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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 01.09.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 18/05
Rechtsgebiete: KSchG, BGB, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 13 Abs. 3
BGB § 275
BGB § 297
BGB § 615
ZPO § 286
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 11 Sa 18/05

Verkündet am 01.09.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 11. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bernhard, den ehrenamtlichen Richter Adam und den ehrenamtlichen Richter Fortwängler auf die mündliche Verhandlung vom 01.09.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 07.12.2004, Az. 3 Ca 448/04, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Annahmeverzugsansprüche der Klägerin.

Die am 17.06.1952 geborene Klägerin steht seit 02.09.1991 bei der beklagten Stadt als Erzieherin im Anstellungsverhältnis. Sie war zuletzt, und zwar bis Dezember 2000, in der Kernzeitbetreuung an der A-Schule eingesetzt. Dabei erzielte sie als Vergütung nach Vergütungsgruppe V c Stufe 4 zuzüglich Vergütungsgruppenzulage von 5 Prozent bei einer vereinbarten Wochenstundenzahl von 14,67 Stunden währungsangepasst etwa € 1.100,00 brutto monatlich.

Ab 29.12.2000 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Für die Zeit vom 12.12.2001 bis einschließlich 30.11.2003 erhielt die Klägerin zeitbefristet eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Mit Bescheid vom 29.10.2003 wurde deren Verlängerung abgelehnt. In ihrem Widerspruch vom 16.11.2003 führte die Klägerin aus, sie leide an plötzlich und ohne Vorboten in Abständen von ca. 6 bis 8 Wochen auftretenden Ohnmachtsanfällen, deren Ursache bislang ungeklärt sei. Die Verantwortung gegenüber den mehr als 30 Kindern in der Grundschule könne sie gegenwärtig nicht mehr gewährleisten. Der betriebsärztliche Dienst, den die Beklagte am 28.01.2004 einschaltete, kam am 05.05.2004 zu dem Ergebnis, die Klägerin sei momentan nur bedingt arbeitsfähig, einer Kernzeitbetreuung mit alleiniger Verantwortung für 30 und mehr Kinder sei sie zur Zeit nicht gewachsen.

Mit Schreiben vom 01.05.2004 bot die Klägerin ihre Arbeitsleistung zum 10.05.2004 wieder an und wiederholte das Arbeitsangebot am 10.05.2004. Die beklagte Stadt lehnte die Entgegennahme der Arbeitsleistung jedoch unter Hinweis auf das betriebsärztliche Gutachten vom 05.05.2004 ab. Im Rahmen der Überprüfung einer anderen Einsatzmöglichkeit wurde der betriebsärztliche Dienst unter dem 17.06.2004 um eine ergänzende Untersuchung im Hinblick auf eine beim Kulturamt der Beklagten zu besetzende Stelle im Aufsichtsdienst der Museen gebeten. Mit Bericht vom 06.07.2004 stellte der Gutachter fest, dass weitere Sturzvorfälle nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, da deren genaue Ursache noch nicht gefunden sei. Eine sichere und eindeutige Prognose bezogen auf den Krankheitsverlauf für die Arbeitsfähigkeit der Klägerin zu stellen, sei nur schwer möglich.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich in Annahmeverzug befunden, weil sie die angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen habe. Die Klägerin sei seit 09.05.2004 arbeitsfähig und in der Lage, die Kernzeitbetreuung verantwortungsvoll zu leisten.

Das Phänomen des sogenannten Sekundenschlafs führe nicht zur Arbeitsunfähigkeit am bisherigen Arbeitsplatz. Dies habe ihr Arzt Dr. K mit Attest vom 19.11.2004 bestätigt.

Die Klägerin hat die Anträge gestellt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin kalendermonatliche Abrechnungen über ihr Gehalt für den Zeitraum ab einschließlich 10.05.2004 bis 30.11.2004 zu erteilen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin den sich aus der Abrechnung für Mai 2004 ergebenden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum vom 17.05.2004 bis zum 15.06.2004 sowie den sich aus der Abrechnung für Juni 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum ab einschließlich 16.06.2004 bis zum 15.07.2004 und den sich aus der Abrechnung für Juli 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten für den Zeitraum ab einschließlich 16.07.2004 bis zum 15.08.2004 sowie den sich aus der Abrechnung für August 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten für den Zeitraum ab einschließlich 16.08.2004 bis zum 15.09.2004 und den sich aus der Abrechnung für September 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten für den Zeitraum ab einschließlich 16.09.2004 bis zum 15.10.2004 und den sich aus der Abrechnung für Oktober 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten für den Zeitraum ab einschließlich 18.10.2004 bis zum 15.11.2004 sowie den sich aus der Abrechnung für November 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten für den Zeitraum ab einschließlich 16.11.2004

- abzüglich am 30.04.2004 für Mai 2004 erhaltener Sozialhilfe in anteiliger Höhe von € 566,10 sowie

- abzüglich am 01.06.2004 .i. H. v. € 797,69 erhaltener Sozialhilfe für Juni 2004 und

- abzüglich am 01.07.2004 i. H. v. € 797,69 erhaltener Sozialhilfe für Juli 2004 und

- abzüglich am 30.07.2004 i. H. v. € 666,29 erhaltener Sozialhilfe und

- abzüglich am 01.09.2004 i. H. v. € 666,29 erhaltener Sozialhilfe und

- abzüglich am 01.10.2004 i. H. v. € 168,49 erhaltener Sozialhilfe und

- abzüglich am 28.10.2004 i. H. v. € 169,83 erhaltener Sozialhilfe und

- abzüglich am 29.10.2004 i. H. v. € 651,31 erhaltenes Arbeitslosengeld und

- abzüglich am 30.11.2004 i. H. v. € 630,30 erhaltenes Arbeitslosengeld

zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in der Kernzeitbetreuung der A-Schule in Teilzeit zu 14,67 Stunden die Woche weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat

Klagabweisung

beantragt.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei weiterhin nicht in der Lage, ihrer Tätigkeit als Kernzeitbetreuerin für 33 Kinder nachzukommen. Dies ergebe sich aus den betriebsärztlichen Untersuchungen des Jahres 2004. Aufgabe in der Kernzeitbetreuung sei es, Grundschüler im Alter zwischen 6 und 10 Jahren vor und nach dem Unterricht mit Bastelarbeiten, Spielen und Sportangeboten zu betreuen. Die Betreuungskraft habe die alleinige Verantwortung und Aufsichtspflicht. Die Klägerin habe selbst darauf hingewiesen, dass bei ihr ein- oder vielleicht auch zweimal pro Woche ein Sekundenschlaf auftreten könne, verbunden mit der Gefahr eines Sturzes mit Verletzungsgefahr. Damit aber könnten die Erst- bis Viertklässler nicht umgehen, das Haftungsrisiko der Beklagten sei zu groß. Auch eine Tätigkeit als Kassenkraft in den städtischen Museen sei nicht möglich, die Arbeit erfolge im Stehen und müsse allein wahrgenommen werden, die ständige Aufsicht von Vermögensgegenständen der Beklagten sei infolge des Gesundheitszustands der Klägerin nicht gewährleistet, anderes ergebe sich auch nicht aus dem von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Attests ihres Hausarztes, dieses stehe im Widerspruch zu den betriebsärztlichen Untersuchungsergebnissen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und insbesondere auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es kam zum Ergebnis, dass die Klägerin im Rahmen der erhobenen Stufenklage keinen Anspruch auf Gehaltsabrechnung für die streitgegenständliche Zeit von Mai bis November 2004 habe, weil ihr für diese Zeit kein Vergütungsanspruch zustehe. Die Beklagte habe sich unbeschadet des Arbeitsangebotes der Klägerin nicht im Annahmeverzug befunden. Dies gälte für die Tätigkeit als Springerin bei den städtischen Museen schon deshalb, weil auch nach dem von der Klägerin vorgelegten Attest eine Tätigkeit mit statischer Körperhaltung wie ausschließliches Stehen oder Sitzen nicht möglich sei. Aber auch die von der Klägerin selbst angebotene Tätigkeit als Kernzeitbetreuerin scheide aus. Die Beklagte sei nämlich berechtigt gewesen, die angebotene Arbeitsleistung der Klägerin abzulehnen, weil ihr die Beschäftigung der Klägerin unzumutbar gewesen sei. Die Klägerin habe selbst noch im Gütetermin am 23.09.2004 erklärt, dass der Sekundenschlaf einmal die Woche oder vielleicht auch zweimal auftrete, dann aber monatelang wieder nicht. Je nachdem wie sie falle, verletze sie sich auch mehr oder weniger. Der Vorschlag der Klägerin, die zu betreuenden Kinder mit ihrer Krankheit vertraut zu machen und anzuleiten, für den Fall, dass die Klägerin hinfalle und sich verletze, mit einem Handy Hilfe rufen zu lassen, sei nicht umsetzbar, weil es sich bei den zu Betreuenden um sehr kleine Kinder handle, bei denen es fraglich sei, ob sie trotz vorheriger Anweisung adäquat mit einer entsprechenden Situation umgehen könnten. Es sei der beklagten Stadt auch nicht zuzumuten, sowohl die Eltern als auch deren Kinder auf eine solche Situation einzustellen, denn nach den eigenen Ausführungen der Klägerin in ihrem Widerspruch sei es durch den stets möglichen unaufhaltsamen Sturz schon dreimal zu starken Verletzungen und langer Arbeitsunfähigkeit gekommen. Deshalb könnten die synkopalen Anfälle nicht als Kleinigkeit bewertet werden, mit der insbesondere 5 bis 10jährige Kinder adäquat umgehen könnten. Hinzu komme, dass die Klägerin einen relativ großen Bereich inklusive Außenhof zu beaufsichtigen habe. Wenn die Klägerin sich aber in einem Bereich verletze, der nicht ohne weiteres von einem Hausmeister oder Lehrer eingesehen werden könne, läge die alleinige Verantwortung für die Klägerin Hilfe zu holen bei den Kindern. Gleichzeitig wären die Kinder während der ganzen Zeit unbeaufsichtigt. Gerade die Kernzeitbetreuung liege maßgeblich außerhalb von Unterrichtszeiten, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit, dass andere Lehrer anwesend seien und ohne erhebliche Verzögerung eine Verletzung der Klägerin bemerkt werden könnte, entscheidend vermindert. Die Verantwortung für Folgen, die angesichts dessen eintreten könnten, dass die Beklagte sehenden Auges die Gefährdung der zu beaufsichtigenden Kinder dadurch in Kauf nehme, dass sie die Klägerin einsetze, könne das Arbeitsgericht der Beklagten nicht auferlegen. Entscheidend sei, dass die Gefahr der synkopalen Anfälle mit entsprechender Verletzungsgefahr bei der Klägerin unstreitig weiterhin bestehe, deshalb müsse die Beklagte nicht weiterhin beweisen, dass die Klägerin tatsächlich arbeitsunfähig sei. Selbst unterstellt, die Klägerin sei dem Grunde nach arbeitsfähig, sei ihre gesundheitliche Konstitution aufgrund der synkopalen Anfälle derart belastet, dass ihr Arbeitsangebot für die Beklagte als unzumutbar angesehen werden müsse.

Mit ihrer am 14.02.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 14.04.2005 begründeten Berufung gegen das ihr am 14.01.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie vertritt wiederholend die Auffassung, ihre Arbeitsunfähigkeit habe am 09.05.2005 geendet, was ihr Hausarzt Dr. K bestätigen könne. Das Arbeitsgericht sei dem entsprechenden Beweisantrag der Klägerin zu Unrecht nicht nachgegangen, denn der Zeuge habe auch bestätigen können, dass sich die Sturzereignisse in der Vergangenheit aufgrund einer Besserung des Gesundheitszustands im Laufe des letzten Vierteljahres wahrscheinlich nicht wiederholen würden. Jetzt aber sei die Klägerin in orthopädischer Behandlung bei Dr. E, der die Sturzattacken als Folge von eingeklemmten Nerven sehe. Die Sturzattacken seien also nicht so ominös, sie seien vielmehr orthopädisch therapierbar und damit zu vermeiden. Rechtlich gesehen sei aber ohnehin die Annahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber selbst dann nicht unzumutbar, wenn in einem ärztlichen Attest ein Wechsel des Arbeitsplatzes als dringend erforderlich angesehen würde. Dies habe das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 17.02.1998, AP Nr. 618 BGB Nr. 27, betont, das Arbeitsgericht aber nicht beachtet. Ebenso habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass eine Unzumutbarkeit nur angenommen werden könne, wenn ein Grund schwerer wiegt, als der für die fristlose Kündigung, da ansonsten die sonstigen Unwirksamkeitsgründe im Sinne des § 13 Abs. 3 KSchG weitgehend sanktionslos blieben.

Die Klägerin stellt nunmehr die Anträge:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Monate Mai, Juni, August, Oktober und November des Jahres 2004 monatliche Abrechnungen über ihr Gehalt für den Zeitraum ab einschließlich 10.05.2004 bis 30.11.2004 zu erteilen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin den sich aus der Abrechnung für Mai 2004 ergebenen Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB für den Zeitraum vom 17.05.2004 bis zum 15.06.2004 sowie den sich aus der Abrechnung für Juni 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB für den Zeitraum ab einschließlich 16.06.2004 bis zum 15.07.2004 und den sich aus der Abrechnung Juni 2004 für Juli 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB für den Zeitraum ab einschließlich 16.07.2004 bis zum 15.08.2004 sowie den sich aus der Abrechnung August 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB ab einschließlich 16.08.2004 bis zum 15.09.2004 und den sich aus der Abrechnung August 2004 ergebenden Betrag für September 2004 nebst weiteren Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB ab einschließlich 16.09.2004 bis zum 15.10.2004 und den sich aus der Abrechnung Oktober 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB für den Zeitraum ab einschließlich 17.10.2004 bis zum 15.11.2004 sowie den sich aus der Abrechnung für November 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Zinssatz der EZB für den Zeitraum ab einschließlich 16.11.2004

- abzüglich am 30.04.2004 für Mai 2004 erhaltener Sozialhilfe in anteiliger Höhe von 566,10 € sowie

- abzüglich am 01.06.2004 i. H. v. € 797,69 erhaltener Sozialhilfe für Juni 2004

- abzüglich am 01.07.2004 i. H. v. € 797,69 erhaltener Sozialhilfe für Juli 2004

- abzüglich am 30.07.2004 i. H. v. € 666,29 erhaltener Sozialhilfe für August 2004

- abzüglich am 01.09.2004 i. H. v. € 666,29 erhaltener Sozialhilfe für September 2004

- abzüglich am 01.10.2004 i. H. v. € 168,49 erhaltener Sozialhilfe für Oktober 2004

- abzüglich am 28.10.2004 i. H. v. € 169,83 erhaltener Sozialhilfe für November 2004

- abzüglich am 29.10.2004 i. H. v. € 651,31 erhaltenes Arbeitslosengeld für Oktober 2004

- abzüglich am 30.11.2004 i. H. v. € 630,30 erhaltenes Arbeitslosengeld für November 2004

zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in der Kernzeitbetreuung der A-Schule in Teilzeit zu 14,67 Stunden die Woche weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie geht davon aus, dass die Klägerin über den 09.05.2004 hinaus arbeitsunfähig sei, denn sie sei durch die weiter bestehende Gefahr synkopaler Anfälle außerstande gesetzt, die ihr nach dem Arbeitsvertrag obliegende Arbeit zu verrichten. Dies ergebe sich aus den Untersuchungsberichten, die Dr. B aufgrund der Untersuchung der Klägerin am 02.02. und 28.06.2004 erstellte, aus der Widerspruchsbegründung der Klägerin vom 16.11.2003 und ihren Einlassungen in der Güteverhandlung vom 23.09.2004. Jede der Sturzattacken der Klägerin ziehe eine gewisse Zeit andauernde Ohnmacht, verbunden mit Verletzungen verschiedenen Grades nach sich. Damit sei die Erkrankung vergleichbar der Erkrankung eines Epileptikers, der gleichfalls insbesondere unter dem Gesichtspunkt erhöhter Unfallgefahr seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen könne. Angesichts der Feststellungen von Dr. B und der eigenen Äußerungen der Klägerin reiche das Attest ihres Hausarztes Dr. K vom 19.11.2004 nicht aus, um zu einer gegenteiligen Einschätzung zu gelangen. Dem stehe schon entgegen, dass das Attest zu den Sturzattacken selbst keine Aussagen treffe. Die Ausführungen der Klägerin in der Berufung, nach Auffassung des die Klägerin derzeit behandelnden Orthopäden Dr. E seien die Sturzattacken Folge von eingeklemmten Nerven, enthalte keine Darlegungen zu der Frage, bis wann mit einer angeblichen Ausheilung der Erkrankung der Klägerin gerechnet werden könne. Dass sie sich derzeit noch in Behandlung befinde, mache im Gegenteil deutlich, dass die Gefahr weiterer synkopaler Anfälle nach wie vor bestehe. Schließlich aber sei es der beklagten Stadt, unabhängig davon, ob eine weitere Arbeitsunfähigkeit bestehe, unzumutbar, der Klägerin die Obhut von zu betreuenden Kindern zu übertragen, denn für diese Kinder habe die Beklagte die Verantwortung übernommen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens in der Berufung wird auf deren Begründung und Erwiderung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach der Höhe der Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingereichte und begründete und damit insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen die Klage auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Monate Mai bis November 2004 und auf Weiterbeschäftigung abgewiesen. Auf die Ausführung des Arbeitsgerichts in seinen Entscheidungsgründen wird vollumfänglich verwiesen, ergänzend und im Hinblick auf die Gesichtspunkte, die die Klägerin in der Berufungsbegründung angeführt hat, ist Folgendes auszuführen:

1. Ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung aus Annahmeverzug nach § 615 BGB scheitert schon daran, dass der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum das erforderliche Leistungsvermögen fehlte.

a) Nach § 297 BGB ist das Leistungsvermögen und die Leistungsbereitschaft des Schuldners zum maßgeblichen Zeitpunkt der termingebundenen Mitwirkungshandlung des Gläubigers Voraussetzung des Annahmeverzugs (BAG 18.12.1986, AP Nr. 2 zu § 297 BGB; BAG 29.10.1998, NZA 1999, 377). Entfällt das Leistungsvermögen, so wird die Arbeitsleistung unmöglich; ein Annahmeverzug scheidet dann aus (BAG 18.08.1961, AP Nr. 20 zu § 615 BGB). Der Arbeitnehmer wird nach § 275 BGB von seiner Arbeitspflicht frei. Bei einem objektiv arbeitsunfähigen Arbeitnehmer scheidet Annahmeverzug aus. Das fehlende Leistungsvermögen kann in diesem Falle auch nicht durch die subjektive Einschätzung des Arbeitnehmers, arbeitsfähig zu sein, ersetzt werden (BAG 29.10.1998, NZA 1999, 377). Auch bei nur teilweiser Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitgeber nicht die noch eventuell mögliche Teilleistung annehmen (BAG 29.01.1992, NZA 1992, 643). Dabei bezieht sich das Unvermögen des Arbeitnehmers nach § 297 BGB stets auf die nach dem Vertragsinhalt geschuldete Arbeitsleistung (Boewer, Münchner Handbuch Arbeitsrecht § 78 Rdzf. 26).

Arbeitsunfähigkeit ist gegeben, wenn ein Krankheitsgeschehen den Arbeitnehmer außerstande setzt, die ihm nach dem Inhalt des Arbeitsvertrags obliegende Arbeit zu verrichten oder wenn er diese Arbeit nur unter der Gefahr, in absehbarer Zeit seinen Zustand zu verschlimmern fortsetzen könnte (BAG Urt. v. 14.01.1972 - 5 AZR 264/71 -DB 1972, S. 635; 26.07.1989 - 5 AZR 301/88 - DB 1990, S. 229). Die Arbeitsunfähigkeit kann nicht losgelöst von dem jeweiligen Arbeitnehmer und der von ihm zu verrichtenden Tätigkeit beurteilt werden; bei der Beurteilung ist vielmehr der Bezug zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung wesentlich (BAG 25.06.1981 - 6 AZR 940/78 - AP Nr. 52 zu § 616 BGB). Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn der Arbeitnehmer nur begrenzt arbeitsunfähig ist, also beispielsweise seine vertraglich geschuldete Leistung nur teilweise erbringen kann, also nur in zeitlich geringerem Umfang als vereinbart oder nur zu einer anderen als der festgelegten Arbeitszeit oder nur beschränkt auf bestimmte Tätigkeiten. Auch der vermindert Arbeitsunfähige ist arbeitsunfähig krank (vgl. BAG 29.01.1992 - 5 AZR 37/91 - AP Nr. 1 zu § 74 SGB V; 19.04.1994 - 9 AZR 462/92 - AP Nr. 2 zu § 74 SGB V). Tatsächlich liegt dann eine auf Arbeitsunfähigkeit beruhende teilweise Verhinderung an der Ausübung der vertraglich verpflichteten Arbeit vor mit der Folge, dass der Arbeitnehmer bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen weiter Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz hat. Für die Frage, ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder nicht, ist auf objektive Gesichtspunkte abzustellen; die Kenntnis oder die subjektive Wertung des Arbeitnehmers kann nicht ausschlaggebend sein. Glaubt ein Arbeitnehmer irrtümlich, er sei arbeitsunfähig krank, obwohl objektiv keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, so ist die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zu bejahen, umgekehrt schließen Zweifel des Arbeitgebers an der Arbeitsfähigkeit den Annahmeverzug nicht aus, auch wenn sie entschuldbar sind oder vom Arbeitnehmer geteilt werden (BAG 10.05.1973, AP Nr. 27 zu § 615 BGB). Entscheidend für das den Annahmeverzug ausschließende Leistungsvermögen ist also allein, ob objektiv Arbeitsunfähigkeit zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung vorliegt.

Der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch den gutachtenden Arzt erbracht werden können. Insbesondere ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kommt ein hoher Beweiswert zu (vgl. BAG 04.10.1978, AP Nr. 3 zu § 63 LFZG). Liegen unterschiedliche ärztliche Stellungnahmen vor, so hat das Gericht sich unter deren Berücksichtigung nach § 286 ZPO eine eigene Überzeugung zu bilden.

b) Unter Zuhilfenahme vorstehender Grundsätze ist das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum die Leistungsfähigkeit fehlte, weil sie arbeitsunfähig erkrankt war. Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde für die Klägerin nach dem 09.05.2004 nicht mehr ausgestellt. Unter dem 05.05.2004 allerdings hat der Betriebsarzt der Stadt F, Herr B, bescheinigt, dass die Klägerin nach eigener und fachärztlicher Einschätzung nur bedingt arbeitsfähig sei. Insbesondere sei sie einer Kernzeitbetreuung mit alleiniger Verantwortung für 30 und mehr Kinder zur Zeit nicht gewachsen. In einem weiteren Bericht fälschlicherweise unter demselben Datum berichtet der gleiche Betriebsarzt aufgrund einer erneuten Untersuchung der Klägerin vom 28.06.2004, dass seit Anfang Mai sich keine neue Sturzattacke mehr ereignet habe. Da eine genaue Ursache der Sturzvorfälle noch nicht gefunden worden sei, könnten weitere Episoden nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Eine sichere und eindeutige Prognose bezogen auf den Krankheitsverlauf über die Arbeitsfähigkeit von Frau B zu stellen, sei nur schwer möglich. In der Güteverhandlung am 23.09.2004 erklärte die Klägerin selbst, dass bei ihr ab und an ein sogenannter Sekundenschlaf auftrete, es könne sein, dass dieser einmal die Woche oder vielleicht auch zweimal auftrete, dann aber monatelang wieder nicht. Je nachdem, wie sie falle, verletzte sie sich auch mehr oder weniger. Am 25. November 2004 legte die Klägerin erstinstanzlich ein ärztliche Attest ihres Hausarztes Dr. K vom 19.11.2004 vor, in dem dieser erklärte, die Klägerin stehe seit 10.05.2004 ihrem Arbeitgeber im Rahmen der fachärztlich (neurologisch, orthopädisch) bescheinigten Grenzen zur Verfügung, d. h. lediglich Tätigkeiten mit statischer Körperhaltung wie ausschließliches Stehen oder Sitzen seien ihr nicht möglich, ihre berufsentsprechende Tätigkeit als Erzieherin könne sie ausüben unter Vermeidung einer übermäßigen Belastung durch Überschreiten der Gruppenhöchstgrenzen von 33 Schülern. Es bestünden keinerlei weitere medizinische Bedenken gegen eine erneute Aufnahme der beruflichen Tätigkeit der Klägerin, wie es auch von ihr gewünscht werde. In der Berufungsbegründung weist die Klägerin darauf hin, dass sie jetzt in orthopädischer Behandlung bei Dr. med. E sei, der die Sturzattacken als Folge von eingeklemmten Nerven sehe, gelegentlich bei falschen Bewegungen würden Nervenbahnen der Klägerin blockiert. Dabei habe sie kurzzeitig kein Gefühl in den Beinen und stürze damit unweigerlich zu Boden. Die Symptomatik sei orthopädisch therapierbar und damit zu vermeiden. In der Berufungsverhandlung selbst erklärte die Klägerin, die letzte Sturzattacke habe sich im Mai 2005 ereignet, sie werde mit Akupunktur (wie bereits seit zwei Jahren) und Krankengymnastik behandelt.

Nach dem gesamten Tatsachenstoff ist davon auszugehen, dass zumindest bis zum Ablauf des streitgegenständlichen Annahmeverzugszeitraums, also bis 30.11.2004, keine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit der Klägerin und somit eine Arbeitsunfähigkeit bestand. Dies ergibt sich aus der Beurteilung des Betriebsarztes B vom 05.05.2004, an der sich jedenfalls bis zum Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraum nichts geändert hat. Herr B bescheinigt der Klägerin eine lediglich eingeschränkte Arbeitsfähigkeit bezogen auf die in unregelmäßigen Abständen auftretenden Sturzattacken, die es der Klägerin nicht erlaubten, die Verantwortung für ca. 30 Kinder in der Kernzeitbetreuung zu übernehmen. Herr B beschreibt den konkreten Krankheitszustand der Klägerin, nämlich die Anfälligkeit für Sturzattacken und weist darauf hin, dass abzuwarten sei, ob noch andauernde therapeutische Maßnahmen eine Besserung erzielen würden. Auch in seiner wiederholenden Berichterstattung kommt der Betriebsarzt nach Untersuchung vom 28.06.2004 nicht zu einer gegenteiligen Bewertung. Er weist vielmehr darauf hin, dass eine genaue Ursache der Sturzvorfälle noch nicht gefunden worden sei und deshalb weitere Episoden nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten. Eine eindeutige Prognose bezogen auf die Arbeitsfähigkeit hält er für nur schwer möglich. Dies bedeutet nichts anderes, als dass er weiterhin nur von einer nur bedingten Arbeitsunfähigkeit ausgeht, denn die Prognose der Arbeitsfähigkeit kann nur in die Zukunft gerichtet sein. Die Hinweise der Klägerin in der Güteverhandlung vom 25.09.2004 machen deutlich, dass die objektive Ausgangslage, nämlich die sich wiederholenden Sturzattacken, sich nach wie vor verwirklichte und demzufolge weiterhin drohte. Das von der Klägerin vorgelegte Privatattest ihres Hausarztes Dr. K setzt sich mit den Sturzattacken nicht auseinander, es erwähnt sie nicht einmal. Aus dem Vortrag der Klägerin in der Berufung wird deutlich, dass auch nach Erstellung des Attests von Dr. K weiterhin Sturzattacken auftraten. Die Klägerin selbst hat die letzte Sturzattacke auf den 01. oder 02. Mai 2005 datiert. Ihr Vortrag in der Berufungsbegründung, sie sei jetzt in orthopädischer Behandlung bei Dr. E, dieser habe nun die Ursache der Sturzattacken festgestellt, belegt, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Ausstellung des hausärztliche Attest die Ursachen der Sturzattacken noch nicht gefunden waren und sich weiter ereignen konnten und tatsächlich auch ereignet haben. Eine Vernehmung des als Zeugen angebotenen Dr. K war deshalb erst- wie zweitinstanzlich entbehrlich, weil der Zeuge, wie sich aus den eigenen Ausführungen der Klägerin in der Berufung ergibt, nicht aussagen konnte, die körperliche Disposition der Klägerin, die zu den Sturzattacken führten, seien nunmehr beseitigt, die Gesundheit und daraus resultierend die Arbeitsfähigkeit der Klägerin sei wieder hergestellt. Damit aber steht objektiv fest, dass die Klägerin während des streitgegenständlichen Zeitraums an Sturzattacken litt, dass deren Ursachen unbekannt waren und dass demzufolge jederzeit Sturzattacken drohen konnten mit der Gefahr unterschiedlich schwerwiegender Verletzungen, wie sie die Klägerin selbst in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht, insbesondere aber auch in ihrem Widerspruchsschreiben gegen die Ablehnung der beantragten Erwerbsunfähigkeitsrente formuliert hatte, als die Klägerin schrieb: "Die plötzlich und ohne Vorboten auftretenden Ohnmachtsanfälle konnten bis heute nicht geklärt werden. Durch den dabei unaufhaltsamen Sturz kam es dabei schon dreimal zu starken Verletzungen mit langer Arbeitsunfähigkeit, die hohe Verantwortung gegenüber von mehr als 30 Kindern täglich und das Vertrauen der Eltern kann ich gegenwärtig nicht mehr gewährleisten."

c) Für das Gericht ist nachvollziehbar, dass die in der körperlichen Konstitution der Klägerin, jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum, liegende Gefahr von Sturzattacken, mögen sie als Ohnmachtsanfälle oder Sekundenschlaf oder rezidivierende synkopale Anfälle bezeichnet werden, die Arbeitsfähigkeit der Klägerin ausschloss. Zwar kann die Klägerin ihre vertragliche Arbeitsleistung, nämlich die Kernzeitbetreuung an der A-Schule vom reinen Arbeitsablauf her wahrnehmen, soweit nicht gerade eine Sturzattacke droht, da diese Drohung jedoch zeitlich nicht eingeordnet werden kann, die Attacken völlig unvorhersehbar und mit unvorhersehbaren Folgen jederzeit auftreten können, lässt sich eine Arbeitsfähigkeit noch nicht einmal partiell zu bestimmten Zeiten feststellen. Es lässt sich aber genauso wenig feststellen, ob die Klägerin bestimmten Belastungssituationen während ihrer Tätigkeit gewachsen ist oder nicht, ob also beispielsweise durch die Reduzierung der zu betreuenden Kinderzahl, eine Verminderung der Anfallhäufigkeit oder insbesondere eine Vermeidung von Sturzattacken erzielen ließe.

Dagegen spricht, dass die Klägerin jedenfalls bis zum beginnenden Mai 2005 Sturzattacken erlitten hat, obwohl sie bereits seit dem Jahr 2000 keinerlei Arbeitstätigkeit mehr für die Beklagte verrichtet hatte. Wollte man von einer Teilarbeitsunfähigkeit in den Phasen unmittelbar drohender Sturzattacken ausgehen, wäre, weil eine solche nicht anerkannt werden kann, dennoch von einer Arbeitsunfähigkeit insgesamt auszugehen. Weil aber die drohenden Sturzattacken nicht zeitlich eingeordnet werden können nachdem sie unvorhersehbar auftreten, liegt noch nicht einmal eine Teilarbeitsunfähigkeit vor, vielmehr wirkt sich die Arbeitsunfähigkeit auf die gesamt zu erbringende Arbeitsleistung der Klägerin für die Beklagte aus. Eine Arbeitnehmerin, die jederzeit unvermittelt und unvorhersehbar während der Betreuung von Grundschulkindern umzufallen droht verbunden mit durchaus erheblichen Verletzungsfolgen, kann die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Verantwortung für die ihr anvertrauten Kindern nicht übernehmen und ist damit insgesamt arbeitsunfähig.

2. Auch wenn eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht angenommen werden könnte, wäre der Anspruch der Klägerin auf Annahmeverzugslohn ausgeschlossen. Annahmeverzug ist nach der Rechtsprechung auch dann gegeben, wenn der Arbeitgeber die Annahme der angebotenen Leistung ungerechtfertigt verweigert. Ein vom Recht anerkannter Grund ist ein nicht ordnungsgemäßes Angebot oder ein Angebot, dass unter solchen Umständen erfolgt, dass der Arbeitgeber nach Treu und Glauben die Arbeitsleistung nicht anzunehmen braucht (BAG, Großer Senat, 26.04.1956, AP Nr. 5 zu 9 MuSchG). Der Arbeitgeber ist also berechtigt, die Arbeitsleistung abzulehnen, wenn ihm die Beschäftigung unzumutbar ist (BAG 29.10.1987, AP Nr. 52 zu § 615 BGB). Dabei wird die Unzumutbarkeit der Entgegennahme weiterer Arbeitsleistung nicht durch jedes Verhalten des Arbeitnehmers begründet, das zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt; die Pflichtverletzung muss schwerer wiegen als der wichtige Grund für die außerordentliche Kündigung. Andernfalls käme man zu dem vom Gesetz gerade nicht gewünschten Ergebnis, innerhalb der Voraussetzung des Annahmeverzugs bereits faktisch die Folgen einer außerordentlichen Kündigung, die noch nicht ausgesprochen werden kann, eintreten zu lassen. Erforderlich soll vielmehr ein besonders grober Vertragsverstoß und die Gefährdung von Rechtsgütern des Arbeitgebers sein, deren Schutz Vorrang vor dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seiner Vergütung verdient (Boewer, Münchner Handbuch Arbeitsrecht, § 78 Rdzf. 34, BAG 29.10.1987, AP Nr. 42 zu § 615 BGB). Auch unter Berücksichtigung dieses eng eingegrenzten Unzumutbarkeitsbegriffs war die Beklagte nicht gehalten, das Arbeitsangebot der Klägerin ab 05.05.2004 anzunehmen.

a) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bezog sich im Wesentlichen auf Fälle, in denen Arbeitnehmer wegen ihres Verhaltens fristlos gekündigt wurden oder gekündigt werden sollten. Die Unzumutbarkeit der Annahme angebotener Dienste kann sich jedoch nicht nur auf solche Fälle beschränken, in denen ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers zugrunde liegt. Auch personenbedingte Gründe können unter Umständen zu einer außerordentlichen Kündigung führen, vor allem aber können Gründe in der Person des Arbeitnehmers dazu führen, dass seine Beschäftigung zu einer massiven Gefährdung von Rechtsgütern des Arbeitgebers oder von Dritten führt, deren Schutz vorrangig vor den Interessen des Arbeitnehmers an der Fortzahlung der Vergütung zu behandeln ist.

b) Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen und die Klägerin hat dem in der Berufungsbegründung nicht widersprochen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung auch Kinder im Außenbereich zu betreuen und zu beaufsichtigen hat, zu Zeiten und an Orten, an denen Lehrer oder sonstige Betreuer nicht ohne weiteres erreichbar sind. Die Folge hiervon ist zwangsläufig, dass die Kinder bei einer Sturzattacke der Klägerin für eine unvorhersehbare Zeit ohne Aufsicht und dazuhin aufgrund der überraschenden und erschreckenden Situation mental allein gelassen bleiben und konfus reagieren konnten. Den sich daraus ergebenden Gefahren auch für Leib und Leben konnte die beklagte Stadt die ihr zur Aufsicht im Rahmen der Kernzeitbetreuung anvertrauten Kinder nicht aussetzen. Das Berufungsgericht schließt sich insoweit der Beurteilung des Arbeitsgerichts vollumfänglich an. Immer dann, wenn Dritte, deren elementare Interessen dem Arbeitgeber zur Wahrung anvertraut sind, durch die konkrete Beschäftigung des Arbeitnehmers in schwerwiegender Weise gefährdet sind, ohne dass durch geeignete Vorsorge und Schutzmaßnahmen diese Gefährdung vom Arbeitgeber beeinflusst und vermindert werden kann, ist dem Arbeitgeber die Beschäftigung auch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch der Arbeitnehmer die von ihm ausgehende Gefährdung nicht beeinflussen kann. Davon aber ist auch nach dem Vortrag der Klägerin in der Berufung auszugehen, denn auch nach den von ihr vorgetragenen Feststellungen des Orthopäden Dr. E stürzt die Klägerin unbegreiflicherweise aber auch unweigerlich zu Boden mit all den Folgen, die bereits mehrfach geschildert wurden. Ob die Symptomatik orthopädisch therapierbar ist, wie dies die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vorträgt, mag dahingestellt sein. Bis zum 30.11.2004, dem Ende des streitgegenständlichen Zeitraums jedenfalls, war sie nicht therapiert, was zumindest die Sturzattacke von Anfang Mai 2005 belegt. Eine Zukunftsprognose war im Hinblick auf den eingeschränkten Streitgegenstand der Annahmeverzugsklage entbehrlich. Für den dieser zugrundeliegenden Zeitraum jedenfalls war eine Annahmeverzugsvergütung von der Beklagten wegen Unzumutbarkeit der Beschäftigung der Klägerin nicht geschuldet.

3. Auch dem Beschäftigungsbegehren der Klägerin konnte nicht entsprochen werden. Zwar hat die Klägerin in der Berufung vorgetragen, sie befinde sich jetzt in orthopädischer Behandlung, nunmehr sei der Grund für die Sturzattacken erkannt und könne therapiert werden.

Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Therapiemöglichkeiten bereits ergriffen wurden oder gar bereits angeschlagen und zu einer Besserung geführt hätten. In der mündlichen Verhandlung sprach die Klägerin Akupunktur und Krankengymnastik an, die aber auch bereits vor zwei Jahren verordnet wurden, ohne nachfolgende Sturzattacken zu verhindern. Dass sich die bislang letzte Attacke Anfang Mai ereignete ist nicht als Hinweis auf eine Besserung geeignet, denn schon früher berichtete die Klägerin davon, dass es manchmal sechs Monate lang zu keinen Attacken gekommen war. Die Tatsache, dass die Klägerin sich weiteren Therapien unterziehen muss spricht jedenfalls dagegen, dass nunmehr bereits eine positive Zukunftsprognose gestellt werden kann und der Beklagten zum derzeitigen Zeitpunkt der Einsatz der Klägerin in der Kernzeitbetreuung zugemutet werden kann. Eine anderweitige Beschäftigung hat die Klägerin nicht beantragt.

Da die Berufung der Klägerin erfolglos blieb, hatte sie gemäß § 97 ZPO die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist die Revision statthaft, da das Berufungsgericht sie zugelassen hat; insbesondere die Frage der Unzumutbarkeit der Beschäftigung von Arbeitnehmern nach Arbeitsangebot, die nicht durch arbeitnehmerseitiges Verhalten begründet ist, hat grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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