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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 100/05
Rechtsgebiete: BetrAVG, BGB


Vorschriften:

BetrAVG § 1 Abs. 1 Satz 3
BetrAVG § 1 b Abs. 4 Satz 1
BetrAVG § 7
BetrAVG § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5
BetrAVG § 31
BGB § 313
BGB § 421
BGB § 426
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 11 Sa 100/05

Verkündet am 23.02.2006

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 11. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bernhard, den ehrenamtlichen Richter Karl und die ehrenamtliche Richterin Kopf-Priebe auf die mündliche Verhandlung vom 23.02.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 18.10.2005, Az. 4 Ca 212/05, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Betriebsrentenansprüche des Klägers.

Bei der Beklagten zu 2 handelt es sich um eine rechtlich selbständige Unterstützungskasse, die von der Beklagten zu 1 als dem Trägerunternehmen eingerichtet worden war.

Der am 31.01.1936 geborene Kläger war von 1963 bis 1993 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1 beschäftigt. Während seines Beschäftigungsverhältnisses erhielt der Kläger eine Rentenzusage, schriftliche Unterlagen hierüber existieren allerdings nicht, auch der Zeitpunkt der Zusage und deren Aussteller können nicht festgestellt werden. Unter dem 03.04.1996 unterzeichnete der Kläger eine Erklärung, wonach ihm bekannt sei, dass alle Leistungen der Unterstützungskasse freiwillig gewährt würden und durch sie kein Anspruch erwachse (Bl. I, 21 d. Akte).

Der Kläger hat nach seinem Ausscheiden im Jahre 1993 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von zuletzt € 50,11 von der Beklagten zu 2 bezogen. Unter dem 26.11.2003 allerdings teilte die Beklagte zu 2 dem Kläger mit, ihre Kasse sei leer, die betriebliche Altersversorgung könne künftig nicht mehr bezahlt werden. Dementsprechend stellte sie die Zahlungen an den Kläger seit November 2003 ein.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die bislang gezahlte Rente auch weiterhin zu. Schließlich habe er die dafür versprochene Arbeitsleistung vollständig erbracht. Ein Widerruf der Rentenzusage sei nicht zulässig, der Freiwilligkeitsvorbehalt ohne rechtliche Bedeutung, von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage könne nicht ausgegangen werden.

Der Kläger hat die Rentenansprüche ab Dezember 2003 für 20 Monate (also bis Juli 2005) beziffert eingeklagt und im Übrigen die weiteren Ansprüche feststellend geltend gemacht.

Er hat beantragt:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger € 851,87 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger weitere € 150,33 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass dem Kläger monatlich eine betriebliche Versorgungsleistung von € 50,11 netto zusteht.

Die Beklagten haben Klagabweisung

beantragt

und vorgetragen, in der Satzung der Beklagten zu 2 sei auf die Freiwilligkeit der Versorgungsleistung hingewiesen worden. Im Hinblick darauf bestehe ein Anspruch des Klägers nicht mehr, nachdem die Geschäftsgrundlage für die Altersversorgungszusage entfallen sei. Im Jahr 2003 nämlich sei das Vermögen der Beklagten zu 2 völlig aufgebraucht gewesen, worauf die Versorgungsleistungen eingestellt worden seien. Auch die Beklagte zu 1 sei außer Stande, die Versorgungsleistungen zu erbringen. Sie habe mehrere Jahre lang erhebliche Verluste erwirtschaftet, außerdem habe sich das Verhältnis zwischen aktiven Arbeitnehmern und Betriebsrentnern zwischen 1969 und 2000 geradezu umgekehrt. Statt ursprünglichen 500 Arbeitnehmern seien nunmehr nur noch 100 beschäftigt, denen 237 Anwartschaftsberechtigte und Leistungsempfänger gegenüber stünden.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat dem Klagebegehren entsprochen. Es hat einen Rentenanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2 seit 1993 als unstreitig bestehend festgestellt und darüber hinaus angenommen, dass auch die Beklagte zu 1 für die Verpflichtung aus der Zusage auf betriebliche Altersversorgung einstehen müsse. Bei der eingetretenen Leistungsunfähigkeit der Beklagten zu 2 treffe die Beklagte zu 1 als Arbeitgeberin des Klägers wegen der Grundverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis die Einstandspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG. Der Ausschluss des Rechtsanspruchs bei Unterstützungskassenzusagen, wie er sich in der Satzung der Beklagten zu 2 finde, könne lediglich als Vorbehalt des Widerrufs aus sachlichen Gründen anerkannt werden. Ein solcher Widerruf unverfallbarer und insolvenzgeschützter Anwartschaften sei schon nach früherer Rechtslage nur in seltenen Ausnahmefällen möglich gewesen, insbesondere bei Vorliegen einer schweren wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers. Nach der Neufassung des BetrAVG zum 01.01.1999 aber sei auch der Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage nicht mehr zulässig. Der Gesetzgeber habe den Widerruf insolvenzgeschützter Anwartschaften und Leistungen der betrieblichen Altersversorgung mit dem Insolvenzschutz verknüpft. Nachdem nunmehr § 7 BetrAVG eine Eintrittspflicht des Pensionssicherungsvereins für den Fall einer allgemeinen schweren wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers nicht mehr vorsehe, könne auch ein Widerruf mit dieser Begründung nicht mehr in Betracht kommen, ebenso wenig wie ein Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen wirtschaftlicher Notlage angenommen werden könne.

Gegen das ihnen am 27.10.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts legten die Beklagten am 14.11.2005 Berufung ein und begründeten diese am 23.11.2005. Sie verfolgen ihr Begehren auf Klagabweisung weiter und begründen dies im Wesentlichen unter drei Gesichtspunkten: Zum einen seien die Leistungen der Unterstützungskasse nach ihrer Satzung freiwillig, was der Kläger nach seiner Erklärung zur Kenntnis genommen habe, zum anderen sei Geschäftsgrundlage der Altersversorgung gewesen, dass der Betrieb überhaupt in der Lage sei, Mittel für die Einstandspflicht nach Verbrauch der Mittel der Unterstützungskasse aufzubringen, was aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht der Fall sei und zum dritten könne die Änderung des § 7 BetrAVG mit Wirkung vom 01.01.1999 keine Rückwirkung entfalten, weil es sich dabei um einen enteignungsgleichen Eingriff handle, der die Beklagten in ihren Rechten aus Art. 14 GG verletzen würde.

Die Beklagten stellen den Antrag,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 18.10.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts an, geht davon aus, dass eine Rückwirkung der Gesetzesänderung zum 01.01.1999 nicht vorliege, weil der Sicherungsfall frühestens Ende 2003 eingetreten sei, bestreitet, dass die Vermögenslage der Beklagten so schlecht sei, wie versucht werde darzustellen und bestreitet die Freiwilligkeit von Leistungen der Unterstützungskasse, weil spätestens mit der Aufnahme der Rentenzahlungen eine unbedingte Zusage erteilt worden sei, die den Arbeitgeber daran hindere, selbst bei einer freiwilligen Versorgungszusage sich auf die Freiwilligkeit noch zu berufen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch begründete, somit also insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht dem Klagebegehren des Klägers ent- und ihm die versprochene Betriebsrente für die aufgelaufenen Monate beziffert sowie für die Zukunft feststellend zugesprochen. Entgegen ihrer Rechtsauffassung konnte die Beklagte die Rentenzusage nicht wirksam widerrufen oder sich auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Im Einzelnen gilt Folgendes:

Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 1 und 2 Anspruch auf gesamtschuldnerische Zahlung der ihm zugesagten monatlichen Betriebsrente in Höhe von € 50,11. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass dem Kläger zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung zugesagt worden sind. Die betriebliche Altersversorgung sollte von der Beklagten zu 2, einer Unterstützungskasse durchgeführt werden, die qua Definition auf ihre Leistungen keinen Rechtsanspruch gewährte und dies in ihrer Satzung jedenfalls in der Fassung vom 27.10.2000 in Form eines Freiwilligkeitsvorbehaltes auch zum Ausdruck brachte. Letztlich steht die Zusage hinsichtlich gesetzlicher Unverfallbarkeit, zeitlichem Anspruchsbeginn und Höhe der Rente aufgrund der seit 1993 tatsächlich gezahlten Rente außer Zweifel.

Die Rentenansprüche des Klägers bestehen zunächst gegen die Beklagte zu 2, die für die Beklagte zu 1 die Altersversorgung durchführte. Ungeachtet dessen besteht zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, also zwischen Beklagter zu 1 und Kläger eine Zusage, in der sich die Beklagte zu 1 verpflichtet hat, dafür aufzukommen, dass die Beklagte zu 2 nach Maßgabe der Satzung und ihrer Versorgungsrichtlinien die zugesagten Leistungen erbringt. Der Arbeitgeber hat die Unterstützungskasse ausreichend zu dotieren, andernfalls muss er selbst dem Arbeitnehmer gegenüber einstehen (BAG 28.04.1977 - 3 AZR 300/76 - DB 1977, 1656; BAG 03.02.1987 - 3 AZR 208/85 - DB 1987, 2414). Damit müssen sowohl die Unterstützungskasse als auch das Trägerunternehmen gemäß §§ 421, 426 BGB gesamtschuldnerisch für den Anspruch des Arbeitnehmers auf Betriebsrente einstehen.

Da die Beklagten übereinstimmend vortragen, das Vermögen der Beklagten zu 2 sei aufgebraucht, ist der Fall der Einstandspflicht der Beklagten zu 1 eingetreten, so dass die Beklagte zu 1 die Versorgungszusage unmittelbar erfüllen muss. Bleibt nämlich die Versorgungsleistung der Unterstützungskasse aus, ist der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungsvereinbarung zur Erfüllung der versprochenen Leistung verpflichtet. Der Grund für die fehlende Leistungserbringung durch die Unterstützungskasse ist unerheblich, eine schuldhafte Pflichtverletzung des Arbeitgebers nicht notwendig. Der Arbeitgeber schuldet weiterhin dem Arbeitnehmer die Primärleistung aus dem Versorgungsverhältnis, von der er sich grundsätzlich auch nicht durch Einschaltung einer Unterstützungskasse befreien kann (BAG 25.01.2000 - 3 AZR 908/98 - EzA Nr. 12 zu § 1 BetrAVG - Unterstützungskasse). Damit ist klargestellt, dass auch die Beklagte zu 1 entgegen deren Auffassung für die Verbindlichkeiten der Unterstützungskasse gesamtschuldnerisch neben der Beklagten zu 2 haftet.

Der Anspruch des Klägers scheitert nicht am Freiwilligkeitsvorbehalt in der Satzung der Unterstützungskasse und auch nicht daran, dass der Kläger eine entsprechende Einverständniserklärung unterzeichnete. Mit dem Freiwilligkeitsvorbehalt in der Satzung der Beklagten zu 1 wird der Legaldefinition des § 1 b Abs. 4 Satz 1 BetrAVG entsprochen, wonach die Unterstützungskasse dem Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf ihre Leistungen gewähren darf. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits aus der Zeit vor Inkrafttreten des BetrAVG kann die übliche Klausel über den Ausschluss eines Rechtsanspruchs jedoch lediglich als Vorbehalt des Widerrufs aus sachlichen Gründen gedeutet werden, der letztlich nur bei wirtschaftlicher Notlage im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG a. F. eingriff (BAG 17.11.1992 - 3 AZR 76/92 - AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG - Besitzstand). Die dadurch bewirkte, allerdings eingeschränkte vertragliche Haftung der Unterstützungskasse lässt sich damit begründen, dass das Gesetz lediglich einen rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsanspruch ausschließt, einem aus Vertrauenshaftung abgeleiteten Rechtsanspruch aber nicht entgegensteht. Nach der Lehre von der Vertrauenshaftung wird der Anspruch gegen die Unterstützungskasse dadurch begründet, dass von der Unterstützungskasse bewusst und in zurechenbarer Weise ein entsprechender Vertrauenstatbestand gesetzt wird, auf den der Arbeitnehmer sich durch die Erbringung der Arbeitsleistung einlässt. Der Vertrauenstatbestand ergibt sich im Zweifel aus der Satzung, im vorliegenden Falle aber darüber hinaus auch aus der Aufnahme der Rentenzahlung durch die Beklagte zu 2 im Jahre 1993. Damit aber ist von einem Rechtsanspruch des Klägers auf Zahlung der Betriebsrente trotz des Freiwilligkeitsvorbehalts in der Satzung auszugehen, den der Kläger auch mit seiner Erklärung vom 03.04.1996 nicht ausschließen konnte (Blomeyer/Otto, BetrAVG, Kommentar Anhang § 1 Rdz. 848 m. w. N.).

Vergeblich berufen die Beklagten sich auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage und machen damit ein Recht zum Widerruf der Versorgungszusage geltend. Das Bundesarbeitsgericht hatte schon vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes angenommen, ein Arbeitgeber könne auch ohne ausdrücklichen Widerrufsvorbehalt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage unter ganz engen Voraussetzungen die Zahlung eines versprochenen Ruhegelds aus Gründen einer wirtschaftlichen Notlage verweigern, wenn und solange bei ungekürzter Weiterzahlung der Bestand des Unternehmens gefährdet sei (BAG 10.12.1971 - 3 AZR 190/71 - DB 1972, 491). In § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG vom 19.12.1974 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Kürzung oder Einstellung von Versorgungsleistungen wegen wirtschaftlicher Notlage anerkannt, mit der Einführung des Insolvenzschutzes auch für diesen Fall aber deutlich gemacht, welche grundlegende Bedeutung auch im Falle einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Notlage des Versorgungsschuldners dem Erhalt der Versorgungsansprüche und unverfallbaren Versorgungsanwartschaften beizumessen ist. Er hat damit gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass Widerrufsrecht und Insolvenzschutz eng miteinander verknüpft sein sollten und ein Widerrufsrecht bei erdienten Versorgungsansprüchen nur erfolgen soll, wenn diese dem Insolvenzschutz unterliegen. Damit gewinnt entscheidende Bedeutung, dass der Sicherungsfall der wirtschaftlichen Notlage in § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG durch Art. 91 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 05.10.1994 mit Wirkung vom 01.01.1999 ersatzlos in Wegfall gekommen ist. Nach den Gesetzesmaterialien ist der Sicherungsfall der wirtschaftlichen Notlage so stark in die Nähe des Sicherungsfalles des außergerichtlichen Vergleichs gerückt, dass er als gesonderter Sicherungsfall entbehrlich ist. Dadurch wird die Rechtsposition des Arbeitnehmers nicht verschlechtert, weshalb aufgrund des von der Rechtsprechung hergestellten untrennbaren Zusammenhangs zwischen der Berechtigung zum Widerruf einer Anwartschaft und der Eintrittspflicht des Pensionssicherungsvereins nach Streichung des Sicherungsfalls der wirtschaftlichen Notlage ein einseitiger Widerruf auch arbeitsrechtlich nicht mehr zulässig ist (BT Drucksache 12/3803, Seite 109 (110)). Auch ein Rückgriff auf die Grundsätze über die in § 313 BGB geregelte Störung der Geschäftsgrundlage zur Rechtfertigung eines solchen Widerrufsrechts ist nach der gesetzgeberischen Wertung ausgeschlossen. Vielmehr gilt auch im Betriebsrentenrecht wieder der Rechtsgrundsatz, wonach fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in aller Regel kein Grund dafür ist, sich von einer übernommenen Zahlungspflicht zu lösen (BAG 17.06.2003 - 3 AZR 396/02 -DB 2004, 324 ff.).

Entgegen der Auffassung der Beklagten stehen der gesetzlichen Neuregelung keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, einmal geschaffene Sicherungsfälle mit Wirkung für die Zukunft wieder abzuschaffen und damit zusammenhängende, ohnehin nur in Ausnahmefällen in Betracht kommende Widerrufsrechte entfallen zu lassen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Frist vom Bekanntwerden der Änderungspläne bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung derart lang war, dass sich alle Betroffenen darauf einrichten konnten (BAG 17.06.2003 - 3 AZR 396/02 - a. a. O.). Dabei ist für die Beklagten von Bedeutung, dass die seit 01.01.1999 geltende Fassung des Betriebsrentengesetzes Sicherungsfälle, die vor dem 01.01.1999 eingetreten sind, entsprechend der Überleitungsvorschrift des § 31 BetrAVG nach der alten Fassung des Gesetzes behandeln würde. Die Beklagten berufen sich jedoch darauf, dass Ende des Jahres 2003 das Vermögen der Beklagten zu 2 aufgebraucht gewesen sei, die Berufung auf den Sicherungsfall also erst zu diesem Zeitpunkt erfolgen konnte. Somit hatten die Beklagten nicht nur die Jahre des Gesetzesvorlaufs zur Verfügung, sondern weitere vier Jahre, um sich auf die neue Gesetzeslage einzustellen.

Damit aber ist davon auszugehen, dass die Beklagten sich zur Begründung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht auf eine wirtschaftliche Notlage berufen konnten. Ob eine solche wirtschaftliche Notlage tatsächlich vorlag, konnte demzufolge offen bleiben. Eine sachverständige Betriebsanalyse war entbehrlich. Die Vorlage eines Sanierungsplanes konnte unterbleiben und es musste nicht weiter aufgeklärt werden, ob der Widerruf der Versorgungsanwartschaften und Leistungen überhaupt geeignet war, die Beklagte zu 1 zu sanieren und ob vor Erklärung eines Widerrufs der Pensionssicherungsverein eingeschaltet war, alles Voraussetzungen, die nach bisherigem Recht vom widerrufenden Arbeitgeber verlangt wurden (BAG 24.04.2001 - 3 AZR 402/00 - DB 2001, 1787; 17.09.1991 - 3 AZR 413/90 - DB 1992, 97), aber von den Beklagten nicht dargelegt worden sind.

Die Rechtslage ist nicht anders zu beurteilen, weil die betriebliche Altersversorgung von einer Unterstützungskasse durchgeführt werden sollte. Wie dargelegt, wurde der fehlende Rechtsanspruch auf die Versorgungsleistungen bei der Unterstützungskasse vom Bundesarbeitsgericht als Vorbehalt des Widerrufs aus sachlichen Gründen interpretiert (vgl. BAG 23.04.1985 - 3 AZR 194/83 - AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG - Unterstützungskasse). Welche Gründe eine Einschränkung rechtfertigten, bestimmte sich nach den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Hiernach richteten sich die Anforderungen an den sachlichen Grund nach dem Bereich, in den durch den Widerruf eingegriffen werden sollte. Sollte in Ansprüche oder nach § 2 aufrechtzuhaltende Anwartschaften eingegriffen werden, bedurfte es "zwingender" Gründe, die gleichzusetzen waren mit der wirtschaftlichen Notlage im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 a. F. BetrAVG. Allerdings war nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts bei den Widerrufsvoraussetzungen zwischen Alt-, Übergangs- und Neufällen zu unterscheiden (BVerfG 14.01.1987 - 1 BFR 1052/79 - AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG - Unterstützungskassen). War das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Trägerunternehmen vor Inkrafttreten des BetrAVG beendet worden (so genannte Altfälle) oder war die Zusage auf Leistungen der Unterstützungskasse vor dem Inkrafttreten des BetrAVG erfolgt und bestand das Arbeitsverhältnis noch (so genannte Übergangsfälle) genügten bereits triftige Gründe. Ein triftiger Grund lag unter anderem dann vor, wenn eine ungekürzte Versorgungslast langfristig die Substanz des Trägerunternehmens gefährden konnte und mildere Mittel nicht ausreichten (BAG 05.06.1984 - 3 AZR 33/84 - AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG - Unterstützungskassen).

War dagegen die Zusage erst nach Inkrafttreten des BetrAVG erfolgt (so genannte Neufälle) galten die für die unmittelbare Versorgung maßgeblichen Regeln bei wirtschaftlicher Notlage. Nur beim Vorliegen einer solchen war ein Widerruf möglich. Ob nunmehr auch bei Alt- oder Übergangsfällen der Wegfall des Insolvenzgrundes wirtschaftliche Notlage seit 01.01.1999 das Widerrufsrecht des Arbeitgebers beseitigt, konnte das Berufungsgericht offen lassen. Denn vorliegend geht es weder um einen Altfall, der Kläger ist erst nach Inkrafttreten des BetrAVG bei der Beklagten zu 1 ausgeschieden, noch um einen Übergangsfall, denn die Zusage auf Leistungen der Unterstützungskasse ist zwar möglicherweise vor dem Inkrafttreten des BetrAVG erfolgt, das Arbeitsverhältnis bestand aber zum Zeitpunkt des Eintritts des Sicherungsfalles und damit des in Betracht zu nehmenden Widerrufs längst nicht mehr. Da dem Rechtsstreit aber kein Alt- und kein Übergangsfall zugrunde liegt, ist zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass durch den Wegfall des Insolvenzgrundes wirtschaftlicher Notlage auch das Widerrufsrecht entfallen ist.

Da die Beklagten unterlegen sind, haben sie nach § 97 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist die Revision zulässig, da sie wegen grundsätzlicher Bedeutung (Recht zum Widerruf betrieblicher Versorgungsrecht wegen wirtschaftlicher Notlage bei Unterstützungskassen) zugelassen hat.

Ende der Entscheidung

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