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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 18.11.2008
Aktenzeichen: 9 TaBV 6/08
Rechtsgebiete: ArbGG
Vorschriften:
ArbGG § 98 |
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg, vom 09.10.2008, 11 BV 17/08 wird zurückgewiesen.
Gründe:
A.
Die antragstellende Arbeitgeberin begehrt die Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und die Bestimmung der Zahl der Beisitzer. Antragsgegner ist der bei der Antragstellerin gebildete Betriebsrat für die Niederlassung F., der dem Antrag mit der Begründung entgegentritt, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig, da zu dem begehrten Regelungsgegenstand bereits eine ungekündigte Betriebsvereinbarung bestehe.
Die Beteiligten haben unter dem Datum vom 11.12.2002 eine Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit in der Zustellung geschlossen. Diese lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 2
Grundsätze für die Dienstplangestaltung
(1) Dienstpläne sind Betriebsvereinbarungen. Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate. Die Nachwirkung ist auf 3 Monate begrenzt.
....
(7) Dienstpläne können unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates geändert werden, ohne dass es einer Kündigung dieser Betriebsvereinbarung bedarf."
Auf der Grundlage dieser Betriebsvereinbarung existieren Dienstpläne im Sinne des § 2 der Betriebsvereinbarung. Hierbei handelt es sich um Rahmenbetriebsvereinbarungen für die jeweiligen im Antrag bezeichneten Organisationseinheiten, die bislang von dem Betriebspartner nicht gekündigt worden sind. Daneben existieren sogenannte Einsatzpläne, die der konkreten Umsetzung der Dienstpläne dienen und in denen Mitarbeiter namentlich für bestimmte Zeitabschnitte bezeichnet sind.
Die antragstellende Arbeitgeberin beabsichtigt eine Änderung der bestehenden Dienstpläne zur Umsetzung des Betriebskonzepts "kompakte Gebiete".
Sie hat vor dem Arbeitsgericht zuletzt beantragt:
1. Herrn P., Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, als Vorsitzenden der Einigungsstelle bei der Niederlassung BRIEF F. der Antragstellerin zur Aufstellung von Dienstplänen
- für die Organisationseinheit F. 80 (Zustellung),
hier die Bezirke 79104-01, 79104-02, 79104-05, 79106-23, 79106-26, 79104-03, 79104-04, 79104-12, 79106-21, 79108-31, 79104-06, 79104-07, 79104-08, 79104-09, 79104-10, 79106-22, 79106-24, 79106-25, 79106-27, 79106-28, 79104-11, 79108-32, 79108-33, 79108-35, 79108-41, 79018-34, 79108-36, 79108-37, 79108-38, 79108-40, 79110-51, 79110-52, 79110-53, 79110-54, 79110-55, 79110-56, 79110-57, 79110-58, 79110-59, 79108-39, 79111-61, 79111-63, 79111-64, 79111-68, 79111-70, 79111-65, 79115-91, 79115-93, 79115-94, 79111-66, 79111-76, 79111-69, 79111-71, 79114-87, 79114-81, 79114-82, 79114-84, 79106-29, 79115-97, 79114-83, 79114-85, 79114-86, 79114-88, 79114-89, 79115-92, 79115-95, 79115-96, 79115-98, 79111-99, 79224-72, 79224-73, 79224-74
in Normal-, Schwach- und Starksaison
sowie in der Vorbereitung für die Bezirke 79104-05, 79106-23, 79111-06 (Aufsicht), 79111-06, und die Bezirke der Gruppen 1 - 5, soweit hier noch keine Zustimmung des Betriebsrats vorliegt
- für die Organisationseinheit R. (Zustellung)
hier die Bezirke 79618-01, 79618-02, 79618-05, 79618-09, 79618-04, 79618-07, 79618-08, 79618-10, 79618-12, 79618-15, 79618-16, 79618-25, 79618-28, 79618-17, 79618-18, 79618-21, 79618-23, 79618-26, 79618-11
in Normal-, Schwach- und Starksaison
- für die Organisationseinheit W. (Zustellung)
hier die Bezirke 79576-03, 79576-06, 79576-07, 79576-24, 79576-25, 79576-04, 79576-09, 79576-10, 79576-11, 79576-12, 79576-08, 79576-20, 79576-21, 79576-22, 79576-23, 79576-05
in Normal-, Schwach- und Starksaison
sowie für die Kräftegruppen "Postfach" und "Vorbereiter Trennung Vorbereitung/Zustellung Bezirke 08, 09, 10, 20 und 22"
mit jeweils drei Beisitzern zu bestimmen.
2. Hilfsweise, einen vom Arbeitsgericht zu benennenden, bisher noch von keinem der Beteiligten genannten, zum Vorsitzenden dieser Einigungsstelle zu bestimmen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens wird im Übrigen auf die Sachverhaltsdarstellung im Beschluss des Arbeitsgerichts vom 09.10.2008 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit dem genannten Beschluss den Antrag der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Einigungsstelle jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt für den begehrten Streitgegenstand offensichtlich unzuständig ist, da der Gegenstand, zu dessen Regelung die Einigungsstelle eingesetzt werden soll, schon in der ungekündigten Betriebsvereinbarung bereits geregelt sei. Die einzelnen Dienstpläne seien Betriebsvereinbarungen bei denen erst nach deren Kündigung die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Thema Dienstplangestaltung erzwungen werden könne.
Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 13.10.2008 zugestellt. Hiergegen legte sie am 21.10.2008 beim Landesarbeitsgericht fristgerecht Beschwerde ein, die sie sogleich begründete.
Zur Begründung der Beschwerde führt die Antragstellerin aus, das Arbeitsgericht habe in seiner Entscheidung zu Unrecht angenommen, dass die von der Antragstellerin angerufene Einigungsstelle "offensichtlich unzuständig" im Sinne des § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG sei. Aufgrund des Betriebskonzepts "Kompakte Gebiete" dessen Umsetzung Regelungsbedarf hinsichtlich der Änderung und Neugestaltung vorhandener Dienstpläne in den im Antrag genannten Organisationseinheiten und Kräftegruppen hervorgerufen habe, hätten zwei Verhandlungsrunden ergebnislos stattgefunden. Im Zuständigkeitsbereich der Niederlassung B. seien noch nie Dienstpläne gekündigt worden, sondern über erforderliche Änderungen sei jeweils verhandelt worden und die geänderten bzw. neu vereinbarten Dienstpläne ersetzten jeweils die vorhandenen Dienstpläne.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die von der Beschwerdeführerin / Antragstellerin angerufene Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig. In Rechtsprechung und Literatur werde die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Fall offensichtlicher Unzuständigkeit vorliegt unterschiedlich beantwortet. Die Bestellung eines Vorsitzenden sei zulässig und geboten, wenn nach dem Tatsachenvortrag des Antragstellers das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts nicht offensichtlich ausgeschlossen werden könne. Durch die bestehenden Dienstpläne, welche nicht gekündigt worden seien, sei entgegen anders lautender Auffassung in der Fachliteratur die Einigungsstelle nicht bereits deswegen offensichtlich unzuständig. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Tatsache der ausgeübten Mitbestimmung in einer Betriebsvereinbarung keine Sperrwirkung hinsichtlich der Ausübung des gesetzlichen Mitbestimmungsrechtes gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG wegen einer anderen Regelung entfalte. Sperrwirkung erzeugten nur entgegenstehende gesetzliche oder tarifliche Regelungen. Wenn nicht ein identischer Regelungsgegenstand verhandelt werden solle, sondern eine abweichende oder völlig neue Regelung im Rahmen des gesetzlichen Mitbestimmungsrechtes zu treffen sei, gebe es durch eine bereits abgeschlossene Betriebsvereinbarung keine Regelungssperre. Eine solche Regelungssperre lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen, im Gegenteil seien die Betriebspartner frei darin, noch während der Fortexistenz einer bestehenden Regelung eine andere Regelung zu vereinbaren, welche als neuere Regelung die ältere Regelung ablöse. Auf die entsprechenden Entscheidungen des LAG Köln wie auf das LAG München sei hinzuweisen. Zudem hätten die Betriebspartner in der Vergangenheit immer Dienstplanverhandlungen ohne Kündigung der Dienstpläne geführt und die erzielten Ergebnisse hätten die bestehenden Dienstpläne dann ersetzt.
Im Übrigen könne von einer offensichtlichen Unzuständigkeit der angerufenen Einigungsstelle auch schon deswegen keine Rede sein, weil diese Frage in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet werde und die Einigungsstelle letztlich selbst über ihre Zuständigkeit beschließen müsse.
Zudem sei die Auffassung des Arbeitsgerichts verfehlt, auch während der befristeten Nachwirkung nach erfolgter Kündigung sei ein Anrufen der Einigungsstelle nicht möglich, weil diese auch dann noch offensichtlich unzuständig sei.
Die Beschwerdeführerin / Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgericht Freiburg vom 6.10.2008 11 BV 17/08 abzuändern und stellt den erstinstanzlichen Antrag.
Der Antragsgegner / Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt zur Begründung vor, dass in der Betriebsvereinbarung vom 11.12.2002 zur Arbeitszeit in der Zustellung ausdrücklich geregelt sei, dass die Dienstpläne den Charakter von Betriebsvereinbarungen hätten und mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten gekündigt werden könnten. Der Umstand, dass die Betriebsparteien in der Vergangenheit einvernehmlich Dienstpläne geändert hätten, führe nicht zur Außerkraftsetzung der Notwendigkeit der Kündigung nach § 2 Abs. 1 BV, wenn eine einvernehmliche Änderung nicht erreicht werden könne. Die Entscheidung des LAG München beinhalte einen Sachverhalt, in dem gerade nicht durch Betriebsvereinbarung festgelegt worden sei, wie mit bestehenden Dienstplänen - wenn diese geändert werden sollten - zu verfahren sei. Zudem sei hilfsweise auszuführen, dass die gestellten Anträge zu unbestimmt seien. Aus den gestellten Anträgen sei nicht zu entnehmen, für welche einzeln benannten Beschäftigten mit welcher arbeitsvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit Dienstpläne vereinbart werden sollten, da der Antrag der Beschwerdeführerin sich auf Dienstpläne für mit Ziffern versehene Bezirke, die in Organisationseinheiten zusammengefasst seien, beziehen würden, nicht jedoch auf die dort tätigen Arbeitnehmer.
Wegen des weiteren Vorbringens im Beschwerdeverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
B.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.
I.
Die Beschwerde ist nach § 98 Abs. 2 S. 1 ArbGG statthaft und nach § 98 Abs. 2 S. 2 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Beschwerde richtet sich, wie ihre Auslegung unzweifelhaft ergibt, gegen einen Beschluss vom 9.10.2008. Dies ist der Tag der Verkündung des Beschlusses, der allerdings fälschlich als Verkündungsvermerk den 6.10. 2008 trägt.
Nach § 98 Abs. 2 S. 3 ArbGG war die Entscheidung durch den Vorsitzenden zu treffen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist jedoch unbegründet und war daher zurückzuweisen. Die von der Antragstellerin begehrte Einsetzung der Einigungsstelle scheitert daran, dass diese offensichtlich unzuständig im Sinne des § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG ist, da der begehrte Regelungsgegenstand durch derzeit noch ungekündigt bestehende Betriebsvereinbarungen schon geregelt ist. Das Arbeitsgericht hat die Anträge daher zu Recht zurückgewiesen.
Im Einzelnen:
1. Nach § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG wird der Antrag auf Bestimmung des Vorsitzenden der Einigungsstelle und der Festlegung der Zahl der Beisitzer nach § 76 Abs. 2 BetrVG nur dann zurückgewiesen, wenn die Einigungsstelle zur Regelung des begehrten Antragsgegenstandes offensichtlich unzuständig ist. Offensichtliche Unzuständigkeit liegt dann vor, wenn im Rahmen eines erzwingbaren Einigungsstellenverfahrens bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt (statt vieler: Germelmann/Matthes, ArbGG, § 98, Rn. 8; ErfK/Eisenmann, § 98, Rn. 3). Vom Maßstab der offensichtlichen Unzuständigkeit wird aber nicht nur die Frage des Bestehens eines Mitbestimmungsrechtes erfasst, sondern auch alle anderen Voraussetzungen für das Tätigwerden der Einigungsstelle.
2. Im einseitig erzwingbaren Einigungsstellenverfahren ist für die Frage der Zuständigkeit der Einigungsstelle § 76 Abs. 5 S. 1 BetrVG maßgeblich. Danach wird in den Fällen, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite tätig. Voraussetzung für die Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und die Bestimmung der Zahl der Beisitzer nach § 98 Abs. 1 ArbGG ist daher, dass es sich um eine Angelegenheit handelt, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann.
Im vorliegenden Fall handelt es sich unbestrittenermaßen um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
a) Nach § 87 Abs. 2 BetrVG ersetzt der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Voraussetzung für den Spruch der Einigungsstelle und damit die Möglichkeit, die Einigungsstelle nach § 76 Abs. 5 S. 1 BetrVG einseitig anzurufen ist jedoch nach § 87 Abs. 2 S. 1, dass eine Einigung über eine Angelegenheit nach Abs. 1 nicht zustande kommt. Nur dann hat die Einigungsstelle die Kompetenz, eine für beide Seiten verbindliche Entscheidung zu treffen. Die der Einigungsstelle von Gesetzes wegen verliehene Entscheidungskompetenz setzt demnach voraus, dass es an einer Einigung zwischen den Betriebsparteien fehlt. Das ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf die ungekündigt bestehenden Dienstpläne als Betriebsvereinbarung im Sinne des § 77 BetrVG aber gerade nicht der Fall. Die Betriebspartner haben sich über Dienstpläne verständigt, die ungekündigt fortbestehen und aus diesem Grund besteht zwischen ihnen bezüglich der regelungsbedürftigen Angelegenheit der Dienstpläne für die von der Antragstellerin genannten Bezirke bereits eine Einigung. Für das Tätigwerden der Einigungsstelle auf Antrag einer Seite fehlt es daher an dem Merkmal der "fehlenden Einigung" der Betriebspartner.
b) Wenn die Antragstellerin darauf hinweist, dass in der von ihr begehrten Regelungsangelegenheit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht und dass die Betriebsparteien auch die Möglichkeit haben, durch eine jüngere Betriebsvereinbarung eine ältere Betriebsvereinbarung abzulösen, so ist dies unbestrittenermaßen zutreffend. Eine bereits bestehende Betriebsvereinbarung schließt auch nicht aus, dass die Regelung an sich mitbestimmungspflichtig bleibt. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob bei einer noch rechtswirksamen - weil ungekündigt - bestehenden Betriebsvereinbarung die Kompetenz der Einigungsstelle zur erneuten Regelung des Sachverhaltes nach § 87 Abs. 2 S. 2 BetrVG eröffnet ist. Das ist aber, wie oben dargelegt, gerade nicht der Fall, weil die Funktion der Einigungsstelle darin besteht, die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu ersetzen. Solange noch eine ungekündigte Betriebsvereinbarung besteht, ist eine solche Einigung jedoch nach wie vor vorhanden.
c) Dies entspricht auch ganz überwiegender Auffassung in der neueren Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte (LAG Niedersachsen, Beschluss vom 29.07.2008, 1 TaBV 47/08; Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 20.05.2008, 4 TaBV 97/08; LAG Hamm, Beschluss vom 10.09.2007, 10 TaBV 85/07 sowie Beschluss vom 21.12.2005, 10 TaBV 173/05; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 09.09.1977, 8 TaBV 27/77).
Auch im Schrifttum wird diese Auffassung nicht in Frage gestellt (ErfK/Eisenmann, § 98 ArbGG, Rn. 3; Germelmann/Matthes, ArbGG, § 98, Rn. 9; Hauck/Helml, ArbGG, § 98, Rn. 4; Schwab/Weth/Walker, ArbGG, § 98, Rn. 37; GK-ArbGG/Dörner, § 98, Rn. 26; HK-ArbR/Henssen, § 98 ArbGG, Rn. 9; HWK/Bepler, § 98, Rn. 6; GK-BetrVG/Kreutz, § 76, Rn. 70). Die Auffassung, trotz einer ungekündigt bestehenden Betriebsvereinbarung könne zum selben Regelungsgegenstand die Einigungsstelle einseitig von einem der Betriebspartner angerufen werden, wird in der Fachliteratur soweit ersichtlich nicht vertreten.
Auch in der teilweise abweichenden Rechtsprechung zweier Landesarbeitsgerichte wird eine solche Aussage ohne Einschränkung nicht getroffen. Das LAG Köln hat in seinen Entscheidungen vom 06.09.2005 - 4 TaBV 41/05 - bzw. vom 23.01.2007 - 9 TaBV 66/07 - jeweils für Sonderfälle entschieden, dass eine zum Regelungsgegenstand bestehende ungekündigte Betriebsvereinbarung die Einsetzung der Einigungsstelle nach § 98 ArbGG nicht ausschließt. In der Entscheidung vom 23.01.2007 hatten die Betriebspartner in der bestehenden Betriebsvereinbarung bereits von vorneherein Änderungsvorbehalte festgelegt; in der Entscheidung vom 06.09.2005 ging das LAG davon aus, dass jedenfalls aufgrund des Umstandes, dass durch die bisherige Betriebsvereinbarung der Regelungsgegenstand durch die vorliegenden Betriebsvereinbarungen nicht abschließend geregelt war. Zutreffend geht das LAG Köln im Übrigen davon aus, dass in bestimmten Fällen eine bestehende Betriebsvereinbarung eine Einigungsstelle zur Aufstellung einer ablösenden Regelung nicht ausschließt, nämlich dann, wenn es denkbar ist, dass die Geschäftsgrundlage der bestehenden Betriebsvereinbarung entfallen ist und daher ein Anpassungsanspruch eines der Betriebspartner besteht, beispielsweise bei Sozialplänen, deren Kündigung im Regelfall bereits deswegen nicht möglich ist, weil sie einen temporär begrenzten Einzelfall, nämlich eine Betriebsänderung hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Folgen regeln. Aus diesem Sonderfall kann aber nicht der Schluss gezogen werden, deshalb hindere allgemein das Bestehen einer ungekündigten Betriebsvereinbarung nicht das erneute Anrufen der Einigungsstelle zum selben Regelungsgegenstand.
In der Entscheidung des LAG München vom 06.05.2008 vermag hier Ziff. 2.2, die sich allein mit der vorliegenden Problematik beschäftigt, nicht zu überzeugen. Die herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.1989 - 1 ABR 91/87 - äußert sich zu der vorliegenden Problematik, inwieweit eine ungekündigt bestehende Betriebsvereinbarung eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle begründet, gerade nicht, sondern stellt lediglich klar, dass in einem solchen Fall die rechtskräftige Abweisung des Beschlusses im Bestellungsverfahren einem Feststellungsantrag auf Feststellung des Bestehens des Mitbestimmungsrechtes nicht entgegensteht. Es geht im vorliegenden Fall gerade nicht darum, ob die Arbeitgeberin die Möglichkeit haben soll, bei denkbarem Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes die Einigungsstelle anzurufen - was niemand in Abrede stellt -, sondern um die Frage, ob eine nicht gekündigte Betriebsvereinbarung die Zuständigkeit der Einigungsstelle offensichtlich ausschließt.
Auch den weiteren Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vermag sich das erkennende Gericht nicht anzuschließen. Das LAG führt aus: Sie (die Arbeitgeberin) ist jedenfalls dann mindestens genauso schutzwürdig im Sinne der Einräumung der Möglichkeit der Anrufung einer Einigungsstelle beim bereits ausgeübten Mitbestimmungsrecht in Gestalt einer noch existierenden, nicht gekündigten Betriebsvereinbarung, wenn im Falle deren Kündigung nach Ablauf der Kündigungsfrist in Folge der darin ausgeschlossenen gesetzlichen Nachwirkungen ein im Hinblick auf § 87 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 BetrVG ungeregelter Zustand entstünde, wie hier.
Dem ist entgegenzuhalten, dass zum Einen fraglich ist, ob nach Ablauf der Nachwirkung tatsächlich ein ungeregelter Zustand entsteht, denn in irgendeiner Weise muss die Beklagte, wenn innerhalb der begrenzten Nachwirkung hier nicht eine Einigung herbeigeführt wird, Regelungen bezüglich des Dienstplaneinsatzes der Arbeitnehmer treffen. Zum Anderen haben die Betriebspartner ab dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung 6 Monate Zeit, eine neue Regelung herbeizuführen. Der Ausschluss der Nachwirkung dient ersichtlich dem Zwecke, diese Verhandlungen zu beschleunigen. Insoweit ist der Beschwerdeführerin beizupflichten, dass entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ein Einigungsstellenbesetzungsverfahren bereits ab Zugang der Kündigung stattfinden kann. Die Zeit von 6 Monaten reicht hierfür jedoch im Regelfall aus. Dies ist jedenfalls kein tragfähiges Argument dafür, um auf die Notwendigkeit der Kündigung der Betriebsvereinbarung zu verzichten.
d) Auch systematische Überlegungen tragen das Ergebnis, dass die Einigungsstelle bei ungekündigtem Bestehen einer Betriebsvereinbarung zum selben Regelungsgegenstand offensichtlich unzuständig ist. Zum einen würde das in § 77 Abs. 5 BetrVG geregelte Kündigungsrecht bezüglich einer Betriebsvereinbarung hinsichtlich erzwingbarer Betriebsvereinbarungen ohne jede praktische Bedeutung werden. Die Kündigung einer Betriebsvereinbarung wäre völlig überflüssig und damit auch die Regelung des § 77 Abs. 5 BetrVG jedenfalls für erzwingbare Betriebsvereinbarungen, wenn eine Ablösung bereits durch das Anrufen einer Einigungsstelle noch zu Laufzeiten der gekündigten Betriebsvereinbarung erreicht werden könnte. In mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten bedarf zwar in der Regel die ablösende andere Vereinbarung wiederum der Zustimmung des Betriebsrates, so dass bestehende Betriebsvereinbarungen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten im Ergebnis nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats, auch nach ihrer Kündigung, abgeändert werden können. Wenn es dazu allerdings nicht einmal einer Kündigung bedürfte, weil die Einigungsstelle auch noch bei ungekündigtem Bestand der Betriebsvereinbarung einseitig angerufen werden könnte, so bedürfte es der gesetzlichen Regelung der Kündigung überhaupt nicht.
Darüber hinaus spricht auch für das gefundene Ergebnis, dass ansonsten jedwede feste Laufzeiten von Betriebsvereinbarungen, während derer die ordentliche Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen sein soll, ohne Bedeutung wären, denn eine Abänderung der Betriebsvereinbarung könnte alleine durch Anrufen der Einigungsstelle bei ungekündigtem Bestand der Betriebsvereinbarung herbeigeführt werden.
e) Ferner ist zu sehen, dass die Einigungsstelle die Funktion einer Zwangsschlichtung im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung ausübt (dazu Richardi, BetrVG, § 76, Rn. 8, 23). Die Möglichkeit der Zwangsschlichtung mit verbindlicher Wirkung, darüber hinaus auch noch mit normativer Wirkung nach § 77 Abs. 4 BetrVG bedarf jedoch einer gesetzlichen Legitimation. Diese gesetzliche Legitimation ergibt sich im Hinblick auf den von der Antragstellerin begehrten Regelungsgegenstand aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 87 Abs. 2. Diese rechtliche Legitimation hat jedoch eine Ersatzfunktion und kommt nur dann zum Tragen, wenn eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht zustande kommt und Arbeitgeber und Betriebsrat die Herbeiführung dieser Zwangsschlichtung zumindest einseitig verlangen. Eine fehlende Regelung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit ist daher konstitutive Voraussetzung dafür, dass die Zwangsschlichtung durch das Einigungsstellenverfahren legitimiert ist. Andernfalls würde die subsidiäre Funktion des Einigungsstellenspruchs, eine fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu ersetzen übersehen und der Einigungsstelle würde die Befugnis eingeräumt, trotz einer bestehenden Regelung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sich durch Zwangsschlichtungsmaßnahmen über diese Regelung hinweg zu setzen und eine noch gültige einvernehmlich gefundene Lösung außer Kraft zu setzen. Dies wird noch dadurch bekräftigt, dass die Sprüche der Einigungsstelle ggf. normative Wirkung haben und daher diese Form der Zwangsschlichtung, die in Rechte und Pflichten Dritter eingreift, nur dann zum tragen kommen kann, wenn es dafür einen besonderen Anlass gibt, nämlich die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit.
Auch das Argument der Antragstellerin, bei einer Kündigung der Dienstpläne würde sie sich der Gefahr aussetzen, mit Gegenansprüchen des Betriebsrats zur Umgestaltung der Betriebsvereinbarung überzogen zu werden, vermag nicht zu überzeugen. Betriebsvereinbarungen sind in aller Regel ausgehandelte und gefundene Kompromisse zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und unter Berücksichtigung der wechselseitigen und öfters auch gegenläufigen Interessen. Der Verzicht auf die Kündigung der Betriebsvereinbarung an sich, um das Tätigwerden einer Einigungsstelle zu demselben Regelungsgegenstand zu ermöglichen, würde diesem Gedanken nicht gerecht. Auf diese Weise hätte es die eine Seite in der Hand, ohne das Risiko eingehen zu müssen, das gesamte ausgehandelte Gefüge der Betriebsvereinbarungen erneut auf den Prüfstand der Verhandlungen zu stellen, den von ihr heraus gewählten Punkt abändern zu lassen und damit in den gefundenen Interessenausgleich mithilfe der Einigungsstelle einseitig einzugreifen.
3. Die Voraussetzungen einer Offensichtlichkeit der Unzuständigkeit der Einigungsstelle liegen ebenfalls vor. Dabei ist nicht darauf abzustellen, ob (vereinzelt) in der Rechtsprechung angenommen wurde, auch bei ungekündigter Betriebsvereinbarung sei eine Einigungsstelle jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig, sondern ob die Zuständigkeit der Einigungsstelle in diesen Fällen eine schwierige und umstrittene Rechtsfrage ist. Das ist - wie oben dargelegt - nicht der Fall. Es wird von niemanden - auch nicht von den abweichenden LAG - die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle könne trotz ungekündigter Betriebsvereinbarung - von Sonderfällen abgesehen - einseitig angerufen werden.
Aus den genannten Gründen war daher die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat den Antrag im Hinblick auf die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle wegen der noch bestehenden ungekündigten Betriebsvereinbarungen über die Dienstpläne zurückgewiesen.
III.
Die Entscheidung ergeht kostenfrei.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nach § 98 Abs. 2 S. 4 ArbGG nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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