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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 23.02.2000
Aktenzeichen: 12 Sa 51/99
Rechtsgebiete: KSchG, BGB, HGB, ZPO, EFZG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 9
KSchG § 9 Abs. 1 Satz 2
KSchG § 10
BGB § 162
BGB § 242
BGB § 615
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
HGB § 60
HGB § 61
ZPO § 138 Abs. 3
EFZG § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
12 Sa 51/99

verkündet am 23.02.2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - 12. Kammer -

durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hennemann, die ehrenamtliche Richterin Dr. Barnstedt und den ehrenamtlichen Richter Schwedesky

auf die mündliche Verhandlung vom 23.02.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 03.03.1999 - Az.: 2 Ca 538/98 - wird abgeändert und im Kostenpunkt aufgehoben:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 28.09.1998 und durch die ordentliche Kündigung vom 02.10.1998 nicht beendet wurde.

2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits - beider Rechtszüge - trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Mit am 12.10.1998 erhobener Feststellungsklage wehrt sich der Kläger gegen eine außerordentliche Kündigung vom 28.09.1998 und eine weitere hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 02.10.1998 zum 31.03.1999.

Der im Jahre 1940 geborene Kläger steht aufgrund eines Anstellungsvertrages vom 24.08.1989 seit dem 01.01.1990 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten als Außendienstmitarbeiter für deren Tochterfirma, die xy GmbH, welchletztere Blutzucker-Mess-Systeme und dazugehörige Teststreifen vertreibt.

Die Parteien schlossen am 02.04.1997 eine "Altersteilzeitvereinbarung", wonach das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung am 30.06.2002 endet und die sogenannte Vollarbeitsphase "voraussichtlich" am 31.12.1999 beendet sein wird - ABl. 213 ff. -.

Der dem Kläger vorgesetzte "Regional-Bezirksleiter Nord" war bis zum 31.05.1998 der Zeuge A.

Dessen Nachfolger wurde Herr B, bis er - spätestens wohl im November 1998 - die Leitung des Regionalbezirks West übernahm. Herr B besuchte am 04.09.1998 das Sanitätshaus C, nachdem dieses über ungeklärte Verluste in Zusammenhang mit Warenlieferungen der Fa. xy geklagt hatte. Herr B und der Geschäftsführer des Sanitätshauses, Herr D, stellten daraufhin u.a. fest, dass eine Fa. E Vertriebsgesellschaft aus ... in der Zeit zwischen 1995 und 1998 Produkte der Fa. xy an das Sanitätshaus zu einem Gesamtwert in Höhe von DM 44.607,39 geliefert hatte. Die Fa. E unterhielt zu dieser Zeit keine Geschäftsbeziehungen zur Beklagten und zur Fa. xy GmbH.

Herr D teilte der Beklagten am 08.09.1998 schriftlich mit, dass der Kläger das Sanitätshaus regelmäßig bis Mitte 1997 besucht und Aufträge im Produktbereich Teststreifen und Messgeräte für die Fa. xy entgegengenommen und an die Fa. E zur Auslieferung weitergeleitet hatte sowie, dass er ab Mitte 1997 entsprechende Aufträge telefonisch entgegengenommen hatte. Herr D führte weiter aus, der Kläger habe diese Form der Auftragsabwicklung damit erklärt, dass das Sanitätshaus hierdurch günstigere Konditionen erhalte.

Der Personalleiter der Beklagten, Herr Prokurist F, führte noch am gleichen Tage deswegen mit den Kläger ein Gespräch. Dieser bestätigte die Schilderung von Herrn D und gab zur Begründung an, die Chefeinkäuferin des Sanitätshauses, Frau G, habe ihm mitgeteilt, dass sie xy-Produkte über die Fa. E günstiger beziehen könne. Um den geschäftlichen Kontakt zum Sanitätshaus C nicht gänzlich zu verlieren, sei er auf die Idee gekommen, als "Bindeglied" zwischen dem Sanitätshaus und der Fa. E zu wirken, um hierdurch auch die Einkaufspolitik des Sanitätshauses beeinflussen zu können. Dies habe tatsächlich im Falle von Lieferungsengpässen der Fa. E dazu geführt, dass der restliche Bedarf über die Beklagte / Fa. xy habe gedeckt werden können. Ein Vorteil habe auch darin bestanden, dass auf diese Weise verhindert worden sei, dass das Sanitätshaus sich mit Re-Importen eindecke; die Fa. E habe nämlich Originalware der Beklagten bzw. der Fa. xy geliefert. Die Ursache für die Einbindung der Fa. E sei gewesen, dass die Beklagte ihre eigenen Preise zu hoch angesetzt habe.

Im Laufe dieses Gesprächs vom 08.09.1998 versuchte die Beklagte weiter zu klären, in welchem Umfang der Kläger Geschäfte mit der Fa. C abgewickelt habe, wie hoch das Bestellvolumen dieses Sanitätshauses und anderer Kunden war und wie die Fa. E in den Besitz von xy-Produkten gekommen war. Das Gespräch wurde schließlich infolge Erschöpfung des Klägers abgebrochen.

In einem weiteren Gespräch vom 11.09.1998 bestätigte der Kläger gegenüber Herrn B, Geschäfte mit der Fa. E angebahnt und Aufträge des Sanitätshauses C weitergeleitet sowie Ware ausgeliefert zu haben. Ein neuerlich auf den 16.09.1998 terminiertes Gespräch scheiterte wegen Verhinderung des Klägervertreters.

Die Beklagte kündigte - nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats - das Arbeitsverhältnis schriftlich am 28.09.1998 außerordentlich -ABl. 12- und erneut am 02.10.1998 fristgerecht zum 31.03.1999 -ABl. 14-.

Am gleichen Tage, dem 02.10.1998, gab die Chefeinkäuferin der Fa. C, Frau G, eine schriftliche Erklärung folgenden Inhalts ab, die der Kläger später dem Gericht vorlegte:

"...dass ich aufgrund der großen Preisdifferenzen auf dem Blutzucker-Teststreifen-Markt, die sich durch verschiedene Anbieter, durch den Re-Import-Markt und der xy seinerzeit ergeben haben, die Geschäftsbeziehungen für die Fa. C für diese Produktgruppe beendete. Da Herr L....... (Anmerkung des Gerichts: der Kläger) daran interessiert war, dass ich keine Re-Importe kaufte, machte er mich auf die Fa. E aufmerksam, die Originalware anbot. Außerdem kannte ich den Inhaber, Herrn H, aus dessen Tätigkeit für die xy. Aufgrund eines Telefongesprächs mit Herrn H wurden wir uns handelseinig. Von diesem Zeitpunkt an erfolgten die Lieferungen der Blutzuckerteststreifen über E. Nur wenn diese Firma in einigen Fällen nicht voll lieferfähig war, wurden die Fehlmengen bei der xy bestellt. Aufträge gingen von mir telefonisch an E bzw. der Einfachheit halber an Herrn L.........., da meistens andere xy-Produkte, die ausschließlich für diese Firma bestellt waren, anfielen. Dem übrigen Personal war bekannt, dass über E bezogen wurde. Aufträge, die außerhalb meines wöchentlichen Einkaufstages anfielen, gab die Mitarbeiter Herrn L............ als bekannte Bezugsperson zur Weiterleitung an E weiter..."

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht behauptet, er habe pflichtgemäß den Markt beobachtet und dabei festgestellt, dass ein grauer Markt sich neben dem offiziellen entwickelt habe. Um zu verhindern, dass der Kontakt zur Fa. C - auch im Zusammenhang mit anderen Produkten - abreiße, habe er die Idee gehabt, die Fa. E als - billigeren - Lieferanten für das Sanitätshaus C zu gewinnen. Einige Wochen vor Realisierung dieses Planes habe er seinen damaligen Vorgesetzten, den Verkaufsleiter A, hierüber informiert. Der Verkaufsleiter sei einverstanden gewesen. Er, der Kläger, sei davon überzeugt gewesen, dass die Fa. E "Originalware" verkaufe. Schließlich habe auch die Beklagte xy-Produkte über autorisierte Händler, z.B. die Fa. M in ... und die Fa. J in ... vertrieben. Da er keinen Gewinn aus der Einbindung der Fa. E gezogen habe, die Preispolitik der Beklagten ursächlich für die Entstehung des grauen Marktes gewesen sei und er es schließlich im Februar 1998 erreicht habe, dass das Sanitätshaus C wieder als Kunde für die Beklagte zurückgewonnen worden sei (nachdem diese unstreitig ihre Preise gesenkt hatte), sei sowohl die fristlose als auch die fristgerechte Kündigung unwirksam.

Der Beklagten sei überdies der maßgebliche Sachverhalt bereits seit dem 08.09.1998 vollständig bekannt gewesen.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung vom 28.09.1998 noch durch die ordentliche Kündigung vom 02.10.1998 aufgelöst ist, sondern über den 31.03.1999 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Sie hat behauptet, der Kläger habe gewusst, dass die Fa. E nicht von der Beklagten resp. der Fa. xy autorisiert gewesen sei, deren Produkte zu vertreiben. Dies ergebe sich aus der Bekundung von Herrn D vom 08.09.1998 und der schriftlichen Stellungnahme von Frau G vom 02.10.1998. Der Kläger habe hinter ihrem Rücken unerlaubt in ihrem Handelszweig Geschäfte gemacht und damit gegen das allgemeine Konkurrenzverbot verstoßen. Der damalige Verkaufsleiter A sei nicht vorab informiert worden; selbst wenn doch, so habe er nicht eingewilligt; zumindest sei er nicht über den vollen Umfang der getätigten Geschäfte informiert gewesen.

Bereits im Mai 1995 habe der damalige Geschäftsführer der Fa. xy, Herr K, den Kläger mündlich abgemahnt, weil er Antibabypillen der Fa. E "nebenbei" verkauft habe. Weitergehende Konsequenzen habe die Beklagte nicht gezogen, weil ihre eigene Produktpalette nicht berührt gewesen sei. Zumindest sei der Kläger hinreichend gewarnt gewesen, habe doch bereits damals ein Verstoß gegen das Nebentätigkeitsverbot von § 9 des Anstellungsvertrages vom 24.08.1989 vorgelegen.

Sichere Kenntnis vom Umfang der Vertragsverletzung habe die Beklagte frühestens am 16.09.1998 erlangt. Bis dahin habe sie sich zügig um vollständige Aufklärung bemüht.

Die Kündigung sei nicht nur wegen der tatsächlich festgestellten Konkurrenztätigkeit ausgesprochen worden, sondern auch, weil der Verdacht bestehe, dass der Kläger in vergleichbarer Weise auch andere Kunden bedient habe. Dieser Verdacht sei nicht zuletzt durch das Fernbleiben des Klägers am 16.09.1998 genährt worden, habe der erkennbare Zweck dieses Termins doch gerade darin bestanden, Weiteres aufzuklären.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom ... die Feststellungsklage des Klägers im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe der Beklagten dadurch Konkurrenz gemacht, dass er den Vertrieb der Fa. E, nicht aber den der Beklagten gefördert habe; sein ursprüngliches Vorbringen, seinen Vorgesetzten vorab informiert zu haben, sei zum einen nach Zeit, Ort und Anlass unsubstantiiert und zum anderen habe er es durch eine Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht widerrufen und anstatt dessen bekundet, den Vertriebsleiter von seinen Botendiensten nicht informiert, sondern lediglich erklärt zu haben, der Kunde könne kaufen, wo er wolle.

Die hiergegen eingelegte Berufung begründet der Kläger wie folgt:

Im angegriffenen Urteil sei Streitiges fälschlich als unstreitig dargestellt worden, das Arbeitsgericht habe die Aufklärung des Sachverhaltes, insbesondere eine angekündigte Beweisaufnahme, nicht durchgeführt und damit eine Überraschungsentscheidung gefällt.

Inhaltlich habe der Kläger überhaupt keine Konkurrenztätigkeit entfaltet, da er nicht den Verkauf von Konkurrenzprodukten gefördert, sondern dafür gesorgt habe, dass die eigenen Produkte der Beklagten resp. der Fa. xy hätten weiter vertrieben werden können. Insbesondere habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass er keinerlei Vergütung hierfür erhalten habe. Somit habe er nicht gegen das Interesse der Beklagten, sondern in deren Interesse gehandelt. Schließlich sei es ihm - was unstreitig ist - im Februar 1998 gelungen, das Sanitätshaus C wieder als Kunden zurückzugewinnen.

Das Arbeitsgericht habe es weiter fälschlich als unstreitig angesehen, dass die Fa. E nicht autorisiert gewesen sei, Ware der Fa. xy zu verkaufen. Er, der Kläger, sei subjektiv davon überzeugt gewesen, dass die Fa. E "Originalware" verkauft habe.

Etwa zwei Wochen vor Beginn seiner Vermittlungen habe er anlässlich einer dienstlichen Besprechung im Hamburger Hotel N seinen Verkaufsleiter über seine geplante Vorgehensweise informiert. Er habe geantwortet, der Kunde könne kaufen, wo er wolle.

Im übrigen messe die Beklagte mit ungleichem Maß:

Die Beklagte führe nach dem Grundsatz, dass der Zweck die Mittel heilige, einen äußerst rigorosen, bedenklichen Wettbewerb; für sie sei oberstes Gebot, die Kunden zu halten und zurückzugewinnen, egal, mit welchen Mitteln - vgl. S. 3 des Schriftsatzes vom 03.09.1999 = ABl. 172 -.

Er sei im übrigen überzeugt, dass er die Kündigungen allein seinem damaligen Vorgesetzten B zu verdanken habe. Dieser führe einen persönlichen Feldzug gegen ihn und spare dabei nicht mit boshaftem und wohl auch hasserfülltem Verhalten - S. 4 a.a.O. -. Bewusst habe Herr B den Kläger unter Angabe falscher Gründe zu einem Gespräch geladen, um ihn zu überrumpeln. Er habe den Kläger anlässlich des Geburtstags eines Herrn K zweimal als "L..... die Sau" bezeichnet. Während die Beklagte ihm das geschilderte Verhalten vorwerfe, lege sie selbst ein ausgesprochen ruppiges Marktverhalten an den Tag, indem sie die Bereitschaft von Kunden vergüte, Konkurrenzprodukte aus der Auslage zu entfernen.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts ... vom ... - Az.: ... - wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung vom 28.09.1998 noch durch die ordentliche Kündigung vom 02.10.1998 aufgelöst ist, sondern über den 31.03.1999 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen. Der Kläger habe von Anfang an gewusst, dass die Fa. E nicht autorisiert gewesen sei zum Vertrieb von xy-Produkten. Sie bestreitet, sich unlauter auf dem Markt verhalten zu haben. Sie zahle lediglich sogenannte "Plazierungsprämien" an Kunden, die bereit seien, xy-Produkte auszustellen.

Falls die Kündigungen sich als unwirksam erweisen sollten, sei aufgrund des prozessualen Verhaltens des Klägers eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit nicht zu erwarten. Dies ergebe sich aus den (oben zitierten) schriftsätzlichen Ausführungen des Klägers vom 03.09.1999, nämlich:

- "rigoroser und bedenklicher Wettbewerb nach dem Grundsatz, der Zweck heilige die Mittel"

- "persönlicher Feldzug von Herrn B gegen den Kläger, bösartiges und hasserfülltes Verhalten".

Auch habe der Kläger seinen Vorgesetzten B der Beleidigung geziehen - "L..... die Sau".

Überdies habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 08.09.1999 behauptet, die Kunden der Beklagten würden "... bestochen und bedrängt ...". Die festzusetzende Abfindungshöhe müsse daher deutlich unter der gesetzlichen Obergrenze bleiben.

Die Beklagte beantragt daher hilfsweise:

Das Arbeitsverhältnis wird zum 31.03.1999 gem. §§ 9, 10 KSchG aufgelöst.

Der Kläger tritt dem Auflösungsantrag entgegen und führt aus, die Schilderung des Wettbewerbsverhaltens der Beklagten als rigoros und bedenklich sei in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt und im übrigen beweisbar. Seine negativen Äußerungen über seinen damaligen Vorgesetzten beruhten ebenfalls auf Tatsachen. Im übrigen sei Herr B mittlerweile regionaler Verkaufsleiter im Verkaufsgebiet "West" geworden; daher bestünden keine Berührungspunkte mehr.

Es sei beweisbar, dass Herr B ihn, den Kläger, in dem geschilderten Kontext als "L..... die Sau" bezeichnet habe.

Für den Fall der Auflösung des Arbeitsverhältnisses müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger seit Januar 1990 beschäftigt sei und sich zur Zeit im ursprünglich vereinbarten Vorruhestand befinde. Danach sollte seine aktive Zeit zum Jahresende 1999 enden und das Arbeitsverhältnis erst zum 30.06.2002 sein förmliches Ende finden. Erst mit Vollendung einer Betriebszugehörigkeit zum 31.12.1999 erwerbe er eine unverfallbare Betriebsrentenanwartschaft.

Das erkennende Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 08.09.1999 - ABl. 181 - den Zeugen A zunächst schriftlich und sodann am 23.02.2000 in mündlicher Verhandlung darüber gehört, ob der Kläger den Zeugen in der ersten Jahreshälfte 1997 über die geplanten Geschäftskontakte des Klägers mit dem Sanitätshaus C informiert hat. Hinsichtlich des Beweisergebnisses wird auf die schriftliche Zeugenaussage vom 27.09.1999 - ABl. 190-192 - und die Protokollniederschrift vom 23.02.2000 - ABl. 220-221 - verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

1. Zu der außerordentlichen und ordentlichen Tatkündigung vom 28.09. und 02.10.1998:

Das erkennende Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger objektiv zu Lasten und zum Schaden der Beklagten Konkurrenzgeschäfte gemacht hat. Vielmehr hat er sich objektiv an die offiziellen Preisvorgaben nicht gehalten und zugleich objektiv gegen ein vertragliches Nebentätigkeitsverbot verstoßen. Dies stellt aber deswegen keinen Kündigungsgrund an sich dar, da der Kläger zum einen subjektiv in dem Bewusstsein und mit dem Willen gehandelt hat, sogenannte autorisierte Ware zu vermitteln, und da er zum anderen mit ausdrücklicher Billigung, zumindest aber mit stillschweigender Duldung seines Vorgesetzten und der Geschäftsleitung der Fa. xy gehandelt hat.

Da mithin ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund gem. § 1 Abs. 2 KSchG nicht ersichtlich ist, stellt sich nicht mehr die Frage nach dem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB und auch nicht, ob ein derartiger Kündigungsgrund länger als zwei Wochen vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung bekannt war (§ 626 Abs. 2 BGB).

Im einzelnen:

a) Nicht nur den Handlungsgehilfen, sondern allgemein jeden Arbeitnehmer trifft das Verbot, während des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses im Handelszweig des Arbeitgebers für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte zu machen (Rechtsgedanke von § 60 Abs. 1 HGB). Unter "Geschäftemachen" wird jede, wenn auch spekulative, auf Gewinn gerichtete Teilnahme am Geschäftsverkehr verstanden (so die Leitentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.02.1962, Az.: 5 AZR 79/61 = AP Nr. 1 zu § 61 HGB, zu II 2 der Entscheidungsgründe; BAG, 30.01.1963, Az.: 2 AZR 319/62 = AP Nr. 3 zu § 60 HGB, und BAG, 24.04.1990, Az.: 3 AZR 324/69 = AP Nr. 5 a.a.O.).

Dem Geschäftemachen ist eine Tätigkeit zur Gewinnerzielung wesentlich (Schlegelberger-Schröder, Kommentar zum HGB 1955, S. 366). Der Arbeitnehmer muss zudem als Wettbewerber des Arbeitgebers auftreten (BAG, 03.05.1983, Az.: 3 AZR 62/81 = AP Nr. 10 zu § 60 HGB). Schließlich müssen die Geschäftsinteressen des Arbeitgebers durch das Geschäft des Arbeitnehmers objektiv gefährdet werden, was je nach Lage des konkreten Einzelfalles zu klären und einzugrenzen ist (BAG, 30.05.1978, Az.: 2 AZR 598/76 = AP Nr. 9 zu § 60 HGB).

Vorliegend handelt es sich nicht um den typischen Fall eines Konkurrenzgeschäftes, da der Kläger keine Produkte eines Dritten vermittelt hat, sondern solche, die selbst aus der Produktion der Beklagten stammten. Der Kläger hat den Absatz der Produkte der Beklagten gefördert und ist insofern gar nicht als Wettbewerber aufgetreten. Überdies hat er - was unstreitig ist - gar keinen Gewinn zu Lasten der Beklagten erzielt, sondern, im Gegenteil, seine Handlungsweise war mittelbar ursächlich für Gewinne der Beklagten. Auch subjektiv hat er - ebenfalls unstreitig - nicht mit dem Willen zur Konkurrenz gehandelt, sondern in der Absicht, der Beklagten langfristig einen Kunden zu erhalten. Dieses vom Kläger wiederholt geäußerte Motiv hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt bestritten.

Allerdings haftete den vom Kläger vertriebenen Produkten gewissermaßen ein geringerer Preis als derjenige an, den die Beklagte offiziell vorgegeben hatte. Das Verhalten des Klägers ist demnach so zu bewerten, als habe er beim Verkauf der von der Beklagten direkt bezogenen Ware die Vorgaben der offiziellen Preisliste unterboten. Dies erfüllt zweifellos den objektiven Tatbestand einer Vertragsverletzung, die allerdings, wie unten zu zeigen sein wird, aufgrund besonderer Umstände gerechtfertigt, zumindest aber entschuldigt ist.

Unabhängig hiervon hat der Kläger zusätzlich auch den Absatz eines Wettbewerbers, nämlich der Fa. E, gefördert und damit ebenfalls objektiv gegen sein arbeitsvertragliches Nebentätigkeitsverbot verstoßen; allerdings gelten auch hier dieselben vorerwähnten Erwägungen zur Rechtfertigung bzw. zur Entschuldigung seines Verhaltens.

b) Im Falle einer Kündigung wegen unerlaubter Konkurrenz (und damit erst recht wegen eines Verstoßes gegen ein Nebentätigkeitsverbot oder eine sonstige vertragliche Verhaltenspflicht) trifft den kündigenden Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen, die die vom Gekündigten behauptete Rechtfertigung durch Einwilligung ausschließen. Da aber der kündigende Arbeitgeber nicht gehalten sein kann, alle nur denkbaren Rechtfertigungsgründe im vorhinein zu widerlegen, gilt dies nur dann, wenn der Arbeitnehmer sich auf einen Rechtfertigungsgrund beruft und substantiiert die Tatsachen vorträgt, aus denen sich die Einwilligung ergeben soll (BAG, 06.08.1987, Az.: 2 AZR 226/87 = AP Nr. 97 zu § 626 BGB, NJW 1988/ 438).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger sich auf eine stillschweigende Billigung durch seinen unmittelbaren Vorgesetzten berufen. Er hat im Berufungsverfahren entsprechenden Sachvortrag gehalten und auch - wenngleich summarisch - die Anlässe, innerhalb derer sie erfolgt sein soll, geschildert und zeitlich eingegrenzt. (Demnach kämmt es nicht mehr darauf an, ob der Kläger überhaupt erstinstanzlich eine entsprechende Erklärung mündlich abgegeben und später widerrufen hat; dies kann nämlich nicht überprüft werden, weil weder das eine noch das andere protokolliert wurde und auch nicht im Tatbestand des angegriffenen Urteils enthalten ist.) Die somit beweisbelastete Beklagte hat sich ausweislich ihrer Protokollerklärung vom 23.02.2000 - ABl. 220 - für die Behauptung, dass das Verhalten des Klägers nicht geduldet oder gebilligt wurde, auf das Zeugnis des A berufen. Allerdings stützen weder die schriftliche Aussage dieses Zeugen vom 27.09.1999 noch seine mündlichen Erklärungen vom 23.02.2000 die Behauptung der Beklagten. Eher scheint das Gegenteil, nämlich die Behauptung des Klägers, bewiesen zu sein:

Der Zeuge hat zunächst schriftlich ausgeführt, mehrere Gespräche mit dem Kläger darüber geführt zu haben, dass die Fa. C gegenüber dem Kläger darauf hingewiesen habe, dass andere Lieferanten billiger seien als die Beklagte/die Fa. xy und dass C "ähnliche" Preisnachlässe vom Kläger verlangt habe. Der Zeuge habe dann den Rat gegeben, darauf zu achten, dass die Umsätze der Beklagten unbedingt erhalten bleiben und C nicht gehindert werden solle, sich die Ware anderweitig zu beschaffen. Dieser Teil der Aussage des Zeugen begründet zwar noch keine Billigung i.S. der klägerischen Behauptung. Allerdings hat er sodann ausgeführt, es existiere sogar eine Absprache innerhalb der Geschäftsführung der Fa. xy, dass darauf hingewirkt werden solle, dass die zuvor beschriebenen Kunden sich bei Händlern bedienen, die ihrerseits von xy beliefert wurden. Weiter: Es sollten die Händler namhaft gemacht werden, die deutsche Ware, nicht aber Re-Importware anbieten. Dieser zweite Teil der schriftlichen Aussage beinhaltet mithin nicht nur eine individuelle Absprache bzw. ein Dulden der Verkaufsstrategie des Klägers, sondern eine generelle informelle Anordnung jenseits der offiziellen Preisvorgaben. Dies geht über die ausdrücklich aufgestellte Behauptung des Klägers weit hinaus. Der Kläger hat sich die Zeugenaussage allerdings stillschweigend als Sachvortrag zu eigen gemacht.

Die mündliche Vernehmung des Zeugen ergab hinsichtlich der Ausgangslage im wesentlichen dasselbe Bild. In Bezug auf die vorbeschriebene generelle Absprache der xy-Geschäftsführung führte der Zeuge sodann aus, dass es ein etwa 30köpfiges Gremium der Fa. xy, bestehend aus Geschäftsführung und Vertriebsleitern etc., gewesen sei, das diese Strategie gegen das Preis-Dumping ersonnen habe. Inhalt der Strategie war danach nicht nur eine allmähliche Reduzierung der Verkaufspreise für Teststreifen, sondern auch die Benennung von konkurrierenden Lieferanten gegenüber den Kunden der Beklagten, sofern es sich um sogenannte "Leithändler" handelt. Das sind nach der Aussage des Zeugen "empfohlene Händler, also solche, die Ware aus ..., dem Betriebssitz der Beklagten, anbieten". Der Zeuge hat hierzu erklärt, dass empfohlene Händler keineswegs solche seien, die Re-Importe aus dem Ausland anbieten.

Diese geschilderte Differenzierung zwischen empfohlenen Händlern und Re-Importeuren ist plausibel und glaubhaft, wenn der Vortrag der Beklagten berücksichtigt wird, dass aus dem Ausland re-importierte Ware mitunter überaltert und daher von minderer Qualität ist. Schließlich hat der Zeuge bekundet, dass die vorbezeichnete Strategie auch an den Kläger herangetragen worden sei.

Dieser Teil der Aussage des Zeugen ist in sich stimmig und widerspruchsfrei. Insbesondere ergeben sich keine Differenzen zwischen der schriftlichen und der mündlichen Aussage. Eher ergänzt die mündliche Aussage die vorangegangene schriftliche in dem Punkt, in welchem es um die ersonnene Strategie der Geschäftsleitung der Fa. xy geht. Da es der Lebenserfahrung entspricht, dass ein Wettbewerber das Dumping-Verhalten eines Konkurrenten nicht reaktionslos hinnimmt, ist letztendlich die Aussage des Zeugen glaubhaft. In diesem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, dass die Beklagte weder im Anschluss an die schriftliche Zeugenaussage noch nach der mündlichen Beweisaufnahme irgendetwas Konkretes vorgetragen hat, welches den Aussagewert hätte in Frage stellen können. Mit keinem Wärt hat insbesondere die Beklagte in Abrede gestellt, dass es eine Strategie der Geschäftsleitung der Fa. xy im vorbezeichneten Sinne gab. Die Beklagte hat sich darauf beschränkt, mit Nichtwissen zu bestreiten (vgl. S. 1 des Protokolls vom 23.02.2000), was in Ansehung von § 138 Abs. 3 ZPO deswegen unzulässig ist, weil es sich um Umstände handelt, die in der Sphäre der Beklagten liegen, da die Beklagte die Geschäftsanteile der Fa. xy hält (dieser Umstand hat im Zusammenhang mit dem unten abzuhandelnden Auflösungsantrag eine nicht ganz untergeordnete Bedeutung). Allerdings hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nach Beendigung der Beweisaufnahme die pauschale Behauptung aufgestellt, der Zeuge habe eine Falschaussage gemacht, weswegen die Stellung einer Strafanzeige erwogen werde. Das Gericht konnte dem allerdings nicht nachgehen, da die Vorwürfe nicht einmal ansatzweise erläutert wurden, obwohl ausdrücklich Gelegenheit gegeben worden war, zum Beweisergebnis Stellung zu nehmen. Das Gericht erkennt keine Momente, die gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen sprechen.

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass es der Beklagten nicht gelungen ist, den Beweis für die Behauptung zu führen, dass das Verhalten des Klägers generell und ohne Einschränkung verboten und auch nicht geduldet war.

Zwischen den Parteien ist allerdings nicht nur dies streitig, sondern auch die Frage, ob die Fa. E ein "autorisierter" Händler oder aber ein nicht von der vorbezeichneten Strategie erfasster Re-Importeur ist. Die Beklagte hatte hierzu bereits erstinstanzlich - vgl. ihren Schriftsatz vom 23.10.1998, unter II 2 - behauptet, dass die Fa. E nicht zu denjenigen Kunden gehört, die die Beklagte oder die Fa. xy belieferte. Andererseits hatte sie etwas früher - a.a.O., I 2 - ausgeführt, es sei aufklärungsbedürftig (gewesen), woher die von E gelieferte Ware stammt, ob von Re-Importen oder aber aus Retouren. Letztere sind offensichtlich nicht von der Marktstrategie der Fa. xy ausgenommen. Die Beklagte behauptet also selbst nicht mit Eindeutigkeit, dass die Fa. E zum Kreis der verfemten Händler gehört, die nicht unter die Einwilligung nach Maßgabe der Marktstrategie fallen sollen. Der Kläger hat demgegenüber behauptet, er habe zumindest subjektiv angenommen, E sei kein Re-Importeur. Diese Behauptung hat die Beklagte nicht bestritten. Vielmehr hat sie ausgeführt, E sei nicht "autorisierter Händler"; allerdings wird von ihr - wie soeben dargestellt - dieser Begriff nicht eindeutig erklärt. Er bleibt unscharf. Mithin kann die Beklagte zumindest nicht damit gehört werden, der Kläger habe sich willentlich und wissentlich über die Maßgaben der ihm über den Zeugen A mitgeteilten Anti-Dumping-Strategie hinweggesetzt.

Schließlich hat auch der Zeuge A erklärt, ihm sei unbekannt, ob E in den Jahren 1995-1998 re-importierte Ware vertrieb. Es kann hierbei nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte selbst vorgetragen hat, dass bis Mai 1998 Re-Importe äußerlich nicht von den direkt gelieferten Produkten der Beklagten unterscheidbar waren. Die Beklagte hat mithin weder schlüssig vorgetragen noch den Beweis geführt, dass der Kläger vorsätzlich das Verbot unerlaubter Konkurrenz und unerlaubter Nebentätigkeit verletzt hat. Gleiches gilt für die - im übrigen gar nicht ausdrücklich aufgestellte - Behauptung, dass der Kläger entsprechende Verstöße hätte erkennen können. Gerade in diesem Zusammenhang erfährt der Umstand, dass bis Mai 1998 Re-Importe äußerlich nicht unterscheidbar waren, seine besondere Bedeutung.

Auch die Bekundungen von Herrn D vom 08.09.1998 und Frau G vom 02.10.1998 stützen nicht die Behauptung, der Kläger habe hiervon positiv gewusst. Insbesondere erklärte Frau G wohl eher das Gegenteil, führte sie doch aus, der Kläger sei daran interessiert gewesen, dass C keine Re-Importe führe.

Die Beklagte hat sich nicht ausdrücklich auf die Vernehmung dieser beiden Personen als Zeugen berufen. Selbst wenn dies geschehen wäre, wäre es auf eine unzulässige Ausforschung hinausgelaufen.

Hilfsweise:

Selbst wenn dem Kläger der Vorwurf einer fahrlässigen Vertragsverletzung gemacht werden könnte, würde sowohl eine ordentliche als auch eine außerordentliche Kündigung daran scheitern, dass der Kläger in der Vergangenheit nicht einschlägig abgemahnt worden war und sich im Anschluss daran kein entsprechender Wiederholungsfall ereignet hat. Der Vorgang vom Mai 1995 - Verkauf von Antibabypillen - liegt ersichtlich auf einer anderen Ebene, da er nicht die Produktpalette der Beklagten betraf.

2. Unter dem Gesichtspunkt einer Verdachtskündigung ist weder die ordentliche noch die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt. Die Beklagte vermutet lediglich, dass der Kläger auch andere Produkte an weitere Kunden als die Fa. C vermittelt bzw. verkauft hat. Eine Verdachtskündigung ist allerdings nur dann rechtlich möglich, wenn die Verdachtsmomente durch konkrete Tatsachen begründet sind (ständige Rechtsprechung, BAG, 13.09.1995, Az.: 2 AZR 587/94 = DB 95/96).

3. Der Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis zum 31.03.1999 gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, ist nicht begründet. Es liegen keine hinreichenden Gründe i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vor, "...die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit..." zwischen den Parteien nicht erwarten lassen.

Im einzelnen:

a) Zunächst scheitert die negative Prognose hinsichtlich einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit an der Altersteilzeitvereinbarung vom 02.04.1997. Der Zeitraum der "Vollarbeitsphase", der bis zum Eintritt in die Freistellungsphase verbleibt, ist recht gering, wenn er denn überhaupt zum Zeitpunkt der Schließung der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Berufungsverfahren überhaupt größer als Null ist. Gem. § 2.4 der Vereinbarung kann sich das Ende der Vollarbeitsphase auf einen Zeitraum nach dem 31.12.1999 verschieben, nämlich zum einen bei Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen und zum anderen aus "sonstigen Gründen". Was unter dieser zweiten Alternative gemeint ist, bleibt unklar. Der Text der Altersteilzeitvereinbarung schweigt hierzu. Denkbar ist eine Verzögerung durch tatsächliche Nichtarbeit infolge eines Kündigungsausspruchs. Es ist indes fraglich, ob dies ein "sonstiger Grund" ist, der zur Verlängerung der Vollarbeitsphase führt. Ein Vergleich mit der ersten Alternative - arbeitsunfähige Erkrankung für die Dauer von mehr als sechs Wochen - legt die Vermutung nahe, dass hiermit Gründe gemeint sein können, hinsichtlich derer der Arbeitgeber nicht zur Entgeltzahlung verpflichtet ist. Der Sechs-Wochen-Zeitraum ist nämlich ersichtlich angelehnt an § 3 EFZG; zumindest ist ein anderer Anknüpfungspunkt nicht erkennbar. Wenn sich hinter der ersten Alternative der Rechtsgedanke verbirgt, dass sich die Vollarbeitsphase dann verlängert, wenn der Arbeitgeber keine Entgeltverpflichtung für den Fall der tatsächlichen Arbeitsunterbrechung hat, darf nichts anderes gelten für den Annahmeverzugszeitraum nach unwirksam ausgesprochener Kündigung gem. § 615 BGB. Dies gebietet wohl auch der Rechtsgedanke von § 162 BGB, war es doch die Beklagte, die in zurechenbarer Weise die Kündigungen ausgesprochen und damit vereitelt hat, dass der Kläger im vorgenannten Zeitraum arbeiten konnte.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger bereits mit Schriftsatz vom 08.11.1999 - ABl. 204 ff. - auf die Vorruhestandsregelung verwiesen und damit die tatsächlichen Voraussetzungen von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG negiert. Die Beklagte ist dem mit nachvollziehbaren Erwägungen nicht entgegengetreten.

Die den Auflösungsantrag stellende Partei ist jedoch darlegungspflichtig für die bereits oben erwähnte negative Prognose hinsichtlich einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit.

b) Hilfsweise:

Von den insgesamt vier vorgetragenen Auflösungssachverhalten scheiden diejenigen beiden aus, die sich auf das Verhalten zu dem ehemaligen Vorgesetzten, Herrn B, beziehen, weil nach Lage der Dinge nicht zu besorgen ist, dass beide innerhalb einer u.U. noch verbleibenden "Vollarbeitszeit" dienstlich aufeinandertreffen. Herr B hatte nämlich seinen örtlichen Tätigkeitsbereich gewechselt, bevor der Auflösungsantrag gestellt worden war.

Im übrigen: Das Zitat "L..... die Sau" hat Herr B gegenüber Dritten unstreitig von sich gegeben. Warum sollte der Kläger dies nicht in Wahrnehmung seiner Rechtsverfolgung in den Prozess einführen dürfen? Der Kläger hat hieran ein berechtigtes Interesse, weil es Herr B war, der die Kündigung maßgeblich vorbereitet hat.

Gleiches gilt hinsichtlich der Behauptung, Herr B führe einen persönlichen Feldzug gegen den Kläger etc.

c) Weiter hilfsweise:

Von anderer Natur sind allerdings die Erklärungen des Klägers zum Wettbewerbsverhalten der Beklagten.

Bei isolierter Betrachtung ist sowohl die schriftsätzliche Ausführung des Klägervertreters, von der der Kläger sich nicht distanziert hat, die Beklagte führe einen "äußerst rigorosen und bedenklichen Wettbewerb nach dem Grundsatz, der Zweck heilige die Mittel, oberstes Gebot sei, die Kunden zu halten", als auch die in mündlicher Verhandlung vom 08.09.1999 gemachte Aussage, "Kunden werden bestochen und bedrängt", durchaus geeignet, die Beklagte zu diffamieren und ihren Ruf zu schädigen. Allerdings kann der Kontext, in den diese beiden Zitate eingebettet sind, nicht ausgeblendet werden. Beide Erklärungen stehen ersichtlich in einem inneren Zusammenhang mit denjenigen Vorwürfen, die die Beklagte gegenüber dem Kläger erhoben hat. Der Kläger hat nicht irgendwelche beliebigen und andersartigen Vorwürfe gegenüber der Beklagten erhoben, sondern solche von gleicher Qualität. Die Beklagte mag demgegenüber einwenden, die Vorwürfe des Klägers seien im Gegensatz zu ihren eigenen völlig haltlos und ohne Substanz. Dies stimmt jedoch nicht ganz. Wie die obigen Ausführungen zum Kündigungsgrund deutlich machen, konnte auch die Beklagte nicht völlig schlüssig und widerspruchsfrei darlegen, aus welchen Gründen das dem Kläger vorgeworfene Verhalten rechtswidrig und vorsätzlich sei. Bereits oben - S. 15 - wurde ausgeführt, dass die Beklagte entgegen ihrer prozessualen Verpflichtung zu vollständigem und wahrheitsgemäßem Sachvortrag (§ 138 Abs. 2 und 4 ZPO) sich zu der von dem Zeugen A geschilderten Strategie der Fa. xy nicht geäußert und damit die Behauptung aufrecht erhalten hat, das Verhalten des Klägers sei evident rechtswidrig. Die Kammer hält es daher für treuwidrig i.S. von § 242 BGB, dem Kläger in Gestalt der geschilderten Auflösungsgründe ein Verhalten vorzuwerfen, das ersichtlich Ausdruck seiner momentanen Verzweiflung und Verbitterung über das prozessuale Verhalten der Beklagten war. Die vom Kläger getroffene Feststellung, die Beklagte messe mit ungleichem Maß, trifft zumindest in gewisser Hinsicht hinsichtlich ihres prozessualen Verhaltens zu.

Es kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger um seine wirtschaftliche Existenz kämpfte. Als er zu Anfang September 1999 die ihm vorgeworfene Erklärung abgab, dauerte der Prozess bereits etwa elf Monate an. Seit etwa zwölf Monaten war er im Ungewissen über die Wirksamkeit der außerordentlichen und der vorsorglich ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Als nahezu 60jähriger Arbeitnehmer konnte er sich keine allzu großen Chancen auf dem Arbeitsmarkt ausrechnen, wenn er sich anderweitig bewerben würde. Die hieraus erwachsene Nervosität war ersichtlich der Auslöser für seine mündliche Entgleisung vom 08.09.1999. Diese Situationsbedingtheit der Äußerungen spricht gegen die Annahme, dass sich derartiges wahrscheinlich nach gerichtlicher Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen wiederholen werde. Eine derartige negative Prognose verlangt jedoch § 9 KSchG.

Außerdem kann nicht außer acht gelassen werden, dass die Beklagte selbst einräumen muss, dass der Vorwurf des Klägers, Kunden würden "bedrängt", gar nicht so haltlos ist. Schließlich hat die Beklagte die Zahlung von "Plazierungsprämien" an ihre Kunden eingeräumt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden Prämien wähl nur gezahlt, wenn das Konkurrenzprodukt entfernt und das eigene Produkt im Schaufenster "plaziert" wird.

4. Da die Beklagte mithin im vollen Umfang unterliegt, trifft sie die Kostenlast erster und zweiter Instanz.

Ende der Entscheidung

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