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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 20.09.2007
Aktenzeichen: 11 TaBV 5/07
Rechtsgebiete: BetrVG, EStG, BGB
Vorschriften:
BetrVG § 37 Abs. 6 | |
BetrVG § 40 Abs. 1 | |
EStG § 4 Abs. 5 Nr. 5 | |
BGB § 191 | |
BGB § 288 |
2. Die Kürzung kann nicht pauschaliert nach früheren Lohnsteuerrichtlinien mit einem Prozentsatz der tatsächlich entstandenen Verpflegungskosten erfolgen.
3. Statt dessen können die Werte der Sachbezugsverordnung zugrunde gelegt werden.
4. Dies gilt jedenfalls dann, wenn im Betrieb keine Reisekostenrichtlinien bestehen, die einen Verpflegungsmehraufwand regeln.
Tenor:
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Offenburg - vom 02.05.2007 - 6 BV 2/07 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antragsgegner verpflichtet wird an die Beteiligte zu 3 EUR 87,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.02.2006 zu zahlen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Arbeitgeber von den Seminarkosten für Betriebsräte eine Haushaltspauschale von 20 Prozent in Abzug bringen kann.
Der Antragsgegner und Beteiligte zu 2 vertreibt bundesweit in zahlreichen Verkaufsstellen Drogeriewaren. Antragsteller und Beteiligter zu 1 ist der für den Bezirk O. gewählte Betriebsrat, dessen Vorsitzende ist die Beteiligte zu 3.
Die Beteiligte zu 3 nahm vom 17. bis 22.07.2005 an einem Seminar für Betriebsräte zum Thema Betriebsverfassungsgesetz Teil 2 in T. teil. In der Zeit vom 13. bis 18.11.2005 folgte ihre Teilnahme am Seminar Betriebsverfassungsgesetz Teil 3 in N.. Die anlässlich der Seminarteilnahmen entstandenen Kosten für Unterkunft mit Vollpension machte die Beteiligte zu 3 beim Beteiligten zu 2 mittels Reisekostenabrechnungen geltend. Den so eingeforderten Betrag von EUR 545,00 für das Seminar in T. kürzte der Beteiligte zu 2 um EUR 22,50 für Frühstück und weitere EUR 50,80 mit der Bezeichnung "20 Prozent Haushaltspauschale". Bei den Kosten für das Seminar in N. von EUR 600,00 brachte der Beteiligte zu 2 EUR 5,40 vom Übernachtungsanteil in Abzug und des Weiteren einen Betrag von EUR 75,60 wiederum mit dem Vermerk "20 Prozent Haushaltsersparnis".
Die Beteiligten zu 1 und 3 haben die Abzüge von den Seminarkosten für unberechtigt gehalten, allenfalls einen Abzug in Anwendung der Sachbezugsverordnung für 2005 als möglich angesehen, dabei aber eingewandt, dass die Ersparnisse der Beteiligten zu 3 durch die außerhäusige Verköstigung durch Mehrausgaben wieder aufgezehrt worden seien.
Der Antragsteller hat beantragt:
Der Beteiligte Ziffer 2 wird verpflichtet, an die Beteiligte Ziffer 3 EUR 154,30 zu bezahlen nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2006.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen
und die Auffassung vertreten, der Abzug eines Eigenanteils für die so genannte Haushaltsersparnis in Höhe von 20 Prozent sei sachgerecht und rechtmäßig, insoweit könne auf die Lohnsteuerrichtlinien zurückgegriffen werden, dies habe auch das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit so gesehen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat den Antragsgegner verurteilt, an die Beteiligte Ziffer 3 EUR 87,50 nebst Zinsen zu zahlen und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Der Arbeitgeber sei gemäß § 37 Abs. 6 i. V. m. § 40 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, die Kosten der Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an erforderlichen Schulungsveranstaltungen zu tragen. Hierzu gehörten auch notwendige Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten der teilnehmenden Betriebsräte. Der Antragsgegner sei wohl berechtigt, von den Verpflegungskosten ersparte Eigenaufwendungen des Schulungsteilnehmers abzuziehen. Dieser Abzug könne aber nicht in Höhe von 20 Prozent der tatsächlich entstandenen Verpflegungsaufwendungen erfolgen. Dagegen seien die Werte in § 1 Abs. 1 und 3 der Sachbezugsverordnung zugrunde zu legen. Ein prozentualer Abzug von den tatsächlich entstandenen Kosten werde dem Gedanken der Haushaltsersparnis nicht ausreichend gerecht, weil die ersparten Kosten des Betriebsrats unabhängig von der Höhe der tatsächlich entstandenen Verpflegungskosten im Rahmen der Hotelunterbringung seien. Schließlich habe das einzelne Betriebsratsmitglied keinen Einfluss auf die Höhe der entstandenen Kosten. Unter Berücksichtigung der Sachbezugsverordnung 2005 sei für ein Frühstück EUR 1,46 und seien für Mittag- und Abendessen EUR 2,61 anzusetzen. Bei jeweils 5 Übernachtungen seien mithin 5-mal Frühstück, 5-mal Mittag- und 5-mal Abendessen, insgesamt also EUR 33,40 für jede der beiden Schulungen in Abzug zu bringen. Unter Berücksichtigung des tatsächlich vorgenommenen Gesamtabzugs von EUR 154,30 für beide Schulungen bestehe mithin noch eine Zahlungsverpflichtung des Beteiligten zu 2 in Höhe von EUR 87,50.
Gegen den ihm am 11.06.2007 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Beteiligte zu 2 am 21.06.2007 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet. Er hält nach wie vor einen Abzug von 20 Prozent der belegten Verpflegungskosten als pauschale Haushaltsersparnis für zutreffend und verweist auf die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts München in seinem Beschluss vom 30.10.2002 (5 TaBV 66/00). Noch weiter gehe das Landesarbeitsgericht Köln in seinem Beschluss vom 11.04.2002 (10 TaBV 50/01), das bei fehlenden Reisekosten-Richtlinien im Betrieb einen Anspruch hinsichtlich der Verpflegungskosten nur in Höhe der Verpflegungspauschbeträge nach § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG sieht. So sehe es auch im Ergebnis das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 01.02.2006 (2 TaBV 4/05). Der geltend gemachte Zinsanspruch bestehe im Übrigen nicht. Eine ordnungsgemäße Beschlussfassung hinsichtlich der Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens werde mit Nichtwissen bestritten.
Der Beteiligte zu 2 stellt den Antrag:
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Offenburg - vom 02.05.2007, Az. 6 BV 2/07, wird abgeändert.
2. Der Antrag wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 1 und 3 beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie akzeptieren die erstinstanzliche Entscheidung und halten sie in jedem Fall insoweit für zutreffend, als das Arbeitsgericht als Haushaltsersparnis lediglich die Beträge der Sachbezugsverordnung berücksichtigt hat. Eine generelle, auf Durchschnittswerte abgestimmte Bestimmungsgröße sei in jedem Fall sachgerechter als ein prozentualer Abschlag von den Verpflegungskosten. Der Wert dessen, was ein Seminarteilnehmer an häuslicher Verpflegung gegebenenfalls erspart sei nicht abhängig von der Höhe der Kosten einer Auswärtsverpflegung. Vielmehr sei eine gegebenenfalls eingetretene Ersparnis allein an den häuslichen Verpflegungsgewohnheiten orientiert und ein hierauf basierender Durchschnittswert müsse daher eine feste Größe sein. Zum Beleg der wirksamen Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten hat der Beteiligte zu 1 die Einladung zur Betriebsratssitzung vom 04.09.2006, den Beschluss vom 07.09.2006 und die Beschlussmitteilung vom 07.09.2006 an den Arbeitgeber vorgelegt.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die Beschwerdebegründung und die Beschwerdeerwiderung verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und ausgeführte Beschwerde des Antragsgegners und Beteiligten zu 2 ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung frei von Rechtsfehlern getroffen und sie ausführlich und mit zutreffenden Erwägungen begründet. Das Beschwerdegericht kann deshalb vollumfänglich Bezug nehmen auf Teil 2 der angegriffenen Entscheidung, den es sich zu Eigen macht. Nur ergänzend und im Hinblick auf die Ausführungen des Beteiligten zu 2 in seiner Beschwerde ist auf Folgendes hinzuweisen:
1. Die Beteiligten streiten nicht mehr darüber, ob von den Verpflegungskosten anlässlich der beiden Seminarteilnahmen der Beteiligten zu 3 ein Abzug für Haushaltsersparnis vorgenommen werden kann. Streitig ist lediglich die Höhe des Abzugs und konkret die Frage, ob dieser nach der Sachbezugsverordnung oder aber mit einem Prozentsatz von 20 von den entstandenen Verpflegungskosten erfolgen kann. Das erkennende Gericht geht mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass der Abzug für Haushaltsersparnis nach der Sachbezugsverordnung, hier des Jahres 2005, erfolgen muss und dass ein prozentualer Abschlag von den Verpflegungskosten nicht möglich ist. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Die tatsächliche Kostenersparnis beim Arbeitnehmer hängt nicht davon ab, in welcher Preiskategorie sich das Tagungshotel befindet und wie hoch die jeweiligen Verpflegungskosten dieses Hotels sind. Vielmehr sind die tatsächlichen Ersparnisse des Schulungsteilnehmers abhängig von seiner persönlichen Lebensführung, die er beibehalten hätte, wäre er nicht wegen der Teilnahme an Seminaren auswärtig untergebracht und verpflegt worden. Schon der Wortlaut Ersparnis macht deutlich, dass an dem gemessen werden muss, was nicht ausgegeben wird, nicht aber abgestellt werden kann auf tatsächlich aufgewandte Kosten. Auch deshalb ist ein Rückgriff auf die frühere 20-Prozent-Regelung in den Lohnsteuerrichtlinien nicht mehr möglich, dies aber insbesondere auch, weil die von 1990 bis 1995 geltenden Lohnsteuerrichtlinien für das Jahr 2005, in dem die streitgegenständlichen Schulungsveranstaltungen stattfanden, für die Bemessung der Haushaltsersparnis keinen geeigneten Anhaltspunkt mehr darstellen (LAG Bad.-Württ. 06.02.2003 - 19 TaBV 3/02 -; LAG Nürnberg 25.02.2003 - ARST 2003, 244; LAG Nürnberg 26.07.2004 - 9 (7) TaBV 51/02 - BeckRS 2004 4; LAG Hamm 13.01.2006 - 10 TaBV 65/05 - NZA-RR 2006, Heft 5). Nach den genannten Entscheidungen ist die Sachbezugsverordnung ein geeigneter Anhaltspunkt, um die Haushaltsersparnis festzustellen, weil die Sachbezugsverordnung eine generelle, auf Durchschnittswerte abgestimmte Bestimmungsgröße darstellt und jährlich angepasst wird. Damit ist sie ein realitätsnaher Wert der Verköstigung und ein geeigneter Maßstab für eine Haushaltsersparnis bei Schulungsmaßnahmen. Der gegenteiligen Auffassung des Landesarbeitsgerichts München schließt sich das erkennende Gericht aus den vorgenannten Gründen nicht an. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 01.02.2006 - 2 TaBV 4/05 - BeckRS 2006 4 steht dem nicht entgegen. Dem letztgenannten Verfahren lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort bestand im Betrieb eine Reisekostenregelung auf der Basis des Landesreisekostengesetzes Baden-Württemberg, außerdem hatte das seminarteilnehmende Betriebsratsmitglied die Wahl gehabt, ob es im Tagungshotel oder anderweitig wohnen und sich verpflegen lassen wollte. Weil aber eine Reisekostenregelung auf der Basis des LRKG Anwendung fand, die einen Verpflegungsmehraufwand regelte, kam es auf die Frage, ob hinsichtlich der Verpflegungskosten ein Abschlag für ersparte eigene Haushaltsaufwendungen in Abzug gebracht werden konnte, gerade nicht an. Im vorliegenden Fall dagegen gilt im Betrieb nach eigener Darstellung des Beteiligten zu 2 keine Reisekostenregelung, die einen eventuellen Verpflegungsmehraufwand regelt, vielmehr erhalten danach im Betrieb des Antragsgegners Arbeitnehmer bei der Durchführung von Dienstreisen keine Vollverpflegung und keine Erstattung von Spesen über die steuerlichen Pauschbeträge von § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG hinaus.
2. Hinsichtlich der Berechnung des vom Arbeitsgericht zu Recht der Beteiligten zu 2 zugesprochenen Betrags wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen. Der Zinsanspruch der Beteiligten zu 3 ergibt sich aus § 40 Abs. 1 BetrVG. Hiernach hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Nicht nur der Betriebsrat als Gremium kann Inhaber des Kostenerstattungsanspruchs sein. Anspruchsberechtigt kann auch das einzelne Betriebsratsmitglied sein, wenn ihm aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit Kosten entstehen. Als Erstattungsanspruch stellt die Forderung im Gegensatz zum Freistellungsanspruch einen Zahlungsanspruch im Sinne der §§ 191, 288 BGB dar. Daraus folgt, dass dem Betriebsratsmitglied Verzugs- und Prozesszinsen auf seine Forderung auf Erstattung von ihm bereits aufgewendeter Kosten für seine Betriebsratstätigkeit zustehen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 18.01.1989 - 7 ABR 89/87 - NZA 1989, S. 641 ausdrücklich bestätigt.
3. Die formalen Einwendungen des Beteiligten zu 2 hat der Antragsteller durch Vorlage der im Tatbestand genannten Dokumente widerlegt.
4. Die Neufassung des Beschlusses des Arbeitsgerichts erfolgte lediglich im Hinblick darauf, dass dieses im Rahmen des vorliegenden Beschlussverfahrens eine Verurteilung des Beteiligten zu 2 formulierte, klarstellend handelte es sich dagegen um eine Verpflichtungsauferlegung, dies war vom Arbeitsgericht auch nicht anders gemeint.
Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde statthaft, weil das Beschwerdegericht sie zugelassen hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Berechnungsart des Abzugs für Haushaltsersparnis und weil in Gestalt des zitierten Beschlusses des Landesarbeitsgerichts München eine divergierende Entscheidung vorliegt.
Ende der Entscheidung
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