Geltendmachung durch den Kläger zu 8 wurde dagegen nicht aufrecht erhalten, es beruhte wohl auf einer Verwechslung der Kläger zu 8 und 9.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens erster und zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze im ersten Rechtszug sowie die Berufungsbegründung und -erwiderung und die Replik der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Zahlung von Jubiläumszuwendungen an die neun Kläger in unstreitiger Höhe zu Recht entsprochen, die Angriffe der Berufung in ihren drei Teilen (1. Wegfall der Anspruchsgrundlage durch Widerruf der Zuwendungszusage; 2. Verfall der Ansprüche wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung nach tarifvertraglicher Regelung und 3. Entscheidung des Rechtsstreits durch den unzuständigen Richter in erster Instanz) rechtfertigen weder die Abänderung noch gar die Aufhebung des angegriffenen Urteils.

1. Die Beklagte hat ihren Mitarbeitern, zu denen auch die Kläger seit 1956 (Kläger zu 1 bis 4), 1957 (Kläger zu 8 und 9) bzw. 1971 (Kläger zu 5 bis 7) gehören, in der Personalinformation 4.6 von 1977 und 1984 eine Jubiläumszuwendung in Höhe eines Monatsentgelts bei 25-jährigem Dienstjubiläum und von zwei Monatsentgelten bei 40-jährigem Dienstjubiläum zugesagt. Diese Zusage stellt sich als Gesamtzusage dar, also als eine an alle Arbeitnehmer in allgemeiner Form gerichtete Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen zu erbringen. Die Arbeitnehmer erwerben dann einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistungen, wenn sie die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Einer ausdrücklichen Annahmeerklärung des in der Gesamtzusage enthaltenen Angebots bedarf es nicht. Dies ergibt sich aus § 151 BGB (vgl. BAG Urt. v. 10.12.2002 - 3 AZR 92/02 - unt. Hinw. auf BAG Großer Senat, 16.9.1986, GS 1/82, BAGE 53, 42). Dass die Kläger allesamt die in der Gesamtzusage festgelegte Voraussetzung, nämlich das Erreichen einer Betriebszugehörigkeit von 25- bzw. 40 Jahren erfüllt haben, ist zwischen den Parteien nicht streitig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese Gesamtzusage durch das Schreiben der Beklagten an die Belegschaft vom 6.10.1995 nicht wirksam widerrufen worden. Der Widerruf einer Gesamtzusage, aus der die Arbeitnehmer einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen erwerben, ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber sich den Widerruf erkennbar für die begünstigten Arbeitnehmer vorbehalten hat und insoweit die Gesamtzusage eingeschränkt ist. Der Widerrufsvorbehalt kann ausdrücklich erfolgen, er kann sich aber auch aus einer Gesamtbewertung der Formulierung der Zusage ergeben. Von beidem ist vorliegend aber nicht auszugehen.

Ein ausdrücklicher Widerrufsvorbehalt enthält die Gesamtzusage nicht. Die Beklagte sieht den Vorbehalt sowohl in der Formulierung "freiwillige Sozialleistung" als auch in dem Begriff "Geldgeschenk", letztlich vor allem aber aus der Kombination beider Begriffe. Dem folgt das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit dem Bundesarbeitsgericht in dessen Entscheidung vom 23.10.2002 (10 AZR 48/02) nicht. Das Bundesarbeitsgericht weist zu Recht darauf hin, dass die Bezeichnung der Jubiläumszuwendung als "freiwillige Sozialleistung" nicht den Schluss zulässt, die Zusage stehe unter einem Widerrufsvorbehalt. Der Begriff "freiwillige Sozialleistung" bringt für die von der Gesamtzusage begünstigten Arbeitnehmer nicht unmissverständlich zum Ausdruck, dass sich der Arbeitgeber eine grundsätzlich freie Lösung von der gegebenen Zusage vorbehält, sondern kann auch so verstanden werden, dass sich der Arbeitgeber ohne Zwang, also freiwillig, zur Erbringung der Leistung verpflichtet, ohne dazu durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz gezwungen zu sein. Will aber der Arbeitgeber in der Gesamtzusage eine vertragliche Bindung verhindern, so muss er dies in seiner Erklärung gegenüber den Arbeitnehmern unmissverständlich deutlich machen, beispielsweise dergestalt, dass er die Leistung "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" oder "jederzeit widerruflich" in Aussicht stellt.

Auch die Bezeichnung der Zuwendung als Geldgeschenk lässt nicht auf einen Widerrufsvorbehalt schließen. Ebenso wie mit dem Begriff "Jubilarenehrengabe" unterstreicht so der Unternehmer seine Großzügigkeit, stellt aber nicht die rechtliche Bindung in Frage, denn die Jubiläumszuwendung ist kein Geschenk im Sinne des § 516, 518 BGB, selbst wenn der Arbeitgeber sie so bezeichnet, sondern ein Entgelt, mit dem eine Anerkennung für geleistete Dienste und ein Anreiz für weitere Dienstleistungen erfolgt (BAG 23.10.2002, a.a.O., m. w. N.). Der Entgeltcharakter, der sich daraus ergibt, dass eine Anerkennung für geleistete Dienste und nicht nur für den Ablauf einer bestimmten Betriebszugehörigkeitsdauer erteilt werden sollte, wird auch deutlich in dem von der Beklagten vorgelegten Musterschreiben, das den jeweils betroffenen Beschäftigten zusammen mit einem Präsent übersandt wurde (Bl. 96 d. Akte d. Arbeitsgerichts). Hier heißt es ausdrücklich: "Sie haben in diesen 25 Jahren immer ihre ganze Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung gestellt. Hierfür möchten wir Ihnen ganz besonders danken".

Gibt aber weder der Begriff "freiwillige Sozialleistung" noch das Wort "Geldgeschenk" einen Hinweis auf die fehlende Bindungswirkung der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, so kann auch die Kombination beider Begriffe im begünstigten Arbeitnehmer nicht zwingend die Auffassung erwecken, er dürfe sich nicht auf einen Anspruch aus der Gesamtzusage der Beklagten verlassen. Weder heute noch im Jahr 1977 muss ein Arbeitnehmer, der die Zusage des Arbeitgebers kennt, wonach er definitiv eine Jubiläumszuwendung "erhält", davon ausgehen, dass dem Arbeitgeber die 25-jährige oder 40-jährige Tätigkeit im Betrieb zu einem späteren Zeitpunkt weniger wert erscheint. Will der Arbeitgeber sich deshalb nicht dauerhaft binden, muss er dies klarer und deutlicher zum Ausdruck bringen, als dies auch eine Kombination der Begriffe "Ehrengabe", "Geldgeschenk" und "freiwillige Sozialleistungen" zu bewirken vermag.

2. Auch die Ausschlussfrist des § 18 Ziff. 18.1.2 MTV hat nicht zum Wegfall des streitigen Anspruchs geführt, weil der bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten gebildete Betriebsrat ihn mit dem Schreiben an die Geschäftsleitung vom 22. November 1995 gemäß § 18 Ziff. 18.2 MTV rechtzeitig und formgerecht geltend gemacht hat. Eine Bezifferung war nach der genannten Tarifnorm nicht erforderlich, die Geltendmachung dem Grunde nach genügte.

Wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 23.10.2002 ausgeführt hat, hat der Betriebsrat mit der Formulierung "alle betroffenen Betriebsangehörigen haben einen individuellen vertraglichen Anspruch auf das Jubiläumsgeld, so dass der Betriebsrat die Einstellung der Zahlungen für nicht rechtmäßig hält", unmissverständlich deutlich gemacht, dass es ihm nicht bloß um einen kollektivrechtlichen Beteiligungsanspruch, sondern eben gerade um einen individuellen vertraglichen Anspruch der Betroffenen geht. Entgegen der Auffassung der Beklagten muss der Betriebsrat den Anspruch auch nicht ausdrücklich im Namen und Auftrag des Arbeitnehmers geltend machen, um dem tariflichen Erfordernis gerecht zu werden. Die Geltendmachung durch den betroffenen Arbeitnehmer selbst und die Geltendmachung durch den Betriebsrat wird in § 18.2 gleichgestellt und hat die identische Wirkung, nämlich die, dass solange der Anspruch nicht erfüllt ist, eine nochmalige Geltendmachung auch für sich anschließende Ansprüche nicht erforderlich ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner zitierten Entscheidung offen gelassen, ob mit dem Schreiben des Betriebsrats vom 22.11.1995 auch der Verfall entsprechender Ansprüche künftiger Jubilare verhindert werden konnte. Die Kläger hatten allesamt ihr Jubiläum erst nach der Intervention des Betriebsrats, nämlich in den Jahren 1996 bzw. 1997. Mit dem Arbeitsgericht geht auch das Landesarbeitsgericht davon aus, dass die Intervention des Betriebsrats die Ausschlussfristen auch für die Arbeitnehmer wahrte, die von der Gesamtzusage erfasst waren, auch wenn das die Zuwendung auslösende Ereignis erst noch bevorstand. Gerade weil der Betriebsrat die Ansprüche geltend machte und in seinem Schreiben deutlich werden ließ, dass er den Widerruf der Gesamtzusage insgesamt für unzulässig hielt und ihr keine Rechtswirksamkeit beimaß, musste die Beklagte davon ausgehen, dass die Intervention Dauerwirkung für alle begünstigten Arbeitnehmer haben sollte. Die Warnfunktion der Geltendmachung war damit erfüllt. Ein immer wiederkehrender gleichbleibender Hinweis des Betriebsrats auf seine Rechtsauffassung wäre reine Förmelei gewesen und war nicht zu erwarten. Gerade ein solches beständiges Neuintervenieren in gleicher Sache will § 18.2 MTV überflüssig machen.

Dem steht auch nicht entgegen, dass nach § 18.1.2 alle Ansprüche innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen sind. Es ist rechtlich unerheblich, wenn die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs zeitlich vor dessen Fälligkeit erfolgt. Sinn und Zweck der Ausschlussfristenregelung ist es, den Arbeitgeber zu warnen, dass derartige Ansprüche erhoben werden. Dieser Warnfunktion ist auch genügt, wenn der Arbeitnehmer seinen Anspruch vorzeitig geltend macht (vgl. BAG Urt. v. 27.3.1996,10 AZR 668/95 AP Nr. 134 zu § 4 TVG Ausschlussfristen). Dies gilt für die Geltendmachung durch den Betriebsrat genauso.

Die Argumentation der Beklagten, zum Zeitpunkt der Geltendmachung durch den Betriebsrat habe noch gar nicht festgestanden, ob die Arbeitnehmer die Voraussetzung für den Erhalt der Jubiläumszuwendung aus der Gesamtzusage überhaupt erfüllen würden, ist nicht entscheidungserheblich. Auch im zitierten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27.3.1996 stand im Zeitpunkt der vorfälligen Geltendmachung des Anspruchs durch den Arbeitnehmer nicht fest, ob dieser den dort streitigen Sozialplananspruch erwerben würde, weil dies vom Ausgang der laufenden Kündigungsschutzklage abhing. Dennoch hat das Bundesarbeitsgericht die vorfällige Geltendmachung als ausreichend angesehen. Auch von der Interessen läge der Beklagten her kann sich kein anderes Ergebnis finden lassen. Der Beklagten war genauso wie dem Betriebsrat oder den begünstigten Arbeitnehmern zum Zeitpunkt der Fälligkeit klar, dass Ansprüche aus der Gesamtzusage nur dann in Betracht kommen konnten, wenn die weiteren Anspruchsvoraussetzungen erfüllt würden, das heißt, wenn der Arbeitnehmer vor Erreichen des Dienstjubiläums nicht aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden würde, ohne dass eine der Privilegierungsvoraussetzungen der Gesamtzusage vorlag. Die Beklagte brauchte also nicht zu befürchten, von Arbeitnehmern in Anspruch genommen zu werden, die die Voraussetzungen der Gesamtzusage nicht erfüllten. Sie konnte die Geltendmachung durch den Betriebsrat auch nur in diesem Sinne verstehen, war aber genau in diesem Umfange auch durch das Schreiben des Betriebsrats ausreichend gewarnt hinsichtlich der bevorstehenden Ansprüche der Arbeitnehmer, die, solange keine neue Regelung getroffen wurde, ihr Dienstjubiläum noch erreichen würden. Vor allem spricht hierfür der Wortlaut des Betriebsratsschreibens. Die Einforderung des individuellen vertraglichen Anspruchs auf das Jubiläumsgeld für "alle (vom Schreiben der Beklagten vom 22.9.1995) betroffenen Betriebsangehörigen" musste gerade auch die Arbeitnehmer umfassen, deren Jubiläum noch bevorstand, weil die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Schreiben vom 22.09.1995 die künftige Zahlung ausschließen wollte und nicht nur die für Arbeitnehmer, deren Betriebsjubiläum bereits hinter ihnen lag.

3. Die vorliegenden Geschäftsverteilungspläne des Arbeitsgerichts Lörrach deuten, jedenfalls wenn sie vollständig vorgelegt wurden, darauf hin, dass tatsächlich die falsche Kammer des Gerichts den Rechtsstreit entschieden hat. Die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts stellt aber nur dann einen Revisionsgrund dar, wenn eine willkürliche Abweichung vom Geschäftsverteilungsplan vorliegt. Eine irrtümliche Abweichung reicht nicht aus (vgl. BGH NJW 1976, 1688). Von einer willkürlichen Abweichung ist auszugehen, wenn die Geschäftsverteilung selbst es in das Ermessen der Richter stellt, wer welchen Fall zu bearbeiten hat oder wenn gezielt ein bestimmter falscher Richter ausgesucht wird (vgl. BAG 16.5.2002, 8 AZR 412/01). Dass solches vorliegend geschehen wäre, ist von der Beklagten nicht behauptet. Damit aber ist eine Verletzung des verfassungsmäßig garantierten Richters nicht festzustellen.

Ein Verfahrensmangel selbst gröbster Art würde, läge er vor, nicht zur Zurückverweisung des Rechtsstreites an das Arbeitsgericht führen (§ 68 ArbGG), sondern allenfalls zur eigenen Sachentscheidung durch das Berufungsgericht. Diese Sachentscheidung hat das Berufungsgericht vorliegend getroffen, es kam zum selben Ergebnis wie das Arbeitsgericht, weshalb die Berufung zurückzuweisen war.

Die Kosten der Berufung waren der Beklagten als der unterlegenen Partei nach § 97 ZPO aufzuerlegen.

Gegen dieses Urteil ist die Revision statthaft, weil sie vom Berufungsgericht zugelassen wurde.

Die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits ergibt sich hinsichtlich der Wahrung der Ausschlussfristen durch das Schreiben des Betriebsrats vom 22.11.1995 auch für künftige Jubilare, die das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 23.10.2003 ausdrücklich offen gelassen hatte.

Ende der Entscheidung

Zurück