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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 27.10.2004
Aktenzeichen: 12 Sa 87/04
Rechtsgebiete: MTV 94, TVG, BGB, EGBGB


Vorschriften:

MTV 94 § 10 Ziff. 11
MTV 94 § 15
MTV 94 § 15 Ziff. 10
MTV 94 § 16
MTV 94 § 17
MTV 94 § 17 Abs. 1
MTV 94 § 17 Abs. 1 Satz 1
MTV 94 § 17 Abs. 1 Satz 2
MTV 94 § 18
MTV 94 § 19
MTV 94 § 19 A
MTV 94 § 19 A Ziff. 7
MTV 94 § 19 A Ziff. 4
MTV 94 § 19 B
TVG § 4
TVG § 4 Abs. 5
TVG § 5 Abs. 1
BGB § 242
BGB § 305c Abs. 2
EGBGB Art. 229 § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 12 Sa 87/04

Verkündet am 27.10.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - - 12. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hennemann, den ehrenamtlichen Richter Beck und die ehrenamtliche Richterin Wittig auf die mündliche Verhandlung vom 13.10.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 09.03.04 -AZ: 2 Ca 657/03- wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen der Möbelbranche. Seit dem Jahr 1982 steht der Kläger in einem Arbeitsverhältnis mit ihr in deren Karlsruher Betrieb. Beide Parteien sind nicht originär tarifgebunden. § 4 des Formular-Arbeitsvertrages der Parteien bestimmt, dass

"... der Urlaub sich nach den tariflichen Regelungen des örtlichen Einzelhandels richtet".

Der ab dem 01.01.1994 gültige Manteltarifvertrag für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer des Einzelhandels in Baden-Württemberg (im Folgenden: MTV 94) wurde mit Wirkung ab dem 01.11.1996 für allgemeinverbindlich erklärt. Danach erhielten die Arbeitnehmer seit dem 01.01.1996 eine tarifliche Sonderzahlung, die sich aus zwei Teilbeträgen zusammensetzt, nämlich einem zusätzlichen Urlaubsgeld einerseits und einer tariflichen Sonderzuwendung anderseits.

Regelungen über den Urlaub, die Urlaubsdauer, das Urlaubsentgelt und den Elternurlaub sind in den §§ 15 bis 18, die tarifliche Sonderzahlungen in § 19 des MTV 94 enthalten.

Sie lauten:

" § 15

Allgemeine Urlaubsregelungen

1. Arbeitnehmer/-innen und Auszubildende haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.

Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

...

9. Bei begründeter außerordentlicher Kündigung - ausgenommen wegen anhaltender Krankheit - oder bei vertragswidriger Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den/die Arbeitnehmer/-in hat diese/r nur Anspruch auf den gesetzlichenJahres- bzw. Teiljahresurlaub.

10. Hat der/die Arbeitnehmer/-in bereits Urlaub über den ihm/ihr zustehenden Umfang hinaus erhalten, so kann das dafür zuviel erhaltene Urlaubsentgelt - ausgenommen das auf den gesetzlichen Mindesturlaub entfallene - zurückgefordert werden, sofern der /die Arbeitnehmer/-in durch eigenes Verschulden aus einem Grund entlassen worden ist, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt oder der/die Arbeitnehmer/-in das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitig auflöst oder in den ersten 6 Monaten des Beschäftigungsverhältnisses selbst gekündigt hat.

11. ...

§ 16

Urlaubsdauer

1. Der Urlaub beträgt:

bis zum vollendeten 25. Lebensjahr 32 Werktage

nach dem vollendeten 25. Lebensjahr 34 Werktage

nach dem vollendeten 30 Lebensjahr 36 Werktage

...

§ 17

Urlaubsentgelt

1. Für die Urlaubsdauer sind die vereinbarten Bezüge fortzuzahlen. Zusätzliche Einkünfte, die bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes berücksichtigt werden müssen, wie z. B. Prämien, Provisionen und Überstundenvergütungen, jedoch ohne Gratifikationen, Jahrestantiemen und sonstige auf einmaligen Anlässen beruhende Zahlungen, sind aus dem Durchschnitt der letzten drei vollen Monate vor Urlaubsantritt zu errechnen.

Auf Wunsch ist das Urlaubsentgelt bei Antritt des Urlaubs auszuzahlen, wenn der Zeitpunkt der nächsten Entgeltzahlung in die Urlaubszeit fällt.

...

§ 18

Elternurlaub

...

§ 19

Tarifliche Sonderzahlungen

Arbeitnehmer/-innen, einschließlich Auszubildende haben Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung, die sich aus zwei Teilbeträgen (Urlaubsgeld und Sonderzuwendung) zusammensetzt.

A. Zusätzliches Urlaubsgeld 1. Das Urlaubsgeld beträgt:

a. für Erwachsende 50 %, ab 01.01.1996 55 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruches für das letzte tariflich vereinbarte Berufsjahr eines Verkäufers/einer Verkäuferin mit abgeschlossener Berufsausbildung, bezogen auf das derzeitge Tarifschema.

b. für Jugendliche im Sinne des Jugendarbeitsschutzgeseztes jeweils die Hälfte des Urlaubsgeldes für Erwachsene,

c. Für Auszubildende und diesen Gleichzustellende über 18 Jahre jeweils 2/3 des Urlaubsgeldes für Erwachsene.

2. Stichtag für das Lebensjahr und für die Bemessung des Urlaubsgeldes nach dem tariflichen Entgeltanspruch ist der 01. Januar des Urlaubsjahes.

3. Teilzeitbeschäftigte erhalten ein Urlaubsgeld im Verhälntis ihrer tatsächlichen Arbeitszeit zur tariflichen Wochenarbeitszeit.

4. Das Urlaubsgeld ist auf Verlangen des/der Arbeitnehmers/-in vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen.

Es wird fällig, wenn dem/der Arbeitnehmer/-in mindestens die Hälfte des ihm/ihr tariflich zustehenden Jahresurlaubes gewährt wird.

Durch Einzelvertrag oder Betriebsvereinbarung kann ein anderer Fälligkeitstermin bestimmt werden.

5. Das Urlaubsgeld ist entsprechend dem Urlaubsanspruch zu gewähren. Im Urlaubsjahr eintretende oder ausscheidende Arbeitnehmer/-innen haben Anspruch auf soviel Zwölftel des Urlaubsgeldes, als sie im laufenden Urlaubsjahr Tätigkeitsmonate dem Betrieb angehörten. Zuviel gezahltes Urlaubsgeld ist als Gehalts- oder Lohnvorschuss zurückzuzahlen

6. Arbeitnehmer/-innen und Auszubildende haben das Urlaubsgeld in voller Höhe als Entgelt- oder Vergütungsvorschuss zurückzuzahlen, wenn sie nicht länger als 6 Monate ununterbrochen im Betrieb tätig waren. Diese Rückzahlungspflicht entfällt, wenn das Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis wegen Erreichung der Altersgrenze, Krankheit oder Tod endet, wenn eine Arbeitnehmerin von ihrem Recht gemäß § 10 Abs. 1 Mutterschutzgesetz Gebrauch macht oder bei betriebsbedingter Kündigung.

7. Das Urlaubsgeld ist in voller Höhe als Entgeltvorschuss zurückzuzahlen, wenn der/die Arbeitnehmer/-in wegen verschuldeter fristloser Entlassung oder vertragswidrigen Lösung des Arbeitsverhältnisses vor Beendigung des Urlaubsjahres nach Auszahlung des Urlaubsgeldes aus dem Betrieb ausscheidet.

8. ...

B. Tarifliche Sonderzuwendungen

1. Die tarifliche Sonderzuwendung beträgt 50 %, ab 01.01.1995 55%, ab 01.01.1996 60 %, ab 01.10.1997 62,5 % des individuell dem/der Anspruchsberechtigten zustehenden monatlichen Tarifentgeltes.

In Betrieben des Einzelhandels, die gleichzeitig Verkaufsstellen sind und nicht an der Spätöffnung teilnehmen, erhalten die Beschäftigten die auf 62,5 % erhöhte Sonderzuwendung ab 01.01.1998.

1997 erhalten diese Beschäftigten 60 %... " Mit Tarifvertrag vom 26.11.1997 (im Folgenden: ÄndTV 97) wurde der MTV 94 wie folgt geändert: Das Urlaubsgeld wurde ab dem 01.01.2000 von ehedem 55 % auf 50 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruches abgesenkt.

Später wurde der MTV 94 zum 31.01.2000 gekündigt.

Die Beklagte zahlt seit dem Jahr 2001 an ihre Arbeitnehmer, darunter den Kläger, nur noch dieses abgesenkte tarifliche Urlaubsgeld.

Der Kläger begehrt mit der vorliegende Klage die Differenzbeträge in Höhe von jeweils 5 % für die Jahre 2001 bis 2003 in Höhe von insgesamt € 278,97 brutto nebst Zinsen. Sie wurden vorgerichtlich mit drei Schreiben - nämlich am 11.07.2001, undatiert im folgenden Jahre und am 09.07.2003 - geltend gemacht.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, er habe trotz der tariflichen Änderung Anspruch auf das ungekürzte Urlaubsgeld.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 09.03.2004 die Beklagte verurteilt, an den Kläger € 278,97 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinsssatz ab dem 27.08.2003 zu bezahlen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Urlaubsgeldregelung des MTV 94 aufgrund von § 4 Abs. 5 des TVG weitergelte. Die Nachwirkung gelte auch für Tarifverträge, die nur kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung Anwendung finden. Eine diese Nachwirkung ersetzende "andere Abmachung" im Sinne von § 4 Abs. 5 des TVG liege nicht vor. Der ÄndTV 97 sei in Bezug auf den Kläger keine "andere Abmachung" im vorgenannten Sinn, weil weder der Kläger, noch die Beklagte Mitglied der diesen Tarifvertrag schließenden Parteien waren und sind. Dieser ÄndTV 97 finde auch nicht Anwendung über die Verweisungsklausel von § 4 des Anstellungsvertrages; dort werde lediglich die tarifliche Urlaubsregelung in Bezug genommen, nicht aber auch die Regelungen über die Gewährung von Sonderzahlungen, zu denen u. a. ein zusätzliches Urlaubsgeld gehöre. § 4 könne nicht zweifelsfrei in der Weise ausgelegt werden, dass mit dem Verweis auf Regelungen über den Umfang der Urlaubstage zugleich auch tarifliche Sonderzahlungen mit einbezogen seien. Diese Zweifel gingen gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie führt aus, der ÄndTV 97 entfalte seine Wirkung auch in Bezug auf die - nicht originär tarifgebundenen - Außenseiter. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des MTV 94 müsse zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen als dynamisch aufgefasst werden. Die Außenseiter - zu denen der Kläger unstreitig gehört - hätten den originär tarifgebundenen Personen nur gleichgestellt, aber nicht besser gestellt werden sollen. Für sie gelte der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag nur in seiner jeweils geltenden Fassung, also im vorliegenden Fall nach Maßgabe des ÄndTV 97. Zumindest sei in Folge der Kündigung des MTV 94 nach dem 31.01.2000 die einzelvertragliche Urlaubsklausel von § 4 als "andere Abmachung" im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG wieder aufgelebt: Nunmehr richte sich alles, was mit dem Urlaub inhaltlich zusammenhänge, nach den Regelungen des ÄndTV 97. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass das tarifliche Urlaubsgeld gemäß § 19 A des MTV 94 in einem untrennbaren inhaltlichen Zusammenhang mit dem Urlaub stehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Karlsruhe vom 09.03.2004 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen mit der Begründung, der Anspruch auf Urlaub sei auf Gewährung von Freizeit gerichtet; dieser sei begrifflich von einem Anspruch auf eine Sonderzahlung zu trennen. § 4 des Formulararbeitsvertrages verweise daher nicht auf die tariflichen Regelungen über Sonderzahlungen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger zu Recht den streitigen 5%igen Anteil des Urlaubsgeldes für die Jahre 2001 bis 2003 nebst Zinsen zugesprochen. Das erkennende Gericht folgt den Rechtsausführungen des Arbeitsgerichtes. Auf diese wird hiermit verwiesen. Hierzu wird ergänzend ausgeführt. a. Die jährlich vor Antritt des Urlaubes auszuzahlenden Urlaubsgelder (§ 19 A Ziffer 4 MTV 94) wurden rechtzeitig innerhalb der 3-monatigen tariflichen Ausschlussfrist (§ 26 Abs. 1 c MTV 94) geltend gemacht. Dies ist zwischen den Parteien nicht streitig.

b. Der Anspruch des Klägers beruht auf der normativen Geltung des MTV 94. Mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, § 5 Abs. 4 TVG.

Jede Allgemeinverbindlichkeitserklärung einer staatlichen Behörde ist jedoch, wenn sich nicht ausdrücklich etwas Anderes sich aus dem Inhalt der Entscheidung ergibt, statisch. Die Erklärung bezieht sich auf einen ganz bestimmten Tarifvertrag mit einem bestimmten Wortlaut. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung von § 5 Abs. 1 TVG, wonach die zuständige Behörde "... einen Tarifvertrag ..." für allgemeinverbindlich erklären kann. Vorliegend war dies ausschließlich der TV 94. Diese Allgemeinverbindlichkeitserklärung konnte sich nicht auf künftige, der Behörde noch gar nicht bekannte Änderungen beziehen.

Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung hat nicht zur Folge, dass durch eine nachträgliche Veränderung des tariflichen Regelwerkes automatisch sich auch der Inhalt der Allgemeinverbindlichkeitserklärung ändert. Dies widerspräche allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen und dem in § 5 des TVG geregelten Entscheidungsverfahren. Die Vertreter der Spitzenorganisationen (§ 5 Abs. 1 TVG) hätten durchaus die Möglichkeit gehabt, den ÄndTV 97 für allgemeinverbindlich erklären zu lassen. Einen entsprechenden Versuch haben sie - soweit ersichtlich - nicht unternommen, zumindest ist die entscheidende Behörde einem derartigen Antrag nicht gefolgt.

c. Die Nachwirkung des MTV 94 fand nicht ihr Ende durch eine "andere Abmachung" im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG. Eine derartige Abmachung kann nicht in § 4 des Anstellungsvertrages erblickt werden; dies selbst dann nicht, wenn als zulässig unterstellt wird, dass auch eine zeitlich frühere Individualabrede nach Ablauf der normativen Wirkung des ehedem geltenden tariflichen Regelwerkes wieder aufleben kann.

Das Arbeitsgericht hat nämlich zu Recht im vorliegenden Fall die sogenannte Unklarheitenregel zu Lasten der Beklagten angewandt, weil nahezu ebenso viele Gesichtspunkte für wie wider die Ansicht der Beklagten sprechen, bei dem zusätzlichen Urlaubsgeld im Sinne von § 19 A des MTV 94 handele es sich um eine untrennbare Annexregelung zum "Urlaub" im Sinne von § 4 des Anstellungsvertrages.

d. Mehrdeutigkeiten bei formularmäßig gefassten vertraglichen Regelungen gehen zu Lasten desjenigen, der sie hervorgerufen hat. Diese sogenannten Unklarheitenregelung ist allgemeiner Ausdruck von § 242 BGB. Sie war bereits anerkannt, bevor das sogenannte AGB-Gesetz vom 01.04.1977 in Kraft trat (BAG, 16.10.1991, Az.: 5 AZR 35/91 zu II. 2. b. der Entscheidungsgründe). Bereits das römische Recht kannte einen entsprechenden Auslegungsgrundsatz: "ambiguitas contra stipulatorem". Die Neukodifizierung in § 305c Abs. 2 BGB ist daher nur deklaratorischen Natur. Der Grundsatz findet daher auf den vorliegenden Fall Anwendung trotz der Übergangsregelung von Art. 229 § 5 EGBGB in der Fassung vom 21.08.2002.

aa. Für eine einheitliche Annexregelung im Sinne der Auffassung der Beklagten spricht zunächst, dass mit "Urlaub" im Sinne von § 4 des Formularvertrages alle urlaubsrechtlichen Fragen gemeint sein könnten. Dies würde bedeuten, dass hierzu nicht allein die Freistellung von der Arbeitsverpflichtung bei Fortgewährung der vertraglich geschuldeten Vergütung gehört, sondern auch sonstige Leistungen, die aus Anlass des Urlaubes gewährt werden und Bestandteil des Entgeltes in der Urlaubszeit sind (so zu einem anders gelagerten Sachverhalt BAG 17.11.1998, Az.: 9 AZR 584/97).

bb. Dem gegenüber hat aber bereits das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass der MTV 94 eine klare redaktionelle Trennung zwischen den eigentlichen Urlaubsregeln und der Regelung einer tariflichen Sonderzahlung vornimmt: Allgemeine Urlaubsregeln befinden sich in § 15. Daran schließt § 16 an, welcher den Umfang des Urlaubes festlegt. § 17 definiert das Urlaubsentgelt als die für die Urlaubsdauer fortzuzahlenden "vereinbarten Bezüge". Zu den "vereinbarten Bezügen" zählen auch "zusätzliche Einkünfte, die fortlaufend anfallen, nämlich Prämien, Provisionen und Überstundenvergütungen". Dagegen zählen nicht hierzu "sonstige auf einmaligen Anlässen beruhende Zahlungen, wie Gratifikationen und Jahrestantiemen". Hieraus ist zu entnehmen, dass zu den eigentlichen urlaubsrechtlichen Fragen nur solche Leistungen gehören, die im Positivkatalog von § 17 Abs. 1 MTV 94 genannt sind. Zahlungen, die auf einmaligen Anlässen beruhen, zählen hierzu nicht. Das zusätzliche Urlaubsgeld im Sinne von § 19 A ist jedoch eine Zahlung aus einmaligen Anlass, weil es nur ein Mal pro Jahr gewährt wird.

cc. Diese Auslegung wird zusätzlich dadurch gestützt, dass in einem gesonderten Paragraphen, nämlich in § 19 tarifliche Sonderzahlungen geregelt werden, die sich ihrerseits aus zwei Teilbeträgen zusammensetzen, nämlich dem Urlaubsgeld einerseits und der Sonderzuwendung andererseits. Ersteres wird in § 19 A zudem bezeichnet als "zusätzliches" Urlaubsgeld.

dd. Die Fälligkeitsregelungen für das Urlaubsentgelt und das zusätzliche Urlaubsgeld mögen sich ähneln, aber sie sind nicht identisch. Im Normalfall ist das erstere zu demselben Zeitpunkt fällig wie das normale Entgelt, also am letzten Werktag des vereinbarten Vergütungszeitraums, § 10 Ziffer 11 MTV. Auf Wunsch des Arbeitnehmers kann das Urlaubsentgelt aber bereits bei Antritt des Urlaubes verlangt werden, wenn der Zeitpunkt der nächsten Entgeltzahlung in die Urlaubszeit fällt, § 17 Abs. 1 Satz 2 MTV 94. Demgegenüber ist das zusätzliche Urlaubsgeld fällig, wenn dem Arbeitnehmer mindestens die Hälfte des ihm tariflich zustehenden Jahresurlaubes gewährt wird. Nur auf Verlangen wird es vor Antritt des Urlaubes ausbezahlt, § 19 A Ziffer 4 MTV 94.

ee. Redaktionell getrennt sind auch die Regelungen für die Rückforderung eines bereits gewährten Urlaubsentgelts einerseits und eines bereits bezahlten zusätzlichen Urlaubsgeldes andererseits. Die Voraussetzungen für die Rückforderungen beider Leistungen mögen inhaltlich angenähert sein, gleichwohl sprechen die unterschiedliche Ausformung in § 15 Ziff. 10 einerseits und in § 19 A Ziff. 7 andererseits und die redaktionelle Trennung dagegen, dass alle urlaubsrechtlichen Fragen einheitlich behandelt werden sollen.

Im Ergebnis ist von besonderer Bedeutung, dass gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Zahlungen, die auf einmaligen Anlässen beruhen, nicht zum eigentlichen Urlaubsentgelt zählen sollen und dass gerade diese Zahlungen aus einmaligem Anlass nach Grund, Höhe, Fälligkeit und Rückzahlbarkeit gesonderten Regelungen in § 19 A und B zugeführt wurden.

Es kann zumindest im Wege der Auslegung nicht mit Eindeutigkeit festgestellt werden, dass das tarifliche zusätzliche Urlaubsgeld integraler Bestandteil des Urlaubs ist und daher von § 4 des Formulararbeitsvertrages miterfasst wird. Daher ist die für den Kläger günstigere Auslegung maßgeblich, wonach von § 4 des Anstellungsvertrages allenfalls das Urlaubsentgelt gemäß § 17, nicht aber das zusätzliche Urlaubsgeld gemäß § 19 A MTV 94 erfasst wird. Dies wiederum hat zur Folge, dass der ÄndTV 97 insoweit nicht anwendbar ist.

Damit erweist sich das angegriffene Urteil als zutreffend.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

3. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 ArbGG wegen Divergenz zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg vom 07.01.2005 - Az.: 14 Sa 89/04 -.

Ende der Entscheidung

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