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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 16.11.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 56/05
Rechtsgebiete: InsO, BUrlG, BGB


Vorschriften:

InsO § 55
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt.
InsO § 103
InsO § 105
InsO § 108
InsO § 108 Abs. 1
InsO § 113
InsO § 113 Abs. 1 Satz 2
InsO § 208
InsO § 209
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 209 Abs. 2
InsO § 209 Abs. 2 Nr. 1
InsO § 209 Abs. 2 Nr. 2
InsO § 209 Abs. 2 Nr. 3
InsO § 210
BUrlG § 4
BUrlG § 5 Abs. 1
BUrlG § 7 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 287 S. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 249 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 10 Sa 56/05

Verkündet am 16.11.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 10. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Arnold, die ehrenamtliche Richterin Anderson und den ehrenamtlichen Richter Geis auf die mündliche Verhandlung vom 16.11.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen vom 09.05.2005 (Az. 7 Ca 73/05) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei dem Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung um eine Neumasseverbindlichkeit handelt.

Die Klägerin war seit 01.03.2001 Arbeitnehmerin der E. GmbH. Über deren Vermögen wurde durch Beschluss des Amtsgericht Villingen-Schwenningen vom 01.06.2004 (Az. 1 IN 25/04) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestimmt. Bereits am 25.05.2004 hatte zuvor als vorläufiger Insolvenzverwalter die anfänglich drohende Masseunzulänglichkeit angezeigt. Dies wurde im Eröffnungsbeschluss bekannt gemacht.

Die Klägerin war Leiterin des Einkaufes. Nach § 5 des außertariflichen Anstellungsvertrages betrug der Urlaubsanspruch der Klägerin 30 Tage pro Kalenderjahr. Bei nicht ganzjähriger Betriebszugehörigkeit sieht der Anstellungsvertrag die anteilige Gewährung vor.

Mit Schreiben vom 22.06.2004 hat der Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 30.09.2004 gemäß § 113 InsO gekündigt. Die Klägerin wurde ebenso wie eine Anzahl weiterer Arbeitnehmer bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterbeschäftigt. Sie erbrachte dem Beklagten gegenüber ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Im September 2004 wurden der Klägerin auf ihren Antrag 10 Arbeitstage Urlaub im Zeitraum vom 06.09. bis 17.09.2004 gewährt und als Masseforderung erfüllt. Unstreitig ist, dass der weitere Resturlaubsanspruch von 7 Arbeitstagen bis zum Ablauf des 30.09.2004 mit der Höhe nach unstreitigen € 1.615,18 im Hinblick auf die streitige Bewertung der Urlaubsansprüche bei Insolvenzeröffnung nicht erfüllt wurde. Der Beklagte hat zur Begründung angegeben, dass der anteilige Urlaubsanspruch für die Tätigkeit vom 01.06.2004 bis 30.09.2004 in natura gewährt werde und der noch offene Resturlaub nicht als Neumasseverbindlichkeit beglichen werde.

Mit der am 17.02.2005 erhobenen Klage hat die Klägerin die Zahlung der offenen Urlaubsansprüche als Neumasseverbindlichkeit geltend gemacht.

Die Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 1.615,18 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte hat

die Klagabweisung

beantragt.

Bei den offenen Urlaubsansprüchen handele es sich um keine Neumasseverbindlichkeit.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Der nicht erfüllte Urlaubsanspruch sei nach § 209 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO Neumasseverbindlichkeit.

Gegen das dem Beklagten am 17.05.2005 zugestellte Urteil hat dieser am 17.06.2005 Berufung eingelegt und diese am 14.07.2005 begründet. Die hier streitige Rechtsfrage sei vom Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden. Die Anwendung von § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO scheide aus. Nach dieser Vorschrift entstehe eine Neumasseverbindlichkeit nur, soweit der Insolvenzverwalter die Gegenleistung in Anspruch nehme. Bei sachgerechter Betrachtung könne man nur zum Schluss kommen, dass eine Neumasseverbindlichkeit nur für die tatsächlich erhaltene Gegenleistung, nicht aber für Urlaubsabgeltungsansprüche gelten könne, von denen die Insolvenzmasse nicht profitieren werde. Nicht der Urlaubsanspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht, sondern das Entgelt für den Arbeitsmonat sei die Leistung der Masse für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers als Gegenleistung. Ein anderes Ergebnis würde im Widerspruch zum erklärten gesetzgeberischen Ziel der Sanierung insolventer Unternehmen stehen. Der Insolvenzverwalter müsste in jedem Fall prüfen, ob seine "Gegenleistung" noch in angemessenem Äquivalenzverhältnis zur Leistung des Arbeitnehmers stehe. Dies könne dazu führen, dass trotz betrieblicher Notwendigkeiten wegen dieses Missverhältnisses der Arbeitnehmer nicht weiterbeschäftigt werden könne. Der Insolvenzverwalter wäre in jedem Fall gezwungen, die Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen, um der Abgeltung von Alturlaubsansprüchen zu entgehen. Diese Zwangslage kollidiere mit der Pflicht des Insolvenzverwalters, das Unternehmen des Schuldners bis zum Gerichtstermin vorläufig fortzuführen. Entgegen der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 25.03.2003 sei es im Übrigen möglich, Urlaubsansprüche einem bestimmten Zeitraum im Jahr zuzuordnen. Die Zwölftelung sehe das Gesetz bei Teilurlaubsansprüchen in § 5 Abs. 1 BUrlG. Der Urlaubsanspruch sei daher entsprechend dem Gedanken des § 105 InsO teilbar.

Der Beklagte hat beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen Az. 7 Ca 73/05 vom 09.05.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der Entscheidung vom 25.03.2003 habe das Bundesarbeitsgericht eindeutig festgestellt, dass Urlaubsansprüche nicht teilbar seien. Da sie bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihre Gegenleistung im Sinne von § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO erbracht habe, habe sie umgekehrt Anspruch auf die Leistung des Insolvenzverwalters als Neumasseverbindlichkeit. Da der Begriff der Masseverbindlichkeit in § 55 InsO nicht anders zu verstehen sein könne als in § 209 InsO, sei der gesamte offene Urlaubsanspruch Neumasseverbindlichkeit. Die übrigen Argumente des Beklagten seien zwar verständlich und rechtspolitisch möglicherweise wünschenswert, jedoch bei der geltenden Rechtslage nicht zu berücksichtigen.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze vom 13.7. 2005 und 19.9. 2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin kann die geltend gemachten Ansprüche trotz der angezeigten Masseunzulänglichkeit als Neumasseverbindlichkeit geltend machen.

I.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes scheidet nach der Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO die Leistungsklage dann aus, wenn ein Vollstreckungsverbot im Sinne des § 210 InsO eintritt. Aus dem Wortlaut des § 210 InsO folgt dabei, dass nur die Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO dem Vollstreckungsverbot unterliegen und daher nach der gesetzgeberischen Wertung die Ansprüche nach § 209 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO mit ihrer Fälligkeit grundsätzlich aus der Masse zu befriedigen sind. Deshalb können diese mit der Leistungsklage verfolgt werden (BAG v. 04.06.2003, 10 AZR 586/02, AP Nr. 2 zu § 209 InsO). Die Leistungsklage bleibt zulässig, bis der Insolvenzverwalter im Rechtsstreit anzeigt, dass die vorhandene Masse auch die Ansprüche nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht mehr voll abdecken kann (BAG, Urteil v. 31.03.2004, 10 AZR 253/03, AP Nr. 3 zu § 209 InsO). Eine Anzeige, dass die Masse auch nicht zur Befriedigung der Neumasseverbindlichkeiten im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO genügt, ist nicht erfolgt.

2. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin Anspruch auf Urlaubsabgeltung für weitere 7 Urlaubstage in der rechnerisch unstreitigen Höhe von € 1.615,18 brutto als Neumasseverbindlichkeit im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO hat.

Der Beklagte hat die Gewährung der streitigen Urlaubstage abgelehnt, so dass der Anspruch der Klägerin als Schadensersatzanspruch nach den §§ 286 Abs. 1, 287 S. 2, 280 Abs. 1, 249 S. 1 BGB besteht. Dieser Schadensersatzanspruch auf Ersatzurlaub ist mit der Beendigung abzugelten. Der Schadensersatzanspruch unterliegt nicht der Bindung an das Kalenderjahr (BAG, Urteil v. 5.12. 1995, 9 AZR 666/94, AP Nr. 22 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW; Friese, Urlaubsrecht, Rz. 309), so dass es nicht darauf ankommt, ob und wann die Klägerin nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses den Abgeltungsanspruch geltend gemacht hat.

a. Bei der Forderung der Klägerin handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO, nämlich um eine Verbindlichkeit aus einem gegenseitigen Vertrag, die für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berichtigt wird. Der Schadenersatzanspruch ist an die Stelle des Anspruches auf Gewährung von Urlaub und nach Beendigung an die Stelle des Urlaubsabgeltungsanspruches getreten.

b. Der Anspruch der Klägerin auf Freistellung für den ihr vertraglich zustehenden Urlaub blieb von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt. Dies ergibt sich aus § 108 InsO. Nach § 108 Abs. 1 InsO bleibt das Arbeitsverhältnis auch nach der Insolvenzeröffnung bestehen. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis werden nach Absatz 2 der Regelung nur dann Insolvenzforderungen, wenn es sich um solche für die Zeit vor Eröffnung handelt. Dazu gehören die Urlaubsansprüche nicht. Diese sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf Freistellung von der Arbeitsleistung bei Fortzahlung der Bezüge gerichtet. Ist eine zeitliche Festlegung der Urlaubsansprüche nach § 7 Abs. 1 BUrlG noch nicht erfolgt, können sie keinem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden. Sie sind weder von einer Arbeitsleistung im Kalenderjahr abhängig noch werden sie monatlich verdient. Eine rechnerische Zuordnung bestimmter Urlaubstage auf Zeitpunkte vor und nach Eröffnung der Insolvenz ist daher ausgeschlossen (vergl. BAG, Urteil v. 25.03.2003, 9 AZR 174/02, AP Nr. 4 zu § 55 InsO; v. 18.11.2003, 9 AZR 95/03, AP Nr. 17 zu § 113 InsO).

Der Urlaubsanspruch ist daher entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht teilbar. Der Hinweis auf Teilurlaubsansprüche nach § 5 Abs. 1 BUrlG geht fehl. Zuzugeben ist, dass unter den dort genannten Voraussetzungen nur ein Teilurlaubsanspruch besteht. Diese Vorschrift knüpft jedoch an den Bestand des Arbeitsverhältnisses an und regelt nur die Höhe der entsprechenden Urlaubsansprüche. Bereits deswegen kann dieser Sonderregelung ein allgemeiner Grundsatz nicht entnommen werden.

Damit ist der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch offene Urlaubsanspruch nach § 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. InsO Masseverbindlichkeit.

Der Hinweis des Beklagten darauf, dass § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 InsO in § 209 Abs. 2 InsO keine Entsprechung findet, geht gleichfalls fehl. Der Begriff der Masseverbindlichkeit ist in § 55 InsO und § 209 InsO identisch. § 209 InsO regelt vielmehr nur die Reihenfolge der Befriedigung der Massegläubiger im massearmen Verfahren. Nicht jede Masseverbindlichkeit im Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis ist nach § 209 InsO Neumasseverbindlichkeit. Entscheidend ist daher, ob eine Neumasseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Nr.2, Abs. 2 InsO vorliegt.

c. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO kommt unmittelbar nicht zur Anwendung. Der Beklagte als Insolvenzverwalter hat mit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses keine neue Verbindlichkeit begründet.

Der Vorrang ergibt sich auch nicht aus § 209 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 InsO. Als Neumasseverbindlichkeit setzt diese Vorschrift das Bestehen eines Wahlrechtes des Verwalters im Sinne von § 103 InsO voraus. Bei bereits in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnissen hat der Verwalter kein Wahlrecht über deren Nichterfüllung oder Erfüllung. Diese bestehen vielmehr nach § 108 Abs. 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort und sind unter Einhaltung von § 113 InsO kündbar (BAG, Urteil v. 15.06.2004, 9 AZR 431/03, AP Nr. 4 zu § 209 InsO).

Es liegt auch keine Neumasseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 vor. Diese Vorschrift betrifft Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem die Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte. Der Insolvenzverwalter hat nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und angezeigter Masseunzulänglichkeit mit der am 22.06.2004 ausgesprochenen Kündigung zum nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt gekündigt. Abzustellen ist auf die Kündigungsfrist nach § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO von 3 Monaten zum Monatsende, da die vertragliche Kündigungsfrist nach § 2 des Anstellungsvertrages 6 Monate zum Halbjahresende betrug.

Es liegt jedoch eine Neumasseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. Abs. 1 Nr. 2 InsO vor, da der Insolvenzverwalter nach der angezeigten Masseunzulänglichkeit die Gegenleistung aus dem Dauerschuldverhältnis für die Insolvenzmasse bis zum Beendigungszeitpunkt in Anspruch genommen hat.

Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 15.06.2004 (a.a.O.) offen gelassen, ob Ansprüche auf Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld als Neumasseverbindlichkeit zu beurteilen sind, wenn der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit zur Arbeitsleistung heranzieht und die Zeit der aktiven Beschäftigung durch Urlaubsgewährung unterbrochen wird. Dabei ist das Bundesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld dann keine Neumasseverbindlichkeit ist, wenn dieser vom Insolvenzverwalter unwiderruflich "unter Anrechnung auf offenen Urlaub" von jeder Arbeitsleistung freigestellt ist.

Der Insolvenzverwalter hat die Arbeitsleistung als Gegenleistung im Sinne von § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO in Anspruch genommen, und zwar von dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung mit angezeigter Masseunzulänglichkeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

Im Einzelnen ist umstritten, wie der Begriff "Inanspruchnahme" im Sinne des § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO zu verstehen ist. Nach der amtlichen Begründung der Bundesregierung war Ziel der Regelung auch, dass ein Arbeitnehmer, der seine vertragliche Leistung voll zu erbringen hat, weiteren Anspruch auf volle Vergütung für diese Arbeitsleistung hat. Das Entstehen einer entsprechenden Neumasseverbindlichkeit kann der Insolvenzverwalter dadurch vermeiden, dass der Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung freigestellt wird (vergl. zu § 321 Abs. 2 Nr. 3 des Entwurfs einer InsO BT Drucksache 12 aus 2443 Seite 220).

Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, dass maßgeblich ist, ob der Verwalter die Gegenleistung nutzt, obgleich er diese Nutzung im Interesse aller Massegläubiger hätte verhindern können. Wählt der Insolvenzverwalter anstelle der möglichen Freistellung die Arbeitsleistung, so liegt eine "Inanspruchnahme" im Sinne des § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO vor (zu Mietverhältnis so auch BGH, Urteil v. 04.12.2003, XI ZR 222/02, NJW-RR 2004 Seite 772). Der Insolvenzverwalter hat daher zu prüfen, ob er im Interesse aller Massegläubiger die Arbeitsleistung trotz angezeigter Masseunzulänglichkeit in Anspruch nimmt oder aber, um das Entstehen von Neumasseverbindlichkeiten zu verhindern, den Arbeitnehmer freistellt.

Die Klägerin hat die Arbeitsleistung als Gegenleistung erbracht. Der Beklagte als Insolvenzverwalter schuldet daher für die Arbeitsleistung das vertraglich geschuldete Entgelt als Neumasseverbindlichkeit. Hierzu gehören auch die bestehenden Urlaubsansprüche, die zu gewähren und ggf. abzugelten sind. Eine Trennung der Urlaubsansprüche in anteilige Urlaubsansprüche vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit und nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstandene Ansprüche scheidet aus. Mit der Inanspruchnahme wird kein neue Arbeitsverhältnis begründet, durch welches anteilig nur für diesen Zeitraum Urlaubsansprüche entstehen. Die Inanspruchnahme führt zur Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses mit dem bereits bestehenden Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung.

Die Parteien haben dabei zunächst insbesondere verkannt, dass zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung und angezeigter Masseunzulänglichkeit nicht nur ein "Resturlaubsanspruch" von anteilig 7 Urlaubstagen bestand. Vielmehr gilt folgendes:

Bereits zum 01.01.2004 war, da die Klägerin die Wartezeit nach § 4 BUrlG erfüllt hatte, ein Urlaubsanspruch von 30 Urlaubstagen entstanden und fällig geworden. Hieran hat auch die Insolvenzeröffnung nichts geändert. Auch während der Tätigkeit nach Insolvenzeröffnung hatte zunächst die Klägerin den vollen Jahresurlaubsanspruch von 30 Urlaubstagen, der bis zur Insolvenzeröffnung allerdings teilweise erfüllt war. Die von dem Beklagten vorgenommene Zwölftelung entsprach zum damaligen Zeitpunkt weder den Regelungen nach dem Bundesurlaubsgesetz noch zulässigen vertraglichen Regelungen. Es konnte daher nicht zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ein Urlaubsanspruch von 5/12 mit 13 Tagen und unter Abzug von 6 Urlaubstagen ein Resturlaubsanspruch von 7 Urlaubstagen berechnet werden. Vielmehr bestand unter Abzug von 6 Urlaubstagen bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Insolvenzeröffnung zunächst ein Urlaubsanspruch von noch offenen 24 Tagen.

Die Kündigung vom 22.06.2004 hat den Urlaubsanspruch auch nicht insgesamt auf 9/12 gekürzt. Ein Teilurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 BUrlG ist nicht entstanden, da die Klägerin nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte ausgeschieden ist. Damit hatte die Klägerin einen gesetzlichen, nicht abdingbaren Mindesturlaubsanspruch von 20 Urlaubstagen. Die im Anstellungsvertrag Ziffer 5 vereinbarte Zwölftelung ist nur wirksam, soweit die vertraglichen über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehenden Urlaubsansprüche betroffen sind. Bei einem Ausscheiden zum 30.09.2004 betrug der Urlaubsanspruch der Klägerin anteilig 23 Tage, d. h. bis zum 30.09.2004 war noch ein gesetzlicher Mindesturlaubsanspruch von 4 Tagen und ein darüber hinausgehender Urlaubsanspruch von 3 Urlaubstagen offen.

Eine Aufteilung dieses bestehenden Urlaubsanspruches in Urlaubsansprüche vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit und nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit mit Inanspruchnahme der Gegenleistung ist nicht möglich. Es besteht für das Kalenderjahr ein einheitlicher Urlaubsanspruch. Besteht ein einheitlicher Urlaubsanspruch, war bereits die vorgenommene Leistungsbestimmung und Gewährung eines anteiligen Urlaubsanspruchs für die Dauer der Tätigkeit nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht möglich.

Durch ihre Tätigkeit hat die Klägerin zur Anreicherung der Masse beigetragen, der Masse ist ein wirtschaftlicher Wert zugeflossen. Zu dem sich hieraus ergebenden Anspruch auf volle Vergütung für diese Arbeitsleistung gehört als Gegenleistung die Gewährung und ggf. Abgeltung der bestehenden Urlaubsansprüche. Der Beklagte hatte es in der Hand zu entscheiden, ob er im Interesse aller Massegläubiger die Arbeitsleistung trotz angezeigter Masseunzulänglichkeit in Anspruch nimmt oder aber, um das Entstehen von Neumasseverbindlichkeiten zu verhindern, hiervon absieht. Es ist dem Beklagen zuzugegeben, dass damit die Fortführung des Betriebes erschwert werden kann. Entscheidend ist dies jedoch darauf zurückzuführen, dass zu den Masseverbindlichkeiten nach den aufgeführten neueren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts auch die offenen Urlaubsansprüche gehören.

Entscheidet sich der Insolvenzverwalter für die Inanspruchnahme der Leistungen des Arbeitnehmers, sind die noch offenen Urlaubsansprüche daher als Neumasseverbindlichkeit zu berichtigen.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 97 ZPO zu tragen. Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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