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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 91/06
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2 a
ArbGG § 66 Abs. 1 Satz 1
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
Anforderungen an die Anhörung vor Verdachtskündigung; Angemessenheit der Frist zur Stellungnahme.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kn. Villingen-Schwenningen, vom 31.07.2006, Az. 8 Ca 92/06, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der von dem Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Verdachtskündigung vom 10.02.2006.

Die Klägerin war seit 01.04.1991 beim beklagten Landkreis als Krankenschwester, zuletzt auf der Intensivstation des Kreiskrankenhauses T. zu einem Bruttomonatsentgelt von EUR 2.888,69 beschäftigt. Sie ist am ... 1963 geboren, ledig und hat eine erwachsene Tochter.

Unter dem 10.02.2006 wurde der Klägerin außerordentlich gekündigt. Die Kündigung ging ihr in der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt S. G. am 13.02.2006 zu, wo sie sich seit ihrer Verhaftung am 25.01.2006 befand. Der Kündigung und der Verhaftung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 31.01.2005 war der Patient M. in die innere Abteilung des Kreiskrankenhauses T. gebracht worden. Von dort wurde er auf die chirurgische Abteilung verlegt, in der ein ausgedehnter Abszess, der sich auf die rechte Flanke und den rechten Oberschenkel des Patienten erstreckt hatte, operiert wurde. Eine Reoperation fand am 03.02.2005 statt. Am 04.02.2005 gegen 20.15 Uhr kam es zu einem Atemstillstand infolge völliger Muskelerschlaffung, der weder durch die Krankheit noch durch das dem Patienten um 19.30 Uhr zur Schmerzlinderung gegebene Medikament Dipidolor erklärt werden konnte. Kurz nachdem er die Klägerin dort herauskommen gesehen hatte, begab sich der zuständige Arzt zur Kontrolle in das Zimmer des Patienten M. und leitete Notfallmaßnahmen ein, die zur Rettung des Patienten führten. Am 18.04.2005 wurde der Patient D. gegen 12.45 Uhr zur Überwachung auf die Intensivstation des Kreiskrankenhauses T. gebracht. Unmittelbar nachdem die Klägerin sich an seinem Krankenbett betätigt hatte, konnte der Patient sich nicht mehr bewegen, nicht mehr atmen und nicht mehr sprechen. Er fürchtete zu sterben. Auf den von der Klägerin ausgelösten Alarm konnte der Patient wieder ins Leben zurückgeholt werden.

Aufgrund der beiden Vorgänge schaltete der Beklagte die Staatsanwaltschaft R. ein, die Ermittlungen gegen die Klägerin aufnahm. Die Klägerin wurde unter Fortzahlung der Vergütung vom Dienst suspendiert.

Am 25.01.2006 erließ die Staatsanwaltschaft R. Haftbefehl gegen die Klägerin und beschuldigte sie des Mordversuchs im Falle des Patienten M. sowie der gefährlichen Körperverletzung im Falle der Patienten M. und D.. Sie hielt sie für dringend verdächtig, beiden Patienten ohne ärztliche Anordnung das muskelerschlaffende Medikament Succinyl-Cholin gespritzt zu haben, das geeignet sei den jeweiligen Patienten in einen lebensbedrohlich empfundenen Zustand zu versetzen.

Mit Schreiben vom 25.01.2006, das der Klägerin am 27.01.2006 in der Vollzugsanstalt S. G. zuging, gab der Beklagte der Klägerin Gelegenheit, sich zu den gegen sie erhobenen Vorwürfe bis 01.02.2006 zu äußern. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Blatt 64 der erstinstanzlichen Akte verwiesen. Mit Schreiben vom 27.01.2006, beim Beklagten eingegangen am 31.01.2006 (im Einzelnen Blatt 47 der erstinstanzlichen Akte), teilte die Klägerin mit, sie könne nicht bis 01.02.2006 Stellung beziehen. Bereits im April 2005 anlässlich ihrer Vernehmung und bei einer Vorsprache am 30. oder 31.10.2005 bei der Stationsleitung hatte die Klägerin erklärt, sie habe weder dem Patienten M. noch dem Patienten D. das Medikament Succinyl verabreicht.

Mit Schreiben vom 07.02.2006 (im Einzelnen Blatt 50 u. 51 der erstinstanzlichen Akte) hörte der Beklagte den Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an. Der Personalrat widersprach der außerordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 09.02.2006, beim Beklagten am 10.02.2006 eingegangen.

Die Klägerin hat sich gegen die außerordentliche Kündigung mit ihrer am 01.03.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage zur Wehr gesetzt. Sie hat weiterhin bestritten, den Patienten M. und D. das Medikament Succinyl verabreicht zu haben, die Kündigung unabhängig davon aber auch deshalb für unwirksam gehalten, weil sie selbst im Rahmen der ausgesprochenen Verdachtskündigung nicht ausreichend angehört worden- die ihr gesetzte Frist sei zu kurz bemessen und die Entscheidung des Beklagten für die Kündigung bereits gefallen gewesen - und auch die Anhörung des Personalrats fehlerhaft gewesen - ihm sei fälschlicherweise von einer Anklageerhebung und vom Vorwurf zweier Mordversuche berichtet worden - sei.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 10.02.2006 nicht beendet wird.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

3. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/oder zu 2. wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Krankenschwester weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat

Klagabweisung

beantragt,

und die ausgesprochene Kündigung auf den Verdacht strafbarer Handlungen der Klägerin im Arbeitsverhältnis gestützt, der sich im Erlass des Haftbefehls durch die Staatsanwaltschaft R. zur Dringlichkeit verdichtet habe.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es sah die Kündigung für gerechtfertigt durch den im Haftbefehl vom 25.01.2006 dokumentierten dringlichen Verdacht, die Klägerin habe durch Verabreichung von Spritzen mit dem Wirkstoff Succinyl einen Mordversuch und eine Körperverletzung begangen. Hierzu sei die Klägerin ausreichend angehört worden. Auch die Anhörung des Personalrats sei ordnungsgemäß erfolgt.

Mit ihrer am 24.08.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung gegen das ihr am 07.08.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts, die sie am 11.09.2006 begründet hat, verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagbegehren weiter. Sie bestreitet die ihr vorgeworfene Tat und wiederholt und vertieft ihre Vorwürfe, sie sei vor Ausspruch der Verdachtskündigung nicht ausreichend angehört worden, weil zum einen die Frist insbesondere unter den Umständen der Inhaftierung und ihrer Erkrankung zu dieser Zeit zu kurz bemessen gewesen sei und der Beklagte darüber hinaus wieder besseren Wissens ausgeführt habe, die Staatsanwaltschaft R. habe am 24.01.2006 Anklage gegen die Klägerin wegen zweifach versuchten Mordes erhoben. Auch die Anhörung des Personalrats mit Schreiben vom 07.02.2006 sei fehlerhaft, da auch diesem gegenüber von zwei versuchten Morden berichtet worden sei.

Die Klägerin stellt die Anträge:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen, vom 31.07.2006, Az.: 8 Ca 92/06 - wird abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass die fristlose Kündigung der Beklagten vom 10.02.2006 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien unverändert fortbesteht.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er räumt ein, dass der Beklagte sowohl bei der Anhörung der Klägerin als auch bei der Unterrichtung des Personalrats und dem Ausspruch der Kündigung selbst irrtümlich davon ausgegangen sei, dass zeitgleich mit dem Erlass des Haftbefehls gegen die Klägerin eine Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft erfolgt sei. Die Medienberichte im zeitlichen Zusammenhang mit der Verhaftung der Klägerin hätten beim Leiter der Personalabteilung des Klinikums diesen fälschlichen Eindruck erweckt. Entsprechendes gelte aus dem gleichen Grunde für die tatsächlich unzutreffende Darstellung des Beklagten, die Klägerin werde zweier Mordversuche und nicht nur eines solchen neben Körperverletzungen verdächtigt. Unbeschadet formaler Gesichtspunkte sei es jedenfalls dem Beklagten unzumutbar bei den starken Verdachtsmomenten gegen die Klägerin, diese habe während des Dienstes versucht jemanden zu ermorden bzw. eine gefährliche Körperverletzung durch Giftbeibringung begangen, die Klägerin im Krankenhaus weiter zu beschäftigen. Nachdem die Vorfälle durch Medienberichterstattung in der Öffentlichkeit bekannt geworden seien, habe der Beklagte reagieren müssen, um weiteren Schaden vom Klinikum abzuwenden.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung und die Erwiderung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 64 Abs. 2 a ArbGG statthafte, unter Beachtung des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegte und ausgeführte Berufung des Beklagten ist insgesamt zulässig, sie ist aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden. Mit ihm ist davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei dem Beklagten aufgrund der außerordentlichen Verdachtskündigung des Beklagten vom 10.02.2006 mit deren Zugang am 13.02.2006 geendet hat. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils wird deshalb verwiesen. Nur im Hinblick auf die Einwendungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung ist ergänzend auf Folgendes hinzuweisen:

Der Beklagte hat seine außerordentliche Kündigung auf den Verdacht gestützt, die Klägerin habe bei Gelegenheit ihrer dienstlichen Tätigkeit in der Intensivstation des vom Beklagten betriebenen Kreiskrankenhauses in T. zwei Patienten, nämlich Herrn M. und Herrn D. das muskelerschlaffende Medikament Succinyl gespritzt, obwohl hierfür keine medizinische Indikation und insbesondere keine ärztliche Verordnung vorlag. Dadurch seien die Patienten in einen als lebensbedrohlich empfundenen Zustand versetzt worden, nur durch sofort eingeleitete Notfallmaßnahmen, die in einem der beiden Fälle von der Klägerin selbst veranlasst worden seien, hätten die Patienten ohne verbleibende gesundheitliche Schäden zu nehmen gerettet werden können. Ihren Verdacht stützte der Beklagte auf Aussagen des für die Patienten zuständigen Oberarztes, auf den Umstand, dass die Klägerin in beiden Fällen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den aufgetretenen Herzstillständen Dienst an den Patienten tat und auf die unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung erfolgte Inhaftierung der Klägerin aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts R. vom 25.01.2006, in dem der Klägerin vorgeworfen wurde, sie habe den beiden fraglichen Patienten Succinyl verabreicht. Die äußeren unstreitigen Sachverhalte in Verbindung mit den Beschuldigungen der Staatsanwaltschaft beim Landgericht R., die sich im Haftbefehl des Amtsgerichts R. niederschlugen, rechtfertigen die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung.

Nicht nur eine unstreitige oder erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der dringende Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen schwerwiegenden Verfehlung gegenüber dem Arbeitgeber kann eine ordentliche oder sogar außerordentliche Kündigung rechtfertigen (grundlegend BAG 04.11.1957 - 2 AZR 57/96 - AP Nr. 39 zu § 1 KSchG; 06.12.2001, EzA § 626 BGB - Verdacht strafbarer Handlung Nr. 11; 26.09.2002, NZA 2003, 951). Begründet ist dies darin, dass bei unbefangener Betrachtung nicht nur eine erwiesene Tat, die von der Rechtsordnung missbilligt worden ist, einem Arbeitsverhältnis die Vertrauensgrundlage entziehen oder das Arbeitsverhältnis unerträglich belasten kann, sondern auch schon der dringende Verdacht, eine solche Tat begangen zu haben; denn jedes Arbeitsverhältnis als personenbezogenes Dauerschuldverhältnis setzt ein gewisses gegenseitiges Vertrauen voraus, weshalb der Verlust dieses Vertrauens einen ordentlichen Kündigungsgrund oder aber einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen kann. Da der Kündigungsgrund der Verlust des für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlichen Vertrauens des Arbeitgebers wegen des dringenden Verdachts ist, braucht das Verhalten des Arbeitnehmers damit nicht notwendig im Zusammenhang zu stehen. Das kann vielmehr sowohl der Fall sein, wenn sich der Arbeitnehmer durch sein eigenes Handeln verdächtig macht, aber auch dann, wenn er völlig ohne eigenes Zutun durch Indizien unter dringenden Verdacht gerät. Voraussetzung für die Verdachtskündigung ist deshalb, dass der Arbeitgeber die Kündigung gerade auf den Verdacht einer schwerwiegenden Vertragsverletzung oder strafbaren Handlung stützt, dass dieser Verdacht aufgrund objektiver Umstände dringend ist, also starke Verdachtsmomente sich auf objektive Tatsachen gründen, diese Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere den Arbeitnehmer angehört, zumindest aber ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Ob es dem Arbeitgeber zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis über den Ablauf der Kündigungsfrist im Falle der ordentlichen Kündigung bzw. den Zugang der fristlosen Kündigung hinaus fortzuführen, lässt sich erst nach einer umfassenden und einzelfallbezogenen Abwägung der Lösungsinteressen des Arbeitgebers und der Bestandsschutzbelange des Arbeitnehmers beantworten (HaKo Gallner § 1 Rz. 568 - 570). Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ergibt sich im Einzelnen:

Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die beiden Patienten M. und D. zu unterschiedlichen Zeiten im Frühjahr 2005 überraschend und ohne dass dies in erkennbarem Zusammenhang mit den Erkrankungen gestanden hätte, wegen derer sie sich im Krankenhaus T. in Behandlung befanden, in einen bedrohlichen Zustand gerieten, der sich ausdrückte in Herz- bzw. Atemstillstand, Bewegungslosigkeit und der Unfähigkeit sich zu artikulieren. Die Klägerin hat auch nicht bestritten, dass sie in beiden Fällen im zeitlichen Zusammenhang mit diesen Vorgängen Kontakt zu den Patienten hatte. In einem Fall sah ein Arzt die Klägerin aus dem Zimmer des Patienten herauskommen unmittelbar bevor er diesen in der hilflosen Lage antraf und Notfallmaßnahmen ergreifen konnte, im anderen Fall war es die Klägerin selbst, die den Notfallalarm auslöste, der zur Rettung des Patienten führte. Nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft war den Patienten Succinyl-Cholin verabreicht worden, das binnen Minuten die beschriebenen Körperzustände hervorzurufen in der Lage ist. Die Klägerin hat sich darauf beschränkt, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bezüglich der festgestellten Succinyl-Funde in den Körpern der beiden Patienten M. und D. anzuzweifeln und im Übrigen zu bestreiten, den Patienten Succinyl verabreicht zu haben.

Der Verdacht, auf den der Beklagte sich beruft, gründet sich in objektiven Tatsachen. Diese bestehen bereits in dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den akuten Muskelerschlaffungszuständen der Patienten M. und D. und der Anwesenheit der Klägerin im Krankenzimmer, zumindest in einem Falle ohne dass für diese Anwesenheit der Klägerin eine pflegerische Notwendigkeit bestanden hätte. Zu den objektiven Tatsachen gehört weiter, dass die konkrete Gefahrenlage für die Patienten mit dem behandelten Krankenbild in keinem Zusammenhang stand und durch dieses nicht erklärbar war und dass die regelwidrigen Körperzustände und Entwicklungen der Beschreibung entsprachen, die bei der Gabe von Succinyl erklärbar werden. Dass die Staatsanwaltschaft in den Ermittlungen zu dem Ergebnis kam, dass Succinyl in den Körpern der betroffenen Patienten gefunden wurde, führt zur Dringlichkeit des Verdachts gegen die Klägerin, die sich im Haftbefehl vom 25.01.2006 konkretisierte. Die objektiv festgestellten und feststehenden Umstände in Verbindung mit den Feststellungen der Staatsanwaltschaft, die diese veranlassten einen dringenden Tatverdacht gegen die Klägerin anzunehmen, der die Rechtsgrundlage für die Verhaftung der Klägerin am 25.01.2005 bildete, konnte der Beklagte sich zum Zeitpunkt der Kündigung am 10.02.2006 zu eigen machen und seinerseits den dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung der Klägerin im Dienst und gleichzeitig einer schwerwiegenden Arbeitsvertragsverletzung hegen. Der Beklagte durfte nach der Verhaftung der Klägerin und deren Verbringung in die Untersuchungshaft von einer großen überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Täterschaft der Klägerin ausgehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft als staatliche Ermittlungsbehörde über wesentlich weitergehendere Instrumente der Aufklärung verfügt als der Beklagte selbst. Da die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft mit den der Beklagten bekannten äußeren Umständen in Einklang zu bringen waren, waren sie in sich widerspruchsfrei und belasteten die Klägerin aufs Dringlichste.

Der Verdacht, dessen die Klägerin sich bei Kündigungsausspruch ausgesetzt sah, war extrem schwerwiegend. Die Beschuldigung der Staatsanwaltschaft, die Klägerin habe einen Mordversuch und zwei Körperverletzungen bei Gelegenheit ihrer dienstlichen Tätigkeit an Patienten begangen, zu deren Pflege sie im Arbeitsverhältnis beim Beklagten stand, könnte schwerwiegender nicht sein. Es bedarf keiner weiteren Erörterung darüber, dass ein solcher Verdacht, wenn er durch objektive Umstände nur dringlich genug ist, es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, den Arbeitnehmer auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Dabei stellt sich im Falle der Klägerin die Frage der Länge der Kündigungsfrist noch nicht einmal, da sie aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ordentlich nicht gekündigt werden konnte.

Für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist weitere Voraussetzung die notwendige Aufklärungsbemühung des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber ist gehalten, alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts zu unternehmen; denn im Unterschied zur Kündigung wegen eines bewiesenen Sachverhalts besteht bei der Verdachtskündigung die Gefahr, dass ein Unschuldiger betroffen ist. Würde dem Arbeitgeber diese Aufklärung des Sachverhalts nicht abverlangt, verstieße die Kündigung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe zu beseitigen bzw. zu entkräften und gegebenenfalls Entlastungstatsachen geltend zu machen. Verletzt der Arbeitgeber die Aufklärungspflicht, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht einer Straftat oder Pflichtverletzung berufen.

Der Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 25.01.2006 unter Fristsetzung bis 01.02.2006 Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Vorwürfen gegeben. Eine gesetzliche Regelung dafür, wie viel Zeit dem Arbeitnehmer im Rahmen der Anhörung für seine Stellungnahme zu den Verdachtsgesichtspunkten zu gewähren ist, besteht nicht. Sinn und Zweck der Anhörung gebietet es, dem Anzuhörenden eine angemessene Frist zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der Umstände, die Klägerin war kurz zuvor inhaftiert worden, war nach ihren Angaben während der ersten Tage der Inhaftierung fieberhaft erkrankt und hatte zweifelsfrei nicht die gleichen Beratungsmöglichkeiten wie sie sich ihr in Freiheit geboten hätten, ist die Zeitspanne zwischen dem Zugang des Anhörungsschreibens am 27.01. und dem gesetzten Fristende am 01.02.2006 äußerst knapp bemessen. Sie lässt sich allenfalls unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile nach einer entsprechenden Abwägung derselben rechtfertigen. Insoweit liegt das Interesse des Beklagten an einer schnellstmöglichen Entscheidung über den Ausspruch einer Kündigung weder darin, dass er gezwungen gewesen wäre die Frist des § 626 Abs. 2 BGB einzuhalten, weil diese erst mit Abschluss des unverzüglich eingeleiteten Anhörungsverfahrens zu laufen begann und auch nicht darin, dass verhindert werden musste, die Klägerin noch eine gewisse Zeit beschäftigen zu müssen auf die Gefahr hin, dass sie derartige wie ihr vorgeworfene Taten wieder begehen könnte. Die Klägerin befand sich in Haft, war also nicht in der Lage zu arbeiten. Das Interesse des Beklagten an der schnellstmöglichen Reaktion auf den in die Dringlichkeitsstufe gewachsenen Verdacht gegen die Klägerin bestand aber darin, der Medienberichterstattung und dem Aufsehen in der Bevölkerung angemessen zu begegnen. Der Beklagte als öffentlich-rechtlicher Träger der Gesundheitseinrichtung, in der die Klägerin beschäftigt war, war insoweit gezwungen schnellstmöglich zu handeln, um zu verhindern, dass sein Krankenhaus dauerhaft in Verruf geriet und dies auf die Belegungszahlen verständlicherweise aus der Sicht potentieller Patienten in Verfall geraten würden. Auf der anderen Seite stand das Interesse der Klägerin, durch möglichst umfassende Darstellung ihrer Sicht der Vorgänge den gegen sie entstandenen Verdacht zu entkräften und den Beklagten dazu zu bringen, von der beabsichtigten Kündigung Abstand zu nehmen. Diesem Interesse der Klägerin hat sie selbst keinen hohen Stellenwert beigemessen. Dies ergibt sich aus ihrer bisherigen und auch der nachfolgenden Reaktion auf das Anschreiben des Beklagten. Sie hat lediglich geäußert, nicht fristgerecht Stellung nehmen zu können, nicht aber darum gebeten, ihr eine Fristverlängerung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu gewähren. Unter diesen Umständen konnte sie nicht erwarten, dass der Beklagte auf unbestimmte Zeit mit der Entscheidung über den Ausspruch der Kündigung zuwarten würde. Dies gilt in besonderem Maße auch deshalb, weil die Klägerin bis dahin ausschließlich bestritten hat, den Patienten D. und M. Succinyl verabreicht zu haben. Weder bis dato noch im Prozess selbst hat sie dagegen zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen. Mit keinem Wort hat sie im Verfahren erster oder zweiter Instanz dargelegt, welche Tätigkeiten sie unmittelbar vor Eintritt der Körperreaktionen bei den Patienten M. und D. in deren Zimmern verrichtet hat und weshalb sie beispielsweise aus dem Zimmer des Patienten M. herauskam, obwohl ihr in diesem Zimmer keinerlei pflegerische Verrichtungen oblagen. Die von ihr bereits im April und erneut im Oktober 2005 getätigte Äußerung, sie habe den Patienten kein Succinyl gespritzt, hätte sie ohne weitere Rücksprache mit ihrem Rechtsanwalt auch nach Eingang des Anhörungsschreibens bis zum Ablauf der dort gesetzten Frist wiederholen können. Da sie dies nicht tat und auch im weiteren Verlauf des Kündigungsschutzprozesses keine weitergehenden Aufklärungsbemühungen hinsichtlich des Ablauf der Geschehnisse im Januar und April 2005 unternahm, muss die Abwägung der Interessen beider Arbeitsvertragsparteien dazu führen, dass die vom Beklagten gesetzte Äußerungsfrist gerade noch ausreichend bemessen war und die Voraussetzung für die Zulässigkeit der Verdachtskündigung erfüllte.

Die Wirksamkeit der Anhörung der Klägerin scheitert auch nicht daran, dass im Anhörungsschreiben vom Beklagten ausgeführt wurde, die Staatsanwaltschaft R. habe am 24.01.2006 Anklage gegen die Klägerin erhoben wegen versuchten Mordes an zwei Patienten. Auch wenn am 24.01.2006 keine Anklage erhoben wurde sondern lediglich am 25.01.2006 der Haftbefehl gegen die Klägerin erging und wenn dieser sich auf den Vorwurf eines Mordversuchs und zweier gefährlicher Körperverletzungen beschränkte, macht dies die Anhörung nicht unwirksam. Die Anhörung als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verdachtskündigung bezieht sich ausschließlich auf die Anhörung zum Verdacht einer strafbaren Handlung bzw. einer schwerwiegenden Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. Beides ist ausreichend aber auch korrekt umschrieben mit der Formulierung, die Klägerin stehe unter dem Verdacht den Patienten D. und M. das Medikament Succinyl-Cholin verabreicht zu haben, obwohl dies medizinisch weder indiziert noch dokumentiert noch ärztlich angeordnet gewesen sei. Welche rechtlichen Folgerungen die Staatsanwaltschaft aus diesen Vorwürfen gezogen hat und zieht, ist für die Anhörung der Klägerin zum Sachverhalt unerheblich. Ganz abgesehen davon, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Klägerin der Haftbefehl vom 25.01.2006 zum Zeitpunkt des Zugangs des Anhörungsschreibens des Beklagten zur Verfügung stand oder jedenfalls eröffnet worden war.

Die Kündigung ist auch nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Personalrats rechtsunwirksam. Richtig ist, dass auch dem Personalrat bei der Anhörung mit Schreiben vom 07.02.2006 mitgeteilt wurde, der Klägerin würden zwei versuchte Morde an den Patienten D. und M. vorgeworfen, obwohl tatsächlich der Haftbefehl die Beschuldigung eines Mordversuchs und zweier gefährlicher Körperverletzungen zum Gegenstand hatte. Insoweit hat der Beklagte dem Personalrat über einen noch schwerwiegenderen Verdacht informiert, als es sich aus dem Haftbefehl der Staatsanwaltschaft ergibt. Dies gilt allerdings nur hinsichtlich der strafrechtlichen Einordnung, nicht hinsichtlich des der Klägerin vorgeworfenen Verhaltens, denn auch insoweit enthält das Anhörungsschreiben lediglich den Hinweis, dass die Klägerin den Patienten M. und D. Succinyl-Cholin verabreicht habe, obwohl dies medizinisch weder indiziert noch dokumentiert noch ärztlich angeordnet gewesen sei. Für den Arbeitgeber besteht bei der Anhörung des Betriebsrats die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Information. Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gebietet es, dem Arbeitgeber und dem Personalrat Informationen zu geben bzw. nicht vorzuenthalten aufgrund derer bzw. ohne die bei ihm ein falsches Bild über den Kündigungssachverhalt entstehen könnte. Eine bewusst und gewollt unrichtige Mitteilung der für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers maßgebenden Kündigungsgründe und damit eine Irreführung des Personalrats führt zu einem fehlerhaften und damit unwirksamen Anhörungsverfahren. Unzulässig ist zum einen die bewusst unrichtige Sachdarstellung, insbesondere die Mitteilung von Scheingründen unter bewusstem Verschweigen der wahren Kündigungsgründe, zum andern aber ist auch die unvollständige Sachdarstellung unzulässig, wenn also der Arbeitgeber dem Personalrat bewusst ihm bekannte und seinem Kündigungsentschluss bestimmende Tatsachen vorenthält, die nicht nur eine Ergänzung oder Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhalts darstellen, sondern diesem erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben oder weitere eigenständige Kündigungsgründe enthalten.

Nach den Darstellungen des Personalleiters des Klinikums des Beklagten, der für die Vorbereitung und Umsetzung der beabsichtigten Kündigung zuständig war, war dieser zum Zeitpunkt der Anhörung des Personalrats irrigerweise der Meinung, die Staatsanwaltschaft R. hätte die Klägerin des Mordversuchs in zwei Fällen beschuldigt. Zur Erklärung dieses Irrtums hat er darauf hingewiesen, dass entsprechende Meldungen nach Erlass des Haftbefehls in der Presse, insbesondere im G. erschienen seien, was sich bei ihm gedanklich verfestigt habe. Dies erscheint plausibel. In der Tat berichtete der G. am 25.01.2006 unter der Überschrift "Krankenschwester soll zwei Morde versucht haben". Von einer bewusst unrichtigen Sachdarstellung kann deshalb nicht ausgegangen werden. Im Übrigen aber entspricht die Anhörung des Personalrats den Anforderungen bei Verdachtskündigungen. Dem Arbeitgeber sind alle bekannten Verdachtsmomente, seine vergeblichen Bemühungen zur Wahrheitsfindung und die Umstände darzulegen, aus denen sich für den Arbeitgeber die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung wegen des bloßen Verdachts ergibt. Insbesondere ist über die Tatsache und das Ergebnis der Anhörung des Arbeitnehmers zu informieren. All dies ist in der Anhörung vom 07.02.2006 enthalten, insbesondere wurde dem Personalrat mitgeteilt, dass die Klägerin bei der Anhörung erklärte, sie könne nicht innerhalb der ihr eingeräumten Frist Stellung beziehen.

Die Kündigung ist schließlich nicht wegen widersprüchlichen Verhaltens des Arbeitgebers unwirksam. Insoweit beruft die Klägerin sich darauf, der Klinikleiter des Beklagten habe sie bereits im April 2005 bis zum Abschluss der Ermittlungen bei Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt, diese Ermittlungen seien aber noch nicht abgeschlossen. Selbst wenn die Freistellung der Klägerin mit der von der Klägerin wiedergegebenen Formulierung vorgenommen worden wäre, ergäbe sich hieraus kein Vertrauenstatbestand für die Klägerin und keine Selbstbindung des Beklagten, die Freistellung in der gewählten Form bei Fortzahlung der Vergütung aufrecht zu erhalten unabhängig davon, welche tatsächlichen Veränderungen im Geschehensablauf eintreten würden. Die Klägerin konnte nicht davon ausgehen, dass sie bei Fortzahlung der Vergütung auch weiter freigestellt und eine Kündigung nicht ausgesprochen würde, wenn durch weitere Erhärtung des Tatverdachts eine Inhaftierung erfolgen würde. Die Inhaftierung und die sich daran anknüpfende Herstellung von Öffentlichkeit und negativer Publizität für den Beklagten war zum Zeitpunkt der ursprünglichen Freistellung nicht absehbar. Der Fortzahlung der Vergütung bei Freistellung lag naturgemäß zugrunde, dass die Klägerin in der Lage war ihre Arbeitskraft auch anzubieten. Dies war nach der Inhaftierung am 24.01.2006 nicht mehr der Fall. Auch die Haftentlassung am 15.03., die nicht wegen Verringerung des Tatverdachts sondern wegen Wegfalls der Fluchtgefahr erfolgte, führte nicht dazu, dass die ursprüngliche Freistellung wieder aufzuleben hatte, abgesehen davon, dass zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aufgrund der ausgesprochenen Kündigung bereits beendet war.

Da die Klägerin mit ihrer Berufung unterlegen ist, hat sie gemäß § 97 ZPO deren Kosten zu tragen.

Gegen dieses Urteil kann die Klägerin Revision einlegen, da das Berufungsgericht sie wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits zugelassen hat.

Ende der Entscheidung

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