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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 07.11.2007
Aktenzeichen: 12 Sa 49/07
Rechtsgebiete: ZPO, TV-L, TVG, TV-Ärzte, BAT


Vorschriften:

ZPO § 278 Abs. 6 Satz 1
TV-L § 12
TV-L § 13
TVG § 3
TVG § 5
TV-Ärzte § 1
TV-Ärzte § 12
BAT § 22
BAT § 22 Abs. 1
BAT § 22 Abs. 2 Satz 2
BAT § 22 Abs. 2 Satz 3

Entscheidung wurde am 22.04.2008 korrigiert: ein Orientierungssatz wurde der Entscheidung hinzugefügt
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 12 Sa 49/07

Verkündet am 07.11.2007

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - - 12. Kammer - durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hennemann, den ehrenamtlichen Richter Härzer und den ehrenamtlichen Richter Schlachter

auf die mündliche Verhandlung vom 07.11.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Mannheim vom 24.05.2007 - Az.: 5 Ca 37/07 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt mit Wirkung am dem 01.12.2006 Vergütung nach Maßgabe der Entgeltgruppe Ä 3/Stufe 3 des "Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken" vom 30.10.2006 (im folgenden: TV-Ärzte).

Der am 26.05.1948 geborene Kläger ist Facharzt für Urologie. Seit dem 01.01.1984 steht er in dieser Funktion in einem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land im Klinikum der Universität H.. Am 20.09.1998 erstellte der für den Kläger zuständige Chefarzt ein Arbeitszeugnis; hinsichtlich seines Inhaltes wird auf Akten-Blatt 47 - 52 der erstinstanzlichen Akte verwiesen.

Ausweislich eines mit Wirkung ab dem 01.12.1990 geschlossenen Weiterbeschäftigungsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien "nach dem Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung; außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung" - Abl. 9 der erstinstanzlichen Akte -.

Zur Beendigung eines vorangegangenen Arbeitsgerichtsverfahren vor dem Arbeitsgericht Mannheim (Az.: 5 Ca 193/01), in dem es unter anderem um die Heranziehung des Klägers zu Oberarzt-Diensten, den Ausgleich von Verdienstminderungen und die Beteiligung an Pool-Einkünften ging, haben die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Az.: 13 Sa 33/05) nach Maßgabe von § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO einen Prozessvergleich mit folgendem Inhalt geschlossen:

"§ 1

Die Parteien sind sich darin einig, dass der Kläger weiterhin beim beklagten Land (Universitätsklinikum H.) beschäftigt und nach wie vor als Oberarzt vergütet wird und dass mit der jeweiligen Oberarztvergütung sämtliche vom Kläger derzeit und auch zukünftig ausgeübten Tätigkeiten umfasst und abgegolten werden. Allerdings stimmen die Parteien darin überein, dass der Kläger seit dem 20.11.2001 und auch künftig nicht beanspruchen kann, Tätigkeiten eines Oberarztes auszuüben und bei der Erstellung der Stationseinteilungspläne gleich den anderen Oberärzten berücksichtigt zu werden. Die Parteien sind vielmehr darin einig, dass der Kläger derzeit und auch zukünftig - sofern sich in der Organisation der Klinik keine Änderungen ergeben - folgende Tätigkeiten ausgeübt:

Lehre:

Organisation und Erstellung der Lehrpläne (Urologie) für Heicumed,

Teilnahme am Heicumed-Modul (Kurse, Praktika, Klinisch-Pathologische Konferenzen, Seminare, Prüfungen),

Vorlesungstätigkeit,

Erstellung der Fallbeschreibungen für Präsentationen,

Betreuung von Doktoranden,

Teilnahme am medizinischen Staatsexamen im Fach Urologie,

Erstellung von Lehrmaterial.

Medizinisches Controlling:

Teilnahme an Stationsvisiten und -besprechungen,

Eingabe von Diagnosen sowie Prozeduren für Arztbriefe und für Berechnungen der Fallpauschalen im Vergütungssystem DRG,

Gutachterliche Stellungnahmen für medizinische Dienste,

Briefwechsel mit Krankenkassen.

Unterstützung von wissenschaftlichen Studien:

Erstellung der Präsentationen,

Probenmanagement.

§ 2

Das beklagte Land verpflichtet sich, an den Kläger als Ausgleich für Einkommensverluste seit dem 20.11.2001 und für etwaige Einkommenseinbußen in der Zukunft € 140.000,00 brutto zu zahlen.

§ 3

Damit ist dieser Rechtsstreit einschließlich des noch vor dem Arbeitsgericht Mannheim - Kammern Heidelberg - unter dem Aktenzeichen 5 Ca 193/01 anhängigen Teils erledigt. Zugleich sind alle etwaigen Ansprüche des Klägers auf Ausgleichszahlungen aufgrund seiner seit dem 20.11.2001 unterbliebenen Heranziehung als Oberarzt in der Urologischen Abteilung der Chirurgischen Universitätsklinik H. und der Nichtberücksichtigung bei der Erstellung der Stationseinteilungspläne seit diesem Zeitpunkt abgegolten.

§ 4

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten der Nebenintervention trägt das beklagte Land."

Das Zustandekommen und den Inhalt dieses Vergleiches hatte das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 04.05.2006 festgestellt;

in ihrem Zustimmungsschreiben vom 03.05.2006 hatte die Beklagte darauf hingewiesen, dass "... mit der in § 1 des Vergleiches genannten "Oberarztvergütung" diejenige Vergütung des Klägers gemeint ist, die ihm gemäß der arbeitsvertraglich vereinbarten BAT-Vergütungsgruppe zusteht (der Begriff "Oberarzt-Vergütung" ist im BAT nicht enthalten)".

Am 12.10.2006 schloss die Gewerkschaft ver.di mit der Tarifgemeinschaft der Länder den "Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder" im folgenden (TV-L) ab (Cerff/Winter (ehemals Dittmeier-Zängl): Tarifrecht Öffentlicher Dienst, Ordnungsziffer 11, Ergänzungslieferung Februar 2007).

Dessen persönlicher Geltungsbereich erfasst Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied der Tarifgemeinschaft der Länder ist (§ 1).

§ 12 TV-L mit der Überschrift "Eingruppierung" enthält lediglich nachstehenden Klammersatz:

"Derzeit nicht belegt, wird im Zusammenhang mit einer Entgeltordnung geregelt". Allerdings existiert die folgende Niederschriftserklärung zu § 12:

"Sofern Verhandlungen über eine neue Entgeltordnung nicht zu einem Ergebnis führen, werden die Tarifvertragsparteien spätestens am 30. Juni 2009 Verhandlungen zu der Frage aufnehmen, wie die Regelungen des TVÜ-Länder in die §§ 12 und 13 TV-L eingefügt werden. Dabei ist auch zu klären, welche Konsequenzen sich hieraus für die Regelungen des TVÜ-Länder zur Bewährung- und Fallgruppenaufstiegen, zu Vergütungsgruppenzulagen und zur Eingruppierung (§§ 8, 9 und 17 TVÜ-Länder) ergeben."

Die Sonderregelung Nr. 7 für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken zu § 12 TV-L hat folgende Fassung:

"Die Beschäftigten sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:

"Entgeltgruppe

Bezeichnung

Ä 1

Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit

Ä 2

Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

Ä 3

Oberärztin/Oberarzt

Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weitbildungsordnung fordert.

Ä 4

Fachärztin/Facharzt, der/dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt) vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

(Protokollerklärung: Ständiger Vertreter ist nur der Arzt, der den leitenden Arzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb der Klinik nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.)"

Am 30.10.2006 schloss die Tarifgemeinschaft der Länder mit dem "Marburger Bund" den sogenannten "TV-Ärzte" (Cerff/Winter a.a.O., Ordnungsziffer 446).

Sein persönlicher Geltungsbereich erfasst Ärzte/Ärztinnen, ".... die an einer Universitätsklinik überwiegend Aufgaben in der Patientenversorgung wahrnehmen. Er gilt auch für Ärztinnen und Ärzte, die in ärztlichen Servicebereichen in der Patientenversorgung eingesetzt sind. Die Ärzte müssen in einem Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder (TdL) oder eines Mitgliedverbandes des TdL ist".

Ausweislich einer Protokollerklärung hierzu zählen zu den vorerwähnten ärztlichen Servicebereichen in der Patientenversorgung "... z.B. Pathologie, Labor- und Krankenhaushygiene".

Der Einleitungssatz von § 12 TV-Ärzte lautet unter der Überschrift "Eingruppierung":

"Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:"

Die anschließend geregelten Entgeltgruppen Ä 1 bis Ä 4 und deren Bezeichnungen sind identisch mit denjenigen des TV-L.

Die Beklagte gruppierte den Kläger mit Wirkung zum 01.11.2006 in die Entgeltgruppe Ä 2/Stufe 3 des TV-Ärzte ein. Hiergegen protestierte der Kläger mit Schreiben vom 08.12.2006 unter Hinweis auf den am 04.05.2006 geschlossenen gerichtlichen Vergleich. Die Parteien bekräftigten ihre gegenteiligen Rechtsstandpunkte mit Schreiben vom 28.12.2006, 03.01. und 10.01.2007.

Mit seiner am 08.02.2007 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, aus § 1 des gerichtlichen Vergleiches ergebe sich, dass er nach wie vor als Oberarzt zu vergüten sei, obwohl er entsprechende Dienste an Patienten nicht mehr ausüben dürfe. Der Vergleich habe einzig dem Ziel gedient, den Streit über seine tatsächliche Beschäftigung im Stationsdienst etc. beizulegen. Die vereinbarte Funktionseinschränkung habe den Anspruch auf Vergütung als Oberarzt unberührt gelassen. Die Beklagte sei verpflichtet, ab dem Monat November 2006 bis einschließlich Januar 2007 einen monatlichen Differenzbetrag von € 1.300,00 nachzuzahlen.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 3.900,00 zuzüglich jeweils 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB aus € 1.300,00 ab dem 01.12.2006, ab dem 01.01.2007 und ab dem 01.02.2007 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger ab Februar 2007 Gehalt nach der Entgeltgruppe Ä 3/Stufe 3 des TV-Ärzte zu zahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und zur Begründung ausgeführt, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen der Eingruppierung in den gewünschte Entgeltgruppe, weil ihm keinerlei Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. einer Abteilung von der Beklagten übertragen worden seien. Seine im Jahr 1988 erfolgte Ernennung zum Oberarzt habe sich in der Titelführung erschöpft und sei ohne Auswirkung auf die tarifliche Eingruppierung nach der Vergütungsordnung zum BAT.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.05.2007 die Klage mit folgender Begründung abgewiesen:

Selbst wenn der Kläger unter den persönlichen Geltungsbereich des TV-Ärzte falle, so sei er doch kein "Oberarzt" im Sinne der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe Ä 3. Die im Positivkatalog von § 2 des Vergleiches vom 04.05.2006 beschriebenen Tätigkeiten erfüllten nicht die tariflichen Tätigkeitsmerkmale. Auf das Arbeitszeugnis vom 20.09.1998 könne sich der Kläger nicht berufen.

Ein Vergütungsausspruch folge auch nicht aus § 1 des gerichtlichen Vergleiches. Ihm sei die Vereinbarung einer übertariflichen Vergütung nicht zu entnehmen. Der vertragliche Passus, wonach er "nach wie vor als Oberarzt vergütet" werden solle, habe nur den bisherigen vertraglichen status quo bekräftigen sollen, zumal der Begriff "Oberarzt" in der Vergütungsordnung des damals einschlägigen BAT nicht existiert habe.

Gegen dieses am 12.06.2007 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 09.07.2007 eingelegten und zugleich ausgeführten Berufung wie folgt:

Der Vergleich vom 04.05.2006 habe zwar seine Tätigkeitsfelder neu definiert, aber sie seien gleichwohl identisch mit zahlreichen im Zeugnis vom 20.09.1998 wiedergegebenen Tätigkeiten, die der Kläger auch im Bereich der Forschung und Lehre und insbesondere auch der Organisation bis zum Vergleichsabschluss und auch noch danach bis heute ausführe. Ihm sei die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. einer Abteilung von der Beklagten übertragen worden, nämlich insgesamt sechs Funktionen des Positivkataloges von § 2 des Vergleiches.

Hierzu gehörten im Einzelnen

- die Organisation und Erstellung der Lehrpläne (Urologie) für Heicumed,

- die Vorlesungstätigkeit,

- die Erstellung von Lehrmaterial,

- das Medizinische Controlling,

- die Eingabe von Diagnosen sowie Prozeduren für Arztbriefe und für Berechnungen der Fallpauschalen im Vergütungssystem DRG,

- das Proben-Management.

Er organisiere und erstelle die Lehrpläne für den Fachbereich Urologie für Heicumed eigenverantwortlich und erstatte dem Klinikdirektor Bericht. Im Rahmen dieser Tätigkeit nehme er eine Einteilung der Ärzte und Oberärzte für Kurse, Praktika, Unterricht am Krankenbett, klinisch-pathologische Konferenzen, Seminare und Prüfungen vor; Tätigkeiten, an denen er auch selbst teilnehme.

Die notwendigen Lehrmaterialien wie Präsentationen, Fallbeschreibungen, Videofilme über Operationstechniken stelle er selbst her und überlasse sie seinen Kollegen. Er leite auch jüngere mitwirkende Ärzte zur Lehrtätigkeit an. Für das Sommersemester 2007 habe das Heicumed-Modul für den Bereich der Urologie die höchsten Bewertungen der unterrichteten Studenten erfahren.

Weiterer Bestandteil seiner Lehrtätigkeit sei die eigenverantwortliche Einteilung der anderen Oberärzte zum medizinischen Staatsexamen im Fach Urologie und seine eigene Teilnahme an diesen Examina.

Auf dem Gebiet des medizinischen Controlling trage er zu einer Verbesserung der Vergütungsstruktur bei. Die Vergütung der Krankenhausleistungen seien nämlich im sogenannten DRG-System nicht immer eindeutig bestimmt, sodass weitere Festlegungen erforderlich seien, und zwar zum Teil auf der Basis von gutachterlichen Stellungnahmen der Klinik und der medizinischen Dienste. In den Jahren 2006 und 2007 habe der Kläger bislang 217 Gutachten eigenverantwortlich abgegeben und als Oberarzt gezeichnet. Hierdurch sei es ihm in vielen Fällen gelungen, höhere Vergütungen zu erzielen. Dieses medizinische Controlling sei ein Teilbereich bzw. Funktionsbereich der Klinik im Sinne der Eingruppierungsmerkmale. Bereits diese Aufgabe mache mehr als die Hälfte seiner Gesamtarbeitszeit aus. Er sei nämlich verpflichtet, an sämtlichen Stationsvisiten und Besprechungen ebenso wie die anderen Oberärzte und Assistenzärzte teilzunehmen und darüber hinaus sogleich die Diagnosen, Einzelheiten des klinischen Verlaufes und der Behandlungsmaßnahmen als Grundlage für Arztbriefe und die Berechnung der Vergütung im geltenden DRG-System zu verschlüsseln und zu dokumentieren.

Bei dem Proben-Management handele es sich um wissenschaftliche Studien archivierter Proben von bislang zirka 400 Patienten; die dazugehörigen klinischen Daten würden Dritten zur Verfügung gestellt, z. B. dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in H..

Diese Tätigkeiten habe er bereits vor Abschluss des gerichtlichen Vergleiches ausgeübt. Das Zeugnis vom 20.09.1998 belege nämlich, dass er das gesamte Fachgebiet der Urologie einschließlich der Nierentransplantation beherrsche und im übrigen in der Lage sei zur selbständigen eigenverantwortlichen Leitung "einer großen Einheit", also eines Krankenhauses sowohl in fachlich-klinischer, als auch in organisatiorischer Hinsicht; auch sei ihm die Befähigung zur Leitung und sachkundigen Führung von Mitarbeitern attestiert worden.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Mannheim vom 24.05.2007 - Az: 5 Ca 37/07 - wird abgeändert und im Kostenpunkt aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu bezahlen € 3.900,00 brutto zuzüglich jeweils 5 % Zins über dem Basiszins der Europäischen Zentralbank aus € 1.300,00 ab dem 01.12.2006, ab dem 01.01.2007 und ab dem 01.02.2007.

3. Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger ab Februar 2007 Gehalt nach der Entgeltgruppe Ä 3/Stufe 3 des TV-Ärzte zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und rügt im übrigen, dass der Kläger keine konkreten Ausführungen zum zeitlichen Umfang der von ihm auszuübenden Tätigkeiten gemacht habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich des Zeugnisses des ärztlichen Direktors der Abteilung Urologie- und Poliklinik - Prof. Dr. S. - vom 20.09.1998 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist nicht begründet.

Der Kläger kann nicht mit Wirkung ab dem 01.11.2006 Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3 des TV-Ärzte verlangen, weil deren Zeitanteile im Einzelnen nicht in der für einen Eingruppierungsstreit erforderlichen Weise dargelegt wurden.

1.

Ein Tarifvertrag findet nicht bereits deswegen auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung, weil es ihn gibt, sondern nur dann, wenn entweder originäre Tarifbindung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 3 TVG vorliegt, oder eine - in diesem Fall ersichtlich nicht einschlägige - Allgemeinverbindlichkeitserklärung gemäß § 5 TVG gegeben ist oder eine einzelvertragliche (statische oder dynamische) Verweisung auf den Tarifvertrag vorliegt.

Der vom Kläger angezogene TV-Ärzte wurde zwischen der Tarifgemeinschaft der Länder, der die Beklagte angehört, und dem Marburger Bund abgeschlossen. Ob der Kläger dieser Ärztegewerkschaft als Mitglied angehört, mag als zutreffend unterstellt werden. Es kann auch unterstellt werden, dass dieser TV-Ärzte den einzelvertraglich vereinbarten BAT im Sinne von § 2 des Fortsetzungsvertrages "ersetzt" hat.

Weiter kann zugunsten des Klägers angenommen werden, dass er unter den persönlichen Geltungsbereich von § 1 TV-Ärzte fällt, nämlich, dass er als "Arzt, der überwiegend Aufgaben der Patientenversorgung wahrnimmt" oder dass er "in ärztlichen Service-Bereichen in der Patientenversorgung eingesetzt wird", wozu nach der Protokollerklärung der Tarifvertragsparteien auch Bereiche der mittelbaren Patientenversorgung zählen wie die Pathologie, ein Labor oder die Krankenhaushygiene.

Die Eingruppierung scheitert nämlich vorliegend daran, dass der Kläger in tatsächlicher Hinsicht die quantitativen Voraussetzungen des Einleitungssatzes von § 12 TV-Ärzte nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt hat.

In die Entgeltgruppe Ä 3 wird nämlich nur derjenige Arzt eingruppiert, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen ist, wenn zusätzlich diese Tätigkeit "zeitlich mindestens zur Hälfte" der gesamten vertraglichen Arbeitszeit anfällt.

Zu den Zeitanteilen der in diesem Zusammenhang hervorgehobenen sechs Einzelpositionen des insgesamt 15 Arbeitsbereiche umfassenden Positivkatalogs von § 2 des Vergleichs ist jedoch nicht substantiiert vorgetragen worden.

Der Inhalt dieser Einzelpositionen (Einzelaufgaben) ist nicht gerichtsbekannt, sodass das zeitliche Überwiegen gegenüber den restlichen neun Aufgabenbereichen nicht vermutet werden kann.

Es ist ungewiss, in welchen zeitlichen Rhythmen und zu welchem Zeitaufwand pro Monat Lehrpläne für Heicumed (Heidelberger Curriculum für Medizin?)erstellt, Vorlesungen gehalten und Lehrmaterial (periodisch immer neu oder einmalig?) erstellt werden, ob das medizinische Controlling allein oder erst in Summe mit den übrigen fünf Positionen mehr als 50 % der Gesamttätigkeit ausmacht, welcher zeitliche Aufwand für das Proben-Management aufgewandt wurde und mit welchem Zeitaufwand pro Monat schließlich Diagnosen etc. eingegeben, Prozeduren für Arbeitsbriefe erstellt und Berechnungen für Fallpauschalen im Vergütungssystem DRG angestellt werden.

Obwohl das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung den Einleitungssatz von § 12 TV-Ärzte - also das quantitative Moment - nicht thematisiert hat, konnte der Kläger nicht davon überrascht werden (§ 139 Abs. 2 ZPO), dass vornehmlich deswegen die Berufung zurückgewiesen werden musste, hat er doch auf Seite 2 seines Schriftsatzes vom 30.10.2007 Stellung genommen zu der vorangegangenen Behauptung der Beklagten, seine Tätigkeit mache weniger als mindestens die Hälfte der Gesamtarbeitszeit aus. Im Ergebnis geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich auch nach neuem Tarifrecht nichts an den Grundsätzen der Darlegungslast für einen Eingruppierungsstreit geändert haben, die bereits unter dem Regime von § 22 BAT galten. Nach dessen Absatz 2 war der Angestellte (Arzt) in der Vergütungsgruppe eingeruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Dies war der Fall, "... wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen", § 22 Abs. 2 Satz 2 BAT. Selbst wenn der Begriff des Arbeitsvorgangs, der in § 22 Abs. 2 Satz 3 BAT definiert war, für den TV-Ärzte nicht mehr von Bedeutung ist, so entbindet dies nicht von einer substantiierten Darlegung des Zeitmasses der einzelnen Aufgabengebiete, weil das Eingruppierungs-Merkmal "zeitlich mindestens zur Hälfte" in den TV-Ärzte wörtlich übernommen worden ist.

Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass sich an dem gefundenen Ergebnis nichts ändert, wenn im Wege der Antragsauslegung bejaht wird, der Kläger begehre die Feststellung einer Eingrupierung in die Entgeltstufe Ä 3 entweder des TV-Ärzte oder des TV-L und wenn weiter als "ersetzender" Tarifvertrag nicht der TV-Ärzte, sondern der TV-L vom 12.10.2006 tritt. Dessen Einleitungssatz ist identisch. Gleiches gilt für die Entgeltgruppe Ä 3 und ihre Bezeichnung.

2.

Das Berufungsgericht folgt im übrigen den Erwägungen des Arbeitsgerichtes, wonach der gerichtlich protokollierte Vergleich vom 04.05.2006 keine einzelnvertragliche Vereinbarung der erstrebten Entgeltgruppe Ä 3 enthält.

§ 1 Satz 1 erster Halbsatz des Vergleiches thematisiert zwar die Maßgeblichkeit der bei Vertragsschluß gewährten Vergütung des Klägers "als Oberarzt", lässt aber nur auf den ersten Blick den Rückschluss zu, dass damit auch die tarifliche Vergütung gemäß dem TV-Ärzte gemeint sein könnte. Eine eingehende Auslegung des Wortlautes spricht jedoch dagegen.

§ 1 Satz 1 des Vergleiches trifft nämlich drei unterschiedliche Aussagen: Zunächst diejenige über die Weiterbeschäftigung des Klägers an sich. Die anschließend getroffene Aussage über die Vergütung des Klägers als Oberarzt schreibt lediglich den bisherigen vergütungsrechtlichen status quo fort, nämlich die bisherige Vergütung nach der Vergütungsgruppe I a Fallgruppe 4 zum BAT.

Hierunter fallen die Fachärzte mit entsprechender Tätigkeit nach acht Jahren in der Vergütungsgruppe I b. Zu Recht weist in diesem Zusammenhang das Arbeitsgericht darauf hin, dass der Begriff "Oberarzt" kein vergütungsrechtlicher terminus technicus der Vergütungsordnung zum BAT war, sondern lediglich ein vergütungsirrelevanter Titel mit ausschließlicher Bedeutung für die hierarchische Einordnung zwischen Chefarzt einerseits und Stationsarzt bzw. Assistenzarzt andererseits.

Die dritte Aussage des Satzes 1 von § 1 bezieht sich auf den Zweck der Erfüllung. Das Adjektiv "jeweilige" enthält hierbei zugleich einen Hinweis auf eine künftig mögliche tarifliche Veränderung der Oberarztvergütung, trifft aber keine Aussage des Inhaltes, dass der Kläger auch für alle Zukunft eine Oberarztvergütung auch dann behalten soll, wenn dieser Begriff - was später tatsächlich geschehen ist - einer restriktiveren Definition zugeführt werden sollte.

Am Ende von Satz 1 des § 1 ist die Rede davon, dass mit der jeweiligen Oberarztvergütung abgegolten werden soll die derzeit und künftig "ausgeübten Tätigkeiten". Welche das sind, ergibt sich aber erst aus der Positivliste des anschließenden Paragraphen: § 2 klärt abschließend, welche die "ausgeübten Tätigkeiten" im einzelnen sind.

Diese Verknüpfung entspricht im übrigen der sogenannten Tarif-Automatik des Öffentlichen Dienstes, wie sie zur Zeit des Vertragsschlusses durch § 22 Abs. 1 BAT und nunmehr durch § 12 TV-Ärzte geregelt ist: Maßgeblich ist die vertraglich "auszuübende Tätigkeit".

Vertraglich vom Kläger auszuüben sind ausschließlich die Arbeitsbereiche, die in der Positivliste von § 2 wiedergegeben sind.

Unabhängig von dieser grammatikalischen und systematischen Auslegung wird das gefundene Ergebnis gestützt durch den Zweck des Vergleiches. Er liegt ersichtlich darin, den Streit darüber zu beseitigen, der ausgelöst worden war durch behauptete -aber bestrittene- Fehlleistungen des Klägers im Zusammenhang mit seinem Dienst am Patienten. Die Negativaussage von Satz 1 des § 2 des Vergleiches regelt den Ausschluss des Klägers von jedweder direkter Patientenversorgung und von einer Gleichbehandlung mit den übrigen Arbeitskollegen seines Faches bei den Diensten.

Dieser für beide Seiten erkennbare Zweck des Vergleiches lag nicht zugleich darin, den Kläger vor künftigen und damals noch unbekannten tariflichen Änderungen zu schützen. Ob in diese Richtung auch das Zustimmungsschreiben der Beklagten zum gerichtlichen Vergleichsvorschlag mit Datum vom 03.05.2006 zielt, muss allerdings offen bleiben, weil es wahrscheinlich vor dem Inkrafttreten des Vergleichs dem Kläger noch gar nicht zugegangen war.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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