Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 14.01.2000
Aktenzeichen: 5 Sa 49/99
Rechtsgebiete: SGB VI, BetrAVG, ZPO, ArbGG
Vorschriften:
SGB VI § 36 | |
BetrAVG § 2 Abs. 1 | |
BetrAVG § 6 | |
ZPO § 91 Abs. 1 | |
ZPO § 344 | |
ArbGG § 72 Abs. 1 Nr. 1 |
5 Sa 49/99
verkündet am 14.01.2000
In Sachen
pp.
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg -5. Kammer- durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Lemm, den ehrenamtlichen Richter Benz und den ehrenamtlichen Richter Koch auf die mündliche Verhandlung vom 14.01.2000
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 11.03.1999 -15 Ca 8669/98- abgeändert:
1. Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.11.1998 -15 Ca 8669/98- wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen; ausgenommen hiervon sind die durch die Säumnis der Beklagten veranlassten Kosten, die die Beklagte zu tragen hat.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.
Der am 02.07.1935 geborene Kläger war bei der Beklagten vom 01.10.1982 bis 31.07.1998 als Verfahrensingenieur beschäftigt. Er bezieht seit dem 01.08.1998 ein vorgezogenes Altersruhegeld gem. § 36 SGB VI. Seit demselben Zeitpunkt zahlt die Beklagte dem Kläger gemäß Schreiben vom 25.05.1998 (Bl. 9 d.A. 1. Instanz) eine monatliche Betriebsrente von DM 235,--. Grundlage hierfür ist die dem Kläger unter dem 30.12.1982 erteilte formularmäßige Pensionszusage (Bl. 7, 8 d.A. 1. Instanz), in der es u.a. heißt:
"In Anerkennung ... haben wir uns entschlossen, Ihnen nach Maßgabe der auf der nächsten Seite genannten Bestimmungen folgende Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren.
Sie erhalten:
Altersrente
Beim Ausscheiden aus den Diensten unserer Firma nach vollendetem 65. Lebensjahr eine lebenslängliche Altersrente von monatlich DM 300,--.
Erfolgt das Ausscheiden vorzeitig wegen der Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente aus der Sozialversicherung (flexible Altersgrenze), so vermindert sich die Altersrente für jeden Monat, den Sie vor Erreichen des o.a. Pensionsalters ausscheiden, um 0,5 %."
Auf der nächsten Seite der Versorgungszusage heißt es u.a.:
"Bei Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Versorgungsfalles und vor Eintritt der im "Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung" (BetrAVG) geregelten Unverfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften besteht kein Anspruch aus dieser Zusage.
Bei Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Versorgungsfalles, aber nach Eintritt der Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft, wird bei Eintritt des Versorgungsfalles nur eine Teilleistung nach Maßgabe des o.a. Gesetzes gewährt.
Im Falle der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden wir Ihnen Auskunft darüber erteilen, ob für Sie die Voraussetzungen einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft erfüllt sind und in welcher Höhe gegebenenfalls Rentenleistungen bei Eintritt des Versorgungsfalles beansprucht werden können."
Hiervon ausgehend errechnet die Beklagte den Betriebsrentenanspruch des Klägers wie folgt:
Die zugesagte Betriebsrente von DM 300,-- sei zunächst entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen Dauer der Betriebszugehörigkeit von 190 Monaten zu der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbaren Dauer der Betriebszugehörigkeit von 214 Monaten auf DM 266,35 zu kürzen. Von diesem Betrag sei sodann ein versicherungsmathematischer Abschlag von 12 % (24 x 0,5 %) vorzunehmen, so dass dem Kläger eine Betriebsrente von monatlich DM 235,-- zustehe.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage eine weitere Betriebsrente von DM 29,-- monatlich.
Durch Versäumnisurteil vom 19.11.1998 (Bl. 23-25 d.A. 1. Instanz) hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß dazu verurteilt,
1. an den Kläger für die Zeit vom 01.08.1998 bis 31.10.1998 weitere Betriebsrente in Höhe von insgesamt DM 87,-- nebst 4 % Zinsen daraus seit 01.11.1998 zu bezahlen,
2. an den Kläger ab dem 01.11.1998 eine über den Betrag von monatlich DM 235,-- hinausgehende weitere Betriebsrente in Höhe von DM 29,-- monatlich, fällig jeweils am Ende des jeweiligen Monats, nebst jeweils 4 % Zinsen daraus seit dem jeweiligen Fälligkeitstag zu bezahlen.
Gegen dieses ihr am 10.12.1998 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte am 11. und 14.12.1998 form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass für eine ratierliche Kürzung seines Betriebsrentenanspruchs kein Raum sei. Bei Inanspruchnahme der Altersrente nach § 36 SGB VI liege nicht der Fall des § 2 Abs. 1 BetrAVG vor, sondern der des §6 BetrAVG. Für diesen sehe die Pensionszusage aber ausdrücklich -nur- einen versicherungsmathematischen Abschlag vor. Ihm stehe daher ab dem 01.08.1998 eine lediglich um 12 % gekürzte und sich damit auf DM 264,-- belaufende monatliche Betriebsrente zu.
Der Kläger hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 19.11.1998 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 19.11.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie hält die vorgenommene Berechnung für zutreffend. Aus dem Gesamtzusammenhang der Pensionszusage ergebe sich, dass die versicherungsmathematische Abschlagsregelung die "nach Maßgabe der auf der nächsten Seite (der Versorgungszusage) genannten Bedingungen" gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG vorgesehene ratierliche Kürzung auch dann nicht ausschließe, wenn das vorzeitige Ausscheiden wegen der Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente erfolge. Denn der Versorgungsfall der Altersrente sei auf Seite 1 der Versorgungszusage erkennbar dahingehend definiert, dass dieser erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres eintrete.
Das Arbeitsgericht hat mit dem am 11.03.1999 verkündeten, der Beklagten am 07.07.1999 zugestellten Urteil (Bl. 47-54 d.A. 1. Instanz), auf das verwiesen wird, das Versäumnisurteil vom 19.11.1998 aufrechterhalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte nach den Bestimmungen der Pensionszusage lediglich zur Vornahme des versicherungsmathematischen Abschlags berechtigt sei, weil der Fall des Ausscheidens wegen Inanspruchnahme des vorzeitigen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung unter dem Abschnitt "Altersrente" der Pensionszusage als besonderer Versorgungsfall geregelt sei. Jedenfalls sei die doppelte Kürzungsmöglichkeit für den Fall des vorzeitigen Bezugs von Altersrente in der Pensionszusage nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit vorgesehen.
Hiergegen richtet sich die am 05. und 06.08.1999 eingelegte und am 06.09.1999 (Montag) ausgeführte Berufung der Beklagten, mit der sie ihre bereits erstinstanzlich vorgetragene Rechtsauffassung wiederholt und vertieft.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 19.11.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
weil das angefochtene Urteil aus den von ihm näher ausgeführten Rechtsgründen zutreffend sei.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze vom 02.09.1999 und 07.10.1999 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht entsprochen. Die Beklagte hat den Ruhegeldanspruch des Klägers zutreffend berechnet.
§ 6 BetrAVG räumt einem Arbeitnehmer nur einen Anspruch auf vorzeitige betriebliche Altersleistungen ein. Er enthält selbst keine Regelung über die Höhe der Betriebsrente. Es kommt deshalb darauf an, welche Bestimmungen die Versorgungszusage hierzu trifft, was durch Auslegung zu ermitteln ist. Vorliegend bestimmt zwar die Versorgungszusage, dass sich beim vorzeitigen Ausscheiden wegen Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente aus der Sozialversicherung die Altersrente für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme um einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,5 % mindert. Durch diese Bestimmung sollte erkennbar aber lediglich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. etwa AP Nr. 3 zu § 6 BetrAVG) Rechnung getragen werden, nach der im besonderen Versorgungsfall des §6 BetrAVG neben einer ratierlichen Kürzung der Betriebsrente entsprechend der Methode in § 2 Abs. 1 BetrAVG wegen nicht vollständiger Erbringung der vorausgesetzten Betriebstreue ein versicherungsmathematischer Abschlag wegen der Verlängerung der Bezugsdauer nur dann in Betracht kommt, wenn dies in der Versorgungsordnung vorgesehen ist. Dagegen sollte durch diese Bestimmung der besondere Versorgungsfall des § 6 BetrAVG selbst nicht auch zu einem Versorgungsfall im Sinne der Pensionszusage gemacht werden mit der Folge, dass neben dem in ihr vorgesehenen versicherungsmathematischen Abschlag eine ratierliche Kürzung entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG wegen nicht vollständiger Erbringung der vorausgesetzten Betriebstreue nicht in Betracht käme. Gegen einen derartigen Willen spricht entscheidend, dass auch das Ausscheiden wegen Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente in der hier in Rede stehenden Bestimmung der Pensionszusage vom 30.12.1982 als ein "vorzeitiges Ausscheiden" bezeichnet ist und das vollendete 65. Lebensjahr, vor dessen Erreichen dieses vorzeitige Ausscheiden erfolgt, in dieser ausdrücklich als "Pensionsalter" in Bezug genommen ist. Hiernach erschöpft sich der Aussagegehalt der Regelung aber in der bloßen Veränderung der Bezugsgröße für den besonderen Versorgungsfall des § 6 BetrAVG, die für den zuvor auf die Vollendung des 65. Lebensjahres festgelegten Versorgungsfall "Alter" im Sinne der Pensionszusage mit DM 300,-- festgesetzt ist. Liegt somit auch im Falle des Ausscheidens wegen Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Versorgungsfalles "Alter" im Sinne der Pensionszusage vom 30.12.1982 vor, so war die Beklagte "nach Maßgabe der auf der nächsten Seite (der Pensionszusage) genannten Bestimmungen" aber auch berechtigt, die um den versicherungsmathematischen Abschlag verminderte Altersrente nochmals zeitanteilig entsprechend §2 Abs. 1 BetrAVG zu kürzen. Bei anderer Auffassung ergäbe sich das ungereimte Ergebnis, dass nach der formularmäßigen Pensionszusage der Beklagten zwar ein Arbeitnehmer, der auch nur kurz vor der Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden ist, sowohl eine ratierliche Kürzung als auch eine versicherungsmathematische Verminderung seiner Betriebsrente hinnehmen müsste (vgl. hierzu etwa BAG AP Nr. 21 zu § 6 BetrAVG), ein Arbeitnehmer, der wegen der Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente vorzeitig ausscheidet, jedoch lediglich einen versicherungsmathematischen Abschlag. Da eine derartige, sachlich kaum zu rechtfertigende Differenzierung von der Beklagten schwerlich gewollt gewesen sein kann, spricht daher schließlich auch dieser Gesichtspunkt für die Richtigkeit der hier vorgenommenen Auslegung, nach der die Pensionszusage vom 30.12.1982 für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens wegen der Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente mit noch hinreichender Deutlichkeit sowohl eine versicherungsmathematische als auch eine ratierliche Kürzung der betrieblichen Altersrente vorsieht, was auch unter Berücksichtigung der Höhe des versicherungsmathematischen Abschlags von 0,5 % nicht als unbillig angesehen werden kann.
Auf die Berufung der Beklagten war daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu erkennen wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO, die Zulassung der Revision auf §72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.