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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 01.07.2009
Aktenzeichen: 2 Sa 39/08
Rechtsgebiete: StPO, ZPO, ArbGG, BGB, AO, UStG, UStDV
Vorschriften:
StPO § 154 Abs. 2 | |
StPO § 408a | |
ZPO § 286 | |
ZPO § 288 Abs. 1 | |
ZPO § 290 | |
ArbGG § 64 Abs. 1 | |
ArbGG § 64 Abs. 2 | |
BGB § 276 | |
BGB § 280 Abs. 1 | |
BGB § 823 Abs. 2 | |
AO § 149 | |
AO § 150 | |
AO § 370 Abs. 1 | |
UStG § 1 | |
UStG § 4 | |
UStG § 6a | |
UStG § 12 | |
UStG § 13 | |
UStG § 18 | |
UStDV § 17a | |
UStDV § 17c |
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 18.04.2008 - 18 Ca 10093/07 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Die Klägerin fordert von dem Beklagten Schadenersatz in Höhe von 45.507,83 EUR als Umsatzsteuerschaden für 4 Werkswagenverkäufe.
Der am ... 1944 geborene und verheiratete Beklagte stand in der Zeit vom 30.09.1963 bis 09.09.2003 in einem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund fristloser Verdachtskündigung der Klägerin. Der Beklagte war bis zum Eintritt in die Freizeitphase seiner Altersteilzeit am 30.04.2002 Leiter des Werkswagenverkaufes. Außer dem Kläger waren im Werkswagenverkauf noch ca. sieben Verkäufer tätig, die ihm unterstellt waren. Einer der bei der Klägerin früher beschäftigten Verkäufer war der im Januar 2003 fristlos gekündigte Herr C.. Der Beklagte lebt inzwischen mit seiner Ehefrau in S..
In der Abteilung Werkswagenverkauf im Betrieb der Klägerin werden jährlich ca. 1.500 Autos von den Verkäufern der Klägerin verkauft. Bei Werkswagen handelt es sich um Dienst- und Leasingwagen, welche die Klägerin ihren Mitarbeitern für etwa ein Jahr zur Verfügung stellt. Sie werden danach mit einer Laufleistung von rund 20.000 Kilometern durch die Klägerin verkauft. Im 1998 legte die Klägerin fest, dass die Werkswagen nicht mehr an sogenannte Wiederverkäufer verkauft werden dürfen. Zulässig war ab diesem Zeitpunkt nur noch der Verkauf an P. -Vertragshändler und an Endkunden. In seiner Funktion als Leiter der Abteilung Werkswagenverkauf im Betrieb der Klägerin war der Beklagte in die Kaufvertragsverhandlungen und den Vollzug des Verkaufes grundsätzlich nicht unmittelbar eingebunden. Die dem Beklagten unterstellten Verkäufer führten die einzelnen Vertragsverhandlungen, schlossen die Kaufverträge ab und kümmerten sich um die Vollziehung dieser Kaufverträge. Was die Handhabung und Abwicklung der EU-Auslandsgeschäfte (Verkäufe) im Unternehmen der Klägerin angeht, gab es genaue Anweisungen der Klägerin, vertreten durch den Beklagten, an die Verkäufer wie diese vorzunehmen sind. In den Anweisungen war auch vermerkt, dass der jeweilige Verkäufer für die korrekte Abwicklung verantwortlich ist. Die innerbetrieblichen Vorgaben des Beklagten betreffend die umsatzsteuerliche Behandlung der EU-Auslandsgeschäfte entsprachen den damals geltenden Bestimmungen der Steuerbehörde. In der Abteilung Werkswagenverkauf der Klägerin wurden in der Regel alle Unterlagen, die für eine ordnungsgemäße Abwicklung erforderlich waren, erstellt. Sämtliche Unterlagen für die EU-Auslandsgeschäfte mussten von den jeweiligen Verkäufern bei Frau D. (Sekretariat) abgegeben werden, damit sie diese an die Zulassungsstelle und die zuständigen internen Abteilungen der Klägerin weiterleiten konnte. Es existierten mindestens 10 bis 15 Arbeitsanweisungen des Beklagten für die jeweiligen Verkäufer zur Abwicklung dieser Geschäfte (vgl. Bl. 65-70 der erstinstanzlichen Akte). Der Beklagte hatte u.a. veranlasst, dass eine Fahrzeugrechnung ohne Mehrwertsteuerausweis nur erstellt werden durfte, wenn die Steuer-Ident-Nummer des Käufers mit angegeben war. Die Nummer wurde vorher beim Bundesamt für Finanzen geprüft. Die Rückmeldung des Bundesamtes für Finanzen ging nach entsprechender Anfrage durch die Klägerin direkt an die zuständige Abteilung der Klägerin. Diese sandte sie wieder der Abteilung Werkswagenverkauf per Fax zu. Jede dieser Rechnungen ohne Mehrwertsteuer wurde zur gleichen Zeit in der zuständigen P.-Debitoren-Abteilung ausgedruckt, damit diese Abteilung darüber informiert war, dass es sich um einen umsatzsteuerfreien Verkauf handelte. Die Meldung an Intramarkt über diesen Verkauf erfolgte über die Steuerabteilung der Klägerin. Damit sollte sichergestellt werden, dass jeder Verkauf ohne Umsatzsteuerausweis der Steuerabteilung der Klägerin gemeldet wird. Ohne Abfrage und Rückbestätigung durch das Bundesamt der Finanzen erfolgte kein Rechnungsausdruck. Darüber hinaus hatte der Beklagte die Weisung erteilt - und insoweit auch durch Stichproben kontrolliert - dass eine Kopie des Passes vom Abholer des Pkw gemacht wird. Der jeweilige Abholer sollte auch eine Vollmacht des Käufers vorlegen. Wenn die Rechnungen ohne Mehrwertsteuer erstellt wurden, wurden sie automatisch in der Abteilung Debitoren und der Steuerabteilung der Klägerin ausgedruckt. Die Fakturierung eines verkauften Fahrzeuges im Namen der Klägerin führte der zuständige Verkäufer eigenverantwortlich -per Knopfdruck- aus. In der Regel zeichnete der Beklagte die Kaufverträge gegen. Bei seiner Abwesenheit (Urlaub, Krankheit) geschah dies durch seinen Vertreter.
Die fristlose Verdachtskündigung der Klägerin gegenüber dem Beklagten vom 09.09.2003 beruhte auf folgendem auch für die Beurteilung des vorliegenden Falles bedeutsamen Sachverhalt:
Der dem Beklagten unterstellte Verkäufer Herr C. verkaufte im Zeitraum zwischen 1999 und 2000 insgesamt 596 Werkswagen zum Schein an das P.-Zentrum C., wobei jedoch tatsächlich die Auslieferung der Werkswagen an mehrere gewerbliche Wiederverkäufer (insbesondere die Firma G.) erfolgte. Herr C. unterlief somit planmäßig das Verbot einer Veräußerung von Werkswagen an gewerbliche Wiederverkäufer. Der wirtschaftliche Vorteil für das P. -Zentrum C. lag bei diesen Scheingeschäften darin, dass man der Klägerin fingierte Rechnungen über angeblich erfolgte - tatsächlich jedoch nie durchgeführte - Maßnahmen zur Aufarbeitung dieser Werkswagen in Rechnung stellte. Nach Aufdeckung dieses Sachverhaltes sprach die Klägerin gegenüber Herrn C. am 20.12.2002 eine fristlose Kündigung und zusätzlich am 21.01.2003 eine fristlose Verdachtskündigung aus. Mit Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12.09.2005 (Az.: 4 Sa 52/04) wurde die fristlose Verdachtskündigung gegenüber Herrn C. für wirksam erklärt. Bei der Ermittlung dieses Sachverhaltes ergaben sich für die Klägerin auch Verdachtsmomente, dass der Beklagte als Vorgesetzter von Herrn C. und Leiter des Werkswagenverkaufs in diese Geschäfte mit eingebunden war. Die aus diesem Grund von der Klägerin gegenüber dem Beklagten am 17.02.2003 ausgesprochene fristlose (Verdachts-)Kündigung wurde für unwirksam erklärt, weil für die Kammer die Verdachtsindizien nicht ausreichten (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.08.2004 - 8 Sa 74/03). Nachdem die Klägerin erfahren, dass der Beklagte über das P. -Zentrum C. für die verbotswidrigen Verschiebungen von Werkswagen an Wiederverkäufer einen P. C. C. für seine Ehefrau erworben hatte und sich hierbei der Verdacht ergab, dass er diesen P. unentgeltlich durch das P.-Zentrum C. erhalten hatte, wurde gegenüber dem Kläger am 09.09.2003 eine weitere (Verdachts-)Kündigung ausgesprochen. Die hiergegen vom Beklagten erhobene Kündigungsschutzklage wurde rechtskräftig abgewiesen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.05.2007 - 17 Sa 92/05).
Nach umfangreichen Ermittlungen der Steuerfahndung reichte die Staatsanwaltschaft S. beim Amtsgericht S. am 24.04.2007 eine Anklageschrift u.a. gegen Herrn C. und den Beklagten ein (Az.: 181 Js 12373/03). Der Beklagte wurde wegen der Straftatbestände der Untreue und der Umsatzsteuerhinterziehung angeklagt. Was die Umsatzsteuerhinterziehung anlangt, hat die Anklageschrift folgenden Wortlaut:
"Tatnummer III. 1 bis III. 3
Die Angeschuldigten W. C. und R.
gemeinschaftlich
in 3 rechtlich selbständigen Handlungen
jeweils den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder für einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
...
III. Umsatzsteuerhinterziehungen C./R. (Tatnr. III. 1 bis III. 3)
1. Innergemeinschaftliche Lieferungen
Die Angeschuldigten C. und R. behandelten die Verkäufe von zwei gebrauchten P.-Fahrzeugen, die formal an die Scheinkäufer C. D. und A. C. erfolgten, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen, obwohl die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit nicht vorlag. Wie die Angeschuldigten C. und R. wussten, waren die in den Rechnungen angegebenen Käufer nicht die wirklichen Abnehmer der Fahrzeuge. Die für die Steuerfreiheit erforderlichen Beleg- und Buchnachweise über die beiden innergemeinschaftlichen Lieferungen waren daher falsch.
a) Fakturierung an die Firma C. D. Ltd. im Januar 2002
Im Januar 2002 fakturierten die Angeschuldigten W. C. und R. ein gebrauchtes P. -Fahrzeug mit der FIN WP.. an die Firma C. D. Ltd. mit angeblichem Sitz in W., G.. Diese Firma unterhielt keinen Geschäftsbetrieb und existierte nur auf dem Papier. Die Bestellung datierte auf den 28.1.2002, die umsatzsteuerfreie Rechnung an die Firma C. über 77.349 EUR auf den 30.1.2002. Das Fahrzeug wurde am 31.1.2002 bei der Firma P. abgeholt und bezahlt.
Abholer des Fahrzeugs war der gesondert verfolgte A.. Wie die Angeschuldigten wussten, war dieser nicht der Firma C. D. Ltd. zuzurechnen. Die Angeschuldigten wussten also, dass die Lieferung der Fahrzeugs nicht an diese Firma erfolgte, obwohl die Unterlagen über den Verkauf auf diese Firma lauteten. Die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit lagen daher, wie ihnen bekannt war, nicht vor. Trotzdem veranlassten sie in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken die umsatzsteuerfreie Behandlung des Verkaufs
b) Fakturierung an die Firma A. C. S.L. im Januar/Februar 2000 Ende Januar 2000 fakturierten die Angeschuldigten W. C. und R. ein gebrauchtes P. -Fahrzeug mit der FIN WP.... an die Firma A. C. S.L. mit angeblichem Sitz in M.. Diese Firma unterhielt keinen Geschäftsbetrieb und existierte nur auf dem Papier. Die Bestellung datierte auf den 28.1.2000, die umsatzsteuerfreie Rechnung an die Firma A. C. S.L. über 131.300 DM (67.132,62 EUR) auf den 2.2.2000. Das Fahrzeug wurde am 3.2.2000 bezahlt.
Als Käuferin des Fahrzeugs trat zunächst die Firma A. U. G. S.L. auf. Sie bat mit Fax vom 27.1.2000 um ein Angebot. Daraufhin wurde auf diese Firma eine erste Bestellung vom 28.1.2000 ausgestellt. Die Firma bat jedoch noch mit Fax vom 28.1.2000 um Rechnungsstellung an die Firma A. C. S.L. Das Fax vom 2.2.2000 zu der Bezahlung per Scheck sowie zur weiteren Abwicklung des Kaufvertrages stammte wiederum von der Firma A. U. G.. Wer den Abholschein vom 4.2.2000 unterschrieben hat, ist nicht nachvollziehbar. Der CMR-Frachtbrief ist unvollständig ausgefüllt. Insbesondere fehlen die Adresse des Empfängers und seine Empfangsbestätigung.
Die Angeschuldigten wussten, dass die Firma A. C. S.L. nicht die wirkliche Käuferin des Fahrzeugs war, obwohl die Unterlagen über den Verkauf auf diese Firma lauteten, und dass der CMR-Frachtbrief nicht vollständig ausgefüllt war. Die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit lagen daher, wie ihnen bekannt war, nicht vor. Trotzdem veranlassten sie in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken die umsatzsteuerfreie Behandlung des Verkaufs.
2. Umsatzsteuerschaden Wie die Angeschuldigten wussten, waren die beiden Verkäufe an die Firmen C. D. Ltd. und A. C. S.L. ebenso umsatzsteuerpflichtig wie die fünf Fahrzeuglieferungen durch die Firma P. an das P.-Zentrum C. im Zusammenhang mit den Scheinrechnungen. Indem die beiden Angeschuldigten die umsatzsteuerfreie Behandlung der beiden Verkäufe und die Abführung der Umsatzsteuer nur für die fünf Scheinrechnungen und nicht für die tatsächlichen Lieferungen an das P.-Zentrum C. veranlassten, erreichten sie in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken, dass die Umsatzsteuern durch die Firma P. insoweit abgeführt wurden.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Taten:
Tat Nr. III. 1 (Jahr 2000) Hinterziehungsbetrag: 23.364,21 EUR
III. 2 (Jahr 2001) Hinterziehungsbetrag: 55.729,26 EUR
III. 3 (Jahr 2002) Hinterziehungsbetrag: 12.375,84 EUR
Summe: 91.469,81 EUR.
Mit Beschluss des Amtsgerichts S. vom 20.11.2007 wurde das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage der Staatsanwaltschaft S. vom 24.04.2007 zur Hauptverhandlung zugelassen. Termin zur Hauptverhandlung wurde bestimmt auf 13.12.2007.
Aus einem Vermerk des zuständigen Richters am Amtsgericht S. vom 13.12.2007 geht hervor, dass der Vorsitzende der Schöffengerichtsabteilung, die Verteidigung und Staatsanwaltschaft S. in einem Besprechungstermin am 14.11.2007 eine tatsächliche Verständigung über den Ausgang des Verfahrens mit folgendem Inhalt herbeigeführt hatten (was den Beklagten anlangt):
Im Strafbefehlsweg gemäß § 408a StPO werden gegen den Angeklagten R. folgende Rechtsfolgen festgesetzt: Wegen Umsatzsteuerhinterziehung in zwei Fällen (Taten Ziff. I 1 a + b) die Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35,00 EUR, insgesamt also 3.150,00 EUR, gebildet aus zwei Einzelstrafen von jeweils 60 Tagessätzen Geldstrafe zu je 35,00 EUR. Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens. Von der Verfolgung folgender Taten aus der Anklageschrift vom 24.04.2007 wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft S. gem. § 154 Abs. 2 StPO abgesehen:
H. R.: II. 1., III. 2.
(Vermerk vom 13.12.2007, Bl. 646 ff. d. Straftakte).
Mit Schriftsatz vom 11.12.2007 erklärte die Strafverteidigerin des Beklagten gegenüber dem Amtsgericht S.:
"Namens meines Mandanten Herrn H. R. räume ich den in der Anklage erhobenen Vorwurf zu den Taten Nr. III. 1 (a + b) ein und beantrage, im Strafbefehlsverfahren zu entscheiden und meinen Mandanten von der Verpflichtung zum Erscheinen zum Termin am 13.12.2007 zu entbinden." (Bl. 633 d. Strafakte).
Der Beklagte wurde daraufhin mit Beschluss des Amtsgerichts S. vom 12.12.2007 von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen im Hauptverhandlungstermin am 13.12.2007 entbunden. In der Hauptverhandlung am 13.12.2007 wurde sodann u.a. gegen den Beklagten ein Strafbefehl erlassen, der abredegemäß den Beklagten wegen Umsatzsteuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35,00 EUR, insgesamt also 3.150,00 EUR verpflichtete.
Wegen der zwei im Strafbefehl aufgeführten Umsatzsteuerhinterziehungen wurde die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes S. II bei der Klägerin vorstellig. Am 19.05.2008 und 28.05.2008 wurden der Beklagten durch die Finanzverwaltung zwei Steuerbescheide zugestellt, in welchen neben den im Strafbefehl aufgeführten zwei Fällen zwei weitere Fälle der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch den Beklagten hinzukamen. Insgesamt machte die Finanzverwaltung für die vier Fälle nebst Zinsen einen Erstattungsbetrag von 45.507,83 EUR geltend, der von der Klägerin bezahlt wurde.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt (Zahlungsklage bezüglich der im Strafbefehl aufgeführten zwei Fälle):
1. Der Beklagte wird verurteilt, an sie Schadensersatz in Höhe von 21.635,51 EUR zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen weiteren Schaden zu ersetzen, welcher aus der unterbliebenen Berechnung von Umsatzsteuer für von ihm getätigte Werkswagen-Verkäufe entstanden ist.
Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18.04.2008 die Klage abgewiesen. Das angefochtene Urteil ist der Auffassung, dass der Klägerin kein Schadenersatzanspruch wegen einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung des Beklagten zustehe. Das im Strafverfahren abgelegte Teilgeständnis des Beklagten könne im vorliegenden Prozess nur im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO berücksichtigt werden. Dabei sei zu würdigen, dass dem faktischen Widerruf des Teilgeständnisses plausible Gründe zugrunde lägen. Im Übrigen habe der Beklagte im vorliegenden Verfahren substanziiert dargetan, dass er keine Kenntnis vom pflichtwidrigen Handeln seines Verkäufers C. gehabt habe. Auch die dem Gericht nicht bekannten Gründe für die fristlose Verdachtskündigung gegenüber dem Beklagten könnten nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Eine fahrlässige Pflichtverletzung des Beklagten sei von der Klägerin nicht schlüssig dargetan worden. Der Beklagte habe an die ihm unterstellten Verkäufer klare Anweisungen für die Gebrauchtwagenverkäufe ins Ausland gegeben. Beim Verkauf von ca. 1.500 Gebrauchtwagen pro Jahr habe der Beklagte nur Stichproben vornehmen können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses der Klägerin am 26.05.2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 23.06.2008 eingelegte und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist ausgeführte Berufung der Klägerin. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte mit Herrn C. kollusiv bei der Umsatzsteuerhinterziehung zusammengearbeitet habe. Für dieses Ergebnis spreche zunächst, dass der Beklagte im Strafverfahren vor dem Amtsgericht S. ein umfassendes Geständnis abgelegt habe, wonach er zusammen mit Herrn C. zwei Werkswagen zum Schein auf ausländische Käuferfirmen fakturiert habe, um eine umsatzsteuerfreie Lieferung innerhalb der EU vorzuspiegeln. Dieses im Strafverfahren abgelegte Geständnis habe im vorliegenden Verfahren im Rahmen des § 286 ZPO eine große Beweiskraft. Nur vorgetragene gewichtige Gründe rechtfertigten ein Abweichen von dem im Strafverfahren abgelegten Geständnis. Solche gewichtigen Gründe seien vom Beklagten im vorliegenden Verfahren nicht dargetan. Die vom Beklagten angeführten gesundheitlichen Belastungen, die große Entfernung vom Gerichtsort und verfahrensökonomische Überlegungen seien unglaubhafte Schutzbehauptungen. Neben dem im Strafverfahren abgelegten Geständnis sei im vorliegenden Schadenersatzprozess jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin wegen eines anderen Sachverhaltes eine wirksame Verdachtskündigung gegenüber dem Beklagten ausgesprochen habe. Das LAG Baden-Württemberg habe am 11.05.2007 entschieden, dass ein dringender Verdacht gegenüber dem Beklagten bestehe, dass eine Vorteilsgewährung durch das P.-Zentrum C. im Zusammenhang mit dem Erwerb des P. C. erfolgt sei. Der Verdacht des kollusiven Zusammenwirkens mit Herrn C. bestehe auch beim vorliegenden Sachverhalt. Man benötige wenige Fantasie um anzunehmen, dass der Beklagte eine "Prämie" für die Hinterziehung der Umsatzsteuer von den hierdurch begünstigten Abnehmern der Werkswagen erhalten habe. Neben den im Strafverfahren zugestandenen Umsatzsteuerhinterziehungen in zwei Fällen habe der Beklagte in zwei weiteren Fällen vorsätzlich Umsatzsteuer hinterzogen. Dies betreffe zum einen einen Pkw P. C. C. mit Rechnung vom 02.11.1999 und zum anderen einen Pkw P. C. C. mit Rechnung vom 18.11.1999 an die Scheinfirma C. D. Ltd. Dabei sei Umsatzsteuer in Höhe von 6.535,42 EUR bzw. 7.173,80 EUR hinterzogen worden. In beiden Fällen sei sowohl die Bestellung als auch die Rechnung und die Abholung nur vom Beklagten unterschrieben worden. Diese beiden Vorgänge belegten eindeutig, dass der Beklagte von den Verkäufen von Werkswagen an die Scheinfirma C. D. Ltd. nicht nur Kenntnis gehabt habe, sondern hieran aktiv mitgewirkt habe. Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin im zweiten Rechtszug wird auf deren Schriftsätze vom 28.08.2008 und 05.02.2009 verwiesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, Schadenersatz in Höhe von 45.507,83 EUR an die Klägerin zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und bringt wie in der ersten Instanz insbesondere vor, dass die beiden im Strafbefehl aufgeführten Verkäufe von Werkswagen nicht er, sondern Herr C. abgewickelt habe. Er sei persönlich weder in die Kaufvertragsverhandlungen noch in den Abschluss der beiden Kaufverträge und in deren Vollzug eingebunden gewesen. Auch habe er keine Kenntnis über die Firmen A. C. und C. D. Ltd. gehabt und kenne daher weder deren Sitz noch ihre handelnden Personen. Bei über 1.500 Verkäufen pro Jahr sei es ihm nicht möglich gewesen, bei jedem einzelnen Vorgang den gesamten Akten- und Vertragsinhalt zu prüfen. Er habe gegenüber seinen Verkäufern die steuerrechtlich gebotenen Anweisungen gegeben. Seiner Überwachungspflicht habe er genügt, indem er stichprobenartig die Verkaufsvorgänge geprüft habe. Es gebe überhaupt kein Motiv, warum er fremdnützig zu Gunsten der Klägerin Umsatzsteuern habe hinterziehen wollen. Den Strafbefehl aufgrund seines Teilgeständnisses habe er lediglich aus verfahrensökonomischen Gründen und wegen seines Gesundheitszustandes und dem seiner Ehefrau akzeptiert. Da er in S. lebe, habe er ein kosten- und zeitaufwendiges Hauptverhandlungsverfahren mit zahlreichen Gerichtsterminen in S. vermeiden wollen. Er persönlich habe nie ein mündliches oder schriftliches Geständnis abgelegt, sondern seine Strafverteidigerin habe dies befürwortet und für ihn bei der Staatsanwaltschaft erledigt. Das strafgerichtliche Geständnis habe deshalb keinerlei Indizwirkung im vorliegenden Schadenersatzprozess. Die in den vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren von der Klägerin vorgebrachten Behauptungen gegen ihn bestreite er nach wie vor. Die zwei von der Klägerin erst in der Berufungsinstanz erhobenen Schadenersatzforderungen beträfen zwei Unfallfahrzeuge, die er mit den Käufern des höchsten Gebotes abgeschlossen und abgewickelt habe. Er sei sich sicher, dass er diese beiden Verkäufe pflichtgemäß erledigt habe. In der jeweiligen "Autoakte", die für jeden Verkaufsvorgang angelegt werde, müssten sich die Steuer-Ident-Nummer und auch die Kopie des jeweiligen Reisepasses des Abholers befinden. Ohne eine Steuer-Ident-Nummer hätte damals eine Rechnung nicht gedruckt werden können. Der Klägerin möge deshalb aufgegeben werden, die gesamten Fahrzeugakten vorzulegen. Wegen des weiteren Vorbringens des Beklagten im zweiten Rechtszug wird auf dessen Schriftsätze vom 01.10.2008 und 27.04.2009 verwiesen.
Entscheidungsgründe: I.
Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist fristgerecht eingelegt und ausgeführt worden. Im Übrigen sind Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung nicht veranlasst.
II.
In der Sache hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadenersatz aus den teilweise erst in der Berufungsinstanz eingeführten Werkswagenverkäufen. Der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt rechtfertigt nicht die Annahme, dass der Beklagte beim Verkauf der näher bezeichneten Werkswagen vorsätzlich (dazu 1.) oder fahrlässig (dazu 2.) pflichtwidrig gehandelt hat. Auf die weiteren Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruches kommt es deshalb nicht mehr an.
1. Der Vortrag der Klägerin, dass der Beklagte beim Verkauf von Werkswagen teilweise zusammen mit Herrn C. kollusiv und damit vorsätzlich Umsatzsteuer hinterzogen habe, rechtfertigt nicht die Verurteilung zur Zahlung von Schadenersatz gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 370 Abs. 1, 149, 150 AO, 1, 4, 6a, 12, 13, 18 UStG, 17a, 17c UStDV oder gem. §§ 280 Abs. 1, 276 BGB. Weder das im Strafverfahren abgelegte Teilgeständnis des Beklagten (1.1) noch die vorausgegangenen Verdachtskündigungen gegenüber dem Beklagten (1.2) noch der Vortrag der Klägerin zum Verkauf der 4 Werkswagen (1.3) und auch nicht die Gesamtschau (1.4) führen die erkennende Kammer zu der Überzeugung, dass der Beklagte vorsätzlich pflichtwidrig gehandelt hat.
1.1 Zwischen den Parteien ist jedenfalls zuletzt unstreitig, dass ein in einem Strafverfahren abgelegtes Geständnis im vorliegenden Zivilprozess nicht die Wirkungen der §§ 288 Abs. 1, 290 ZPO entfaltet, sondern im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO ein wichtiges Indiz für die Wahrheit der zugestandenen Tatsachen darstellt (BGH Urteil 15.03.2004 - II ZR 136/02 - NJW RR 2004, 1001; allgemeine Ansicht in der Literatur, z.B. Stein/Jonas-Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 288 Rn. 37, Münchener Kommentar - Prütting, ZPO, 2. Aufl., § 288 Rn. 37 jeweils m.w.N.). In diesem Rahmen kann das Geständnis eine so große Beweiskraft entfalten, dass es zur richterlichen Überzeugungsbildung auch dann ausreicht, wenn es widerrufen worden ist und die beweisbelastete Gegenpartei keine weiteren Beweismittel vorgebracht hat (BGH 15.03.2004 aaO). Dabei ist eine Behauptung bewiesen, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugt ist, ohne dabei unerfüllbare Anforderungen zu stellen. Hierfür genügt, da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen und jede Möglichkeit des Gegenteils nicht auszuschließen ist, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, ein für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen so hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (ständige Rechtsprechung des BGH, z.B. BGHZ 53, 245, 256; Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 286 Rn. 2).
Der Beweiswert eines außergerichtlichen Geständnisses hängt von mehreren Umständen ab. Bedeutsam ist, ob und in welchem Maß der Gestehende sich der Tragweite seiner Erklärung bewusst war (Stein/Jonas aaO Rn. 37, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., Einführung von §§ 288 - 290 Rn. 2). Ganz wesentlich ist auch, ob der Gestehende (außergerichtlich) ein detailliertes und umfassendes Geständnis abgelegt oder ihm vorgeworfene Straftaten ohne Substanz nur formelhaft zugestanden hat. Schließlich ist auch die Prozesssituation von Bedeutung, in der der Gestehende das Geständnis abgegeben hat. Im vorliegenden Verfahren beruht das Geständnis auf Absprachen im Strafprozess zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht. In dieser tatsächlichen Absprache zwischen den Beteiligten des Strafprozesses (oft auch Deal genannt) vor dem Hauptverhandlungstermin ist vereinbart worden, dass der Angeklagte (hier: Beklagte) einen Teil der Vorwürfe eingesteht und die Staatsanwaltschaft sodann von der Verfolgung der übrigen Taten absieht, die Höhe des Strafmaßes und dass der Beklagte dann nicht zur Strafverhandlung erscheinen muss.
Wenn man alle diese Umstände im vorliegenden Arbeitsgerichtsverfahren bewertet, ist die erkennende Kammer der Auffassung, dass das Teilgeständnis des Beklagten im Strafverfahren vom 11.12.2007 keinen so großen Beweiswert hat, dass es sie (auch nicht zusammen mit den anderen Indizien, s.u.) von einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit des Beklagten im Sinne des § 286 ZPO überzeugt.
Der Beklagte hat das Geständnis über seine Strafverteidigerin in einem vor dem arbeitsgerichtlichen Verfahren liegenden und nicht parallel mit dem Arbeitsgerichtsverfahren laufenden Strafprozess abgelegt (vgl. OLG Koblenz, Urteil 18.01.2007 - 6 U 536/06, JURIS Rn. 39). Dabei hat die Strafverteidigerin des Beklagten von den angeklagten Vergehen der Untreue und den drei angeklagten Vergehen der Umsatzsteuerhinterziehung (nur) zwei Fälle der Umsatzsteuerhinterziehung eingeräumt. Dieses Teilgeständnis durch die Verteidigerin vom 11.12.2007 besteht aus einem Satz und befasst sich überhaupt nicht mit den der Anklage zugrunde liegenden tatsächlichen Vorwürfen. Dies ist auch nicht verwunderlich, weil das Teilgeständnis ein Teil der Absprache zwischen den Beteiligten des Strafprozesses gewesen ist, wonach der Beklagte einen Teil der Vorwürfe einräumt, die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der übrigen Vorwürfe absieht, der Beklagte dann nicht zur Hauptverhandlung erscheinen muss und sodann ein Strafbefehl über 90 Tagessätze gegen ihn ergeht und der Beklagte somit nicht als vorbestraft gilt. Aus diesem formelhaften und dürren Teilgeständnis der Verteidigerin des Beklagten geht in keinster Weise hervor, dass der Beklagte sich im Klaren gewesen ist, dass dieses Geständnis über den Strafprozess hinaus von Bedeutung sein kann. Selbst wenn man den bestrittenen Vortrag des Beklagten für unglaubhaft hält, dass ihm anlässlich der tatsächlichen Absprache zwischen den Beteiligten des Strafprozesses mitgeteilt worden sei, dass damit auch mögliche Schadenersatzansprüche erledigt seien, kann beim vorliegenden Sachverhalt nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Beklagte bei Abgabe dieses Teilgeständnisses über Auswirkungen über den Strafprozess hinaus bewusst gewesen ist.
Das vorliegende Teilgeständnis des Beklagten im Rahmen einer tatsächlichen Absprache hat auch nicht den Stellenwert, den ein Strafurteil im Rahmen des § 286 ZPO haben kann. Bei einem Strafurteil hat sich ein Gericht nach einer Hauptverhandlung (mit oder ohne Geständnis des Angeklagten) die Überzeugung von Straftaten gebildet. Mit der Klägerin ist von dem Rechtssatz auszugehen, dass in diesen Fällen in der Regel den strafgerichtlichen Feststellungen zu folgen sein wird, sofern nicht gewichtige Gründe für die Unrichtigkeit von den Parteien vorgebracht werden (vgl. KG Berlin, Urteil 25.01.2006 - 11 U 6883/97 - JURIS Rn. 29; OLG Köln, Urteil 11.01.1991 - 19 U 105/90, JURIS Rn. 7; beiden Zivilverfahren lagen Strafurteile ohne Geständnis des Angeklagten zugrunde). Auch ein Geständnis im Rahmen einer tatsächlichen Absprache kann diesen gewichtigen Stellenwert haben, wenn der Angeklagte in Kenntnis der Bedeutung dieses Geständnisses für den (laufenden) Zivilprozess umfassende tatsächliche Angaben macht. Dieser Fall liegt hier aber nicht vor.
Mit dem Arbeitsgericht ist die Berufungskammer der Meinung, dass der Beklagte eine nicht unplausible Begründung dafür abgegeben hat, warum er im Rahmen der tatsächlichen Verständigung ein Teilgeständnis abgegeben und das abgesprochene Strafmaß im Wege des Strafbefehls akzeptiert hat, obwohl er sich unschuldig gefühlt hat.
Der mit seiner Ehefrau in S. lebende Beklagte hat sich aufgrund des abgesprochenen Vorgehens jedenfalls Reisen zu einem oder mehreren Sitzungstagen in S. erspart. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Reisen und das Auftreten vor Gericht für den Beklagten eine (gesundheitliche) Belastung darstellen konnten, der er aus dem Weg gehen wollte. Jeder Mensch ist verschieden. Der eine will die Feststellung seiner Unschuld vor Gericht unbedingt erreichen und nimmt dafür alles auf sich. Der andere akzeptiert Nachteile, nur dass er nichts mit Gerichten zu tun hat. Die Begründung des Beklagten, dass er sich angesichts seines Gesundheitszustandes und dem seiner Ehefrau weite Reisen und Zeit in belastender Atmosphäre ersparen wollte und deshalb den Vorschlag seiner Verteidigerin zur Abgabe eines Teilgeständnisses zugestimmt habe, ist nicht abwegig. Das Strafmaß (ca. 3.000,00 EUR Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens) unterhalb der Grenze des Vorbestraftseins ist jedenfalls nicht so hoch, dass (verfahrens)ökonomische Gründe keine Rolle spielen konnten.
Die Kammer ist deshalb auch bei der Berücksichtigung dieses Teilgeständnisses nicht von einer vorsätzlichen Umsatzsteuerhinterziehung durch den Beklagten überzeugt.
1.2 Die gerichtlich für wirksam erklärte Verdachtskündigung der Klägerin vom 09.09.2003 ist nicht geeignet, die dem Beklagten im vorliegenden Verfahren vorgeworfene Umsatzsteuerhinterziehung zu beweisen.
Dieser Verdachtskündigung lag der dringende Verdacht zugrunde, dass der Beklagte unentgeltlich einen hochwertigen Pkw dafür erhalten hatte, weil er von verbotswidrigen Verschiebungen von Werkswagen an Wiederverkäufer Kenntnis und diese Geschäfte gedeckt hatte. Für die Klägerin ergibt sich im vorliegenden Verfahren daraus der Verdacht, dass der Beklagte zusammen mit Herrn C. von den begünstigten Abnehmern der Werkswagen Gegenleistungen erhalten hat. Selbst wenn man mit der Klägerin einen solchen Verdacht annähme, ist ein Verdacht ein viel geringerer Grad an Gewissheit als die im vorliegenden Schadenersatzprozess erforderliche Überzeugung im Sinne des § 286 ZPO.
1.3 Auch der Vortrag der nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin zum Ablauf des Verkaufs der vier Werkswagen, auf den sie ihren Schadenersatzanspruch stützt, rechtfertigt nicht die Annahme einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit des Beklagten.
1.3.1 Bezüglich der dem Strafbefehl und dem Teilgeständnis zugrunde liegenden Werkswagenverkäufe an die Scheinfirmen C. D. Ltd. und A. C. (Rechnung 30.01.2002 bzw. 02.02.2000) hat die Klägerin lediglich vorgetragen, dass der Beklagte (nur) die Firma C. D. Ltd. gekannt und er die (beiden) "verbindlichen Bestellungen" mitunterschrieben habe (Schriftsatz vom 28.08.2008, S. 7). Diesen Vortrag hat der Beklagte bestritten und insbesondere betont, dass er nur Verkäufe von Unfallwagen alleine unterschrieben habe. Bei den übrigen Werkswagen habe er gelegentlich mitunterschrieben. In seiner Funktion als Verkaufsleiter sei es ihm unmöglich gewesen, jeden einzelnen Vorgang zu überprüfen. Er habe sich lediglich auf Stichproben beschränkt. In jedem Fall einer innergemeinschaftlichen Lieferung habe aber eine Steueridentifikationsnummer vorhanden sein müssen, sonst hätte im damaligen Zeitraum eine Rechnung überhaupt nicht ausgedruckt werden können. Auf dieses substanziierte Bestreiten einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit durch den Beklagten hat die Klägerin im Rahmen ihrer Darlegungslast keinen substanziierten Vortrag der den Schadenersatzanspruch zugrunde liegenden Tatsachen abgegeben. Das Beweisangebot der Beiziehung der Verfahrensakten des Amtsgerichts und der Staatsanwaltschaft S. (mehr als 20 Aktenordner und mehrere Kartons mit Beweismitteln), dem teilweise das Gericht nachgekommen ist, ersetzt keinen substanziierten Vortrag.
1.3.2 Auch der erst in der Berufungsinstanz gemachte Vortrag zu den Verkäufen der beiden Unfallwagen an die Firma C. D. Ltd. (Rechnung vom 21.01.99 und 18.11.99) begründet keinen Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlichem Handeln.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte sowohl die "verbindlichen Bestellungen" als auch die Rechnungen und Abholungsnachweise allein unterzeichnet hat. Die Klägerin hat nicht der von dem Beklagten geschilderten Praxis widersprochen, dass er auch in der Vergangenheit Unfallwagen an den Anbieter mit dem höchsten Gebot veräußert habe. Der Beklagte hat im Zusammenhang mit diesen beiden Verkäufen jegliche Pflichtwidrigkeit weit von sich gewiesen. Er habe sich wie bei jedem Verkauf eines Unfallwagens die Umsatzsteuer-Ident-Nummer und auch die Kopie eines Reisepasses des Abholers vorlegen lassen. Diese Unterlagen müssten sich in der "Autoakte" des jeweiligen Vorgangs befinden. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang dann auf einen (nicht in der Gerichtsakte befindlichen) Steuerfahndungsbericht vom 26.03.2007 verwiesen und vorgetragen, dass sich die einschlägigen Akten bei den Unterlagen der Staatsanwaltschaft befinden müssten. Dabei verkennt die Klägerin, dass das Gericht im Rahmen des im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatzes nicht gehalten ist, alle bei der Staatsanwaltschaft befindlichen Unterlagen anzufordern und darin die entsprechenden Unterlagen ("Autoakten") zu suchen. Dies wäre Sache der Klägerin im Rahmen ihrer Darlegungslast gewesen.
1.4 Auch unter Berücksichtigung aller vorgenannten Indizien ist die erkennende Kammer nicht von einer vorsätzlich begangenen Pflichtwidrigkeit des Beklagten überzeugt.
Das Teilgeständnis des Beklagten im Strafprozess hat für die Berufungskammer, wie oben ausgeführt, keinen großen Stellenwert. Auch zusammen mit dem Umstand, dass die Klägerin eine wirksame Verdachtskündigung gegenüber dem Beklagten in einem anderen Sachverhalt ausgesprochen hat und der Vortrag im vorliegenden Verfahren zum angeblich kollusiven Zusammenwirken mit Herrn C. führt die erkennende Kammer nicht zu der Überzeugung, dass der Beklagte vorsätzlich Umsatzsteuer hinterzogen hat.
2. Die Klägerin hat auch keinen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Beklagten wegen einer fahrlässig begangenen Pflichtwidrigkeit gemäß § 280 Abs. 1 BGB.
Die Klägerin wirft dem Beklagten nicht vor, dass er als Vorgesetzter gegenüber seinen Verkäufern Überwachungspflichten verletzt hat. Vielmehr ist sie der Auffassung, dass der Kläger im Zusammenwirken mit Herrn C. (vorsätzlich) Umsatzsteuer hinterzogen hat. Der allein im Hinblick auf eine vorsätzlich begangene Pflichtwidrigkeit gemachte Vortrag der Klägerin rechtfertigt bei einer Klagabweisung nicht die Annahme, dass der Beklagte diese Pflichtwidrigkeiten fahrlässig begangen hat.
III.
Da somit die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben konnte, hat sie die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Die Revision an das Bundesarbeitsgericht ist nicht zu zulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) dafür nicht vorliegen.
Ende der Entscheidung
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